050820 Bollywood

  • August 2019
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nzz

20.08.05

Nr.193

Seite55

zh

Teil01

Indiens Traumproduzenten in Zürich Bollywood-Filme als mögliche Tourismusförderung? Die Schweiz ist als Drehort für indische Filme seit längerem beliebt. Weil das Kino in Indien einen grossen Stellenwert besitzt, eignen sich diese Produktionen hervorragend zur Tourismusförderung. Auch die Stadt Zürich möchte von diesem Effekt profitieren. Doch der Wettbewerb unter den Filmschauplätzen ist härter geworden. luc. Die Szenerie ist reichlich schräg: Auf einem beschaulichen Grabfeld des Friedhofs Sihlfeld – der Himmel ist an diesem Donnerstagmorgen stimmungsvoll grau verhangen – hat sich eine gut 30-köpfige Filmcrew aus Indien eingerichtet. Zwischen den Gräbern schlängeln sich Kabel hindurch, der Kameramann sitzt erhöht auf seinem Kran, Beleuchter und Tontechniker wuseln eifrig über das Set. Der Schweizer Statist, der den Priester spielt – damit das auf jeden Fall klar wird, hat man ihm ein gigantisches goldenes Kreuz umgehängt –, wartet stoisch auf seinen Einsatz. Regisseur Mohit Suri steht auf einem Holzkistchen, zieht an einer Zigarette und schreit Anweisungen in sein Funkgerät: «Camera!» Der Kameramann – er ist etwa drei Meter entfernt – antwortet ebenfalls per Funkgerät: «Rolling!», worauf Suri den ersehnten Befehl gibt: «Action!»

Kritik an den Stadtbehörden Für zwei Wochen ist das Produktionsteam aus Mumbai, der indischen Filmmetropole, in Zürich, um den Film «Kalyug», der grösstenteils in Zürich spielt, zu drehen. Es sei die Liebesgeschichte eines jungen Pärchens; die Frau verlasse Indien und gehe nach Zürich, der Mann folge ihr, umreisst Produzent Mukesh Bhatt vage die Geschichte. Erst die Nachfrage bei Regisseur Suri, der in seiner Heimat als Jungtalent gilt, enthüllt Genaueres: Es sei eine klassische Rache-Geschichte, sagt Suri, angesiedelt in der «westlichen Welt des Menschenhandels und der Pornographie». Das Arbeiten in Zürich sei sehr angenehm, meint Suri, nur die Sache mit den Bewilligungen hätte vielleicht etwas einfacher ablaufen können. Deutlich weniger diplomatisch kommentiert Produzent Bhatt diese Angelegenheit: Er habe keinerlei Unterstützung erhalten, enerviert er sich; dabei habe er schon oft in der Schweiz gedreht, und er liebe dieses Land über alles. «Aber diesmal gehe ich traurig nach Hause», fügt er mit einigem Pathos hinzu. Kritik äussert auch Roger Neuburger von der Firma Allabout, welche die Produktion von «Kalyug» in der Schweiz begleitet. Enttäuscht ist Neuburger aber nicht nur über das aus seiner Sicht mühsame Bewilligungsverfahren in Zürich, sondern vor allem über mangelnde finanzielle Unterstützung. Einzig von Zürich Tourismus habe er 3000 Franken bekommen. Dabei seien Bollywood-Filme, wie die indischen Produktionen in Anspielung an die amerikanische Traumfabrik Hollywood genannt werden, sehr gute Werbung für das Tourismusland Schweiz. – Maurus Lauber, der Marketingverantwortliche von Zürich Tourismus, betont seinerseits, dass seine Organisation normalerweise Filmproduktionen keine finanzielle Unterstützung gewähre. Weil der indische Markt aber grosses Potenzial habe, sei bei «Kalyug» eine Zahlung gerechtfertigt. Er verstehe die Kritik des Produktionsteams durchaus, sagt Lauber, und würde sich selber mehr Mittel für die Mitfinanzierung von Filmdrehs in Zürich wünschen. Andere Länder würden hier grosse Summen einsetzen, was dazu geführt habe, dass die indischen Produzenten anspruchsvoller geworden seien. Nach Laubers Meinung sollten Stadt und Region Zürich ein

Budget für Imagewerbung im Film bereitstellen.

«Finanzhilfe politisch nicht durchsetzbar» In die entgegengesetzte Richtung denkt JeanPierre Wollenschläger, Pressesprecher der Stadtzürcher Wirtschaftsförderung. Auch er glaubt, dass die in der Schweiz gedrehten BollywoodFilme der Image- und Tourismusförderung dienen. Man habe «Kalyug» deshalb organisatorisch geholfen, erklärt Wollenschläger. Finanzielle Unterstützung von Seiten der Stadt wäre aber politisch kaum durchsetzbar, sagt er und spielt den Ball zurück an die Privatwirtschaft. Maurus Lauber, dessen Organisation hauptsächlich von den Hoteliers finanziert wird, ist sich dieses Dilemmas bewusst: «Im Moment gibt es niemanden, der die Vermarktung von Zürich in der Welt an die Hand nimmt.» Auch für die Kritik am Bewilligungsverfahren zeigt Lauber gewisses Verständnis, während Andreas Weibel vom Büro für Veranstaltungen bei der Stadtpolizei widerspricht und erklärt, man habe versucht, die Wünsche der Filmcrew so gut wie möglich zu erfüllen. Inzwischen hat sich die Filmcrew auf die Polyterrasse verschoben. Dort soll eine Szene gedreht werden, in welcher eine Horde Journalisten die Hauptdarstellerin bestürmt. Obwohl es deutlich wärmer geworden ist, tragen die indischen Crewmitglieder immer noch ihre Wollpullover, während sie eine für die Szene benötigte und plötzlich verschwundene Polizeiuniform suchen. Als dann alles zum Dreh bereit ist, mangelt es an Statisten, weshalb man zufällig anwesende ETH-Studenten – besonders die indischen – um Mithilfe bittet. Und auch der Berichterstatter und eine Kollegin vom Westschweizer Fernsehen werden kurzerhand zu Statisten erklärt.

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