Wing Tsun "Ausprobieren" Oft geschieht es, daß neue Schüler oder Schülerinnen enttäuscht sind, wenn sie Ihre gelernten Techniken mit Freunden oder Verwandten ausprobieren. Andere hingegen sind begeistert von der durchschlagenden Wirkung des WT. Woran liegt dies? Es gibt zwei Faktoren, die für eine Enttäuschung verantwortlich sind. Zum Ersten ist es oft so, daß die Technik noch nicht ausreichend beherrscht wird. Selbst kleine Fehler in der Ausführung verhindern schon den Erfolg. Zum Zweiten, und dies ist der wichtigere Grund, ist WingTsun eine kompromißlose Selbstverteidigung. Ziel der Anwendung von WingTsun in der Selbstverteidigung ist die Herbeiführung einer (vorübergehenden) Handlungsunfähigkeit des Angreifers (vornehm ausgedrückt). Dies kann eine ernsthafte Verletzung sein, oder auch das Zufügen von Schmerz, um den Angreifer von seiner Absicht abzubringen. WingTsun besteht aus Schlagen und Treten, auch Beißen, Kratzen ist in besonderen Situationen angebracht. Ohne die Bereitschaft, dem Angreifer Schmerz zuzufügen, oder ihn auch zu verletzen, geht es nicht. Wir lernen, zu Schlagen und zu Treten. Wenn wir dies, aus Angst, den anderen zu verletzen, nicht tun, was bleibt dann? Die einfachen Befreiungen und Kampfanwendungen, die ich gerne an Anfänger unterrichte, sind nicht die eigentlichen, knallharten WT-Kampftechniken. Es sind Bewegungsübungen, die Motorik und Gefühl für den Trainingspartner entwickeln. Als Kampftechnik funktionieren sie hervorragend, sind aber aus dem Zusammenhang gerissen. Der Zusammenhang ist die Aggressivität und die Flexibilität; die Bereitschaft, den anderen zu verletzen und die Fähigkeit, von einer Technik in die andere zu gleiten. Erst im 11. Schülergradprogramm, nach ca. 3 Jahren Training, werden sanfte Mittel unterrichtet. Hier entsteht die Fähigkeit, einen Angreifer sanft zu überwältigen, ihn zu kontrollieren. Wie sollte dies einem Anfänger möglich sein? Die Schüler und Schülerinnen, die beim "Ausprobieren" zufrieden waren, waren die, die energisch und ohne, hier falsche, Zurückhaltung ihre Kenntnisse einsetzten. Eine Teilnehmerin eines Frauenselbstverteidigungskurses hat ihrem Freund eine Rippe gebrochen. Grundsätzlich rate ich dem Anfänger vom "Ausprobieren" ab. Einer ist immer unzufrieden. Entweder der zu zaghafte WT-Anwender oder der Schmerzen erleidende Tester. Wer auf ein "Ausprobieren" nicht verzichten will oder kann, soll sich an folgende Regel halten. Wir denken vor allem an uns und sorgen dafür, daß der Tester seinen Versuch nicht wiederholen will. Wir gewinnen Selbstvertrauen, der andere bekommt Respekt. Kampfkunst unter dem Aspekt der Selbstverteidigung ist in der Anwendung sehr egoistisch (Nicht aber beim Trainieren). Sportliche Gedanken (Möge der Bessere gewinnen) sind uns fremd. In der Selbstverteidigung geht es ums Gewinnen, und zwar um jeden Preis. Verlieren ist keine sportliche Niederlage, es gibt keine guten Verlierer. Verlieren heißt die Gesundheit oder auch das Leben zu verlieren.
Der Kampf zwischen Fuchs und Kranich, der Ng Mui bei der Erschaffung des WingTsun inspirierte, war auch kein Ausprobieren.