Die Politik - egal zu welcher Zeit - befindet sich in einem Dilemma. Einerseits unterliegt sie st�ndigen Pr�missen, und andererseits m�chte sie das gesellschaftliche Leben gestalten. Die Ver�nderung seiner Umwelt durch den Menschen ist immer nur in dem Rahmen m�glich, der ihm gegeben ist. Die Verwirklichung von Utopien wirklich funktionierender Gesellschaften liegt damit fern seiner Macht. Viele Menschen nennen diesen Rahmen "System". Das System sind die zun�chst unab�nderlich erscheinenden Dinge, die uns umgeben. Teilweise sind es rechtliche Vorschriften (Gesetze), zum anderen Teil sind es Verh�ltnisse (beispielsweise die Verteilung von Privatbesitz oder soziale Verh�ltnisse) und manchmal sind es auch Dinge, die einfach historisch so erwachsen sind (beispielsweise Staatsgrenzen). Nun m�chte ich diese Dinge nicht verteufeln. Sie sind ja nicht nur schlecht - und sie haben uns als Menschen ja auch teilweise mit gestaltet. Nur sind es oft diese Gegebenheiten, die eine einfache, in sich geschlossene Politik - ich meine damit eine Politik die nicht reagiert, sondern agiert, die nicht gestaltet sondern schafft - unm�glich machen. Die Axiome der Politik bestimmen zu einem Gro�teil ihren Lauf. Es gibt nicht wenige Menschen, die daher dazu aufrufen, das System zu �ndern. Sie stellen nicht mehr die Schl�sse in Frage, die die Politik zieht, sondern die Strukturen, die f�r diese Schl�sse urs�chlich sind - oder die Strukturen, von denen sie glauben, dass sie einen negativen Einfluss auf die praktische Politik haben. Das ist eine schwierige Angelegenheit. Denn in der Frage, welche Aspekte eine bessere Politik behindern, spalten sich die Gem�ter. Die einen m�chten Besitzverh�ltnisse aufheben - die anderen m�chten Gesetze abschaffen - und wieder andere m�chten den F�hrer zur�ck, damit er die Staatsgrenzen erweitert. Da das Ganze sehr ideologisch angehaucht ist, gibt es da auch wenig Konsistenz - und noch weniger Konsens. Den meisten Gemein ist aber der Weg - und es ist ein Weg, den ich f�r wenig zielf�hrend halte: Die Rahmenverh�ltnisse sollen mit Hilfe von Machtpolitik und vor allem f�r die Politik, die als ein Instrument gedacht wird, ver�ndert werden. Dadurch wird aber das Kernproblem nicht angegangen, das darin besteht, dass der Mensch seine Verh�ltnisse nicht direkt schaffen kann, denn die Politik als ein Mittel zum Zweck erschafft Verh�ltnisse nur indirekt, indem sie Bedingungen erstellt. Sie verfremdet die urspr�ngliche Utopie, indem sie die Probleme abstrahiert. Das Einzelschicksal wird generalisiert, ausgeblendet - und somit wird erst das Schicksal eines ganzen Volkes in seine Rahmen gepresst. Es wird systematisiert. Die Politik als ein gesetzgeberisches Instrument ist viel zu grob. Sie kann beispielsweise Ressourcen nur nach wenigen Kriterien verteilen. Sie kategorisiert. Die Beurteilung konkreter Situationen ist ihr daher fremd. "Gleiches Recht f�r alle" - sagt man so sch�n. Das ist manchmal wichtig - aber auf der anderen Seite macht es die L�sung bestimmter Probleme f�r die Politik unzug�nglich. Die Ideologie versucht nun diese Probleme dadurch zu l�sen, dass sie das Verh�ltnis der Politik zum Menschen �ndern m�chte. Sie m�chte aber das Verh�ltnis nicht aufheben, sondern in den meisten F�llen gar erstarken. Der Mensch bleibt dabei ein gedachtes, abstraktes Gebilde - ein Konsument, ein Objekt des Rechts, eine anthropologisch gedachte Zelle der Gesellschaft. Die Ideologie sagt: Alle Menschen sind gut - alle Menschen sind schlecht - alle Menschen sind dies oder das; oder alle Menschen befinden sich in dieser oder jener Situation. Sie sagt nicht "Alle Menschen sind verschieden und ihre Bed�rfnisse m�ssen stets neu verhandelt werden", sondern sie generalisiert die Menschen zu einer Masse, die sie zu formen versucht. Das ist ein Problem der Politik, auch der Demokratie. Sie ist tr�ge, weil sie stets einem bestimmten Zeitgeist folgt - einer Situation, die f�r alle Menschen angenommen wird, obwohl sie blo� eine Mehrheit betreffen. Meine �berzeugung ist, dass bessere Politik vor allem durch Politik verhindert
wird - und vor allem durch die Verschwendung von Idealismus in die Politik. Erst die Zur�ckf�hrung der Ideen auf das, was ihnen gemein ist, auf die konkrete Utopie - das direkte, unmittelbare, unpolitische Miteinander - ist in ihrem Resultat unsystematisch und l�sst dann das Notwendige so zum Vorschein kommen, wie es tats�chlich ist - um damit Politik wieder freiwillig zu machen. Oft wird Systemkritik so abstrakt begriffen, so worth�lsenreich. Doch betrachten wir die Realit�t, so stellen wir fest: Gesetze gibt es nicht. Es gibt nur Papier. Verh�ltnisse gibt es nicht. Es gibt nur G�ter und Menschen. Staatsgrenzen gibt es nicht. Es gibt nur Grenzbeamte. Wie diese Dinge im Zusammenhang stehen - und weshalb die Menschen sie in diesen Zusammenh�nge glauben, das nennt man System. Alle Systeme sind willk�rliche Einteilungen des Menschen, Theorien, die geglaubt werden. Deshalb kann es bei dem Versuch, ein System zu ver�ndern, auch nicht um die Theorie gehen. Ich glaube, es ist falsch, immer zu abstrahieren, denn dann ist der Mensch, um den es doch geht, der N�chste so fern, wie ein Objekt. Ich will die Welt nicht in Gesellschaften oder in Verh�ltnisse einteilen - und auch nicht in Atome oder Quanten, sondern ich will in dieser Welt die Menschen sehen und ihre Bed�rfnisse. Zwischen Idealismus und Materialismus steht letztendlich der Mensch und zu Recht fragt er sich, welche Rolle er spielt, wenn die Politik lediglich sich selbst, ihre eigenen Mechanismen kommuniziert, in sich geschlossen ist, vom Menschen so weit weg, so entfremdet. An dieser Frage krankt er, geht unter in einer Welt, in der man vor lauter Wald, vor lauter Masse, den Baum, den N�chsten nicht sieht. Das ist ein Missstand - ein so gro�er, dass es mich verwundert, dass er doch nur wenigen auff�llt. Doch die Politik kann nicht anders. Sie ist systematisch, sie denkt systematisch, weil sie die �bersicht braucht, die Berechen- und Beherrschbarkeit des Menschen. Die Politik herrscht, weil sie von wenigen gemacht wird, weil die Menschen selbst aufgeh�rt haben, Politik zu machen - zu helfen, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie die Verh�ltnisse aussehen m�ssen. Doch ohne diese Vorstellung, ohne den Menschen, der wieder Politik macht, der sich im Privaten organisiert, wird die Politik so bleiben wie sie ist - und sie wird diesen Missstand nicht l�sen k�nnen, weil sie systematisch ist. Zwangsl�ufig. Das System �ndern bedeutet, den Menschen wieder als Menschen zu denken - und der Aufruf zur �nderung des Systems ist ein Aufruf dazu - zum Handeln gegen�ber dem N�chsten.