Bildungsprozesse im und am explizit normierten Raum
Über die emotional entlastende Funktion explizit normierter Räume und den Bildungswert von Raumtrennung
Seminararbeiten zu: Dr. Henning Schluss: 190204 SE Standards-Kompetenzen-Evaluation - Neue Begriffe der Erziehungswissenschaft in bildungstheoretischer Perspektive Mag.a. Sabrina Schrammel: 190074 SE Bildung, Medien und gesellschaftliche Transformation Pädagogik und Raum
WS 2008
Institut für Bildungswissenschaft und Philosophie Universität Wien
Mario Spassov
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Erklärung Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich meine Matrikelnummer korrekt angegeben habe und dass ich im aktuellen Semester berechtigt bin, Prüfungen im Rahmen jener Studienrichtung abzulegen, deren Studienkennzahl ich korrekt und vollständig angegeben habe. Ich bin immatrikuliert, habe die angeführte Studienrichtung inskribiert und habe die Studiengebühr sowie den ÖH-Beitrag eingezahlt. Überdies bestätige ich mit meiner Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit eigenständig verfasst habe und dass die dabei verwendeten Quellen im Literaturverzeichnis vollständig angeführt sind. Die vorliegende Arbeit wurde zudem nicht für den Zeugniserwerb im Rahmen einer anderen Lehrveranstaltung verwendet.
Wien, im März 2009
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Table of Contents Einleitung.........................................................................................................................................5 I. Ein Fallbeispiel........................................................................................................................5 II. Die Problemstellung...............................................................................................................6 III. Die Fragestellungen und Ergebnisse.....................................................................................9 Fragestellung I - “Inwiefern können explizierte normative Vorgaben Hemmungsgefühle in Lernsituationen entschärfen?”.....................................................................................................9 Fagestellung II - “Inwiefern hat (virtuelle) Raumtrennung eine bildungsfördernde Funktion?” ...................................................................................................................................................10 IV. Methode...............................................................................................................................11 Teil I. Die enthemmende Funktion expliziter Normierung................................................................12 1. Die Legitimation von Bildungsstandards aus Sicht der PISA-Studie........................................12 I. Wozu Bildungsstandards?......................................................................................................12 II. Kritik an der Forderung nach Bildungsstandards.................................................................13 III. Der Sinn der Explikation von Standards aus Sicht der beteiligten LernerInnen................15 2. Standards als zur Erfüllung aufrufende Handlungsaufforderungen...........................................16 I. Standards als explizierte Normen..........................................................................................16 II. Der normative Gehalt von Deskriptionen............................................................................17 III. Handlungsaufforderungen existieren nur vor einem “Background” anderer Handlungsaufforderungen.........................................................................................................18 3. Institutionalisierte Räume als immer schon vornormierte Räume.............................................19 I. Insitutionlisierte Räume sind immer schon durch Institutionen vornormiert........................19 II. Durch den Lehrveranstaltungsleiter vorgenommene Normierungen...................................20 III. Durch die StudentInnen vorgenommene Normierungen....................................................21 4. Normen bieten sich zur Identitätskonsitution an.......................................................................24 I. Die Bedeutsamkeitsbeziehung von Bewusstsein...................................................................24 II. Die identitätskonstitutive Funktion von Kompetenz............................................................25 III. Identität als der erschlossene moralische Raum von Bedeutsamkeitsbeziehungen............26 IV. Die “Garantenstellung” von Bezugspersonen für gelungene Identitätskonstruktion.........27 V. Hemmungssituationen bei Nichterfüllen von interiorisierten Handlungsaufrufen...............28 VI. Subjektive Bedeutsamkeitsrelationen, nicht “objektive” Leistung sind identitätskonstitutiv ...................................................................................................................................................29 5. Ausdeutung des Fallbeispiels.....................................................................................................30 I. Die Garantenstellung der Institution......................................................................................30 II. Die Garantenstellung des Lehrveranstaltungsleiters............................................................30 III. Die Garantenstellung der StudentInnen untereinander.......................................................32 IV. Die Unmöglichkeit der Gerechtwerdung von Handlungsaufrufen in normativ überladenen Räumen.....................................................................................................................................32 6. Explizite Normierung als Ermöglichungsbedingung von Commitment....................................34 I. Die konstruktive Freiheit von Bewusstsein: das Commitment..............................................34 II. Minimalnormen als Voraussetzung für Schutzräume...........................................................35 III. Differenzierung von Commitments am Beispiel der besprochenen Lehrveranstaltung.....36 7. Resumée.....................................................................................................................................39 I. Die hemmende Funktion von Normen..................................................................................39 II. Der normativ “überladene” Lehrveranstaltungsraum...........................................................40 III. Normative “Entladung” des Lehrveranstaltungsraums durch explizite Normierung.........41 Mario Spassov
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Teil II. Bildungsfördernde Aspekte bewusster Raumtrennung..........................................................43 1. Räume........................................................................................................................................43 I. Drittpersonaler vs. erstpersonaler Raum................................................................................43 II. Raum als (An)Ordnung von Gegenständen..........................................................................44 III. Relativer vs. absoluter Raum..............................................................................................46 2. Räume als Veräußerlichung von Bewusstsein...........................................................................49 I. Raumstrukturen spiegeln Bewusstsein wieder......................................................................49 II. Räume werden über Normen konstituiert............................................................................51 III. Das Beispiel der Lads - einander nicht begegnende Bewusstseine.....................................53 IV. Räume als erschlossene Handlungsaufrufe spiegeln die Erschlossenheit von Identität.....54 3. Vom Bildungswert explizit normierter und damit differenzierter Räume.................................57 I. Bildung..................................................................................................................................57 II. Ausdeutung des Fallbeispiels...............................................................................................58 III. Bildungsfördernde Aspekte expliziter Normierung am Beispiel bewusster Raumtrennung ...................................................................................................................................................59 4. Raumtrennung anhand expliziter Normierung – eine praktische Umsetzung...........................61 I. Der persönliche Artikulations-Raum - Artikulation der individuellen Identitätskonzeption 61 II. Der Professions-Raum - Artikulation der Identitätskonzeption der Profession...................62 III. Der Diskussions-Raum - wo Identitäten einander als noch-Fremdes verstehend begegnen ...................................................................................................................................................63 5. Resumée.....................................................................................................................................64 I. Räume als Ausdruck von Identität.........................................................................................64 II. Artikulation von Identität als Voraussetzung für Bildung....................................................65 III. Umsetzung von Raumtrennung mittels explizierter Normierung im Fallbeispiel..............66 Nachwort........................................................................................................................................67 Bibliographie......................................................................................................................................70
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Einleitung I. Ein Fallbeispiel An der Universität Wien wurde im Wintersemester 2008 im Rahmen einer Vorlesung zum Thema “Bildungsprozesse an Bildungsinstitutionen aus Sicht der psychoanalytischen Pädagogik”1 das folgende didaktische “Experiment” durchgeführt: die “orthodoxe” Rollenverteilung innerhalb des universitären Rahmens, die vorsieht, dass Lehrpersonen LernerInnen gegenübergestellt werden, wurde teilweise aufgehoben. Stattdessen waren alle an der Lehrveranstaltung beteiligten StudentInnen dazu aufgerufen, den Inhalt der Lehrveranstaltung kollaborativ mitzugestalten. Sie konnten sich dabei mit Ideen und Einwänden zum Thema, entweder während der Präsenzzeit, in der sehr viel Raum für Diskussionen eingeräumt wurde, oder über eine virtuelle Lernplattform einbringen. Der Lehrveranstalter ging zu Beginn jeder Vorlesung auf theoretische Grundbegriffe und Modelle aus dem Professions-Diskurs der psychoanalytischen Pädagogik ein. Diese wurden jedoch nicht einfach vorgetragen, sondern StudentInnen dazu aufgerufen, ihre Assoziationen zu den genannten Begriffen und Modellen diskursiv einzubringen, sowie nach Verknüpfungen des jeweiligen Begriffs mit dem Thema der Lehrveranstaltung zu suchen. Im Forum war zudem mehr Freiraum, als in den Präsenzdiskussionen eingeräumt. Die StudentInnen wurden eingeladen, sich frei zu allen Themen zu artikulieren, sofern diese in einem herstellbaren Zusammenhang mit den in der Lehrveranstaltung aufgeworfenen Grundproblemen standen. Der unorthodoxe Aufbau der Lehrveranstaltung wurde durch ihr Thema, “Bildungsprozesse an Bildungsinstitutionen”, legitimiert. Die Lehrveranstaltung selbst, als an einer Bildungsinstitution stattfindende, sollte ihr eigener Gegenstand werden. Und die Aufforderung an StudentInnen, sich theoretische Modelle in diskursiver Form kollaborativ zu erschließen, sollte den zweiten Gegenstand der Lehrveranstaltung, Bildungsprozesse an Bildungsinstitutionen, anregen. Die im Forum geführten Diskussionen wurden vom Lehrveranstaltungsleiter teilweise in der Präsenzzeit aufgegriffen und als Beispiel für Bildungsprozesse an der Bildungsinstitution “Universität Wien” herangezogen. Die StudentInnen generierten den Gegenstand der Lehrveranstaltung durch ihre eigenen Reflexionsprozesse, zum zuvor abstrakt gefassten Gegenstand2. Zudem wandten sie 1 Der genaue Titel der Lehrveranstaltung lautete „Individuum und Entwicklung – Entwicklung und Bildung 3. Schule, Familie und andere Bildungsinstitutionen als Themen der Entwicklungspädagogik“. 2 In der Lehrveranstaltung selbst wurde der kollaborative Aufbau wie geschildert legitimiert.
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zugleich die - über den Lehrveranstaltungsleiter in die gemeinsame Diskussion eingeführten Grundmodelle der Profession “Psychoanalytische Entwicklungspädagogik” auf ihre eigenen Reflexionsbemühungen an.
II. Die Problemstellung Die Lehrveranstaltung war der dritte Teil eines auf vier Semester angelegten Zyklus. Im genannten Semester war sie kollaborativer gestaltet, als in den zwei Semestern davor, doch begann die TeilnehmerInnenzahl nach der dritten Lehrveranstaltungseinheit rapide abzunehmen, was in den Semestern davor nicht in diesem Maße beobachtbar war. Von ca. 120 Anmeldungen in der Lernplattform und geschätzten 80-100 StudentInnen, die an den ersten Präsenzterminen teilnahmen, begannen nur mehr geschätzte 40-50 regelmäßig in die Lehrveranstaltung zu kommen - und auch diese Zahl nahm bis zum Ende des Semesters noch ab. Während in den ersten drei Wochen die Diskurse im Forum aufblühten, nahmen auch sie nach dieser regen Aktivität signifikant ab. Gegen Ende des Semesters gab es im letzten Monat praktisch keine Diskussionsbeiträge mehr. Lediglich eine relativ kleine Gruppe von ca. einem Dutzend StudentInnen, beteiligte sich regelmäßig an den Forumsdiskussionen.
Sie
wurde
vom
Lehrveranstaltungsleiter
-
teils
provokativ,
um
Diskussionsprozesse im Forum anzuregen - als “Elite” bezeichnet und im Forum ein Thread mit der Frage eröffnet, wie die “Elitebildung” verhindert und bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden könnten, um mehr StudentInnen zu Kollaborationsprozessen zu motivieren. Dieser Rückgang wurde zunächst darauf zurückgeführt, dass in diesem Semester -zum ersten mal seit Beginn des Zyklus - regelmäßig nach jeder Sitzung Lehrveranstaltungsprotokolle auf der Lernplattform allen zur Verfügung gestellt wurden. Zudem gab es Tonmitschnitte jeder Lehrveranstaltung und die Ankündigung eines Skriptums, welches zu Ende der Semesters folgen sollte. Neben diesen Hilfmitteln, die ein Absolvieren der Lehrveranstaltung ohne aktive Teilnahme erleichterten, wurden von StudentInnen auch folgende mögliche Ursachen für die Elitebildung einerseits dem Verfasser dieser Arbeit, der sich als “Klassensprecher” zur Verfügung gestellt hatte, ebenso wie im Forum - artikuliert:
- Einige KollegInnen fühlten sich von den Diskursen im Forum und der Präsenzzeit
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“eingeschüchtert” und hatten das Gefühl, sich nicht so „wortgewandt“ wie andere ausdrücken zu können, oder Gedanken nicht so klar fassen zu können. - Der vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführte “Elitebegriff” wurde von vielen als “erst recht abschreckend” empfunden. StudentInnen berichtetem von dem Gefühl, in der Lehrveranstaltung nur willkommen zu sein, wenn sie bereit wären, sich aktiv im Forum zu beteiligen; “bloßes” Zuhören wurde dagegen, wie der wertende Elitebegriff implizierte, als abgewertet empfunden. - Auch die Diskurskultur im Forum wurde kritisiert. Einige fühlten sich - weil im Forum nicht auf
jeden
Beitrag
geantwortet
wurde
-
nicht
ernst
genommen.
Und
auch
der
Lehrveranstaltungsleiter griff jeweils bestimmte Beiträge in der Präsenzzeit auf, die meisten jedoch blieben unberücksichtigt und unbeantwortet. - Viele berichteten, dass die anfängliche Flut an Beiträgen im Forum für sie nicht zu bewältigen war. Fehlte man an einer oder zwei Sitzungen, war die Anzahl von Diskursen, die v.a. in den ersten Wochen entstanden, nicht mehr zu bewältigen. - Andere äußerten das Bedenken, die Lehrveranstaltung sei wie eine therapeutische Situation gestaltet, in der der Therapeut (in diesem Fall der Lehrveranstaltungsleiter) von sich aus wenig einbringt sondern primär Fragen stellt und Antworten kommentiert. Sie empfanden diese Interaktionsform als für den Rahmen einer Vorlesung inadäquat. - Auch die “doppelte Nähe” wurde als dem Setting einer Vorlesung nicht angebracht empfunden. Die Diskurse sollten eine “Begeisterung” und “Nähe” zu den besprochenen Grundthemen eröffnen, ebenso wie die persönliche Stellungnahme im Forum - mit eigenem Foto und echtem Namen im Profil - eine “Nähe” zwischen den StudentInnen generieren sollte. Diese doppelte Nähe empfanden einige als “hemmend”. Und zudem auch das Gefühl schlechtes Gewissen zu haben, wenn man sich nicht so sehr für die Sache engagiert, wie der Lehrveranstaltungsleiter es sich wünscht3.
Ausgehend von den im Forum artikulierten Bedenken, wurde zu Semesterende nach den Prüfungen vom Autor dieser Arbeit eine Evaluation durchgeführt, die erheben sollte, inwiefern diese Bedenken von den StudentInnen geteilt wurden. Dabei gab es zwei positive Überraschungen. Einerseits wurde bei der Prüfung der beste Notendurchschnitt erreicht, seit Bestehen des Zyklus. Andererseits war trotz der Abnahme der “aktiven” und “kollaborativen” TeilnehmerInnenzahl, das 3 Die Diskussionen um die möglichen Ursachen für den sich leerenden Hörsaal fanden in einem geschlossenen Forum statt und sind nicht öffentlich zugänglich.
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allgemeine Feedback sehr positiv. Die meisten StudentInnen (42 von 54)4 gaben an, in der Lehrveranstaltung viel mitgenommen zu haben. Herausstechende Kritikpunkte jedoch waren, dass die Grundthemen zu wenig vom Lehrveranstatlungsleiter in der Präsenzzeit erklärt wurden (stattdessen gab es einen Background-Bereich im Forum, in dem StudenInnen selbständig Grundthemen nachlesen mussten), und andererseits, dass zu wenig Struktur für kooperative Teilnahme vorgegeben wurde. Der Großteil der StudentInnen war generell zu Kooperation bereit (35 von 54), jedoch unter geklärten Aufgabenstellungen sowie unter der Bedingung, dass die kooperativen Bemühungen auch positiven Einfluss auf die Note haben sollten. Ein Bedenken wurde von den StudentInnen besonders häufig bestätigt und soll in dieser Arbeit aufgegriffen werden. Die meisten der befragten gaben an (23 von 54), sich nicht am Forum beteiligt
zu
haben,
weil
sie
sich
eingeschüchtert
fühlten.
Und
dies,
obwohl
der
Lehrveranstaltungsleiter - wann immer die Teilnahme im Forum Thema in der Präsenzzeit war betonte, dass jeder Beitrag, sei er auch noch so rhapsodisch, sei es eine bloße Frage, willkommen sei. Kein einziger Beitrag im Forum wurde vom Lehrveranstaltungsleiter oder von den StudentInnen als “falsch” oder “undurchdacht” beurteilt. Weder bestand die Gefahr, über “unqualifizierte” Beiträge die eigene Note herabzusetzen, noch wurde die Formulierung “unqualifiziert” vom Lehrveranstaltungsleiter überhaupt toleriert. Jeder Beitrag, so wurde von ihm betont, sofern er Artikulationsbemühung des eigenen Problembewusstseins darstellt, war willkommen und nach dem die Lehrveranstaltung begleitenden Bildungsbegriff5 Ausdruck von Bildungsprozessen, unabhängig von seinem propositionalen Gehalt. Trotz allem gab es in der Lehrveranstaltung scheinbar nichtsdestotrotz Hemmungsgefühle, sich im Forum zu beteiligen. Von diesem Problem geht diese Arbeit aus, und nicht von der Tatsache, dass die StudentInnenanzahl im Laufe des Semesters abnahm. Dies, wie die Evaluation und die guten Notenergebnisse nahe legen, war aus Sicht der StudentInnen nicht notwendiger Weise ein Problem. Im Gegenteil, ein Großteil der StudentInnen gab an, sich an der Lehrveranstaltung “passiv” beteiligen zu wollen und wollte diesen Modus auch offiziell “anerkannt” sehen (29 von 54).
4 Der Fragebogen ist dieser Arbeit beigelegt. 5 Bildung wurde hierbei verstanden als “In Sprache heben des Gewahrseins”.
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III. Die Fragestellungen und Ergebnisse Fragestellung I - “Inwiefern können explizierte normative Vorgaben Hemmungsgefühle in Lernsituationen entschärfen?” Ausgehend vom Problem der Hemmungen in der oben geschilderten Lernsituation, soll die Frage aufgegriffen werden, wie diese Hemmungsgefühle vor dem Hintergrund des relativ schwachen normativen Rahmens der Lehrveranstaltung verstanden werden können. “Schwache Normierung” meint hierbei, dass die Teilnahme am Forum an fast keine normativen Vorgaben - wie Stil, Reflexionsniveau, zu Rate gezogene Primärliteratur, gelernter Unterrichtsstoff etc. - gebunden war. Es wurden m.a.W. keine Minimalnormen oder Standards formuliert, an welche die Teilnahme im Forum gebunden war - die einzige Minimalnorm schien Fragebereitschaft. Und
Dennoch
gab
es
scheinbar
Hemmungsgefühle.
Teil
I
dieser
Arbeit
soll
bildungsphilosophisch zu klären versuchen, wie es zu Hemmungssituationen trotz mangelnder Normierungen kommen kann und ob nicht gerade klarere normative Vorgaben - anhand von Minimalnormen als Bedingung der Teilnahme im Forum - „enthemmend“ sein könnten. Dafür wird zunächst ein Blick in die Debatte um die Sinnhaftigkeit der Einführung von Bildungsstandards geworfen. Diese geht nicht von Hemmungsproblemen, sondern schlechtem Abschneiden der Länder im PISA-Vergleich aus. Dennoch könnte sich der Lösungsvorschlag der PISA-Studie, Mindeststandards einzuführen, auch von Hemmung entlastende Funktion für LernerInnen haben unabhängig davon, ob hiermit tatsächlich auch die Erwartungshaltung gegenüber gesteigerter Kernkompetenzen erfüllt werden kann oder nicht. Quasi unbeabsichtigte Folge der Einführung von Bildungsstandards könnte sein, so die Argumentation in Teil I der vorliegenden Arbeit, dass Hemmungen in Lernsituationen über die Artikulation von Erwartungshaltungen anhand von Standards entschärft werden könnten. Die Begründung der Empfehlung, Normen zu explizieren um Hemmungssituationen zu mildern, soll über den Umweg der Identitätsbildungsphilosophie Eriksons gesucht werden. Normen, verstanden als Handlungsaufforderungen, die neben der Handlungsaufforderung zugleich auch das Interesse der Auffordernden, dass diesen entsprochen werden solle vermitteln, haben teils identitätskonstitutive Funktion. Bewusstseine nehmen Normen m.a.W. nicht nur zur Kenntnis, sondern wo diese “verinnerlicht” wurden, werden sie zu einem integrativen Bestandteil des eigenen Selbstempfindens, werden “bedeutsam”. Sobald eine Norm jedoch auf diesen Weg zum Wert wird, entstehen potenzielle Hemmungssituationen. In der genannten Lehrveranstaltung gibt es mindestens
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drei Quellen für Normierungen: die Bildungsinstitution, der Lehrveranstaltungsleiter sowie die StudenInnen selbst. Diese Normierungen aber haben, wie gezeigt werden soll, nicht die Gestalt expliziter Handlungsvorgaben, sondern vielmehr implizierter Handlungserwartungen. Gerade diese implizite Normativität der oben geschilderten Unterrichtssituation, könnte zur einer normativen Überladung des Unterrichtsraums geführt haben, der man prinzipiell als endliches Bewusstsein nicht
gerecht
werden
kann.
Eine
Explizierung
bestimmter
Normen
als
offizielle
Teilnahmebedingungen an den Foren, könnte dagegen von vereinnahmenden Hemmungen entlastende und zu Commitment anleitende Funktion haben.
Fagestellung II - “Inwiefern hat (virtuelle) Raumtrennung eine bildungsfördernde Funktion?” Ob explizite Normierung auch zudem eine bildungsfördernde Funktion haben könnte, soll in Teil II der Arbeit untersucht werden. Hierfür wird der Frage nachgegangen, inwiefern Raumtrennung im genannten Fallbeispiel bildungsfördernde Funktion haben könnte. Raumtrennung kann jedoch gerade anhand explizierter Normen vollzogen werden. Normierungen, das wird zu zeigen sein, schaffen Räume. Raum wird dabei in Anlehnung an Löw über Syntheseleistung und Spacing verstanden, d.h. (An)Ordung von Symbolen an einem Ort. Wie in Anlehnung an Bollnow, Gebser und Foucault gezeigt werden soll, sind Räume wiederum Wiederspiegelungen von Identität. Nimmt m.a.W. der oben genannte Lehrveranstaltungsleiter eine explizite Normierung der Teilnahmebedingungen am Forum vor, schafft er einen Raum, ordnet er Handlungen, Güter und Symbole auf bestimmte Weise vor. Diese Anordnung jedoch ist zugleich eine Artikulation seiner eigenen Identität sowie der Professions-Identität, welche er als Lehrperson vertritt. Um Identität jedoch in ihrer Erschlossenheit für andere verstehbar zu machen, sind erschlossene Handlungsaufforderungen notwendig. Und gerade diesem Moment der Erschlossenheit von Handlungsaufforderungen kann über (virtuelle) Raumtrennung Rechnung getragen werden. Fallen dagegen mehrere Räume aufgrund mangelnder Explizierung von Normierungen an einem Ort zusammen, werden die Normierungen - indem sie aus ihrer Erschlossenheit gerissen werden - missoder gar unverständlich. Wenn eine Identität sich m.a.W. verstehbar machen will, so kann sie es nur über die Erschlossenheit eines von ihr normierten Raumes, der von anderen Räumen klar differenziert wird.
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Raumtrennung und Normierung sind hierbei Voraussetzung für Verstehensprozesse. Dieses Prinzip der Raumtrennung über explizierte Normierung fördert jedoch nicht nur Verstehensprozesse, sondern bildet zugleich Bewusstseinsstruktur oder Prinzipien der Weltaufordnung ab, wie etwa die Erschlossenheit von Identität. Sofern diese explizierten Normierungen selbst zum Gegenstand von Reflexion gemacht werden, d.h. die Weltaufordnung abbildende Raumstruktur
selbst zum
Gegenstand von Reflexionsprozessen wird, können Bildungsprozesse - im Sinne der Bewusstwerdung eigener Weltaufordnung - angeregt werden. Die Differenzierung des im Fallbeispiel geschilderten Lehrveranstaltungsraumes in mindestens drei Artikulationsräume, durch innerhalb dieser Räume geltende explizite Normierungen, soll als notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Bedingung für Bildungsprozesse, auf Seiten der Lehrperson als auch der LernerInnen, plausibilisiert werden. Derartige Raumtrennung lässt sich z.B. anhand eines Artikulationsbereiches für die Profession, den Lehrveranstaltungsleiter sowie der beteiligten StudentInnen, virtuell realisieren. Damit soll ein möglicher medienpädagogischer Bezug von Teil II der Arbeit zumindest angedeutet und eine Möglichkeit praktischer Umsetzung des bildungsphilosophisch Diskutierten vorgeschlagen werden.
IV. Methode Beide Teile der Arbeit versuchen eine heuristische Kontextualisierung bisher etablierter Identitätskonzeptionen mit der geschilderten Problemsituation. Die im jeweiligen letzten Kapitel jedes Teiles
ausgeführten praktischen Differenzierungsvorschläge könnten erprobt und
Hemmungsgefühl empirisch erhoben werden. Eine empirische “Plausiblisierung”, wie sie für die Annahme von Hemmungsgefühlen anhand eines Fragebogens erbracht wurde, konnte für die Differenzierungsvorschläge selbst nicht geleistet werden, weil diese im Rahmen der genannten Lehrveranstaltung nicht durchgeführt werden konnten, ohne zu gravierende Einschnitte in den didaktischen Aufbau der Lehrveranstaltung zu fordern.
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Teil I. Die enthemmende Funktion expliziter Normierung 1. Die Legitimation von Bildungsstandards aus Sicht der PISA-Studie I. Wozu Bildungsstandards? Die Ergebnisse von PISA 2000 deuteten den Autoren der Studie zufolge auf gravierende Mängel im deutschen Bildungssystem. Die Studie wurde von der OECD in Auftrag gegeben und hatte zum Ziel, den Regierungen der getesteten Länder Indikatoren für die Erleichterung politischer Entscheidungen, zur Verbesserung des Bildungssystems zur Verfügung zu stellen6. Dabei wurde von einem
funktionalistisch
Kompetenzbereiche
orientierten
differenziert:
Grundbildungsverständnis
Lesekompetenz,
ausgegangen
mathematische,
und
vier
naturwissenschaftliche
Grundbildung sowie fächerübergreifende Kompetenzen7. Die Studie erhob explizit nicht den Anspruch, anhand dieser vier Kompetenzmodelle Allgemeinbildung zu erheben. Vielmehr, so die Autoren, stellen diese Kompetenzen erlernbare, handlungsorientierte Problemlösefähigkeiten dar8, die im Interesse aller BürgerInnen stehen, sowie Voraussetzung für gelungene Lebensführung sind9. Den Schulen sollen dabei weder curriculare Vorgaben gemacht, noch ein Bildungsbegriff im Sinne Humboldts - als eine Verinnerlicherung diverser Daseins- oder Rationalitätsmodi - abgedeckt werden10. Vielmehr wurden die in PISA erhobenen Basiskompetenzen als Vorraussetzung derartiger Bildungsprozesse verstanden. Die Erhebungen der Studie wiesen dabei darauf hin, dass ein Viertel der getesteten Fünfzehnjährigen die Mindestkompetenz in Mathematik und Lesekompetenz, die ihrem Alter entsprechen würde, nicht erreichen konnte11. Im Fall der Lesekompetenz erreichte ein Viertel die zweite von insgesamt fünf aufbauenden Kompetenzstufen nicht12. Dabei trauten die Lehrpersonen den SchülerInnen schwierigere Aufgaben zu, als sie letztlich lösen konnten13. Zudem fiel Deutschland in den unteren Leistungsbereichen deutlich gegenüber anderen Ländern ab14. Dieses schlechte Abschneiden bei Grundkompetenzen, die didaktisch leicht einlösbar sein sollten, wurde 6 Baumert 2001, 15 7 Baumert 2001, 15f. 8 Baumert 2001, 22 9 Baumert 2001, 29 10 Baumert 2001, 21 11 Klieme 2003, 13 12 Baumert 2001, 113 13 Klieme 2003, 30 14 Klieme 2003, 13 Mario Spassov
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von den Autoren der Studie auf fehlende Mindeststandards zurückgeführt15. Bildungsstandards sollen - den Autoren der PISA-Studie zufolge - die Aufgaben der öffentlichen Einrichtung Schule nach außen hin, d.h. für Eltern als auch SchülerInnen, transparent machen und die Ziele pädagogischen Handelns explizieren16. Bildungsstandards würden dabei von einer Input- zu einer Output-Orientierung führen und somit das Recht von SchülerInnen auf gleiche Bildungs-
und
Verwirklichungschacen
realisiert
werden,
indem
der
Staat
durch
Leistungsüberprüfung für Qualität sorgt17. Die Idealvorstellung ist dabei, dass die OutputOrientierung die Schulen nicht in ihrer Autonomie beschränkt, sondern lediglich einen allgemeinen Kompetenzkanon vorgibt, innerhalb dessen die Schulen freie Hand haben, Curricula selbst zu gestalten. So sollen lediglich allgemeine Kernkompetenzen formuliert werden und den Schulen die Methoden ihrer Realisieriung frei überlassen werden18. Durch Bildungsstandards sollen SchülerInnen sowie das Elternhaus relativ klare Orientierung darüber bekommen, welche Entwicklungsmöglichkeiten an Schulen gefördert werden19 und auch Lehrpersonen sowie Schulen Orientierungspunkte und Leitfäden für professionelles Handeln erhalten20. Neben der Transparenz über die offiziellen Aufgaben des Schulsystems, erhoffen sich die Autoren auch eine Entlastung für SchülerInnen. Im Gegensatz zum bisherigen, defizit-orientierten Notensystem, streichen Mindeststandards positiv hervor, was bereits gekonnt wird21.
II. Kritik an der Forderung nach Bildungsstandards An dieser Konzeption von Bildungsstandards wurde von mehreren Seiten Kritik geübt. Einerseits wurde z.B. in Frage gestellt, ob der Begriff der Basiskompetenzen noch etwas gemeinsam habe, mit dem bisher v.a. in der deutschen Tradition prägenden Begriff der Allgemeinbildung. Koch z.B. kommt zu dem Schluss, dass die rein funktionale Definition von Kompetenzen wie sie PISA vorsieht, rein “vorwärtsorientiert” auf das Erlernen von Werkzeuggebrauch aus sei, der nur ökonomischen Nutzen habe. Der Bildungsbegriff dagegen sei 15 Klieme 16 Klieme 17 Klieme 18 Klieme 19 Klieme 20 Klieme 21 Klieme
2003, 2003, 2003, 2003, 2003, 2003, 2003,
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13 19 12 50 48 51; 54 28
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“rückwärtsorientiert”, betone das Moment der Reflexion von Werkzeuggebrauch, es ginge hierbei um Selbsterfahrung und nicht Problemlösen, Profit oder Karriere22. Allgemeinbildung, welche am Maximum und nicht am Minimum des Geleisteten abgelesen wurde, sei im Rahmen von PISA auf einen Qualifikationsbegriff reduziert. Hierbei spielen die Unterrichtsinhalte selbst keine Rolle mehr, wie an der Pluralität von Inhalten ersichtlich wird, an denen z.B. Lesekompetenz erfragt wird. Solange bestimmte Kompetenzen erfüllt werden, spielt es keine Rolle, mit welchen Inhalten man sich beschäftigt23. Doch bei Beschäftigung mit gleichgültigen Inhalten, so Koch, nicht jenes entstehen, das Herbart “Interesse” nannte24. In keiner der von PISA vorgeschlagenen Basiskompetenzen wird ein derartiges Selbstverhältnis denkbar, höchstens noch beim Begriff der Lesekompetenz, bei dem davon die Rede ist, eigene Erfahrung mit einem Gelesenen Text zu verknüpfen. Doch auch hier nur unter dem “höheren” Ziel, den Textinhalt dadurch “besser” rekonstruieren zu können25. Aus anderer Perspektive kritisiert z.B. Bellmann die Praktikabilität der Umsetzung von Kernkompetenzen und der Output-Steuerung. Ihm zufolge gäbe es die Gefahr, dass aller bildungsphilosophischen Überlegungen zum Trotz, in der entsprechenden pädagogischen Praxis “perverse Effekte” das Ergebnis sein könnten26. Nach ihm ist durchaus vorstellbar, dass die OutputSteuerung statt mehr Freiheiten für die Gestaltung von Lehrplänen und die Umsetzung von Lernzielen letzlich gerade das Gegenteil, zu freier Schulwahl und Wettbewerb zwischen Schulen führen könnte, ebenso wie zu einem “teaching to the test”27. Hierbei würde die Qualität des Unterrichts von der Qualität des Tests abhängig, auf den hin unterrichtet wird. Und am Beispiel der “charter schools” zeigt er auf, dass freier Wettbewerb zwischen Schulen eine Homogenisierung von Unterrichtsmethoden hin auf Bewährtes zur Folge haben könnte28. Eine weitere kritische Perspektive wirft Heid mit der Frage auf, ob aus dem bloßen empirischen Fakt, dass ein Standard erfüllt wird, unmittelbar auf die dahinter stehende Qualität des Unterrichts geschlossen werden kann29. Umgekehrt ist jedoch denkbar, dass Leistungen die ein Schulsystem tatsächlich erbringt, jedoch nicht den Leistungsvorstellungen der TesterstellerInnen korrelieren, nicht erhoben werden30. Heid betont, dass die Vorstellung der Sicherung von 22 Koch 2004, 188 23 Koch 2004, 189 24 Koch 2004, 189 25 Koch 2004, 187f 26 Bellmann 2005, 15 27 Bellmann 2005, 20f. 28 Bellmann 2005, 22 29 Heid 2007, 34 30 Heid 2007,44 Mario Spassov
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Unterrichtsqualität durch Bildungsstandards mehr Legitimation braucht sowie eine nähere Analyse der Relation zwischen LerherInnenausbildung und Output der SchülerInnen31. Ruhloff dagegen zieht generell in Zweifel, ob Lernprozesse operationalisiert werden können oder nicht notwendig partikulär bleiben32. Er akzeptiert zwar einen Zusammenhang zwischen Standardisierung und Qualität, doch ließe sich nur ein Durchschnitt standardisieren33.
III. Der Sinn der Explikation von Standards aus Sicht der beteiligten LernerInnen Die genannten Kritiken greifen das Konzept der Bildungsstandards hinsichtlich der Operationalisierbarkeit von Lernprozessen, dem Unterlaufen des klassischen Bildungsbegriffes durch einen qualifikationsbezogenen Kompetenzbegriff sowie der Möglichkeit paradoxer, d.h. unerwarteter Folgen, an. Sie werfen nicht die Frage auf, ob aus der Perspektive der LernerInnen selbst die Formulierung von Standards nicht “enthemmende” Funktion haben könnte. Genau diese Perspektive auf Bildungsstandards soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit aufgegriffen werden. Hierbei wird zunächst zu klären sein, was unter Standard genau zu versehen ist. Während aus dieser Perspektive auf den Standardbegriff die oben genannten kritischen Einwände keine Beantwortung finden können, gilt umgekehrt, dass die Einwände gegen diesen Frageansatz nicht greifen. Hierbei wird nicht das Potenzial der Leistungssteigerung durch Standards betont, wie etwa in der PISA-Studie, sondern inwiefern Standards im Sinne explizierter Normen nicht emotionale Entlastung in Lernprozessen fördern könnten. Aus einer anderen Fragestellung kommend, soll im Folgenden - auf anderem Argumentationswege als die PISA-Studie - die Empfehlung von Standards im Sinne von explizierten Normen legitimiert werden.
31 Heid 2007, 39 32 Ruhloff 2007, 53 33 Ruhloff 2007, 50 Mario Spassov
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2. Standards als zur Erfüllung aufrufende Handlungsaufforderungen I. Standards als explizierte Normen Standards gelten in dieser Arbeit als mit Normen34. Jeder Standard ist eine Norm, nicht jedoch jede Norm ist ein Standard. Standards meinen hierbei explizierte Normen und weniger vereinheitlichte Normen. Normen sind Handlungsaufforderungen – etwa der Form “tue dies” -, die mittels Symbolen an andere Bewusstseine gerichtet werden35. Eine Handlungsaufforderung kann hierbei anhand eines Satzes, ebenso aber auch anhand eines singulären Zeichens vermittelt werden. Normen können auch durch ein Kollektiv formuliert werden und Handlungsaufforderungen für die Erfüllung bestimmter sozialer Rollen oder Praktiken artikulieren. Solange die innerhalb des Rahmens einer sozialen Praxis geltenden Normen oder Handlungsaufforderungen befolgt werden, gewinnt das handelnde Individuum innerhalb dieser Praxis geltende Rechte. Die geltenden Normen sind hierbei für die handelnden Individuen kein kategorisches “Muss”, im Sinne eines kategorischen Imperativs, sondern hypothetisch: sofern ein Individuum anerkanntes Mitglied einer sozialen Praxis bleiben, sowie bestimmte Rechte haben will, “muss” es die geltenden Normen befolgen. Sofern StudentInnen z.B. ein Zeugnis wollen, welches ihnen bestimmte Rechte verleiht, “müssen” sie bestimmte Lerninhalte wiedergeben können. Sofern man das Recht will, ein Auto zu fahren zu dürfen, “muss” man die Straßenverkehrsordnung befolgen. Die Befolgung von Handlungsaufforderungen entspringt somit bestimmten Interessen. Straßenschilder sind Handlungsaufforderungen, die innerhalb der sozialen Praxis “Autofahren” Geltung haben. Sich hinter ein Lenkrad zu setzen und loszufahren, wird erst dann zur Praxis des “Autofahrens”, wenn man sich der Einzuhaltenden Straßenverkehrsordnung bewusst ist, diese befolgt und zudem ein Interesse damit abdeckt. Ein bewusstloses Bewusstsein am Steuer “fährt” nicht Auto, sondern vielmehr “fährt” das Auto mit ihm. Dem Bewusstlosen fehlt das Interesse am Autofahren - wie etwa irgendwo besonders schnell ankommen zu wollen. Damit fehlt ihm das Interesse am Erfüllen der die Straßenverkehrsordnung definierenden Handlungsaufforderungen. Ebenso jedoch fehlt dem Bewusstlosen die Fähigkeit die geltenden Normen anzuerkennen und bewusst einzuhalten. Wo dieses Bewusstsein fehlt, kann nicht von Regelbefolgung die Rede sein36. Würde dessen Körper aus Zufall die Bremse aktivieren und das Fahrzeug vor einem Stoppschild zum Halten bringen, wäre dies nicht ein Akt der bewussten Anerkennung und Einhaltung einer 34 Klieme 2003, 31 35 Dux 2000, 313 36 Searle 1995, 146 Mario Spassov
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Norm aus Interesse.
II. Der normative Gehalt von Deskriptionen Hierbei wird Handlungsaufforderung sehr weit gefasst und umfasst neben offensichtlichen Präskriptionen, die Sanktionen androhen, auch deskriptive Äußerungen - sofern diese auch an andere Bewusstseine gerichtet sind. Selbst eine bloß deskriptive Äußerung wie “heute regnet es den ganzen Tag.” hat normativen oder handlungsauffordernden Charakter in mindestens zweierlei Sinne. Sie beschreibt nicht nur das Wetter, sondern - sofern sie an ein anderes Bewusstsein gerichtet ist - artikuliert auch die implizite Aufforderung über das Wetter, und nicht über etwas anderes zu sprechen. Zudem jedoch stellt sie den Anspruch, und dies ist ihr zweiter normativer Gehalt, dass so über das Wetter nachzudenken sei, wie vorgemacht wurde. M.a.W. wird impliziert, dass dies eine richtige und legitime Form des Nachdenkens über das Wetter sei. Die Deskription lässt sich in folgende Präskriptionen aufbrechen: “denke mit mir gemeinsam über das Wetter nach!” sowie “denke auf die von mir vorgemachte Weise über das Wetter nach!”. Auch in diesem deskriptiven Beispiel werden Interessen ausgedrückt. Die bloße Deskription des Wetters drückt das Interesse über das Wetter zu sprechen aus, ebenso wie das Interesse, das Wetter richtig beschrieben zu haben. Diese Verbindung von Handlungsaufforderung und Erwartungshaltung, dass dieser entsprochen werden solle, um bestimmte Interessen zu decken, interessiert am Begriff der Norm in dieser Arbeit. Die Deskription selbst drückt das Interesse aus, dass das angesprochene Bewusstsein die vermittelte Information und das Thema für sich relevant oder bedeutsam werden lassen solle37. Wie Dux treffend feststellt, wird nicht nur gesagt, was getan werden solle - über das Wetter nachzudenken - sondern zudem auch, dass es getan werden solle38. In dieser impliziten Aufforderung, dass die eigenen Interessen respektiert werden, liegt das Sollen der bisher behandelten Normen39. Wenn das mit dieser - zum Mithandeln auffordernden - Deskription angesprochene Bewusstsein nicht auf die Aufforderung eingeht - indem es weder widerspricht, noch bejaht oder in irgend einem Sinne zum Ausdruckt bringt, verstanden zu haben, was gesagt wurde -, droht ihm zwar im Gegensatz zu einer institutionalisierten sozialen Praxis keine Sanktionsmaßnahme, ist 37 Dux 2000, 313 38 Dux 2004, 235 39 Dux 2004, 85 Mario Spassov
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jedoch auf Seiten des sprechenden Bewusstseins ein Zeichen dafür, nicht verstanden oder mit Absicht ignoriert worden zu sein. Dieses Nichtnachkommen der Handlungsaufforderung wird jedoch nicht bloß faktisch zur Kenntnis genommen, sondern hat - wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird - auch Konsequenzen für das Selbstgefühl der Handlungsaufforderungen missachtenden Personen.
III.
Handlungsaufforderungen
existieren
nur
vor
einem
“Background”
anderer
Handlungsaufforderungen Die Zeichen, welche die innerhalb der sozialen Praxis gültigen Normen repräsentieren, können von ihrer normativen Funktion auch aufgehoben werden: zu Großereignissen gelten an bestimmten Stellen Stoppschilder nicht mehr, weil innerhalb eines bestimmten Bereichs die soziale Praxis des Autofahrens “aufgehoben” wurde. Diese Beobachtung plausibilisiert, dass Normen nicht unabhängig von einer sozialen Praxis Geltung haben. Ebenso ist die Aussage, dass es regne, nur vor dem “Background”40 anderer, gemeinsam geteilter Fähigkeiten, Wissensbestände, Interessen und Praktiken verständlich. Umgekehrt gilt aber, und hier liegt die Relevanz des Gesagten für die weitere Diskussion, dass es keine soziale Praxis ohne Normen - im Sinne der Handlungsaufforderung - geben kann. Handlungsaufforderungen definieren soziale Praxis. Sie drücken einerseits Interessen aus; andererseits, wie etwas “richtig” getan wird, sodass diesen Interessen entsprochen wird. Auch die im Fallbeispiel thematisierte institutionalisierte soziale Praxis des Studierens wird m.a.W. über Normen - in dem hier verwendeten Sinne - konstituiert. Normen drücken dabei einerseits aus, was bedeutsame Themen der inneruniversitären Auseinandersetzung sind, andererseits aber auch, wie diese Themen im universitären Rahmen methodisch richtig erforscht werden sollten. Daneben werden diese Normen – sofern es sich um offizielle Normierungen der sozialen Praxis des Studierens handelt - von Sanktionsmaßnahmen als auch Statusfunktionen41 begleitet.
40 Searle 1992, 179 41 Searle 2004a, 74 Mario Spassov
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3. Institutionalisierte Räume als immer schon vornormierte Räume I. Insitutionlisierte Räume sind immer schon durch Institutionen vornormiert Für jede soziale Praxis gilt, dass sie durch Normierungen oder zu erfüllende Handlungsauffoderungen erst konstituiert wird. Das sind all jene “Aufforderungen”, die den an der sozialen Praxis teilnehmen wollenden Individuen nahe legen, was innerhalb der Praxis tunswert ist, sowie, wie es getan werden “soll”. Das “Soll” ist hierbei, wie bereits dargelegt wurde, ein hypothetischer Imperativ. Erst über derartige Handlungsaufforderungen entsteht soziale Praxis und ein gemeinsamer Gegenstand, an den aus einer gemeinsamen methodischen Perspektive heraus Annäherung stattfindet. Die Annäherung an den gemeinsamen Gegenstand gilt als innerhalb der Paxis “Sinnvolles”. Werden diese Normen zudem versprachlicht sowie deren Erfüllung zur offiziellen Bedingung der Teilnahme an dieser Praxis gemacht, wird die Praxis institutionalisiert. Ein Bruch gegen das “Was” und “Wie” hätte Sanktionen zur Folge. Im Falle institutionalisierter Räume, wie dem universitären Unterrichtsraum, der im Fallbeispiel der Einführung skizziert wurde, müsste es sich nach dem Dargelegten um einen durch die Institution immer schon vornormierten Raum handeln, obwohl betont wurde, dass in der Lehrveranstaltung sehr schwache offizielle normative Vorgaben gemacht wurden. Im Folgenden sollen einige implizit geltende durch die Institution eingesetzte Normen expliziert werden. Eine derartige Norm war etwa die Rollenverteilung im Unterrichtsraum - dass Lehrpersonen unterrichten und StudentInnen währenddessen zuhören “sollten”. Hierbei gab es Normen, die an die Lehrpersonen selbst gerichtet waren, und andererseits auch Normen, die - vermittelt über die Lehrperson - an die StudentInnen gerichtet waren. Hätten sowohl Lehrperson als auch StudentInnen gegen diese in jeder Lehrveranstaltung implizit geltenden, dennoch offensichtlichen Grundnormen verstoßen, hätten sie mit Sanktionsmaßnahmen rechnen müssen. Auch wenn dies nicht in jeder Lehrveranstaltung ausdrücklich explizit gemacht wird, ist der Hörsaal nicht der soziale Ort, an dem gemeinsam musiziert wird. Hätten StudentInnen oder der Lehrveranstaltungsleiter gegen diese unausgesprochene Norm verstoßen, wäre den Beteiligten ohne lange Legitimation aufgefallen, dass hier von den jeweiligen - gegen die Normen verstoßenden - Personen etwas grundsätzlich nicht verstanden wurde und “falsch” gemacht wird. Neben dieser Norm der Rollenverteilung gab es auch subtilere, von der Institution vorgegebene, Handlungsaufforderungen. Im Vorlesungssaal z.B. war die höchste implizite und
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zudem u.U. auch unbewusste42 Norm das Wissen. Während der unterrichtete Inhalt selbst, wie beim obigen Beispiel der bloßen Deskription des Wetters, normfrei scheinen und bloße physikalische Abläufe zum Thema haben kann, ist er dennoch normierend. Der Inhalt beschreibt nicht nur sondern macht zugleich vor, wie etwas “Bedeutsames” auch “richtig” erschlossen wird. Im “bloßen” Unterricht findet die Handlungsaufforderung statt, was in den Blick genommen werden und wie dies geschehen “soll”, sodass hierbei Wissen produziert wird. Wissen ist an der Bildungsinstitution Universität unhintergehbares “Soll” oder Interesse, welches über das Erfüllen bestimmter Handlungsaufforderungen realisiert wird. Wenn die Normen dabei von StudentInnen eingehalten werden, ist dies Indikator dafür, dass sie “verstanden” haben und selbst in der Lage sind, Wissensinhalte zu generieren. Der Vorgang des Wissenschaftens selbst unterliegt - ebenso wie die Lehre des Wissenschaftens - bestimmten Normen oder Handlungsaufforderungen, wie etwas getan werden soll, sodass Wissen dabei entsteht oder Wissenschaft betrieben wird.
II. Durch den Lehrveranstaltungsleiter vorgenommene Normierungen Die
in
der
Einführung
geschilderte
Lehrveranstaltung
unterlag
einerseits
der
institutionalisierten Norm, dass Wissen über einen bestimmten Gegenstand auf bestimmte Weise zu generieren sei und zugleich der Vorgang des Wissenschaftens vermittelt werden solle. Neben dieser institutionellen Normierung, fanden aber noch weitere Normierungsprozesse statt. Eine derartige Norm wurde vom Lehrveranstaltungsleiter in den Raum gebracht. Lehrpersonen, welche einerseits die Einhaltung der von der Profession vorgegebenen Minimalnormen zu überprüfen haben, haben gegenüber den StudentInnen - dank ihrer Statusfunktion - den Freiraum, eine offizielle normative Ausgestaltung ihres Unterrichts vornehmen zu dürfen, sofern diese nicht gegen die von der Institution vorgegebenen Normen verstoßen. Sie können Normen formulieren, welche nicht im Studienplan unmittelbar vorzufinden sind. Eine derartige Norm war in der genannten Lehrveranstaltung die Handlungsaufforderung, sich Wissensbestände selbst zu erschließen. Norm war diese Handlungsaufforderung insofern, als sie als implizit sinnvolle und befolgenswerte oder bedeutsame galt, wenn auch keine offiziellen Sanktionsmaßnahmen bei deren Nichtbefolgung angekündigt waren. Diese Sinnhaftigkeit der Handlugsaufforderung fand im “Elitebegriff” Ausdruck. Nicht umsonst - diese Vermutung wurde auch im Forum geäußert - wurde 42 Die Unterscheidung unbewusst/implizit wurde in der genannten Lehrveranstlatung vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführt.
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der explizit wertende Begriff “Elite” auf diejenigen StudentInnen angewandt, welche der Handlungsaufforderung der aktiven Teilnahme über Diskursbeteiligung im Forum Folge leisteten. Es stand zumindest im Interesse des Lehrveranstaltungsleiters, dass sich StudentInnen Wissensbestände selbst erschlossen. Diese Norm wurde als Handlungsanweisung expliziert, nicht jedoch als Norm gekennzeichnet und stand gleichzeitig in Konflikt mit der von der Bildungsinstitution vorgeschriebenen Minimalnorm der Vermittlung von Wissensbeständen. In diesem gegenseitigen Ausschluss von institutionalisierter und vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführter Norm, könnten bereits Hemmungsgefühle keimen, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll.
III. Durch die StudentInnen vorgenommene Normierungen Dies waren aber nicht die einzigen einander ausschließendem Normen im Unterrichtsraum. Neben dieser vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführten Norm des selbsterschlossenen Wissens, entstanden innerhalb des sozialen Handlungsraums der Vorlesung eigendynamisch Normierungen aus den Interaktionsprozessen der StudentInnen selbst. Im Forum entstanden relativ schnell “Diskursnormen”. Ohne dass hierbei etwas bewusst als Norm ausgegeben wurde, entstanden durch bloßes Vormachen einer möglichen Denkbewegung im Forum “Vorgaben” und Aufrufe, wie über welche Themen nachgedacht werden kann - und soll. Indem alle diese Handlungsaufforderungen, d.h. Aufforderungen über etwas Bestimmtes auf eine bestimmte vorgegebene Weise nachzudenken, jedoch zugleich auch den impliziten Anspruch erhoben, etwas richtig zu tun, und dieses Tun von anderen auch ernst genommen werden solle, wurden sie zugleich auch zu Normen. In Parallele zum Beispiel der Deskription des Wetters, die zugleich eine Präskription ist, weil die über das Wetter nachdenkende Person ein Interesse daran hat, dass das Gegenüber ihre Meinungsäußerung nachvollzieht und für sich bedeutsam werden lasse, fanden im Forum nicht nur deskriptive, sondern zugleich auch präskriptive Prozesse statt. Jede Äußerung im Forum beschrieb nicht nur Sachverhalte, sondern war zugleich auch Ausdruck eines Interesses, dass diese Beschreibung von anderen StudentInnen zur Kenntnis genommen werden sollte. Stellungnahmen in einem Forum ereignen sich nicht einfach, vergleichbar einem Naturereignis, sondern werden bestimmten Interessen folgend getan. Indem im Forum bloß deskriptiv Stellung genommen wurde, dies war der Kerngehalt des bisherigen Überlegungen, wurde bereits präskriptiv vorgemacht, was von anderen zur Kenntnis Mario Spassov
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genommen werden und wie über einen Gegenstand “richtig” nachgedacht werden solle. Dieses doppelte “Soll” - das “du sollst mich ernst nehmen” sowie das “du sollst zeigen, dass du so über den Gegenstand nachdenken kannst, wie ich es vorgemacht habe, auch wenn du letztlich anders über den Gegenstand denkst” - wurde zwar nie offiziell als Soll deklariert und schon gar nicht dessen Nichtbefolgung sanktioniert - niemand im Forum wurde ausgeschlossen, weil er/sie einer KollegIn nicht geantwortet oder einen Beitrag nicht gelesen hatte. Dennoch, so die Vermutung, waren die Stellungnahmen als Präskriptionen wirksam und ihr Nichtbefolgen ging - wie im nächsten Kapitel zu zeigen ist - vielleicht teilweise mit Unbehagen und gar Hemmungsgefühlen Hand in Hand. Obwohl
vom
Lehrveranstaltungsleiter
immer
wieder
betont
wurde,
dass
keine
Stellungnahmen im Forum bewertet würden und jedes Posting eine Prüfungsvorbereitung darstelle, ja sogar damit zu rechnen sei, dass in Postings aufgegriffene Themen letztlich auch zur Prüfung kommen könnten und damit die PosterInnen die eigentliche Prüfungssituation selbst mitgestalten könnten, nahmen die Beiträge ab und viele StudentInnen berichteten, wie in der Einführung festgealten wurde, sich nicht zu trauen im Forum zu posten, aus Angst, “Unsinn” zu schreiben oder nicht so gute Artikel verfassen zu können, wie andere KollegInnen. Dies mag vor dem offiziellen präskriptiven Hintergrund, dass immer wieder betont wurde, dass jedes Reflexionsniveau und Sprachniveau willkommen sei solle, schwer verständlich scheinen. Vor dem inoffiziellen präskriptiven Hintergrund aber, dass jede Stellungnahme zugleich einen Anspruch auf Wahrheit stellt, als auch darauf, ernst genommen zu werden, könnte sich das Gefühl von StudentInnen, dass tatsächlich von ihnen - entgegen aller offiziellen Versicherungen - doch relativ hohe Reflexionsund Artikulationsniveaus erwartet wurden, als keine bloße Projektion erweisen. Kompetenzvorsprünge zwischen StudentInnen alleine, so die bisherige Argumentation, boten sich in der Lehrveranstaltung als implizite Präskriptionen an, wie etwas richtig getan werden soll. Alle Beteiligten im Forum hatten einander gegenüber Kompetenzvorsprünge verschiedener Art. Einige StudentInnen waren besonders wortgewandt, andere besser in der ad hoc Interpretation von Piktogrammen, andere darin, Diskurse auf den Punkt zu bringen, andere wiederum hatten besonders intensiv über einen Begriff nachgedacht etc. Ohne Lernprozesse und Reflexionsbemühungen konnten die im Forum artikulierten Handlungsaufforderungen nicht unmittelbar von allen erfüllt werden, ebenso wie auch nicht alle StudentInnen ohne Vorbereitung die Abschlussprüfung positiv abschließen konnten. Und all diese Handlungsaufforderungen, gemeinsam jenen durch die Institution sowie den Lehrveranstaltungsleiter eingesetzten - so die Vermutung - standen in Zusammenhang mit den geäußerten Hemmungsgefühlen. An dieser Stelle ist nur festzuhalten, dass der Lehrveranstaltungsraum normativ “überladen” Mario Spassov
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war. Warum diese Präskriptionen jedoch als “hemmend” erfahren worden sein könnten und nicht bloß zur Kenntnis genommen wurden, wie etwa Naturereignisse wie Steinrutsche - sofern diese das eigene Ich oder jenes anderer Personen nicht betreffen - bloß zur Kenntnis genommen werden, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.
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4. Normen bieten sich zur Identitätskonsitution an I. Die Bedeutsamkeitsbeziehung von Bewusstsein Werte sind “interiorisierte” Normen. Dann, wenn eine Norm als Handlungsanweisung nicht nur verstanden wird, sondern es dem handelnden Individuum ein Bedürfnis wird, diese Norm auch zu erfüllen, d.h. dem Aufruf der Erfüllung Folge zu leisten, wird sie zu einem Wert43. Betritt man z.B. ein fremdes Land, begegnet man einer fremden Wertewelt noch als bloßer Norm, d.h. als Aufruf zum Handeln, welches im Interesse anderer Individuen ist. Man lernt mit der Zeit, welche Normen oder Aufrufe es wann zu befolgen gilt, um Sanktionsmaßnahmen zu vermeiden. Doch sind diese Normen so lange nicht zu Werten interiorisiert worden, zu einem Bestandteil des eigenen Ich geworden, als sie aus Angst vor Sanktionsmaßnahmen befolgt werden und es für die Handelnden eigentlich “keinen Unterschied macht”, ob sie der Norm entsprechen oder sie verfehlen. Normen sind also ein bloßer Ruf, der verstanden werden kann, jedoch mit dem Verstehen nicht notwendig ein Bedürfnis einhergeht, dem Ruf auch - unabhängig von Sanktionsmaßnahmen - folgen zu wollen. Sobald man jedoch beginnt sich zu schämen oder Schuld empfindet, eine Norm verfehlt zu haben, ist sie interiorisiert worden. Und es scheint beobachtbare Tatsache, dass Bewusstseine gegenüber dem Nichtbefolgen bestimmter Handlungsaufrufe Schuld und Scham empfinden können, auch unabhängig davon, ob sie bei der Nichtbefolgung öffentlich beobachtet werden oder mit Sanktionen zu rechnen haben. In Eriksons Modell der Identitätsentwicklung sind Scham und Selbstzweifel in der Kindesentwicklung die ersten Anzeichen interiorisierter Normen44 und über diese Bedeutsamkeitsbeziehung zu diesen Normen konstitutierter Identität. Sobald ein Kind beginnt, ein Schamgefühl ohne Androhung von Sanktionsmaßnahmen zu entwickeln, hat es die Normen in sein Selbstbild interiorisiert, dem es gerade nicht entspricht. Das Identitätsgefühl des Kindes ist weiter geworden und umfasst neben seinem Vertrauen in bestimmte Bezugspersonen45 zudem auch das Gefühl, jemand bestimmer zu sein, der bestimmten Handlungserwartungen gerecht werden kann - oder eben nicht. Jene Normen oder Handlungsaufrufe, die zu einem Wert interiorisiert wurden, werden vom handelnden Bewusstsein nicht bloß zur Kenntnis genommen - wie ein Bewussstsein z.B. zur Kenntnis nimmt, dass in einem bestimmten Land andere Kleidungsvorschriften gelten -, sondern 43 Zum Begriff der Interiorisierung siehe Dux 2004, 174f. 44 Erikson 1973, 87ff. 45 Erikson 1973, 62ff. Mario Spassov
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üben auf dieses eine identitätskonstitutive Funktion aus. Sofern eine Norm zum Wert interiorisiert wurde, braucht niemand die Verfehlung der Handlungsaufforderung zu beobachten, und dennoch wird Scham oder Schuldgefühl empfunden46. Warum es eine derartige Beziehung zwischen Erfüllung eines Aufrufes zur Handlung, sowie dem eigenen Selbstempfinden gibt, ist damit keineswegs geklärt. In dieser Arbeit wird lediglich als Ausgangspunkt darauf verwiesen, dass - aus welchen Gründen auch immer - Bewusstsein immer eine “Bedeutsamkeitsstruktur” hat, d.h. es für Bewusstseine “einen Unterschied macht”, was sie erfahren - Bedeutsames oder Profanes - ebenso, wie es für sie “einen Unterschied macht”, ob sie dem Handlungsaufruf des einem Bewusstsein Bedeutsamen gerecht werden können oder nicht. M.a.W. scheint es beobachtbare Tatsache - auch wenn diese u.U. nicht näher erklärt werden könnte -, dass Bewusstseine, sofern sie den Erwartungen eines bedeutsamen Gegenübers nicht gerecht werden, Scham oder Hemmung empfinden.
II. Die identitätskonstitutive Funktion von Kompetenz Nach dem bisher Dargelegten haben Individuen nicht nur Kompetenzen, sondern zugleich auch eine Bedeutsamkeitsbeziehung zu diesen Kompetenzen47. Diese Aussage kann am je eigenen Bewusstsein erprobt werden: sofern es für das eigene Bewusstsein “einen Unterschied macht”, ob man hinsichtlich einer bedeutsamen Fähigkeit kompetent ist oder nicht, nimmt man Kompetenz nicht bloß zur Kenntnis, sondern ist davon betroffen. Kompetenz, ebenso wie andere Personen, können Bewusstsein zu einem Anliegen werden. Eine Norm erfüllen zu können erfordert Kompetenz. Bewusstseine jedoch verfügen nicht einfach über Kompetenzen - oder eben nicht - sondern definieren sich, sofern Eriksons Modell der Identitätsentwicklung stimmig ist, über ihre Kompetenzen als Iche48. Subjekten ist wichtig oder bedeutsam, über bestimmte Kompetenzen zu verfügen - nämlich jenen, die in einem Interiorisierungsprozess zu einem Wert geworden sind. Kann das Ich diese Kompetenzen erfüllen, erfährt es Selbstachtung49, wird es ihnen dagegen nicht gerecht, empfindet es Scham. 46 Erikson 1973, 94 47 In Anlehnung an Dux’ Ausführungen über den bedeutsamen Anderen ist hier die Rede von einer Bedeutsamkeitsbeziehung zu Kompetenzen. Dux 2004, 178 48 Spätestens ab dem Lebensthema des Werksinns oder der Leistung wird Kompetenz bei Erikson als identitätskonstitutiv erfahren. Erikson 1973, 98ff. 49 Erikson 1973, 17ff.
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Vertritt das Bewusstsein dagegen gegen eine bloße Norm, erfährt es sein Ich als nicht davon berührt. “Es macht für ein Ich keinen Unterschied”, ob es einer Norm gerecht werden kann oder nicht, sie bleibt bloße Handlungsaufforderung, bloßer Aufruf. Höchstens die Konsequenzen des Verstoßes gegen eine bloße Norm, könnten für das Ich einen Unterschied machen, nicht aber der Verstoß selbst. Man denke z.B. an Erwachsene, die unter Kindern geltende Normen manchmal durchaus nicht erfüllen können. Dennoch wird das Scheitern der Erwachsenen z.B. beim Kartenspiel mit Kindern nicht notwendig von ihnen als Identitätsverlust erfahren. Im Gegenteil, Erwachsene müssen oft sogar Betroffenheit und Anliegen “vorspielen”, die sie nicht erleben, um den Kindern das Spiel nicht zu verderben. Spiel ist gerade dort ein wirkliches Spiel und kein “sotun-als-ob”, wenn jemand wirklich davon persönlich betroffen ist, ob er gewinnt oder verliert. Dass m.a.W. Bewusstseine nicht nur über Kompetenz verfügen, sondern diese Kompetenz ihnen bedeutsam ist, zeigt sich bereits im Spiel von Kindern, welche Niederlage und Sieg nicht bloß zur Kenntnis nehmen.
III. Identität als der erschlossene moralische Raum von Bedeutsamkeitsbeziehungen Oben war die Rede von identitätskonstitutiver Funktion von Werten. Identität meint in diesem Zusammenhang
ein
zeitlich
ausgedehntes
Selbstgefühl50,
welches
über
kohärente
Bedeutsamkeitsbeziehungungen konstitutiert wird. In Anlehnung an Erikson definiert Taylor Identität als jenen moralischen Raum, innerhalb dessen einem Bewusstsein bestimmte Personen, Probleme, Bewusstseinsinhalte oder Kompetenzen bedeutsam, wichtig sind51. Keine Identität, in dem von hier gebrauchten Sinne, hätten Bewusstseine dann und nur dann, wenn ihnen alles ihnen Begegnende völlig gleich-gültig wäre, d.h. einerlei wäre, ob sie wüssten oder nicht, ob sie sich entwickelten oder nicht, kompetent wären oder nicht, Schmerz erführen oder nicht, stürben oder nicht. Sobald es “für jemanden einen Unterschied macht”, ob er sehen kann oder plötzlich erblindete, existiert dieser “jemand” auch schon als Identität, d.h. ein sich mit dem “sehen Wollen” identifizierendes Bewusstsein. In diesem Sinne haben auch Tiere Identität, sofern es für sie auch tatsächlich “einen Unterschied macht”, ob sie sich in einem Schmerzzustand befinden oder nicht. Auf Maschinen und bloße Gegenstände dagegen, lässt sich die Formulierung des “für jemanden einen Unterschied machen” nicht anwenden. Für eine Maschine “macht es keinen Unterschied”, ob 50 Erikson 1973, 17ff. 51 Taylor 1996, 60; 67f. Mario Spassov
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sie in ihre Einzelteile zerlegt wird. Es macht höchstens für jemanden in der Welt einen Unterschied, ob diese Maschine zerlegt würde, oder - im übertragenen Sinne - für den Aufbau der Welt, doch gibt es keinen “jemand als Maschine”, für den die Ganzheit der Mschine einen Unterschied machte. Die Bedeutsamkeitsbeziehung zu ihren Bewusstseinsinhalten können sich Tiere nicht aussuchen. Menschliche Identität dagegen ist teilweise eine aktive Konstruktionsleistung. Was einem Bewusstsein bedeutsam ist, muss dieses Bewusstsein im Laufe seiner Geschichte erst differenzieren. Ausgehend von bestimmten vorgegebenen Bedeutsamkeitsbeziehungen, wie jener zur Nahrungsaufnahme oder Vermeidung von Schmerz, müssen menschliche Bewusstseine jenes das ihnen bedeutsam ist erst finden. Deshalb fasst Taylor Identität als etwas auf, das aktiv gesucht werden muss52. Und Bewusstseine können ihre Identität gerade auch über Wissensbestände und Könnensbestände konstituieren, dies kann aus der Beobachtung geschlossen werden, dass Bewusstseine nicht nur wissen, sondern ihnen auch wichtig ist, zu wissen. Bevor dem Zusammenhang zwischen Identitätsbildung und Hemmung näher nachgegangen wird, soll jedoch ein kurzer Blick darauf geworfen werden, wie die Interiorisierung von Normen zu Werten verlaufen könnte.
IV. Die “Garantenstellung” von Bezugspersonen für gelungene Identitätskonstruktion Günter Dux legt in Anlehnung an Stern ein Modell von Interiorisierung vor. Bereits Erikson sieht das soziale Umfeld des Kindes als unter bestimmten Bedingungen Selbstgefühl fördernd an. Im Gegensatz zu Freud fasst er das Über-Ich nicht als eine reine Beschränkung der eigenen Bedürfnisse auf, der sich das Ich unterwerfen muss, sondern als potenzielle Anregung für die Entfaltung eines Selbstgefühls und Selbstachtung53. Dux spricht im Falle der nächsten Bezugspersonen des Kindes, zu denen das Kind stark emotional unterlegte Bindungen aufbaut, von “bedeutsamen Anderen”. Über diese Personen lernt das Kind sich selbst als bedeutsamer Anderer zu verstehen54. Zudem übernehmen die bedeutsamen Anderen jedoch auch die Rolle der “Garanten” gelungener Identitätskonstruktion ein. Sie vermitteln dem Kind nicht nur Kompetenzen, sondern garantieren diesem zugleich, dass diese Kompetenzen einem gelungenen Lebensführung, einem 52 Taylor 1996, 103 53 Erikson 1973, 13 54 Dux 2004, 173 Mario Spassov
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gelungenen Sinnentwurf dienen55. Was bei Erikson vorgedacht, bei Dux jedoch explizit ausgesprochen wird, ist, dass Identitätsentwicklung auf bedeutsame Andere angewiesen ist. Kinder konstruieren sich ihre Identität
oder
Bedeutsamkeitsbeziehungen
nicht
aus
reiner
Abwägung
nach
einem
Rationalitätskriterium heraus, sondern durch Anlehnung an für sie bedeutsame Andere. Sie übernehmen dabei nicht nur Kompetenz sondern zugleich auch die Bedeutsamkeitsbeziehung zu Kompetenz. Kinder lernen nicht nur etwas zu tun sowie zu wissen, sondern zugleich, dass es wichtig ist etwas zu wissen und zu können. Im bloßen Vormachen von Kompetenz bieten die Bezugspersonen dem Kind einen sinnhaften Identitätsentwurf an. Die Bezugspersonen übernehmen, um es nochmal in Dux’ gelungener Fomulierung zu sagen, eine “Garantenstellung” für die Sinnhaftigkeit dessen, was Kinder von ihnen lernen.
V. Hemmungssituationen bei Nichterfüllen von interiorisierten Handlungsaufrufen In einem inneruniversitären Forschungsprojekt gelang eine StudentInnengruppe zu dem kontraintuitiven Ergebnis, dass selbst eine “gute” Mathematikschülerin die Interaktionen mit ihrer Lieblingslehrerin in ihrem Lieblingsfach Mathematik als “hemmend” erfahren kann56. Sowohl die Lehrerin als auch die Schülerin bezeichneten ihre Beziehung als positiv. Die Schülerin wurde von ihren MitschülerInnen als Klassenbeste anerkannt und kam - zumindest während der Beobachtung nie in die Situation, geltenden Normen nicht gerecht geworden zu sein. Die StudentInnen analysierten die Beobachtungen und kamen zu dem Schluss, dass die genannte Schülerin im Mathematikunterricht Nervosität, Angespanntsein zeigte, sowie versuchte die Klasse und selbst die Lehrerin mit ihren guten Mathematik-Kentnissen zu dominieren sowie beeindrucken. Nach dem bisher Dargelegten könnte das zunächst kontraintuitive Ergebnis, dass gute Schulleistungen nicht notwendig zu hohem Selbstvertrauen führen57, verständlich werden. Angenommen, dass die genannte Schülerin die im Mathematikunterricht geltenden Normen nicht nur gerecht werden kann, sondern diese zudem als bedeutsame interiorisiert hat, hat sie eine identitätskonstitutive Bedeutsamkeitsbeziehung zu ihren Mathematikkentnissen und nimmt diese nicht bloß zur Kenntnis. Nach Erikson würde sie Stolz gegenüber ihren eigenen Kompetenzen 55 Dux 2004, 174 56 Datler 2003, 48 57 Löw 2003, 74 Mario Spassov
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Empfinden, wenn sie dagegen versagt, Scham. Gerade darauf scheinen die Beobachtungen der StudentInnen hinzuweisen. Im Gegensatz zu einigen ihrer MitschülerInnen, welche die geltenden Normen nicht interiorisiert haben, scheint die Schülerin nicht nur Kompetent sondern zugleich auch von ihrer Kompetenz sowie der Bestätigung durch die Lehrerin sowie ihre MitschülerInnen auf “schmerzlicher Weise abhängig”58 zu sein.
VI.
Subjektive
Bedeutsamkeitsrelationen,
nicht
“objektive”
Leistung
sind
identitätskonstitutiv Das obige Beispiel veranschaulicht, dass Selbstgefühl nicht von “objektiver Leistung” abhängt, sondern den subjektiv konstituierten Bedeutsamkeitsbeziehungen. Während für einige der SchülerInnen in der genannten Klasse die Hausübung nicht gemacht zu haben, u.U. ein Gefühl des Stolzes bergen kann, ist dies im Falle der Klassenbesten nicht der Fall. Ihr Selbstgefühl scheint zumindest teilweise - über ihre Bedeutsamkeitsbeziehung zu bestimmten Normen definiert, die nicht einmal offiziell während der Mathematikstunde gelten müssen. So ist im Klassenraum keine offizielle Norm, die Klassenlehrerin mittels eigener Kenntnisse zu übertreffen oder vor der Klasse stets Kompetenz beweisen zu müssen. Offizielle Norm in der Klasse könnte dagegen sein, dem Mathematikunterricht
mit
Bemühen
zu
begegnen,
sowie
die
aufgetragenen
Handlungsaufforderungen zu erfüllen. Am Beispiel der Klassenbesten wird jedoch deutlich, dass diese Normierungen auch überzeichnet werden können sowie identitätskonstitutive Funktion haben. Das Dilemma der Klassenbesten ist hierbei, dass sie selbst sich Normierungen setzt, denen sie kaum gerecht werden kann. M.a.W. ist denkbar, dass sie in ihrem Lieblingsfach, der Mathematik, mit mehr Hemmung konfrontiert ist, als MitschülerInnen, die an nicht mehr als einer positven Note interessiert sind, weil sie selbst sich Handlungsaufrufe stellen kann, welche uneinlösbar sind. Was für ihr Selbstgefühl zählt, scheint nicht die objektive Leistung der Schülerin, sondern ihren je eigenen bedeutsamen Handlungsaufrufen gerecht zu werden.
58 Datler 2003, 54 Mario Spassov
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5. Ausdeutung des Fallbeispiels I. Die Garantenstellung der Institution Nach dem bisher Gesagten kann an dieser Stelle die Problemsituation des Fallbeispiels neu interpretiert werden. Es wurde argumentiert, dass Identitäten nicht nur wahrheitsfähige Sätze produzieren und über Kompetenzen verfügen, sondern - sofern sie ihre Identität über Kompetenzen definieren - es “macht für sie auch einen Unterschied”, ob sie mit dem Gesagten richtig liegen und kompetent sind. Einem Wert wie Kompetenz gegenüber nicht gerecht zu werden, wird dabei von den Identitäten als persönliches Versagen empfunden und von Hemmungsgefühlen begleitet. Identitäten nehmen nicht bloß zur Kenntnis, etwas nicht verstanden zu haben, oder das richtige Ergebnis nicht erfolgreich im Gehirn “abgespeichert” zu haben, sondern sind auch persönlich davon betroffen, ob sie das “Gespeicherte” wiederfinden können. Die im Forum geäußerten Hemmungen könnten einerseits mit der Interiorisierung dieser über die Institution geforderten und als sinnvoll “garantierten” impliziten Norm des Wissen-Sollens zusammenhängen. Stellungnahmen im Internet werden “verewigt” und bleiben - im unterschied zur mündlichen Kommunikation - auch über längere Zeit hinweg gespeichert und damit potenziell kritisierbar. Die implizite Forderung nach Wissensproduktion seitens der Institution, kann zwar einerseits neue Identitätskonzeptionen anregen, ein neues Seinsgefühl. Umgekehrt jedoch, wie in jedem potenziell verwirklichbaren Lebensthema bei Erikson, steht dem positiven Potenzial auch das Negative des möglichen oder reelen Scheiterns gegenüber. Gerade dann, wenn StudentInnen die an der Bildungsinstitution geltenden Normen interiorisiert haben, werden sie Hemmungen verspüren, wann immer sie vor der Möglichkeit diesen Normen nicht gerecht zu werden stehen. Und dies scheint unabhängig von ihren “objektiven” Leistungen.
II. Die Garantenstellung des Lehrveranstaltungsleiters Zudem jedoch bot sich neben dieser institutionell vorgegebenen und für die eigene Profession als sinnvoll garantierten Handlungsaufforderung, sich bestimmte Wissensbestände anzueignen, auch jene - durch den Lehrveranstaltungsleiter eingeführte - des selbsterschlossenen Wissens zur Interiorisierung an. Hierbei war nicht mehr Wissen höchster Endzweck, sondern der Weg, auf dem Mario Spassov
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Wissensbestände erschlossen werden. Auch der Lehrveranstaltungsleiter übernahm eine Garantenstellung sinnvoller Lebensführung, denn der Aufruf, sich Wissensbestände selbstständig zu erschließen, ging implizit mit einem Sinnanspruch einher. Für diejenigen StudentInnen, die dem Aufruf Folge leisten konnten, wurde der Begriff “Elite” ins Spiel gebracht. Im Forum wurde eine Diskussion eröffnet, welche Interventionen gesetzt werden könnten, um alle beteiligten StudentInnen möglichst rasch zu dieser “Elite” “aufschließen” zu lassen. Die Diskussion drehte sich aber bald nicht mehr um mögliche Interventionen, sondern den Elitebegriff selbst. Denn einige bisher unbeteiligte StudentInnen nahmen im Forum Stellung und “enttarnten” die Bezeichnung “Elite” als “bewertend” und “trennend”. Dass die Forderung, andere zur Elite aufschließen zu lassen, überaupt aufkam, wurde von diesen als das eigentliche, d.h. Hemmung auslösende Problem angesehen. Und weniger, dass die meisten StudentInnen - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Kollaboration bereit waren. Der Elitebegriff implizierte, dass allen StudentInnen eine aktive Beteiligung im Forum bedeutsam werden solle und sie sich aus ihrer Position “bloßen” Zuhörens herausbewegen sollten. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen kann dies so verstanden werden, dass der offensichtlich wertende Begriff “Elite” einen Handlungsaufruf expliziert, der zugleich vermittelt, dass man den Ruf interiorisieren, bedeutsam werden lassen solle. Obwohl keine offiziellen Sanktionsmaßnahmen für “nichtelitäre” Beteiligung angedroht wurden, drückt der Begriff implizit schon aus, dass die Handlungsaufforderung “elitär” zu werden, nicht nur im Interesse des Lehrveranstaltungsleiters lag, sondern dies auch das Interesse der beteiligten StudentInnen werden solle. Wie in der Einführung erwähnt, war die Absicht der Einführung dieses wertenden Begriffes wohl eine andere. Diese Wertung und Garantenstellung, dass es sinnvoller sei, sich kollaborativ zu beteiligen, als “passiv” zuzuhören, wurde von StudentInnen dennoch nicht bloß zur Kenntnis genommen, sondern bot sich zur Interiorisierung an. All jene, die von Beginn nicht zu Kollaboration bereit waren, fanden sich plötzlich auf der Seite eines nicht als sinnvoll garantierten Entwurfs und nicht mehr willkommen. Und all diejenigen, welche das Interesse hinter dem Aufruf interiorisierten, standen wiederum vor der hemmenden Möglichkeit, dem Aufruf nicht gerecht zu werden. Ähnlich dem Beispiel der klassenbesten Schülerin, kann die bloße Möglichkeit des Scheiterns schon hemmend erfahren werden.
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III. Die Garantenstellung der StudentInnen untereinander Auch untereinander nahmen StudentInnen Garantenstellungen ein. Kompetenzvorstrünge wurden demnach ebenso nicht bloß zur Kenntnis genommen. Sofern KollegInnen einander als GarantInnen anerkannten, hatten sie auch das Bedürfnis, gegenseitigen Handlungsaufrufen Folge zu Leisten. Dies könnte erklären, wieso einige StudentInnen Hemmung äußerten, Probleme nicht gleichermaßen differenziert andere analysieren zu können. An keiner Stelle wurde dies als offizielle Beteiligungsvoraussetzung
der
Lehrveranstaltung
expliziert,
an
keiner
Stelle
wurde
Wettbewerbsdenken forciert. Dennoch wurde dieser Artikulationsraum zumindest von einigen scheinbar als Gefahr erfahren. Wenn nicht als Gefahr für die eigene Note, so dennoch als Gefahr für die eigene Identität. Wären die StudentInnen einander völlig gleichgültig gewesen, wären derartige Hemmungen wohl nicht aufgekommen. Umgekehrt hätten sie dann jedoch kein Interesse an einer Beteiligung im Forum haben können.
IV. Die Unmöglichkeit der Gerechtwerdung von Handlungsaufrufen in normativ überladenen Räumen Sofern die Bildungsinstitution, die Lehrperson sowie die KollegInnen als GarantInnen für gelungene Ausübung der Profession sowie gelungener Lebensführung akzeptiert werden, wird ein Scheitern gegenüber ihren - ob impliziten oder expliziten - Handlungsaufrufen als hemmend erfahren. Wenn Wissen zu einem Wert interiorisiert wurde, wird das nach Wissen strebende Bewusstsein Angst vor dem Nichtwissen haben. Wenn Kollaboration zu einem Wert interiorisiert wurde,
wird
das
kollaborieren
wollende
Bewusstsein
Angst
vor
musslungenen
Kollaborationsprozessen haben etc. Doch waren die bisher dargestellten impliziten Handlungsaufrufe nicht nur potenziell verfehlbar, sondern prinzipiell praktisch nicht einlösbar. Einerseits schlossen sich Handlungsaufrufe der Institution und jene des Lehrveranstaltungsleiters teilweise gegenseitig aus. Man konnte nicht zugleich beiden gerecht werden, sich sorgsam Wissen selbst erschließen und zugleich die Wissensbestände der eigenen Profession abdecken. Dem kamen noch die Artikulationen der StudentInnen hinzu, welche alle implizit den Anspruch stellten, ernst genommen und verstanden zu werden. Bei ca. je 40 neuen Beiträgen in jeder der ersten Wochen, war dies alleine schon uneinlösbar. Der “normativen Überladenheit” des Unterrichtsraumes, in dem verschiedene Mario Spassov
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Handlungsaufrufe zusammenkamen, konnte kein einziges Bewusstsein gerecht werden; selbst jene, die viel Zeit in die kollaborative Beteiligung investierten. Nach dem bisher Diskutierten müssen Normen als nur Hemmungen weckende und Gefahr bedeutende
unüberwindbare
Hindernisse
erscheinen.
Dennoch
beteiligten
sich
an
der
Lehrveranstaltung einige StudentInnen kollaborativ und wurden nicht durch überstarke Hemmungen daran gehindert am Forum teilzunehmen. Umgekehrt ist auch anzunehmen, dass StudentInnen die geltenden Normen tatsächlich auch gleich-gültig waren und sie sich nicht am Forum beteiligten, weil ihnen die Lehrveranstaltung als solche nicht bedeutsam erschien. Im nächsten und letzten Kapitel, soll jedoch die Frage aufgeworfen werden - und damit wieder an der Forschungsfrage dieses ersten Teils angeschlossen werden -, ob nicht artikulierte Mindeststandards eine “enthemmende” Funktion haben könnten.
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6. Explizite Normierung als Ermöglichungsbedingung von Commitment I. Die konstruktive Freiheit von Bewusstsein: das Commitment Das Bewusstsein ist den eigenen Identifikationen nicht völlig hilflos ausgeliefert. Es kann zwar nicht aus reinem Willensakt heraus Bedeutsamkeitsstrukturen generieren. Dennoch kann Bewusstsein seinen Lebensraum so einrichten, dass darin auch Orte sind, an denen es bewusst bestimmte Bedeutsamkeitsbeziehungen “pflegt”. Diese Orte, um die Brücke zur Ausgangsfrage nach der entlastenden Funktion von Mindeststandards aufzugreifen, sind gekennzeichnet über eindeutige Normierungen. Es sind Orte wie der Musikraum oder das Arbeitszimmer. Betritt man diese, gelten bestimmte höchste Normen, welche zugleich von der normativen Überladenheit der Alltagssituation entlasten. Bewusstsein kann sich entscheiden, eindeutig normierte derartige Räume zu betreten und den dort geltenden Handlungsaufrufen Folge leisten. Das Befolgen der Normierungen kann Erfahrung sowie Bedeutsamkeitsstukturen - welche vor Betreten des jeweiligen Raumes nicht unmittelbar vorhersehbar waren - generieren. Ein konstanter Übungsprozess eines Musikinstruments z.B., kann Bedeutsamkeitsstrukturen generieren, welche dem Bewusstsein völlig neu sind; etwa die Bedeutsamkeit des Gewahrens eines bloßen Tonintervalls. Diese Entscheidung eines Bewusstseins, bestimmen Handlungsaufforderungen - unter temporärem Ausschluss anderer - Folge zu leisten, soll als “Commitment” bezeichnet werden. Institutionalisierte Räume, in denen derartig fokussierte und von anderen Handlungsaufforderungen “entlastete”59 Praxis stattfinden kann, sind z.B. Unterrichtsräume. In diesen gelten zumindest offiziell nicht mehr die Handlungsaufforderungen, die im Alltag Relevanz haben. Betritt eine Lehrperson den Lehrraum, kann über kurz oder lang Stille einkehren, als Ausdruck dafür, dass die beteiligten Bewusstseine sich auf das jeweilig gemeinsame Thema, die gemeinsame Praxis ausrichten.
59 Schulräume als entlastende “Schutzräume” aufzufassen, wurde in in Prof. Alfred Schirlbauers Vorlesung “Didaktische Theorien” im Sommersemester 2006 angeregt. “Schutzräume” befreien der Konzeption dieser Arbeit zufolge nicht von Praxis schlechthin, sondern nur von der normativen Überladenheit der Alltagsräume. Die Begründung und nähere Definition der Begriffes „Schutzraum“ blieb dabei in der genannten Vorlesung aus.
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II. Minimalnormen als Voraussetzung für Schutzräume Um sich für ein Commitment entscheiden zu können, braucht Bewusstsein eindeutige Handlungsaufrufe. Wer sich dem Klavierspiel “commiten” will, braucht klare, erfüllbare Handlungsanweisungen, die nicht in einer Gleichzeitigkeit mit anderen, diesen widersprechenden, formuliert werden. Was bisher in dieser Arbeit als “Handlungsaufruf” galt, deckt sich mit den Autoren der PISA-Studie geforderten Bildungsstandards im Sinne explizierter erfüllbarer Erwartungshaltungen
oder
Minimalnormen.
Maximalnormen,
wie
etwa,
sich
selbst
Wissensbestände zu erschließen, oder gar der Aufruf, sich zu “bilden”, so die bisherige Argumentation, können Hemmungen auslösen, die handlungsunfähig machen. Damit sollen die Gehalte der Maximalnormen nicht in Frage gestellt werden, sondern die Frage aufgeworfen werden, ob diese an ein endliches menschliches Bewusstsein gerichtet werden können und zugleich erwartet werden kann, dass es diese ungehemmt bloß zur Kenntnis nimmt und auf deren Erfüllung hinarbeitet. Wenn menschliches Bewusstsein immer schon Bedeutsamkeitsbeziehungen hat und es “für dieses einen Unterschied macht”, ob es bestimmten interiorisierten Handlungsaufrufen Folge leisten kann, wird es interiorisierte Maximalnormen nicht bloß zur Kenntnis nehmen sondern ihnen gegenüber überall dort Hemmungen erfahren, wo es ihnen potenziell nicht gerecht wird. Bisher wurde nur die entlastende Funktion von Minimalnormen diskutiert, jedoch nicht geklärt, ob es sich hierbei um Input- oder Output-Minimalnormen handeln solle. Auch wurde offen gelassen,
ob
in
Unterrichtsräumen
geltende
Minimalnormierungen
in
allgemeine
“Bildungsstandards” übergeführt, d.h. in allgemein gültige und zu vermittelnde Kernkompetenzen transformiert werden sollten. Diese Fragen bleiben in dieser Arbeit unbeantwortet, auch die im ersten Kapitel gegen Bildungsstandards in diesem Sinne formulierten Einwände. In dieser Arbeit wurde nicht das Ziel verfolgt, den komplexen Begriff “Bildungsstandard” zu legitimieren, sondern jenen der Minimalnorm. Es wurde gezeigt, dass soziale Räume wie Unterrichtsräume zwar nicht notwendig schon standardisierte, dennoch immer schon normierte Räume sind. Sofern diese Normierungen expliziert werden, kann normative Überladung vermieden werden, die Hemmung und Handlungsunfähigkeit auslösen kann. Wie derartige explizite Normierungen in Zusammenhang der genannten Lehrveranstaltung aussehen könnten, soll im nächsten Kapitel skizziert werden.
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III. Differenzierung von Commitments am Beispiel der besprochenen Lehrveranstaltung Der normativen Überladenheit des in der Einführung geschilderten Fallbeispiels, könnte über diverse Commitment-Modi oder Teilnahme-Modi begegnet werden. Jeder Modus würde hierbei einerseits bestimmte Interessen artikulieren und zugleich Minimalnormen formulieren, wie diesen Interessen begegnet werden könnte. StudentInnen hätten vor der Entscheidungssituation gestellt werden können, in welchem Commiment-Modus sie bereit wären, die Lehrveranstaltung zu absolvieren. Folgende - an der Unterrichtssituation beteiligte - Interessen und diese artikulierende Modi, hätten differenziert werden können:
A. Nicht-kollaborative Modi 1. Minimalmodus Interessen: das Grundinteresse der Bildungsinstitution, bestimmte minimale Wissensbestände zu vermitteln. Das Grundinteresse von StudentInnen, eine Lehrveranstaltung mit “Genügend” abzuschließen, ohne kollaborative Beteiligung. Commitment:
ein
sehr
kurzes
allgemeines
Skript
lernen,
in
welchem
die
professionsbezogenen Kernmodelle bündig dargestellt werden. Diese Beteiligungsform sollte zumindest ein “Genügend” bei der Abschlussprüfung garantieren. Wenn StudentInnen mit den hier genannten Interessen in die Lehrveranstaltung gingen, konnten sie diese nur mit Mühe meistern, denn die Kerntheorien kennenzulernen setzte voraus, sich mit langen - über die Kernmodelle hinausführenden - Diskursen auseinandergesetzt zu haben. Es gab keine offizielle Anerkennung dieses “nichtelitären” und “passiven” Commitments.
2. Maximalmodus Interessen: das Interesse von StudentInnen, die Lehrveranstaltung mit “Sehr Gut” abzuschließen, auch ohne kollaborative Beteiligung. Commitment: das Skriptum lernen und zudem einen blog lernen, in dem die (unten dargelegten)
kollaborativen
Prozesse
anhand
von
Threadzusammenfassungen
und
Zusammenfassungen von Artikeln aufgearbeitet werden. Nachdem in der genannten Lehrveranstaltungen die Diskussionen im Forum bald Mario Spassov
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unüberschaubar geworden waren, schlug der Lehrveranstaltungsleiter gegen Ende des Semesters vor, dass StudentInnen die Rolle von Thread-ModeratorInnen übernehmen und in kurzen Artikeln Threaddiskussionen zusammenfassen sollten. Diese Artikel sollten gegen Ende des Semesters vom Lehrveranstaltungsleiter in einem blog zusammengestellt und öffentlich gemacht werden. Das Projekt konnte nicht umgesetzt werden, hätte jedoch bestimmte Grundinteressen öffentlich anerkannt.
B. Kollaborative Modi 1. Minimalmodi Interessen: eigene kollaborative Beiträge, ohne dabei alle Kollaborationsprozesse nachvollzogen zu haben. Die Lehrveranstaltung garantiert positiv abschließen. Commitment: das Skriptum lernen und zudem einen Artikel anhand von Kernthesen und einer Kontextualisierung mit den in der Vorlesung besprochenen Kernmodellen kontextualisieren. Oder: das Skriptum lernen und eine Sammlung der besten eigenen Beiträge im Forum zur Benotung abgeben60. Oder: das Skriptum lernen und einen oder mehrere Forum—Threads moderieren und anhand eines kurzen Artikels zusammenfassen61. Das Exzerpt und die Kontextualisierung, sowie die Forumsbeiträge als auch die Threadmoderation, könnten bei der Schlussprüfung eine Prüfungsfrage ersetzen und damit garantieren, dass die Lehrveranstaltung zumindest positiv abgeschlossen wird.
2. Maximalmodi Interessen: eigene kollaborative Beiträge und zudem Verantwortung gegenüber den Kollaborationsprozessen im Forum übernehmen. Die Lehrveranstaltung garantiert positiv abschließen und keine schriftliche Prüfung ablegen. Commitment: das Skript lernen, einen Artikel zusammenfassen/kontextualisieruen sowie 60 Dies war Vorschlag des Lehrveranstaltungsleiters. 61 Dies war Vorschlag einer Kollegin, welcher vom Lehrveranstaltungsleiter aufgegriffen wurde.
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einen oder einige Threads im Forum moderieren und anhand eines Artikels zusammenfassen. Oder: das Skript lernen, die besten eigenen Forumsdiskussionen zur Benotung abgeben und einen Artikel zusammenfassen/kontextualisieren62. Oder: das Skript lernen, die besten eigenen Forumsdiskussionen zur Benotung abgeben und zudem einen oder mehrere Threads moderieren und zusammenfassen. Diese Form des Commitments könnte die schriftliche Prüfung zur Gänze ersetzen.
Allen diesen Beteiligungsmodi, ob Minimal- oder Maximalmodi, ist gemeinsam, dass sie erst über klare Minimalnormen konstituiert werden. Sofern ein Commitment zu einem bestimmten Modus eingegangen wird, findet eine offizielle Entlastung von den anderen, möglichen Handlungsaufforderungen statt. Diese Modi stellen eine minimale Differenzierung der an der genannten
Lehrveranstaltung
beteiligten
Interessen,
sowohl
auf
Seiten
des
Lehrveranstaltungsleiters, der Institution als auch der StudentInnen dar, und könnten weiter verfeinert werden. Wie eingangs erwähnt, wurden die Interessen heuristisch, anhand der im Forum geäußerten Bedenken und persönlicher Rücksprachen mit dem Autor dieser Arbeit gesammelt und erhoben. Dies kann nicht mehr, als eine erste Annäherung an mögliche beteiligte Interessen sein. Es müssten zudem klare Bedingungen formuliert werden, wie die Exzerpte, Kontextualisierungen und Moderationen aufgebaut sein müssten, sodass ein Mindestaufwand garantiert wäre. Und inwiefern diese Modi tatsächlich eine relativ “ungehemmte” Form der Beteiligung ermöglichen würden, müsste erst empirisch erhoben werden.
62 Der Vorschlag Forumsbeiträge eine Prüfungsfrage ersetzen zu lassen kam vom Lehrveranstaltungsleiter.
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7. Resumée I. Die hemmende Funktion von Normen Das bisher Gesagte sollte eine Perspektive auf die Sinnhaftigkeit von Standards in Hinsicht auf die Milderung von Hemmungen, unabhängig von etwaiger Steigerung oder Minderung von Leistung, darlegen. Unter Standards wurden gesollte Handlungsaufforderungen oder Normen verstanden, die eingeteilt werden können in Minimal- Regel- und Maximalstandards. Zudem konnte auch differenziert werden, an wen sich die Standards richten, z.B. - im Rahmen einer Lehrveranstaltung - an StudentInnen oder Lehrpersonen. Standards wurden in dieser Arbeit nicht gleichgesetzt mit allgemeingültigen Unterrichtsnormen, seien dies Input- oder Outputerwartungen, sondern als Standard galten die im Lehrveranstaltungsraum expliziterten geltenden Normen, mögen diese von Normierungen anderer Lehrveranstaltungen abweichen oder nicht. Zumindest für die Gruppe der StudentInnen, so die Argumentation, kann die Explikation von Normen in Form artikulierter Standards Befreiung enthemmend, wenn auch nicht notwendig leistungssteigernd sein. Der Lehrveranstaltungsraum vor aller expliziten Formulierung von Standards, ist als institutionalisierter sozialer Praxisraum immer schon implizit vornormiert, d.h. in ihm wurden immer schon Handlungsaufrufe an die teilnehmenden Bewusstseine gerichtet. Impliziten Normen haben potenziell hemmende Funktion. Am Modell der Identitätsentwicklung von Erikson sowie am Modell der Interiorisierung von Dux wurde gezeigt, dass Handlungsaufrufe oder Normen von Bewusstseinen zu verinnerlicht werden können. Die Erfüllung bestimmter Handlungsaufrufe kann einem Bewusstsein bedeutsam und damit identitätskonstitutiv werden. Sobald jedoch eine Norm interiorisiert wurde, hat sie potenziell hemmende Funktion, da mit dem Scheitern oder der bloßen Möglichkeit des Scheiterns gegenüber der Handlungsaufforderung auch persönliche Versagensgefühle, Scham und Zweifel (scheinbar) notwendig einhergehen. Jede Identitätsstufe des Eriksonschen Modells weist einen negativen, von Hemmung beladenen Pol des Versagens gegenüber der möglichen positiven Identitätskonstitution auf. Ob dies notwendig so sein muss, wird von Erikson nicht diskutiert und wurde auch in dieser Arbeit nicht aufgegriffen. Scham und Zweifel werden von Erikson als über Beobachtung gestützte Prämisse eingeführt, welche in dieser Arbeit übernommen wurde. Diese Prämisse würde jedoch erklären, wie es selbst in der Interaktion zwischen einer “guten” Schülerin und ihrer Lieblingslehrerin, wie es am Beispiel der Klassenbesten im Mathematikunterricht dargelegt wurde, zu Hemmungssituationen kommen kann: Hemmung ist demnach nicht unmittelbar Mario Spassov
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von der objektiv erbrachten Leistung abhängig, sondern vom interiorisierten und damit identitätskonstitutiven
Handlungsaufruf. Am Beispiel der genannten Schülerin ist
der
Handlungsaufruf, die Klasse und selbst die Lehrerin durch Wissen zu dominieren, an keiner Stelle durch die Lehrerin oder den Lehrplan offizieller Standard. Wo immer die Klassenbeste jedoch gegen diese Norm verstößt, nimmt sie dies nicht bloß zur Kenntnis, sondern erfährt ihr eigenes Identitätsgefühl als davon berührt.
II. Der normativ “überladene” Lehrveranstaltungsraum Dieses Beispiel einer implizit geltenden, wenn auch nicht bewusst in den Klassenraum eingeführten Norm, diente als Überleitung zum Versuch, das Eingangsbeispiel auf implizite Normierungen hin zu untersuchen. Es wurde die Vermutung aufgestellt, dass in diesen gerade aufgrund loser Normierung leicht Normierungen hineingetragen werden konnten und ihn normativ überladen haben. Nicht nur gelten in diesem Unterrichtsraum implizit die von der Institution - wie etwa Wissensproduktion - sowie die durch den Lehrveranstaltungsleiter in diesen Raum hineingetragenen - wie etwa das selbsterschlossene Wissen. Auch die einzelnen StudentInnen durften dank der losen Normierung im Forum eigene Normierungen in den Unterrichtsraum einbringen. Bereits bloß deskriptive Stellungnahmen im Forum wurden als derartige Normierungen gedeutet. Die Deskriptionen im Forum hatten einen mindestens zweifachen normativen Sollensgehalt: hinter allen Artikulationen stand das Interesse (und damit das Soll), ernst genommen zu werden, sowie das Interesse (und damit das Soll), die vermittelte Information für sich relevant werden zu lassen. Wo diese diversen Normierungen interiorisiert und zu Werten wurden, entstanden potenziell Hemmungen am Ort des realen oder auch nur möglichen Versagens gegenüber der jeweiligen Norm. Wo StudentInnen der Profession, dem Lehrveranstaltungsleiter sowie ihren KollegInnen nicht mit distanzierter Gleichgültigkeit begegneten, gab es auch schon Hemmungspotenziale. Je mehr und unausgewiesener die Normierungen sind, desto mehr Hemmungpotenzial hat ein Unterrichtsraum, denn desto schwieriger wird es, den einander teilweise widersprechenden Normierungen gerecht zu werden.
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III. Normative “Entladung” des Lehrveranstaltungsraums durch explizite Normierung Explizite Normierung des Lehrveranstaltungsraums jedoch, d.h. das Überführen von Normen in offizielle (Teilnahme-)Standards, wurde als normativ entladend verstanden. Hierfür muss nicht ein notwendiger Ausschluss der bisher in den Lehrveranstaltungsraum herangetragenen Normierungen stattfinden, sondern es können unterschiedliche Teilnahme-Modi differenziert werden. Über derartige explizit vornormierte oder standardisierte Räume, die bestimmte Formen sozialer Praxis konstitutieren, kann Bewusstsein über Commitment Einfluss auf die ihm eigentlich zumindest direkt - unverfügbaren Bedeutsamkeitsstrukturen nehmen. Ein Bewusstsein kann sich nicht entscheiden, was ihm bedeutsam und damit potenziell hemmend ist, es kann sich jedoch einer sozialen Praxis, welche Bedeutsamkeitsstrukturen generieren kann, unter gleichzeitigem Ausschluss und Entlastung von anderen Praktiken, “commiten”. Diese Modi greifen zwar einerseits eine Pluralität an Normierungen auf, gleichzeitig aber findet im Rahmen jedes einzelnen dieser Modi eine normative Entladung von den in den anderen Modi geltenden Handlungsaufrufen statt. Jeder Modus wird dabei über bestimmte Minimalnormen konstituiert. Werden diese nicht eingehalten, kann die Lehrveranstaltung nicht in diesem Modus abgeschlossen werden. Erst über das offizielle Commitment an einen dieser Teilnahmemodi, ob nun kollaborativ oder nicht, ob im Minimal- oder Maximalmodus, ob über Aufarbeitung von Artikeln oder der Moderation von Threads, findet eine Verpflichtung gegenüber den im Modus herrschenden Standards statt. Wird diesen entsprochen, kann nicht nur die Lehrveranstaltung positiv abgeschlossen werden, sondern zugleich eine Entlastung von anderen im Lehrveranstaltungsraum möglichen Normierungen. Die Arbeit setzte mit dem Ergebnis der Diskussion um die Einführung von Bildungsstandards ein und gelangte über einen anderen Argumentationsweg an ein ähnliches Resultat. Bildungsstandards als explizierte Handlungsaufforderungen können demnach enthemmend wirken. Sofern die Autoren der PISA-Studie für nach Außen hin explizierte und erfüllbare Erwartungshaltungen plädieren, scheint diese Forderung durch diese Arbeit gestützt. Doch muss nicht jede explizierte Norm zugleich auch standardisiert sein. Der Schritt hin zur Standardisierung dieser Erwartungshaltungen kann aus dem Rahmen dieser Arbeit heraus weder legitimiert noch kritisiert werden. Wie eine Explizierung von Handlungsaufforderungen im Zusammenhang mit dem eingangs besprochenen Fallbeispiel aussehen könnte, wurde anhand der Differenzierung mehrerer Teilnahmemodi vorgemacht. Die Teilnahmemodi stellen dabei explizierte Normen, jedoch Mario Spassov
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keinesfalls standardisierte Teilnahmebedingungen für Lehrveranstaltungen, dar. Sofern Eriksons Modell der Identitätsenticklung haltbar ist, müsste eine derartige Differenzierung von Teilnahmemodi Hemmungen minimieren. Diese Vermutung müsste empirisch untersucht werden. Im zweiten Teil der Arbeit soll diskutiert werden, ob derartige explizite Normierung nicht neben der entlastenden, auch eine bildungsfördernde Funktion haben könnte. Um diese These zu stützen, soll gezeigt werden, dass explizite Normierung sich zur Raumdifferenzierung anbietet und diese wiederum bildungsfördernd sein kann. Teil II beginnt mit Ausführungen zum in dieser Arbeit verwendeten Raumbegriff.
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Teil II. Bildungsfördernde Aspekte bewusster Raumtrennung 1. Räume I. Drittpersonaler vs. erstpersonaler Raum In seiner phänomenologischen Annäherung an den Raumbegriff, unterscheidet Bollnow den mathematischen vom erlebten Raum. Mathematischer Raum ist ihm zufolge homogen. Alle darin vorfindbaren Objekte stehen in konstanten Abständen zueinander, in diesem Raum gibt es keine unerschlossenen Bereiche, unausgefüllte Koordinatenpunkte oder dunkle Stellen. Jeder beliebige Koordinatenpunkt im mathematischen Raum kann zum Achsenmittelpunkt des Koordinatensystems gemacht werden, es gibt keinen absoluten Mittelpunkt des mathematischen Raums63. Man könnte diesen mathematischen Raum als einen - von den Koordinatenachsen aufgespannten - Behälter, oder als eine Schachtel denken, in der Objekte mittels klarer Koordinatenangaben positioniert werden64. Diesem homogenen Raum stellt Bollnow den erlebten Wahrnehmungsraum entgegen, welcher einen erlebten Achsenmittelpunkt hat. Der Achsenmittelpunkt ist der Sitz des Ichs und wurde oft von der Psychologie zwischen den Augen, direkt hinter der Nasenwurzel verortet65. Im Wahrnehmungsraum gibt es somit ein absolutes Zentrum, einen absoluten Schnittpunkt der Raumachsen, aus dem Heraus der wahrgenommene Raum erfahren wird. Dieser Raum wird dabei nicht anhand von Abständen und Koordinatenpunkten aufgespannt, sondern anhand subjektiver Abstände zwischen Begegnendem und beobachtendem Ich. Es gibt hierbei zwar Nähe und Ferne, doch nicht im Sinne diskreter Abstände. Ebenso wie beim mathematischen Raum gibt es ein Achsensystem, dessen vertikale Achse jedoch fällt mit der Körperachse zusammen und ist damit an die Position des Körpers gebunden. Die anderen zwei Achsen spannen die Horizontalebene des Erdraums auf, auf der sich das Leben der Menschen abspielt66. Der Wahrnehmungsraum lässt sich somit in Kategorien wie “oben”, “unten”, “vertraut”, “nahe”, “fern” fassen, nicht jedoch in absoluten Raumabständen. Eine vertraute Stelle ist in Begriffen des erlebten Raumes “näher”, als eine unbetretene - sei diese dem Körper des beobachtenden Bewusstseins auch in objektiven
63 Bollnow 1960, 398 64 Diese Raumkonzeption, so Löw, scheint Piagets Untersuchungen zur Entwicklung räumlichen Vorstellungsvermögens bei Kindern zugrundezuliegen. Löw 2001, 78 65 Bollnow 1960, 399 66 Bollnow 1960, 399
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Maßeinheiten “ferner”67. Bollnow interpretierend könnte gesagt werden, dass die Unterscheidung dieser beiden “Räume” mit der Cartesianischen Differenzierung von “res cogitans” und “res extensa“ zusammenfällt. Ebenso wie bei Descartes die res extensa, zeichnet sich der mathematische oder drittpersonale Raum68 durch Größenangaben sowie Teilbarkeit von Strecken aus. Der erstpersonale oder Wahrnehmungsraum dagegen, ist bestimmt über Erfahrungsqualitäten.
II. Raum als (An)Ordnung von Gegenständen Die Unterscheidung von mathematischem und erlebten Wahrnehmungsraum könnte - in Analogie zur Unterscheidung zwischen res cogitans und res extensa als zwei Substanzarten - den Eindruck erwecken, dass es zwei unterschiedliche Räumarten gibt. In Anschluss an Martina Löw soll jedoch hierbei nicht von zwei Räumen, sondern zwei Aspekten ein und des selben Raumes die Rede sein. Löws Raumbegriff - ein zweiseitiges Gebilde, bestehend aus einer sozialen oder in Terminologie dieser Arbeit erstpersonalen, sowie einer objektiven oder drittpersonalen Dimension wird als Grundlage für die anschließenden bildungsphilosophischen Überlegungen über den Bildungswert explizit normierter Unterrichtsräume dienen. Der drittpersonale Aspekt von Raum wird von Löw69 als “Ort” thematisiert, welcher eine einmalige geographische Position hat und unabhängig von beobachtenden Bewusstseinen ist70. Ähnlich wie Koordinatenpunkte in Bollnows mathematischem Raum, lassen sich Positionen von Orten über Längen- und Breitengrade präzisieren. Das Positionieren von Gegenständen oder Personen an Orten nennt Löw “Spacing”71. Der Ort ist m.a.W. das Ziel einer Platzierung oder eines Spacings72. Die platzierten Gegenstände sind jedoch - im Unterschied zu jenen im mathematischen Raum - keine “reinen” Objekte, d.h. von allem Bewusstsein gereinigt. Wenn Löw von Gegenständen spricht, die an Orten positioniert werden, meint sie damit generell sinnbeladene Objekte, d.h. bedeutsame Personen, Gegenstände oder Handlungen. Diese platzierten Objekte sind 67 Bollnow 1960, 409 68 Zur Untercheidung erst- und drittpersonaler Ontologie siehe Searle 2004, 68 69 Löw verwendet hierbei nicht die terminologische Unterscheidung erst- und drittpersonaler Perspektive. 70 Löw 2003, 121; Löw 2001, 224 71 Löw 2001, 158 72 Löw 2001, 224
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somit nie drittpersonal, bloß ausgedehnt und bewegte Gegenstände,
definiert über
Raumkoordinaten73. Die jeweils positionierten Objekte haben stets auch subjektive Kategorien der Bedeutsamkeit, d.h. symbolischem Charakter74. Die Verknüpfungen dieser sinnbeladenen Objekte zu Sinninseln nennt Löw “Syntheseleistung”75. Damit will Löw jedoch nicht einen “objektiven” Raum einem “subjektiven”, erfahrenen Raum gegenüberstellen, wie etwa Bollnow unterstellt werden könnte. “Orte” sind für Löw der objektive Aspekt von Räumen76. Diese Konzeption von Räumen als zweidimensionale Gebilde, bestehend aus objektivem Ort sowie subjektiver Syntheseleistung von sinnbeladenen Gütern, lässt sich in der Terminologie erst- sowie drittpersonaler Perspektive auf Raum rekonstruieren, und durch den Nachdruck auf “Perspektive” schon in der Terminologie eine Vergegenständlichung von Aspekten vermeiden. Indem Löw von “Orten” sowie platzierten “Objekten” spricht, bietet sie die ontologisch dualisierende Sprache des Descartes an, die sie zu vermeiden sucht77. An einer ontologisch dualisierenden Sprache ist nicht einzuwenden, dass sie Differenzierungen vornimmt, wie jene, dass Gegenstände hinsichtlich der Extension (reine Gegenstände der Naturwissenschaft) gedacht werden können und andere hinsichtlich ihrer unmittelbaren Erfahrbarkeit (Gegenstände des Bewusstseins). Auch Löw differenziert Spacing und Syntheseleistung, trennt aber deren Bezugsobjekte nicht ontologisch. Der Schritt zur Ontologisierung der Gegebenheitsweise von Objekten zu Objekten jedoch, der Schritt hin zur These, dass es Objekte gäbe, die “nichts anderes als bloß ausgedehnt” wären, und andere, die “nichts anderes als bloß unmittelbar erfahren” seien, übersieht die Möglichkeit, dass es sich hierbei nicht um zwei Objekte handeln könnte, sondern um dasselbe Objekt, betrachtet aus erst- oder drittpersonaler Perspektive. Mit Kant gesprochen, könnte es sich um zwei verschiedene Objekte der Anschauung78 handeln, die auf ein “Objekt an sich” bezogen sind. Räume sind nie bloß drittpersonale homogene Objektanordnungen, wie der mathematische Raum. Dieser stellt eine Idealisierung der Anschauung dar79. Ebensowenig jedoch sind Räume bloß erstpersonal, über reine subjektive Nähe und Distanzerfahrungen und Sinninseln definiert80, sondern anhand (An)Ordnung von (sinnbeladenen) Objekten und Handlungen an bestimmten Orten. 73 Löw 2001, 46 74 Löw 2001, 153 75 Löw 2001, 159 76 Löw 2001, 15 77 Zu Löws Ablehnung des Substanz-Dualismus siehe ihre Ausführungen über die Entstehung des Dualismus von Geist und Körper. Löw 2001, 118 78 Kant KdrV, B 33 79 Löw 2001, 265; 2003, 124 80 Löw 2001, 113
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(An)Ordnung soll Löw zufolge betonen, dass die Syntheseleistung, die Verknüpfung der Objekte, nicht völlig willkürlich geschieht, sondern diese dem Bewusstsein als immer schon vor- oder bereits angeordnete begegnen. Die Handlungsdimension des Anordnens von Objekten durch das individuelle Bewusstsein, sowie die Tatsache, dass Bewusstsein Objekte schon sozial vorgeordnet an Orten vorfindet, fallen hierbei zusammen81. Ein Beispiel derartiger Anordnung von Objekten, die vor dem individuellen Bewusstsein geleistet wurde, sind Institutionen82. Diese geben Syntheseleistung und Spacing teilweise vor, wie etwa der Richtersaal, in dem Bundesweit praktisch identisches Spacing und Syntheseleistung vorliegt und RichterInnen und Angeklagte die selbe Rolle zueinander einnehmen83. Bewusstsein muss Syntheseleistung nicht selbst aus dem Nichts hervorbringen, sondern baut seine eigenen Ordnungen immer schon auf Anordnungen von symbolischen Objekten auf, die ihm gesellschaftlich vorgegeben werden. Hierin liegt nach Löw die soziologische Relevanz dieses Raumbegriffs, der ihr zufolge bei anderen Soziologen wie Giddens, Luhmann, Schütz oder Bourdieu nicht zur Geltung kommt84. Dennoch übernimmt Bewusstsein - oder, wie Löw formuliert, das “Subjekt” - diese Anordnungen nicht einfach, sondern ordnet die Objekte auch nach eigenen Reflexionsprozessen um85. Diese Doppelstruktur von bereits angeordneten Objekten sowie der Ordnungsleistung, welche durch das individuelle Bewusstsein geschieht, erlaubt die Vorstellung, dass an einem Ort zugleich mehrere Räume - durch individuelle Anordnungsleistungen der singulären Bewusstseine - entstehen86.
III. Relativer vs. absoluter Raum In ihrer historischen Herleitung des Raumbegriffs unterscheidet Löw absolute von relationalen Raumvorstellungen87. Sie sieht im Newtonschen oder auch Cartesischen Raumbegriff, welche beide über diskrete Abstände in einem Koordinatensystem definiert sind, absolute Raumbegriffe, die Raum als Art unveränderbaren, schuhschachtelförmigen Hintergrund, Behälter 81 Löw 82 Löw 83 Löw 84 Löw 85 Löw 86 Löw 87 Löw
2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001,
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131 163 164 41ff. 187 131 17ff.
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oder “Container” fassen, innerhalb dessen Objekte eindeutig in Relation gestellt werden können, und nicht von ihm beeinflusst sind88. Ähnlich spannt das Koordinatensystem, welches Veranschaulichung dieses absoluten Raumes ist, mittels dreier Raumachsen einen kubischen “leeren” Luftraum auf, in dem Objekte anhand von Koordinatenpunkten eindeutig positioniert werden. Dieser Raum selbst wird als unabhängig von den darin positionierten Objekten gedacht. Löw sieht diese Raumvorstellung als von einer relativistischen abgelöst, in der Raum nicht als Behälter gedacht wird, sondern durch die Objektrelationen selbst konstituiert wird89. Das Verhältnis von Objekten spannt den relationalen Raumbegriff auf, der im Gegensatz zum absoluten Raum auch “Krümmungen” aufweisen kann. Je nach der Bewegungsgeschwindigkeit der Objekte zueinander, variiert auch deren absolute Ausdehnung90. Dies lässt sich im Koordinatensystem, welches einem Cartesischen, die Anschauung idealisierenden Denken entsprungen ist, nicht abbilden. Die relativistische Raumvorstellung dagegen, so Löw, eignet sich, um ihre Raumkonzeption darauf aufzubauen, in der Objekte nicht in klaren Abständen zueinander stehen, sondern vielmehr vom Subjekt, dem Beobachtungsstandpunkt, abhängen. Während Löws Raumbegriff für diese Arbeit praktisch unverändert übernommen wurde, gilt dies nicht für ihre Herleitung des Begriffes. Löw differenziert nicht klar genug zwischen dem Begriff eines Beobachters in phänomenologischem sowie physikalischem Sinne. Während der phänomenologische Beobachter jene Stelle hinter der Nasenwurzel einnimt und stets ein beobachtendes Bewusstsein oder Subjekt ist91, meint Beobachter in physikalischem Kontext ein “reines” Objekt, welches in Messrelation zu einem anderen “reinen” Objekt steht. Durch die Äquivokation von “Beobachter” entsteht bei Löw die Vieldeutigkeit, dass Relativität von Raum auf die sie besteht92 - bei ihr einerseits bedeuten kann, dass die raumkonstituierenden Objekte zueinander in Relation stehen, oder, dass die Objekte immer schon durch ein Bewusstsein oder Subjekt in eine Relation gebracht werden. Für diese Arbeit interessiert lediglich die letztere These, die konsistent aus einem Cartesischen Anfangsstandpunkt entwickelt werden kann, auch ohne Rekurs auf Relativitätstheorie. Durch ihren Rekurs auf Relativitätstheorie, scheint Löw Objekt-Objekt und Subjekt-Objekt Beziehungen nicht zu differenzieren. Sie argumentiert, dass sich die Wandlung der klassisch “absolutistisch” Newtonschen Objekt-Objekt-Relation93 hin zu einer “realtivistischen”, wie in der 88 Löw 89 Löw 90 Löw 91 Für 92 Löw 93 Löw
2001, 2001, 2001, diese 2001, 2001,
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18ff. 32 32 Arbeit reicht eine Gleichsetzung von Subjekt und Bewusstsein. 131 14
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Relativitätstheorie94, dafür anbiete, Raum nicht mehr als über ein Koordinatensystem absolut und vom Beobachtungsstandpunkt unabhängig geordnet zu verstehen, sondern vielmehr in Graden der Entfernung vom eigenen Beobachtungsstandpunkt. Dieser Rekurs auf die Relativitätstheorie ist jedoch für den Raumbegriff dieser Arbeit nicht nötig, weil diese Beobachter im Sinne eines Beobachtungssystems versteht, in dieser Arbeit dagegen vom phänomenologischen oder erstpersonalen Beobachter die Rede sein wird. Diese kurze Anmerkung sollte plausibilisieren, dass Löws Raumbegriff konsistenter über die Cartesische Raumkonzeption hergeleitet werden kann, als über die Relativitätstheorie, denn bei Descartes ist die Subjekt-Dimension zumindest mitgedacht - auch wenn er an keiner Stelle die res cogitans versucht mittels Theorie zu erschließen. Descartes ontologisiert zwar drittpersonale Perspektive zu “Raum als ausgedehnten”, ebenso wie das ego cogito - indem er von “res” cogitans sowie “res” extensa spricht, d.h. von “Sachen”, die erfahren und “Sachen”, die bloß ausgedehnt sind. Im Unterschied zur Relativitätstheorie, wird bei Descartes jedoch der phänomenologische Beobachter, der Standpunkt des Bewusstseins hinter der Nasenwurzel, nicht auf ein reines Objekt reduziert. Über Bewusstsein sagt Relativitätstheorie nichts aus, das Bewusstsein soll jedoch in den folgenden Kapiteln Gegenstand der Untersuchung dieser Arbeit sein.
94 Löw 2001, 23 Mario Spassov
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2. Räume als Veräußerlichung von Bewusstsein I. Raumstrukturen spiegeln Bewusstsein wieder Bollnow fasst Räume als Spiegelungen der Strukturen von Bewusstsein. In den Anordnungen von Gegenständen spiegeln sich die Strukturen des die Gegenstände anordnenden Bewusstseins wieder. Ein derartiges Strukturmerkmal von Bewusstsein ist die bestimmende Mitte, ein innerer “Ort”, an dem der Mensch “zuhause” ist95. Das ist ein weit verbreitetes theologisches Motiv, das Motiv des gefallenen Menschen, welcher dieses “Zuhause” erst finden muss. Erst in seiner bestimmenden Mitte, im “Zuhause”, findet das Bewusstsein einen Ruhepunkt und Geborgenheit96. Bollnow charakterisiert diese innere Mitte des Menschen nicht näher. Das im Raum verortete Haus jedoch, ist für Bollnow verräumlichtes Symbol dieser inneren Mitte. Der Innenraum des Hauses ist dem ihn bewohnenden Bewusstsein Heiligtum oder Tempel und repräsentiert die bestimmende Mitte des Menschen97. Durch etymologische Anspielung auf das lateinische “templum”, weist Bollnow darauf hin, dass hiermit das “Herausgeschnittene” gemeint ist98. Das Haus “schneidet” einen vertrauten Innenraum von einem unvertrauten Außenraum mittels Wände ab. Alles Bewusstsein bewegt sich zwischen vertrautem Innenraum und fremdem Außenraum. Die innere Struktur von Bewusstsein wird m.a.W. an der äußeren Struktur des Hausbaus ersichtlich. An der Ausdeutung des Hausbaus, kann sich Bewusstsein selbst zum Thema machen. Das Fremde wiederum, so Bollnow, erschließt sich das Bewusstsein über vereinzelte Wege oder Pfade. Straßen, welche am vertrauten Innenraum des Hauses anschließen, führen das Bewusstsein nicht unmittelbar in das Fremde, sondern in ein noch teils Vertrautes der unmittelbaren Nachbarschaft. Und wo auch diese auf Wegen verlassen wurde, bewegt sich das Bewusstsein noch in der teils vertrauten “Heimat” und nicht einem völlig Fremden99. Über das Vorvertraute, erschließt sich Bewusstsein das Fremde. Dabei ist das Bewusstsein auf Ordnungen angewiesen. Es schafft sich Raum, Weite, indem es - hier verweist Bollnow auf Heidegger - Auftauchendes “einräumt”100, ihm einen Platz zuweist. Die menschliche Zwecksetzung objektiviert sich an räumlichen Strukturen101. Nicht nur diese, nicht nur die bewussten Absichten schlagen sich in der Raumgestaltung nieder, sondern, so würde auch Löw zustimmen, auch unbewusste Motive. Die 95 Bollnow 1960, 400 96 Bollnow 1960, 401 97 Bollnow 1960, 402 98 Bollnow 1960, 402 99 Bollnow 1960, 405 100 Bollnow 1960, 407 101 Bollnow 1960, 408 Mario Spassov
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Soziologie hat es Löw zufolge nach Giddens gerade damit zu tun, unbewusste Handlungsstrukturen aufzudecken, durch die Analyse der Objektivationen von Bewusstsein102.
Der Schweizer Kulturphilosoph Jean Gebser macht sich diese hermeneutische, verborgenen Sinn oder Bewusstseinsstrukturen entbergende Methode zunutze, um nicht nur vereinzelte Objekte, sondern ganze Landschaften von Objekten, d.h. erschlossene Symbolkulturen, zu deuten. Gebser deutet dabei nicht nur Architektur und Kunst, sondern auch Wissenschaft, Sprachformen, jede Form von Objektivation, auf deren dahinterliegende Bewusstseinsstruktur hin aus. Für Gebser z.B. ist die Wende hin zu Hausbau, bei dem Innenraum und Außenraum durch große Glasflächen miteinander verbunden werden, ein Ausdruck für die Entstehung eines a-perspektivischen Bewusstseins, welches sich über Selbst-Transparenz auszeichnet. Hierbei liegt eine zweifache Öffnung vor: das Bewusstsein öffnet sich selbst gegenüber anderen Bewusstseinen, verbirgt sich nicht hinter kleinen Fenstern, wie sie gerade im Mittelalter üblich waren. Andererseits aber sieht es durch diese weiten Glasflächen auch in die Welt: “Eine stärkere Form der Überwindung des einstigen Dualismus Innen:Außen läßt sich kaum denken, denn hier wird sie im privatesten Bereich des Menschen, seiner Wohnung, geleistet; die Abkapselung, die Isolation wird aufgegeben; der Mensch beginnt im Offenen nicht nur zu denken und zu musizieren, sondern auch zu leben und zu wohnen”103.
Einen anderen Fokus als Gebser und Bollnow legt Foucault. Diesem geht es um die Wiederspiegelung von Machtstrukturen in Raumstrukturen sowie deren Reproduktion durch Anpassung an Raumstrukturen. Foucault wird hierbei oft mit seiner Analyse des Klassenzimmers als Raum, der die darin geltenden Machtstrukturen äußerlich abbildet, zitiert: Die Bänke der LernerInnen sind in Richtung der einen Bank der UnterichterInnen hin ausgerichtet. Es wird von Beginn klargestellt, wer spricht und wer zuhört. In vielen Klassenräumen ist die Bank der Unterichtenden zudem auf einem Podest montiert und somit von der gleichgemachten Schar an ZuhörerInnen klar qualitativ herausgehoben. Dadurch wird ebenso wie an den Toiletten, in denen Kopf- und Bein-Bereich durch Halbtüren sichtbar bleiben, Kontrolle ausgeübt, nicht angepasstes Bewusstsein aussortiert und in hierarchische Strukturen gezwungen104. Ebenso wie bei Gebser und 102 Löw 2003, 11 103 Gebser 1992, 624 104 Löw 2003, 40ff. Mario Spassov
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Bollnow werden bei Foucault durch die hermeneutische Analyse von Raumstrukturen unbewusste Strukturen von Bewusstsein aufgedeckt. Bewusstsein oder Subjekt wird dabei auch bei Foucault, so Löw, nicht durch die Analyse der Raumordnungen aufgelöst, sondern selbst zum Gegenstand der Diskurse105.
II. Räume werden über Normen konstituiert An dieser Stelle ist die Beziehung zwischen Normen und Raum, wie er bisher definiert wurde, näher zu klären. Räume werden erst über Normen konstituiert. Das wird in Löws Konzeption von Raum nicht auf erstem Blick ersichtlich, denn sie spricht von Syntheseleistung von Gütern und Handlungen, die an Orten durch Spacing positioniert werden, der Begriff der Norm kommt hierbei jedoch nicht vor. Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass der Begriff der Norm, wie er in Teil I gefasst wurde - als auf Erfüllung bestehender Handlungsaufruf -, bereits im Begriff des “Guts” oder der “Objekte”, welche in Syntheseleistungen zueinander in Relation gestellt werden, enthalten ist. Wie bereits angedeutet, versteht Löw Güter und Objekte nicht als reine, sondern als mit Sinn versehene soziale Güter. Diese Spiegeln nicht nur Bedeutsamkeitsbeziehungen, d.h. was einem Bewusstsein wichtig ist, sondern stellen auch implizite Handlungsaufforderungen, wie mit ihnen “richtig” umzugehen sei. Es sei an die Ausführungen über den präskriptiven Gehalt von Deskriptionen in Teil I erinnert. Nicht nur Deskriptionen, sondern auch sinnbeladene Objekte haben normativen Gehalt. Im Rahmen eines Schulraums z.B., trägt ein Bleistift die inhärente, auf Erfüllung bestehende Handlungsaufforderung - und damit Norm - in sich, dass er - in “richtiger” Verwendung - zum Schreiben oder Zeichnen zu verwenden sei, nicht jedoch für andere Zwecke. Die “Klassentafel” trägt die Handlungsaufforderung in sich, fachlich Bedeutsames darauf zu exponieren; die Schulbank, darauf fachlich relevante Notizen zu verfassen; der Stuhl, darauf “ordentlich” zu sitzen. Freilich können diese Objekte sich auch für andere Handlungen anbieten und werden auch für andere Handlungen gebraucht, doch weisen schon die besonderen Formen dieser Gegenstände auf deren inhärente Normierungen: eine Schultafel unterscheidet sich deutlich in ihrer Form von Spieltafeln, auf denen Kinder nach Belieben zeichnen können; ebenso die Schulbank, welche kein bloßer Tisch ist; und die Sitzgelegenheit, welche kein bloßer Stuhl oder gar Sessel ist. Schulbänke 105 Löw 2001, 150 Mario Spassov
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stehen in Schulen und nicht in Wohnzimmern. Und wenn sie im Wohnzimmer stünden, würden sie eine andere Atmosphäre verbreiten als ein Schreibtisch. Allein die Objekte in einem Schulraum ebenso wie deren Anordnung - deutet auf eine inhärente Normierung hin, auf implizite Handlungsaufforderungen, wie man mit ihnen “richtig” umgehen “soll”. Diese Objekte sind also zugleich Imperative. Und diese Imperative drücken - ebenso wie die Imperative der Commitments in Teil I - bestimmte Interessen von Bewusstsein aus. Neben derartigen normierenden, zu “richtiger” Handlung auffordernden Objekten, werden Räume auch durch normierende Handlungen konstituiert. Der Klassenraum z.B. dient primär der Handlung der Wissensreproduktion sowie der Aufmerksamkeit. Diese Normen werden dabei von den LehrerInnen durch betreten des singulären Ortes “Klassenzimmer” an diesen herangetragen und generieren damit den Raum “Klassenzimmer”. Die Lehrpersonen müssen die SchülerInnen auch immer wieder an diese Handlungsaufforderungen, ebenso wie jene des “richtigen” Gebrauchs der Objekte im Klassenzimmer, erinnern. Verlässt die Lehrperson samt den Normierungen den Ort “Klassenzimmer”, wandelt sich dieser und wird teils zum Wohnraum. Tafel, Bank und Sessel werden plötzlich Mittel neuer Normierungen. Nicht mehr, wer am ruhigsten auf dem Sessel sitzen bleiben kann, erfüllt hierbei die angesehensten Handlungsaufforderungen, sondern wer z.B. das waghalsigste Wippmanöver darauf vollbringen kann. Nicht mehr, wer die Gleichung fehlerfrei auf der Tafel auflösen kann erntet Lob, sondern wer die beste Karikatur von Lehrpersonen anfertigen kann. Würden SchülerInnen nach dem Ende der Klassenstunde bei Abwesenheit der Lehrperson eifrig an den Gleichungen weiterarbeiten, löste dies bei MitschülerInnen wohl Befremden aus, sie würden etwas nicht “richtig” tun. Denn nicht mehr wer am meisten in einem bestimmten Fach weiß, zieht Aufmerksamkeit auf sich, sondern z.B., wer dieses Wissenwollen am besten überzeichnen und es als letztlich belangloses entlarven kann. Dass
die
Objekte,
von
denen
hier
die
Rede
war,
nicht
nur
Träger
von
Bedeutsamkeitsstrukuren sind und zugleich Dichte, Ausdehnung und Oberflächenbeschaffenheit verfügen, sondern zugleich auch zu richtigem Umgang mit denselben auffordern, ist für deren raumkonstitutiven
Charakter
von
zentralem
Belang.
Erst
über
die
inhärenten
Handlungsaufforderungen in den Objekten wird der Ort Klassenzimmer zum Raum des Klassenzimmers, in dem die Objekte zwar aus drittpersonaler Perspektive völlig identisch sind, wenn die Unterrichtsstunde endet, dennoch aber aus erstpersonaler Perspektive eine völlig andere Bedeutung bekommen. Die Handlungsaufforderungen generieren erst den jeweiligen “Sinn” der genannten Objekte. Eine Re-Interpretation des von Löw zitierten Beispiels der Lads soll dabei das bisher Gesagte Mario Spassov
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veranschaulichen und zeigen, wie an einem Ort mittels Normierungen unterschiedliche Räume konstituiert werden können. Im Gegensatz zu Löw wird hierbei der Schwerpunkt auf den normativen Aspekt von Räumen gelegt.
III. Das Beispiel der Lads - einander nicht begegnende Bewusstseine In Rekurs auf Willis und Giddens versucht Löw die Stärke ihres Raumbegriffs zu veranschaulichen. Sie zitiert das Beispiel der Lads, jener zwölf Jungen aus armen ArbeiterInnenfamilien, die an ihrer Schule durch ihr unadaptives Verhalten negativ auffallen. Durch ihre Protesthaltung erreichen sie letztlich das Gegenteil des Beabsichtigten, bleiben ohne Abschluss und reproduzieren den sozialen Stand ihrer Eltern106. Die Lads fallen damit auf, dass sie sich ständig zu Gruppen zusammenfinden und bestimmte Orte - innerhalb oder außerhalb des Schulgebäudes “okkupieren”. Ihnen stehen keine Ressourcen zur Raumgestaltung zur Verfügung und so sind sie dazu gezwungen, auf ihre Körper und Gesten - als raumkonstituierende Objekte - zurückzugreifen. Am Ort “Schule” bilden sie ihren eigenen gegenkulturellen Raum. Sie markieren über Gruppenbildung an den Gängen, wo ihr Raum beginnt. Außerhalb des Schulgebäudes, jedoch zum Ort “Schule” gehörend, bietet ihnen die Straße Ressourcen für Raumbildung. Auch dort finden sie sich in Gruppen zusammen, die über die Objekte bestimmter Körperhaltungen, Gesten, sowie am Boden zerstreuter Zigarettenstummel oder Graffiti ihren eigenen Raum konstituieren. Löw gelingt es zu zeigen, dass ihr Raumbegriff - im Gegensatz zu Raumkonzeptionen, welche die erstperonale Dimension von Räumen nicht berücksichtigen - erklären kann, wie an einem Ort zugleich mehrere Räume gebildet werden können107. Erst über die Syntheseleistung der am Ort positionierten Güter wird Raum geschaffen, die bloße Vor- oder Anordnung der Gegenstände reicht dafür nicht aus. Die Syntheseleistung muss erst über die Lads in ihren eigenen Ordnungsprozessen geleistet werden, sodass sie den gemeinsamen Raum “Schule” betreten. Die Lads jedoch weigern sich neben dem Ort “Schule”, an dem sie körperlich anwesend sind, auch den Raum “Schule” zu betreten und bringen sich damit selbst um Karrierechancen. Selbst wenn sie sich im Klassenraum befinden, sehen sie ständig auf die Straße und nutzen jede Gelegenheit, Rauchpausen zu planen108. 106 siehe Löw 2001, 232ff. 107 Der Raumbegriff bei Giddens dagegen lässt eine derartige Deutung nicht zu. Löw 2001, 131 108 Löw 2003, 119
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Der Schulraum, als auch der Raum der Lads, werden über Handlungsaufrufe konstituiert und fallen an einem Ort zusammen. Durch ihre Weigerung, den im Schulraum geltenden Normen nachzukommen, betreten die Lads den Schulraum - und verstehen ihn - letztlich nicht. Umgekehrt gilt aber auch für die Lehrpersonen, dass das Beobachten der unter den Lads geltenden Normen nicht schon verstehen hilft, was es heißt - “wie es ist” -, ein Lad zu sein. Ein Schlag auf den Oberarm ist Handlungsaufforderung und Bedingung dafür, den Raum der Lads betreten zu können, sie zu verstehen. Erst über das Befolgen der jeweiligen Handlungsaufforderungen eröffnet sich der Sinn dieser Normierungen, d.h. das dahinter stehende Bewusstsein. Die Lehrpersonen sind vom Verhalten der Lads ebenso irritiert, wie diese von den Erwartungen innerhalb des Schulraums109. Am singulären Ort der Schule, finden in diesen zwei Räumen zwei unterschiedliche Formen von Weltbewusstsein anhand von Normierungen Ausdruck. Ohne jedoch, dass innerhalb dieser Räume der jeweils andere Raum Anerkennung finden würde, als Ausdruck eines fremden Bewusstseins, welches erst verstehend erschlossen werden könnte. Weder in der Sprache der Lads noch in der Sprache der Lehrpersonen scheint der Gegenraum als noch unerschlossenes “Fremdes” auch nur begrifflich auf. Die Institution Schule stellt den Lads keine eigenen Ressourcen für ihre Raumgestaltung zur Verfügung, ebensowenig wie die Lads umgekehrt die im Schulraum geltenden Normen bereit sind zu verinnerlichen. Zwei Formen des Weltbewusstseins artikulieren sich am selben Ort über Normierungen und beide bleiben scheinbar ungehört.
IV. Räume als erschlossene Handlungsaufrufe spiegeln die Erschlossenheit von Identität Am Beispiel der Lads wurde einerseits Löws soziologische Perspektive der Reproduktion von Machtverhältnissen durch Bildung von Gegenräumen skizziert, zudem jedoch aufgezeigt, dass die Lads über Normierungen ihr eigenes Weltbewusstsein zum Ausdruck bringen und Normen wie Körperhaltung, Gesten etc. letztlich ihre Form der Selbstmitteilung ihres Weltbewusstseins und ihrer Interessen sind. Unabhängig davon, wie bewusst sich die Lads ihres Weltbewusstseins sowie ihrer Normierungen sein mögen, wie gut sie es m.a.W. “verstanden” haben, bleibt es nichtsdestotrotz ein ge- und erschlossener singulärer Sinn- und Identitätsentwurf. Ähnlich wie ein einzelnes Wort alleine keinen Sinn hat, sondern dieser erst vor dem erschlossenen ganzen “Background” der Sprachpraxis verständlich wird, ist Identität als Bedeutsamkeitsbeziehung ein zeitlich überdauerndes und erschlossenes Gebilde, ebenso wie die Normierungen der Lads ein 109 Löw 2003, 120 Mario Spassov
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erschlossenes “Ganzes” bilden. Was einem Bewusstsein bedeutsam ist, erschließt sich über Bedeutsamkeitsbeziehungen zu Anderem. Das Ich ist hierbei ein “Zentrum organisierter Erfahrung”110. Dieser narrativ erschlossene moralische Raum muss jedoch erst über eine Suche und narrative Entwürfe vorerschlossen werden111. Die narrative Zusammenhangsbildung zwischen Erfahrungen und ihren Bedeutsamkeitsstrukturen wird von Marotzki als Biographisierung bezeichnet112. Jede Einzelgeste der Lads wird erst vor dem Hintergrund ihres erschlossenen Weltbewusstseins und ihrer erschlossenen Praxis des “Lad-Seins” verständlich. Die “Einheit” von Räumen spiegelt die “Einheit” von Identitätskonzeptionen. Einheit meint hier Erschlossenheit von Vereinzelungen innerhalb einer Sinnganzheit. Löw zitiert zwar Heidegger, der den Raumbegriff vom Mittelhochdeutschen “Rum”, das “Lichtung oder freigeräumten Platz”113 meint, geht aber auf die darin implizierte “Einheit” der Lichtung, bei gleichzeitger Vielheit des Platzierbaren, nicht näher ein. Stattdessen kritisiert sie die Vorstellung von Raum als Einheit, im Sinne eines alle Objekte umfassenden singulären Raumes, der von den darin situierten Objekten unabhängig existiert und nicht beeinflusst wird114. Diese “absolutistische” Raumvorstellung, so Löw, spiegle sich auch in der Vorstellung eines Körpers als bloßes Gefäß und zu disziplinierende Einheit und wird von ihr abgelehnt115. Während ihr in der Problematisierung des Körperbildes als geschlossenes singuläres Objekt zugestimmt werden kann, rückt dennoch aus dem Blick, dass auch Löw selbst von einer bestimmten Form der “Einheit” spricht, wenn sie von “Sinninseln” spricht, die sich in räumlichen Strukturen niederschlagen116. Gerade der Inselbegriff impliziert erschlossene Einheiten, ebenso wie ihr Synthesebegriff, der singuläre - wenn auch wandelbare -(An)Ordnung von Objekten darstellt. Die einzelnen Objekte liegen dabei nicht ungeordnet im Raum, sondern stehen in einem relationalen Gefüge zueinander. Wenn sie auch betont, dass “verinselter” Raum inhomogen sei117, ist dieser Inhomogenität dennoch relative Einheit und Erschlossenheit inne. Erst vor dem Hintergrund des (singulären) Raumes der Lads, haben die Normierungen der Lads einen Sinn. Gerade aufgrund dieser Erschlossenheit singulärer Räume, kann ein Objekt - eine in einem Raum geltende Norm - nicht einfach in einen anderen Raum hineingetragen werden, ohne dass sich deren Sinn änderte. Der Armschlag der Lads wirkt innerhalb des Schulraums, von 110 Erikson 1973, 13 111 Taylor 1996, 97 112 Marotzki 2006, 168 113 Löw 2001, 37 114 Löw 2001, 17ff. 115 Löw 2001, 118ff. 116 Löw 2001, 83 117 Löw 2001, 88 Mario Spassov
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LehrerInnen vollzogen, als seines Eigencharakters enthoben und missverstanden. Würden LehrerInnen die Lads mit Schlag auf dem Oberarm begrüßen, wäre dies zwar die selbe Geste, dennoch hätte sie einen anderen Sinn. Die Lehrpersonen “verstehen” das Weltbewusstsein der Lads in seiner Erschlossenheit nicht schon, indem sie eine singuläre Norm nachahmen, jedoch im Sinnhorizont des Weltbewusstseins des Lehrperson-Seins bleiben. Umgekehrt gilt auch, dass Haltungen und Gesten des Lehrkörpers, herausgerissen aus ihrem spezifischen Kontext, den Lads letztlich nur zur Belustigung, nicht aber dem Verstehen dienen. Der Sinn der individuellen Handlungsaufforderung erschließt sich nur im Kontext des jeweiligen Bezugsraumes. Die “absolutistische” Raumvorstellung als Gefäß ist somit nicht nur Ausdruck einer “inadäquaten” physikalischen Sicht der Welt, die durch die Relativitätstheorie überholt wurde, sondern legitimer Ausdruck der Erschlossenheitserfahrung von Bewusstsein. Sofern Normen in ihrer Erschlossenheit befolgt werden, kann Verstehen statthaben. Und Verstehen ist notwendige, jedoch - wie im nächsten Kapitel zu zeigen ist - nicht hinreichende Bedingung für Bildungsprozesse.
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3. Vom Bildungswert explizit normierter und damit differenzierter Räume I. Bildung Marotzki lehnt seinen Bildungsbegriff an Hegels Dialektik des Geistes an. Dieser legt in der Phänomenologie des Geistes eine Entwicklungslogik des Bewusstseins vor, in der absoluter Geist über Stufen zunehmenden Selbstbewusstseins seiner selbst als absoluter Geist bewusst wird. Aus diesem Entwicklungsmodell, dieser Schichtentheorie des Bewusstseins, übernimmt Marotzki das Prinzip der Negativität als zentrales entwicklungsförderndes Prinzip118. Der Widerspruch, die Negativität, ist dabei der Auslöser für eine Neukonstitution von Identität119. Bei Humboldt findet das Negative oder Fremde, wobei hier die fremde Weltanschauung gemeint ist, Ausdruck in einer eigenen Sprache120. Nicht nur gibt es fremde Sprachen, sondern in gewissem Sinne spricht jedes Bewusstsein eine eigene Sprache. Über Aneignung von Sprache kann Bewusstsein jedoch Fremdes verstehen121. In der Terminologie dieser Arbeit hieße dies, dass über das Erfüllen von Handlungsaufforderungen Erfahrung oder Sinn rekonstruiert werden kann, Verstehen stattfinden kann. Für Marotzki ist “Verstehen” - das Deuten spezifischer Gesten vor dem Hintergrund der Erschlossenheit der Äußerungssituation122 - noch nicht Bildung. Aufbauend auf Verstehensprozesse gibt es Marotzki zufolge auch Bildungsprozesse. In Bildungsprozessen wird nicht primär verstanden, sondern die Konstruktionsprinzipien der eigenen “Weltaufordnung” rücken in den Fokus der Reflexion123. In Bildungsprozessen findet eine spezifische Form des Selbstbezugs statt, in dem Subjekte ihrer eigenen Weltaufordnung als Weltaufordnung bewusst werden124. Gerade ein derartiges Bemühen sollte an Bollnows, Gebsers und Foucaults Interpretationen von Bewusstseinsstruktur aufgezeigt werden. Ihre Interpretationen hatten nicht das Verstehen eines konkreten anderen Bewusstseins zum Ziel, sondern vielmehr die Struktur des Verstehens, Bewusstseinsstruktur selbst. Genauso wie Verstehensprozesse misslingen können, ist denkbar, dass die durch diese Autoren vorgeschlagenen Bewusstseinsstrukturen inadäquate Deutungen von Bewusstsein sind. 118 Marotzki 119 Marotzki 120 Marotzki 121 Marotzki 122 Marotzki 123 Marotzki 124 Marotzki Mario Spassov
1984, 1984, 2006, 2006, 1990, 1990, 1991,
111 134 171ff. 172 36 40 41
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In weiterer Folge soll von diesem Bildungsbegriff ausgehend beleuchtet werden, inwiefern einen Unterrichtsraum explizit zu normieren eine bildungsfördernde Funktion haben kann.
II. Ausdeutung des Fallbeispiels Zurück zum Ausgangsbeispiel der kollaborativ-kooperativ angelegten Lehrveranstaltung. Im ersten Teil wurden drei Quellen der Normierung des Lehrveranstaltungsraumes herausgearbeitet: die Bildungsinstitution, der Lehrveranstaltungsleiter sowie die StudentInnen. Hier können diese als RepräsentantInnen mindestens dreier Grundformen von Identität verstanden werden: der Professions-Identität, d.h. dem “wie es ist, aus der jeweiligen Profession heraus zu handeln”, der Lehrveranstaltungsleiter-Identität, d.h. dem “wie es ist, die Professions-Identität zu kennen und zudem eine eigene Konzeption von Bildung zu vertreten” sowie der StudentInnenidentität, dem “wie es ist, StudentIn zu sein”. Alle drei Identitätsformen verfügen über ein erschlossenes Weltbewusstsein, wobei die Professions-Identität über die Lehrperson vorgelebt wird und nicht ein eigenes Bewusstseinszentrum bildet. Gerade durch die lose Vor-(An)Ordnung der Gegenstände im Raum und dem gleichzeitgen Angebot an Artikulationsressourcen über die Lernplattform, konnten mehrere Räume an einem (virtuellen) Ort entstehen. Alle drei Identitätsformen bemühten sich um Artikulation über das eine Forum. Im ersten Teil wurde gezeigt, dass sich all diese Artikulationen als bloße Artikulationen zugleich auch als Präskriptionen anbieten, d.h. verstanden werden wollen und damit dem Gegenüber ein potenzielles Sollen konstituieren. Dieses Ineinanderlaufen der Artikulationen in einem geschlossenen Artikulationsraum, gleicht dabei den Artikulationen der Lads, welche auf Artikulationsressourcen der Schul-Identität zurückgreifen müssen. Die Erschlossenheit der Artikulation wurde im Fall der Lads teils durch Ressourcenmangel unmöglich, im Falle des Fallbeispiels durch die Verteilung singulärer Aufrufe in einem allen Identitäten gemeinsamen Artikulationsfeld. Während im ersten Teil darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die sich am Unterrichtsort anbietenden Handlungsaufrufe - sofern sie interiorisiert werden - Hemmungen auslösen können, und damit allen Aufrufen Folge zu leisten allein aus Gründen der Grenzen der Belastbarkeit des eigenen Ichs unmöglich schien, dürfte dies im Fall der Lads, die sich erst gar nicht auf die im Schulraum geltenden Handlungsaufrufe einlassen wollten, wohl nicht so sein. Doch ist beiden Fällen gemeinsam, dass die Handlungsaufrufe nicht als solche Mario Spassov
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thematisiert
wurden,
d.h.
Normen
als
Normen
ausgewiesen
wurden.
Noch
wurden
“Erschlossenheitsinseln” akzentuiert, an denen eine bestimmte Identität ihre Erschlossenheit über die Erschlossenheit von Normierungen zum Verstehen anbieten kann. Im Falle der Lads waren die Artikulationsressourcen begrenzt, nicht so jedoch im Falle des genannten Fallbeispiels, in dem eine Lernplattform zum Einsatz kam. Ein Explizieren der Normierungen in ihrer Erschlossenheit hätte einerseits Verstehen fördern können und wäre zudem Voraussetzung für Bildungsprozesse gewesen. In der Lehrveranstaltung wurden einander als Fremdes begegnende Identitäten nicht als solche ausgewiesen und ihnen ein geschlossener Artikulationsraum zur Verfügung gestellt, in dem sie Sinninseln generieren konnten. Stattdessen wurden singuläre Artikulationen im Forum übereinandergelegt, als wären es keine Artikulationsversuche von Identitäten, sondern selbständige wahrheitsfähige Aussagen.
III. Bildungsfördernde Aspekte expliziter Normierung am Beispiel bewusster Raumtrennung Eine explizite Raumtrennung des Artikulationsraums der Professions-Identität, sowie der singulären beteiligten Identitäten, hätte einerseits Verstehen fördern können, den Beteiligten Identitäten die Möglichkeit gegeben, sich über erschlossene Handlungsaufforderungen - die innerhalb des vornormierten Raumes stattfinden - in Erschlossenheit zu rekonstruieren. Zudem jedoch, und hierin liegt das bildungsfördernde Potenzial derartiger bewusster Normierung, hätte die Raumstruktur selbst - als Abbild der Struktur von Bewusstsein oder Verstehensprozessen - zu Bildungsprozessen in dem hier verwendeten Sinne anregen können. Als Prinzipien der Weltaufordnung dienten in dieser Arbeit z.B. Bollnows und Marotzkis Entwürfe, dass Bewusstsein sich Fremdes über Rekurs auf das jeweils Vertraute erschließt125. Ebenso die Deutung, das Bewusstsein stets über eine Erschlossenheit verfügt, die erst über erschlossene Handlungsaufforderungen verstehbar wird. Diese Prinzipien könnten in der Raumstruktur eines Unterrichtsraumes mittels Normierungen bewusst abgebildet werden, indem z.B. erschlossene Artikulationsräume für alle beteiligten Identitäten zur Verfügung gestellt würden. Die Raumstruktur zum Interpretationsgegenstand zu machen, gliche dann dem Versuch, die eigene Weltaufordnung zu verstehen. Im Unterschied zu Bollnows, Gebsers und Foucaults Interpretationen von Raumstruktur jedoch, denen spekulativer Charakter unterstellt werden könnte, hätten die 125 Marotzki 2006, 163 Mario Spassov
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beteiligten Bewusstseine in den eigenen Verstehensprozessen zugleich einen Orientierungspunkt für die Validität der obig dargelegten Prinzipien von Weltaufordnung. Ob m.a.W. Bewusstsein sich tatsächlich nur über erschlossene Artikulationsbereiche in seiner Erschlossenheit verständlich machen kann, könnte in einem - auf diese Erschlossenheit hin vornormierten - Unterrichtsraum unmittelbar “erprobt” werden, indem beobachtet wird, ob derartig vorstrukturierte Räume tatsächlich Verstehensprozesse fördern. Nicht Normierungen sind hierbei unmittelbar bildungsfördernd. Im Gegensatz zur genannten Lehrveranstaltung, lag im Fall der Lads “strenge” Normierung vor. Dennoch fand scheinbar einerseits wenig Verstehen statt, andererseits ist auch fraglich, ob die Lads oder die Lehrpersonen über ihre Interaktionen im Unterrichtsraum etwas über die eigene Weltaufordnung lernen konnten. Indem die Normierungen auf beiden Seiten nie explizit zum Thema des Diskurses wurden, wurden wohl auch die am Diskurs beteiligten Bewusstseinsstrukturen nie Gegenstand des Diskurses selbst. Normierungen alleine sind demnach nicht notwendig bildungsfördernd, doch gilt umgekehrt, dass explizite Normierungen, insofern sie wirklich Vorraussetzung für Verstehensprozesse, auch Voraussetzung für den Gegenstand von Bildungsprozessen sind. Der Vorschlag dieses zweiten Teils der Arbeit läuft darauf hinaus, allen Identitäten Artikulationsräume zur Verfügung zu stellen und sie als “Fremdes”, welches sich über erschlossene Normen artikulieren, anzuerkennen. Diese Raumstruktur selbst, so die These, regt nicht nur zu Verstehensprozessen
an,
sondern
bildet
zugleich
Verstehensprozesse
und
damit
Bewusstseinsstruktur anhand der Raumstruktur ab. Indem diese Raumstruktur zum Gegenstand von Verstehensprozessen gemacht wird, wird Bewusstseinssturkur selbst zum Gegenstand der Verstehensprozesse.
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4. Raumtrennung anhand expliziter Normierung – eine praktische Umsetzung In der genannten Lehrveranstaltung, so die bisherige Argumentation, wurden den beteiligten Bewusstseinen keine Ressourcen für die Artikulation der Erschlossenheit eigener Identität zur Verfügung gestellt. Virtuelle persönliche Artikulationsbereiche jedoch, an denen Bewusstseine aufgefordert worden wären, ihre Erfarungsstrukturen über Normierungen explizit in ihrer Erschlossenheit zu rekonstruieren und ihre Commitments zu organisieren, hätten einerseits Verstehensprozesse selbst anregen und zudem - insofern darin Bewusstseinsstrukturen und Verstehensprozesse selbst veräußerlicht werden - explizit bildungsfördernde Funktion haben können. Im Forum fanden zwar Verstehensprozesse statt und ebenso wurden Vorschläge gemacht, was Strukturen von Bewusstsein sein könnten. Eine Raumstruktur jedoch, die selbst Bewusstseinssturkturen explizit abbildet, hätte als anregende Grundlage dieser Deutungsprozesse dienen können, ebenso wie die Vorarbeiten von Bollnow und Gebser dieser Arbeit als Interpretationsanregung für Bewusstseinsstruktur vorlagen. Ausgehend von diesen Überlegungen, wird die Differenzierung folgender Artikulationsräume über Aufforderungen zur Normierung empfohlen. Einige der hier genannten Vorschläge wurden im Laufe der Lehrveranstaltung von StudentInnen selbst artikuliert, ohne dem jedoch eine bildungsphilosophische Begründung zu Grunde zu legen.
I. Der persönliche Artikulations-Raum - Artikulation der individuellen Identitätskonzeption Wenn alle beteiligten Bewusstseine den Lehrveranstaltungsraum als Identitäten betreten und als erschlossene Identitäten artikulieren, brauchen sie einen singulären Artikulationsraum dieser erschlossenen Identität. In der Lehrveranstaltung wurde der Wunsch nach einem blog-Bereich für alle StudentInnen geäußert. In diesem - vom gemeinsamen Diskussionsforum klar getrennten Raum - könnten Bewusstseine ihr eigenes Problem- und Identitätsbewusstsein in Entwürfen rekonstruieren. Hierbei würden nicht “fertige” Identitäten abgebildet, sondern in der Artikulationsleistung selbst - ähnlich dem Verfassen eines Textes - Inkongruenzen auffallen, und zur Revidierung einzelner Normierungen anregen. Derartige Artikulationsräume könnten virtuell über Dienste wie mahara.com, facebook.com
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oder in Form eines Blogs realisiert werden. “Artikulation” reicht hierbei sehr weit: bereits die Auswahl der für das jeweilige Bewusstsein interessanten Literatur über social-booksharing wie dem facebook plug-in “virtualbookshelf” oder librarything.com, ist schon eine Artikulation von Weltaufordnung. Bewusstsein artikuliert hierbei, welche Fragestellungen ihm bedeutsam sind. Einzelne in der Literaturdatenbank angegebene Werke könnten zusätzlich mit Kommentaren, Exzepten, Kernzitaten sowie über kurze Videos auf youtube.com auf die für das jeweilige Bewusstsein bedeutsame Kernthese heruntergebrochen werden und damit einer der in Teil I empfohlenen kollaborativen Beteiligungsmodi realisiert werden. Hierbei würden nicht nur Wissensbestände erschlossen, sondern die eigene Identität in der Erschlossenheit ihrer Bedeutsamkeitsrelationen abgebildet.
II. Der Professions-Raum - Artikulation der Identitätskonzeption der Profession Neben der individuellen Identitätskonzeption der beteiligten Individuen und des Lehrveranstaltungsleiters, hätte auch der institutionellen Identitätskonzeption - der ProfessionsIdentität - ein geschlossener Artikulationsraum zur Verfügung stehen können. Hierbei handelt es sich um all jene Handlungsaufforderungen, denen alle beteiligten Bewusstseine Folge leisten können müssten, wenn sie sich als anerkannte Mitglieder der jeweiligen Profession verstehen wollten. Ähnlich wie das singuläre Bewusstsein, ist auch die Profession um eine Kohärenzstiftung der eigenen Fragestellungen, Antworten und Methoden bemüht. Hierfür ist ebenso ein eigener Entwurfsraum notwendig, in dem einerseits singuläre Handlungsaufrufe formuliert werden, diese zudem jedoch innerhalb eines geschlossenen Raumes in eine kohärente Anordnung zueinander gebracht werden müssen. Jede “Sinninsel” aufeinander in Kohärenz verweisender Normierungen würde dabei ein Paradigma der Professions-Identität repräsentieren. Im Rahmen der Lehrveranstaltung wurde ein derartiger Artikulationsraum in Form eines “Background-Bereichs” im Forum vorgeschlagen, innerhalb dessen der an der Vorlesung geltende Professions-Entwurf anhand von theoretischen Kernmodellen, Musterbeispielen, Exzerpten Professions-konstitutiver Fachtexte sowie Kernthesen rekonstruiert werden sollte. All dies waren Handlungsaufrufe und ein offenes, relative Kohärenz zwischen den Aufrufen stiftendes Konstruktionsprojekt, ähnlich den oben geschilderten Konstruktionsprozessen der Identität beteiligter StudentInnen.
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Die bisherigen Vorschläge liefen darauf hinaus, Identität von StudentInnen sowie der Profession klar
voneinander
zu
differenzieren,
anhand
eigener
für sie
eingerichteter
Artikulationsräume. Hierbei würden beide Identitäten anerkannt, gleichzeitig jedoch durch die Raumtrennung selbst als füreinander “Fremdes” - d.h. Unverstandenes und Unbetretenes Gebiet ausgewiesen.
III. Der Diskussions-Raum - wo Identitäten einander als noch-Fremdes verstehend begegnen Um die
Professions-Identität verstehen
zu können, müssten
StudentInnen deren
Handlungsaufforderungen nachkommen. Dafür jedoch hätten sie ihre eigenen Identitäten nicht notwendig fallenzulassen. Im Gegenteil, sie könnten versuchen die Professions-Identität mit der eigenen Identität z.B. in einem Lehrveranstaltungstagebuch, geführt im eigenen blog-Bereich, tentativ zu verbinden. Umgekehrt jedoch könnte Aufgabe des Lehrveranstaltungsleiters sowie der TutorInnen - die Sprachrohr für die Professions-Identität sind, die keinen eigenen Leib oder Bewusstseinszentrum hat - sich darum bemühen, die Professions-Identität mit den Identitäten einzelner StudentInnen zu verknüpfen, d.h. jene Handlungsaufrufe seitens der Professions-Identität zu artikulieren, die den beteiligten StudentInnen auch in ihren eigenen Fragestellungen und Problemen helfend begegnen. Das Forum wäre der gemeinsame Raum, in dem Professions-Identität und StudentInnenIdentität miteinander über gegenseitige Befolgung von Handlungsaufrufen verstehend begegnen könnten. Die StudentInnen müssten dann m.a.W. bestimmte Grundmodelle gelernt haben, sich ein bestimmtes fachliches Grundvokabular angeeignet haben. Umgekehrt jedoch müssten TutorInnen sowie die Lehrperson, wenn Verstehen stattfinden sollte, Einblick in die Artikulationsbereiche der StudentInnen genommen haben und die Auswahl der Grundmodelle auf die Fragestellungen der StudentInnen abstimmen. Im öffentlichen Forum würde eine Vermittlung beider einander fremden IdentitätsKonzeptionen stattfinden und wäre damit ein Prototyp für Prinzipien des Verstehens. Den Blick der beteiligten StudentInnen auf gerade diese Verstehensprozesse fördernde Raumstruktur selbst zu lenken, wäre bildungsfördernd, Bewusstseine könnten an der Struktur der Unterrichtsräume selbst Prinzipien der eigenen Weltaufordnung wiedererkennen. Hierfür jedoch, das wurde oft genug betont, sind explizierte Normierungen Voraussetzung - wenn auch nicht hinreichende. Mario Spassov
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5. Resumée I. Räume als Ausdruck von Identität Die Ausgangsfrage in diesem zweiten Teil der Arbeit lautete, inwiefern explizite Normierung bildungsfördernd sein kann. Dies sollte am Beispiel von Raumtrennung mittels expliziter Normierung diskutiert werden. Räume wurden hierbei - in Anlehnung an Löw - als Verortung (Spacing) von Objektrelationen (Syntheseleistung) verstanden. Objekte waren hierbei nicht “rein”, d.h. unter bloß dritt-, sondern auch unter erstpersonaler Perspektive gefasst. In erstpersonaler Hinsicht sind Objekte nicht nur ausgedehnt und bewegt, sondern fordern zu “angemessener” Handlung auf, haben implizit normativen Charakter. Selbst Greifobjekte haben demnach immer schon auch normative Ansprüche, d.h. Ansprüche darauf, wie mit ihnen “richtig” umgegangen werden solle. Diese Normen wurden dabei verstanden als implizite Veräußerlichungen von Bedeutsamkeitsbeziehungen des Bewusstseins. Selbst in bloßen Greifobjekten wie Tischen und Stühlen werden - sofern sie Normativität transportieren - Bewusstseine implizit artikuliert. Bollnow, Gebser und Foucaults Deutungen von Beuwsstsein sollten diese These plausibilisieren. Bewusstsein erzeugt anhand dieser Objekte unbewusst verstehbare Entäußerung. Am Beispiel der Lads wurde aufgezeigt, dass mehrere Räume und damit Objektrelationen an einem Ort zusammenfallen können, ohne dass ein Verstehen - der hierbei einander fremden und zusammentreffenden Bewusstseine - stattfinden würde. Ebenso wie es notwendig ist, einen Text in seiner Erschlossenheit zu lesen und dessen Normierungen - in Form des Mitdenkens z.B. - zu erfüllen, kann fremdes Bewusstsein nur über eine Erfüllung seiner Normierungen in ihrer Erschlossenheit verstanden werden. Im Falle der Lads fand auf Seiten beider Bewusstseine wohl kein Verstehen statt, das fremde Bewusstsein wurde nicht in seiner Fremdheit anerkannt und die Erschlossenheit der Normierungen wurde über ein Zusammenfallen beider Räume am Schulort aufgebrochen. Einzelnormierungen von Lehrpersonen wurden hierbei von den Lads aus ihrem Erschlossenheitszusammenhang gerissen, vor den Hintergrund ihres eigenen Bewusstseins gestellt und lächerlich gemacht. Umgekehrt galt dies genauso. Die Lads versuchten die Erschlossenheit ihres Artikulationsraums zu bewahren, indem sie auch möglichst große körperliche Distanz zum Schulraum einnahmen und auf der Straße oder am Gang Gruppen bildeten. Am Beispiel der Lads wurde deutlich, dass sobald einzelne Objekte eines Raumes in einen anderen Raum hineingetragen werden,
sie
ihre
Erschlossenheitsbeziehung
und
damit
ihren
Sinn
verlieren.
Diese
Erschlossenheitsbeziehung der Objekte weist, wie weiter argumentiert wurde, auf die Mario Spassov
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Erschlossenheit von Bewusstsein als Identität hin. Räume sind demnach zwar keine absoluten Einheiten, im Sinne Objekte umfassender Behälter, dennoch relative Einheiten oder Sinninseln. Dass dieser Einheitsaspekt von Raum, der in Löws Synthesebegriff implizit ausgedrückt wird, sofern er in der bewussten Raumgestaltung Ausdruck findet bildungsfördernd sein kann, sollte anhand folgender Überlegungen gezeigt werden.
II. Artikulation von Identität als Voraussetzung für Bildung Die “Einheit” von Räumen, ähnlich der Einheit von Sinninseln, die zueinander als relative Einheiten in Relation stehen, wurde - in Rekurs auf den ersten Teil der Arbeit - als Wiederspiegelung der narrativen Erschlossenheit der jeweiligen Identitätskonzeption interpretiert. Bedingung für Verstehensprozesse ist die Vertextlichung der Erschlossenheit der eigenen Identitätskonzeption in Form von zueinander in Kohärenz stehenden Normierungen. Derartige Artikulation geschieht auch schon unbewusst, indem Identitäten z.B. eine konsistente Erzählung ihrer Selbst zu formulieren versuchen. Über die
die Anordnung von Objekten, d.h.
Syntheseleistung, werden Handlungsaufforderungen oder Normen geschaffen, deren Entsprechung in anderen Bewusstseinen Erfahrung generieren kann. Normierungen sind notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung für Verstehensprozesse. Explizite Normierung ist auch nicht hinreichend für Bildungsprozesse, welche in Anschluss an Marotzki verstanden wurden als Bewusstwerdung der eigenen Bewusstseinsstrukturen oder der Konstruktionsprinzipien der eigenen Weltaufordnung. Verstehensprozesse, als Akte von Bewusstsein, sind Gegenstand von Bildungsprozessen. Die Strukturmerkmale von verstehendem Bewusstsein, wie sie in dieser Arbeit in Anlehnung an Bollnow und Marotzki tentativ vorgeschlagen wurden, waren die Erschlossenheit des eigenen Identitätsentwurfs - repräsentiert durch die relative Einheit der Räume - sowie das Erschließen eines Fremden über ein Einlassen auf dessen Normierungen in ihrer Erschlossenheit. Sofern im Rahmen einer Lehrveranstaltung bewusste Raumtrennung vollzogen wird, indem den beteiligten Identitäten Artikulationsräume zur Verfügung gestellt werden, ist dies insofern bildungsfördernd, als die Raumstruktur einerseits Verstehensprozesse fördert und damit den Gegenstand von Bildungsprozessen generiert. Zudem bietet sich die Raumstruktur als falsifizierbare Deutung von Bewusstseinsstruktur an. Mario Spassov
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III. Umsetzung von Raumtrennung mittels explizierter Normierung im Fallbeispiel Es wurde vorgeschlagen, der in der Einführung geschilderten Problemsituation durch eine dreifache
Raumtrennung
bildungsfördernd
zu
begegnen.
Es
sollten
ein
persönlicher
Artikulationsraum in Form eines blogs, ein Professions-Raum in Form einer Ansammlung von Kernthesen, Musterbeispielen, Exzerpten, Literaturlisten sowie ein zwischen diesen beiden Identitätsentwürfen vermittelnder Diskussions-Raum differenziert werden. Sowohl die ProfessionsIdentität würde hierbei als Unerschlossenes oder Fremdes als auch die beteiligten Bewusstseine anerkannt. Die StudentInnen - wollten sie die Professions-Identität verinnerlichen - hätten deren Normierungen zu folgen, d.h. die Grundmodelle zu lernen. Die Lehrperson und TutorInnen dagegen - wollten sie zwischen den beteiligten Identitäten und der Professions-Identität vermitteln und damit Verstehen fördern -, hätten die persönlichen Artiulationsbereiche zu betreten. Klare und erschlossene Normierung ist hierbei Voraussetzung für Verstehensprozesse auf beiden Seiten. Würde zusätzlich zu diesen Verstehensprozessen die Aufmerksamkeit der Bewusstseine auf die Raumstrukturierung selbst gelenkt, könnten Bildungsprozesse angeregt werden. Ebenso könnten auch, um einen Zusammenhang zum ersten Teil der Arbeit herzustellen, Hemmungen aufgelöst werden. Im ersten Teil wurde argumentiert, dass sich Hemmungen dort einstellen, wo Handlungsaufforderungen die einem Bewusstsein bedeutsam geworden sind, nicht entsprochen werden
kann.
Dies
kann
etwa
bei
uneinlösbaren
oder
einander
widersprechenden
Handlungsaufforderungen der Fall sein. Erschlossene Artikulationsräume dagegen würden sowohl Widersprüchlichkeit als auch Uneinlösbarkeit minimieren. Auch an dieser Stelle gilt es nochmals zu betonen, dass erst empirisch erhoben werden müsste, ob eine derartige - Normen explizierende und zum Gegenstand machende - Strukturierung von Unterrichtsräumen, wie die bisherigen Überlegungen heuristisch nahelegen, eine einerseits von Hemmungsgefühlen entlastende und bildungsfördernde Funktion haben könnte. Letztere würde sich wohl - wenn sie empirisch überhaupt erhebbar sein sollte - als Zunahme der Fähigkeit, Prinzipien eigener Verstehensprozesse deutend vorzuschlagen, äußern. Eben solche Prinzipien schlagen Bollnow, Gebser, Marotzki und Foucault vor, so unterschiedlich diese sein mögen, und bringen damit ihre eigenen Bildungsprozesse zum Ausdruck.
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Nachwort 1. Die Ursprungsfragestellung dieser Arbeit lautete, ob Bildungsstandards eine enthemmende Funktion haben könnten. Wie mir jetzt klarer geworden ist, verstand ich den Standardbegriff sehr einseitig als “explizierte Erwartungshaltungen”. Zwar sind Standards tatsächlich explizierte Erwartungshaltungen, doch nicht jede explizierte Norm zugleich ein Standard. Und gerade der in der PISA-Studie verwendete Standardbegriff scheint mehr als bloße Explikation von Normen zu implizieren, nämlich “Eichung” von Erwartungshaltungen. In dieser Arbeit ging es mir aber ausschließlich um das Explizieren von Normen. Das könnte durch den Standardbegriff, denn ich an einigen Stellen als synonym für explizierte Normen verwende, verzerrt werden. Hätte ich den Standardbegriff jedoch vollständig aus meiner Arbeit gestrichen, hätte mir die Verbindung zu dem im Seminar Besprochenen gefehlt. Und diese scheint mir durchaus gegeben, auch wenn ich wohl in einer eigenen Arbeit die Differenzen zwischen Normen und Standards herausarbeiten müsste. Es sollte hoffentlich zumindest an meinen Beispielen deutlich geworden sein, dass die von mir verteidigte Konzeption von Normen Pluralität an Erwartungen nicht nur zulässt, sondern erst richtig zur Geltung kommen lässt. Diese Arbeit sagt dagegen nichts über die Legitimität von Standards im Sinne allgemeiner Kernkompetenzen.
2. Ein weiterer problematischer Aspekt am hier verwendeten Begriff der Norm scheint mir, dass er - im Unterschied zu dem in der PISA-Studie verwendeten - in keinerlei unmittelbarer Relation zu Sanktionsmaßnahmen steht. Eine Norm ist in dieser Arbeit auch dann eine Norm, wenn sie
außerhalb
eines
Systems
institutionalisierter
Handlungsaufforderungen
und
Sanktionmaßnahmen steht. Womöglich ist dies – etymologisch gesehen - eine illegitime Verwendung des Normbegriffs, die ebenso unnötig Missverständnisse provoziert. Wenn von Norm die Rede war, wollte ich in Anschluss an Dux den Aspekt des Aufrufs betonen, dessen Befolgung in jemandes Interesse steht. Wird einer Norm nicht entsprochen, hat dies einerseits zur Folge, dass ein aufrufendes Bewusstsein in seiner Erwartungshaltung enttäuscht wurde, andererseits aber, dass das die Norm nicht befolgende Bewusstsein bestimmte (Verstehens-) Erfahrungen nicht macht. Sanktion ist hier nicht mitimpliziert sondern erst Zusatzmoment von Normen, die zugleich kollektive Formen von Praxis konstituieren.
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Während somit nicht alle Normen mit Sanktionen in Verbindung stehen - und das war die wichtige Voraussetzung dieser Arbeit - bieten sie sich dennoch alle – unabhängig davon, ob sie Sanktionen androhen - zur Interiorisierung an. Diese Prämisse müsste eigens diskutiert werden.
3. Ich habe nicht problematisiert, dass Hemmungen zu minimieren letztlich zum Gegenteil kritischer pädagogischer Haltung führen kann. Gerade eindeutig normierte Räume bieten sich auch für Indoktrination an. Implizite Voraussetzung dieser Arbeit, die eigens legitimiert werden müsste, war jedoch, dass Bewusstseine ohne Befolgung normativer Vorgaben keine Erfahrungsstrukturen aus sich heraus generieren können und auch eine Position “reiner Vernunft”, aus der heraus vor aller Erfahrung die Legitimität bestimmter Erfahrung versprechender Normen bestimmt werden könnte, nicht denkbar ist. Der Unterschied zwischen rein indoktrinierenden und bildungsfördernden normierten Räumen, scheint mir einerseits in der Explikation der Normen zu liegen sowie andererseits darin, ob innerhalb eines Raumes auch zusätzliche Raumbildung zugelassen wird (siehe Teil II). Auch das müsste eigens in einer Arbeit diskutiert werden. Die in Teil I und Teil II diskutierten Gestaltungsvorschläge jedoch liefen alle darauf hinaus - und das schien mir auch ohne eigene Begründung
offensichtlich
Reflexionsprozessen
zu
genug
machen.
-
Normierungen
Das
scheint
mir
als
solche
einerseits
zum
Gegenstand
von
gegen
Prinzipien
von
Indoktrinationsversuchen zu verstoßen, ebenso wie die Forderung, im expliziert normierten singulären normativen Rahmen zugleich auch Raum zu schaffen für Normierungen durch die beteiligten Identitäten, sofern diese der Norm entsprechen, expliziert zu werden.
4. Gerade aus pädagogischer Perspektive könnte überlegt werden, ob Hemmungen nicht auch anders minimiert werden könnten, als über Normierung. Umgekehrt könnte auch gefragt werden, ob Hemmungen nicht auch bildungsförderlich sein könnten. Dazu habe ich nur vage Vermutungen.
5. Neben dem praktischen gegenseitigen Ausschluss der Handlungsaufrufe untereinander, könnte noch das Moment der “Überzeichnung”, wie sie im Fall der Klassenbesten Mathematikschülerin angedeutet wurde, hemmende Wirkung gehabt haben. Dieser These müsste ich eigens nachgehen und untersuchen, inwiefern manche Normen nicht auf grundlage von Projektionen interiorisiert werden.
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6. Ich muss auch darauf hinzuweisen, dass jeder normativ erschlossene Schutzraum zugleich auch ein Risikoraum ist. Denn es scheint keine über ihn stehende Instanz zu geben, welche über die Legitimität der darin erfolgenden Handlungsaufrufe entscheiden könnte. Dieses Problem steht m.E. unmittelbar mit jenem der möglichen Indoktrination. Die Fokussierung auf den Hemmungsaspekt normativ überladener Räume ließ dieses Problem aus dem Blickfeld rücken. Umgekehrt jedoch, und das sollte in dieser Arbeit gezeigt werden, kann in normativ überladenen Räumen Hemmung die Auseinandersetzung mit potenziell legitimer Praxis gerade verhindern.
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Bibliographie Baumert, J. (2001). PISA 2000: Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich. Bellmann, J. (2005). Ökonomische Dimension der Bildungsreform – Unbeabsichtigte Folgen, perverse Effekte, Externalitäten. In: Neue Sammlung (1), 15-30. Bollnow, O. F. (1960). Der erlebte Raum. Universitas (15/8), 397-412. [http://amor.rz.huberlin.de/~h33750jw/seminare/033raum/Texte/002-Bollnow-erlebterRaum.pdf April 2009] Dux, G. (2000). Historisch-genetische Theorie der Kultur: instabile Welten: zur prozessualen Logik im kulturellen Wandel. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Dux, G. (2004). Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne: warum wir sollen, was wir sollen. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Erikson, E. H. (1973). Identität und Lebenszyklus: drei Aufsätze. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Kant, I. (1974). Kritik der reinen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Klieme, E. u.a. (Hrsg.) (2003). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: eine Expertise (3. Aufl.). Bonn: BMBF. Koch, L. (2004). Allgemeinbildung und Grundbildung, Identität oder Alternative? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft(2), 183-191. Löw, M. (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Löw, M. (2003). Einführung in die Soziologie der Bildung und Erziehung. Stuttgart: UTB. Marotzki, W. (1984). Subjektivität und Negativität als Bildungsproblem: tiefenpsychologische, struktur- und interaktionstheoretische Perspektiven moderner Subjektivität. Frankfurt am Main: Lang. Marotzki, W. (2006). Sinn - Ein kostbares Interaktionsresultat in Prozessen der Biographisierung. In A. E. Noerr u.a. (Hrsg.), Lernen, Lernstörungen und die pädagogische Beziehung (1. Aufl., S. 162-175). Gießen: Psychosozial-Verlag. Ruhloff, J. (2007). Grenzen von Standardisierung im pädagogischen Kontext. In D. Benner (Hrsg.), Bildungsstandards: Instrumente zur Qualitätssicherung im Bildungswesen: Chancen und Grenzen - Beispiele und Perspektiven (S. 49-59). Paderborn: Schöningh. Searle, J. R. (1992). The rediscovery of the mind. Cambridge: MIT Press. Searle, J. R. (1995). The construction of social reality. New York: Free Press. Searle, J. R. (2004). Mind: a brief introduction. Oxford: Oxford University Press.
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Searle, J. R. (2004a). Freiheit und Neurobiologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Taylor, C. (1996). Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Der zur Erhebung der in der Lehrveranstaltung aufgekommenen Kritikpunkte verwendete Fragebogen 54 ausreichend ausgefüllte Fragebögen! 1.Ich besuche die Vorlesung primär wegen (mehrfaches Ankreuzen möglich): dem Thema 41 der Lehrperson 31 dem Vortragsstil 22 dem Lehrplan 12 der leicht verdienten Note 2 der Möglichkeit der Präsenzphase fernzubleiben 5 der Möglichkeit der Kollaboration 14 andere Motive: moodle; Note; Vollständigkeithalber des Zyklus.
2. Ich hatte einen Arbeitsaufwand von ca.: 0-10: 3. Ich fand die Prüfung: leicht
2 10-20: 19 20-40: 13 40-80: 12 mehr als 80: 3 k.A.: 3 Stunden
9 mittelschwer 33 schwer 1
4. Ich konnte aus dieser Vorlesung persönlich viel mitnehmen: ja 5. Mir fiel die Prüfungsvorbereitung relativ leicht: ja
42 nein 1
37 nein 14
6. Mir war klar, welche Inhalte prüfungsrelevant sind: ja
41 nein 7
7. Die Ziele der Lehrveranstaltung (z.B. selbsterschlossenes Wissen) waren erreichbar
angesetzt: ja 42 nein 4
8. Ich hatte in der Lehrveranstaltung mehr Erfolgserlebnisse, als in solchen mit Frontalunterricht: ja 9. Ich hatte das Gefühl:
30 nein 7
„Um die Prüfung zu absolvieren, oder um der Vorlesung überhaupt folgen zu können, muss man eben an den kollaborativen
Prozessen teilnehmen.“ ja 28 nein 17
10. Ich fühle mich dank des Besuchs der Lehrveranstaltung emotional befriedigend über folgende Konzepte aufgeklärt: deklaratives Wissen: 28 Stabilisierung innerer/äußerer Systeme: 29 Assimilation/Akkomodation: 30 Bindung: 33 Beziehung : 33 Übertragung/Gegenübertragung: 34 Bildung dritter Ordnung: 35 primäre/sekundäre Intersubjektivität: 35 Ich/Es/Über-Ich: 37 Bildung erster Ordnung: 38 Bildung zweiter Ordnung: 38 Integration: 39 Primärerfahrungen: 40 in Sprache heben des Gewahrseins: 48
11. Ich habe folgende Konzepte nicht wirklich verstanden: Unterschied Bindung/Beziehung; Szenische Bildung als Transformation; Tertiäre und Quartiere Intersubjetkvität; Bipolarität; Äquilibration; Prälogisch-Postlogisch; Containing;
12. Kollaboration ist mir wichtig : ja
35 nein 1
13. Ich wünsche mir die offizilelle Anerkennung folgender Rollen: die Rolle jener, die nur zuhören wollen: 29 die Rolle jener, die Exzerpte verfassen: 17 die Rolle jener, die Threads moderieren: 16 die Rolle jener, die ein Lehrveranstaltungstagebuch führen: 11 Zusatz: Anerkennung in Form des Lob durch den LV-Leiter findet statt;
14. Ich will für Kollaboration auch bei der Prüfung z.B. eine Frage streichen können: ja
34 nein 6
15. Ich kann mir vorstellen, kollaborativ mitzuarbeiten, wenn es klare Handlungsanweisungen dafür gibt: ja 16. Ich wünsche mir mehr praxisnahe Beispiele in der Präsenzzeit: ja 17. Ich bin gerade bei Bewusstsein: ja
35 nein 2
40 nein 4
40 nein 1 vielleicht 11 ;-)
18. Ich habe im Verlauf der Vorlesung den roten Faden oft verloren: ja 12 nein
35
19. Ich finde, dass Inhalte aus dem „Background“ intensiver in der Vorlesungszeit besprochen werden sollten: ja 27 nein 13 20. Ich erwarte mir in der Präsenzzeit primär (nur eines ankreuzen): Mario Spassov
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Fakten, die mich Fachdiskurse besser verstehen lassen 32 Raum für Diskussionen mit KollegInnen 18 Anderes: in der LV zu wenig Input; Reflexionen eher ins moodle verlegen;
21. Ich finde Raum für Diskussion wichtig, würde dafür aber primär
(nur eines ankreuzen):
die Präsenzzeit nutzen 20 das moodle nutzen 29
22. Ich habe die Diskussionen im moodle interessant gefunden und teils darin geschmökert, aber nicht gepostet: ja
40 nein 2 ich habe gepostet 9
23. Ich war zu Beginn der Vorlesung regelmäßig zu den Präsenzzeiten anwesend, bin dann aber abgesprungen wegen: dem versprochenen Skriptum 3 weil ich wenig gelernt habe 1 mir der Vortragsstil nicht liegt 2 ich Besseres zu tun hatte 2 weil ich den roten Faden verloren habe 3 weil zu viel diskutiert wird 4 weil der Lehrveranstaltungsleiter selbst zu wenig Stellung bezieht 0 weil mir die Nähe, welche in der Vorlesung gefordert wird, nicht zusagt 1 weil ich mich eingeschüchtert fühlte 2 andere Gründe mangelnde Zeit; Kind; Arbeit; andere LV; Uhrzeit; langer Weg zur Uni;
24. Ich habe schlechtes Gewissen, mich nicht kollaborativ beteiligt zu haben: ja
12 nein 29
25. Ich ging nach der Vorlesung oft mit dem Gefühl nach hause, „[...] nichts verstanden zu haben, [mich] nicht zu trauen, etwas zu sagen [...]“: ja
5
nein 31
26. Ich habe mich bisher am Forum nicht beteiligt weil (mehrfaches Ankreuzen möglich): ich mich eingeschüchtert fühle 10 weil ich den Eindruck habe, dass was ich poste ohnehin niemanden interessiert 6 weil was ich zu sagen habe schwer in einem kurzen Posting festgehalten werden kann 6 weil das Festhalten eigener Gedanken so mühsam ist 7 weil ich einige der sich am Forumsdiskurs beteiligenden Personen nicht mag 2 weil ich Angst habe, dass der Lehrveranstaltungsleiter meine Postings bewertet 3 weil ich Angst habe Unqualifiziertes zu posten 23 andere Gründe mangelnde Zeit; weil meine Gedanken oft schon vorher aufgegriffen werden; keine zeit, weil es mir mehr bringt persönlich zu diskutieren; mag Foren nicht da mir grundsätzlich nicht gut tut lange vor dem PC zu sitzen; so viele andere Dinge zu tun; weil man nicht zur Elite gehört; zu wenig Zeit; weil ich die elektronische Form des Austausches nicht mag und persönliche Gespräche vorziehe.
27. Ich wünsche mir, dass der Lehrveranstaltungsleiter sich im Forum aktiver beteiligt: ja 28. Ich fühle mich von der Quantität der Beiträge im Forum erschlagen: ja
10 nein 16
29 nein 17
29. Ich hatte schon mal schlechtes Gewissen, nicht alle Beiträge im Forum gelesen zu haben: ja 30. Ich fand einige Beiträge im Forum sehr hilfreich: ja
20 nein 35
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31. Mich spricht das an: „Ich habe schon länger daran gedacht, mich auch im Forum zu „verwirklichen“. Und um ehrlich zu sein, ich scheue mich immer noch ein wenig davor, weil das Niveau der Diskussionen hier dermaßen hoch geworden, bzw. angesetzt worden ist. Damit meine ich inhaltlich höchst intelligent und auch stilistisch sehr ausgefeilt, also eigentlich spreche ich meine Bewunderung hier ebenso aus, wie meine Scheu.“ ja 26 nein 12
32. Mich spricht das an: „Es wird meiner Meinung nach [im Forum] stets mehr die Eigenperspektive dargelegt und diese auch ausführlich und in Verwendung von Fremdwörtern argumentiert, allerdings zu wenig auf Einzelaspekte anderer Kollegen eingegangen.“ ja 8 nein 19
33. Mich spricht das an: „In der Vorlesung [...] hatte ich durch das ständige erwähnen der "Elite" [...] teilweise das Gefühl unerwünscht zu sein, bloß weil ich an der Diskussion nicht teilnehme sondern lieber zuhöre...“ ja 21 nein 20 Elite? 1
34.
„[I]ch wollte auch immer wieder mal etwas ins Forum schreiben, allerdings ist es [...] bei mir so, dass ich durch die anderen Beträge
eingeschüchtert bin. Genauso ist es in der Vorlesung selbst [, ... dort] habe mich bisher kein einziges Mal getraut etwas zu sagen, auch wenn es mir auf der Zunge lag. Noch dazu bin ich ganz generell nicht so, dass ich unbedingt vor zig anderen Studenten reden möchte...“ ja 18 nein 16
35. Ich finde die Idee mit dem Backgorund-Bereich sinnvoll.: ja Mario Spassov
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36. Ich finde die Idee mit den podcasts sinnvoll.: ja
30 nein 1
37. Die Vorlesungsprotokolle waren sehr hilfreich fürs Lernen : ja
37
38. Das LV-Tagebuch des Lehrveranstaltungsleiters war hilfreich: ja 18 nein 39. Das Tutorium gab wichtige Hilfestellungen : ja 40.
14
11 nein 0 Tutorium? 5 ich war bei keinem Tutorium 27
Ich schätze an der Vorlesung: den Inhalt; die Verknüfungen; den Stil; den Versuch des LV-Leiters immer an sich selbst zu arbeiten; die
Kockerheit/Entspanntheit; den Vortragenden; die Offentheit; die psychoanalytischen Aspekte; die Möglichkeit des offenen Diskurses; Vernetztes Denken; ihren unglaublich anregenden und lebendigen Charakter; dass sie einen anderen Zugang zu Lernen schafft; Kooperation und Dynmaik; das Neue; dass jeder wichtig ist; dass StudentInnen einbezogen werden und nicht über deren Kopf hinweg referiert wird; dass man sich barrierenfrei einbringen kann; Offenheit des LV-Leiters; welches Ausmaß das moodle erreicht hat; Fallbesipiele; Lebensnähe; Hilfe von Mario; unterschiedliche Ebenen des Kollaboratioven; die Zus.arbeit und Hilfbereitschaft unter StudentInnen; dass sich Prof. Stephenson viel Zeit für die StudentInnen nimmt; Respekt; offener Vortragsstil; das Miteinander; die Art wie sie gehalten wird; gutes Klima; kompetenter und menschlicher Prof.; Verinnerlichung des Stoffes wird leicht gemacht; neue Art des Abhaltens der LV; die Anregung selbst zu denken/vernetzen; Diskussionen während der LV; Offenheit für eigene Meinungen; innovative Zugangsweise.
41. ADDENDUM: Verbesserungsvorschläge: Inhalte zu oft durchgekaut -> mehr Fakten; klare Trennung von kollaborativem Raum & Darstellung von Inhalten und Modellen; ohne Inhalte fehlt mir die Grundlage für Diskussion.
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