Reden ohne Manuskript „Ich will...Musiker werden“ so fängt dieser im Jahr 1992 erschienene Werbespot für Altersvorsorge an. Man kann Werbespots als großer Experiment der musikalischen Semiologie sehen. Musik steht für Ideen die man in Worten nicht schnell genug zusammenfassen könnte, und dieser Werbespot ist ein gutes Beispiel dafür. Er nutzt die Musik als Symbol für die Ambition, für die Erfüllung der Träume und für die Sehnsucht nach einer bestimmten Zukunft. Die Musik hier ist viel mehr als nur Töne. Die wird auch gesehen und erlebt. Zudem, nutzt die Werbung eine bestimmte Art Musik – die Rock-Musik – um auf eine bestimmte Altersgruppe zu zielen: Berufseinsteiger im Alter von 20 bis etwa 35. Aber es macht das nach einer ungewöhnlichen Art und Weise. Während man Rock-Musik sieht, am deutlichsten in der Szene mit der Band, die Musik die man hört ist eine andere. Man hört eine Stil-Kopie der Musik der Romantik. Die Musik die in den meisten Läden unter „Klassik“ zugeordnet wird. Die Bedeutung der Werbung ergibt sich aus dieser Gegenüberstellung der zwei Musiken: die Musik, die man sieht und die Musik, die man hört. Die Rock-Musik steht für die Jugend und für die Freiheit, für das sich treu Bleiben. Die klassische Musik stellt Reife dar und damit die Erwartungen der Familie und der Gesellschaft. Prudential verkauft seine Altersvorsorge durch die Kombination der Werte dieser zwei Musiken an einer Altersgruppe, die man vielleicht nicht unbedingt mit Zukunftsplanung verbindet. Die Werbung sagt, dass man die Rente schon absichern kann ohne die Jugend, die Freiheit und die Spontaneität zu verlieren aber auch, dass man mit Prudential in sicheren Händen sei. Aber das interessante hier ist nicht wie diese Werbung diese Musik benutzt, sondern wie ist es, dass Musik so benutzt werden kann. Warum hat Musik für die moderne westliche Gesellschaft solche vielschichtige Bedeutung. Man muss nur eine Sekunde der Musik eines Werbespots hören, um die einem Stil zuzuordnen und um zu wissen welche extramusikalische Bedeutungen die hat. Dafür braucht man aber nicht nur den Gehörsinn, sondern auch eine Vertrautheit mit der Kultur. Ein Japaner, der im Hotelzimmer in Berlin eine Werbung anschaut wird einige Verbindungen übersehen, und der Berliner in Tokyo genauso. Die hören die selbe Musik aber hören nur süße Töne, und Musik ist viel mehr als das. Da die Musik und die Bedeutungen, die man mit ihr assoziiert, überall anders sind es funktioniert als Symbol der nationalen, der regionalen und der sozialen Identität. Einwandere bleiben häufig fest an ihren traditionellen Musikrichtungen hängen um ihre Identität im fremden Land zu behalten (z.B. keltische Musik in den USA) und aus die Mischungen von mitgebrachten traditionellen Musikstilen und die Musikrichtungen des Aufnhamelandes entstehen neue Musikrichtungen, die für ethnische Minderheiten identifizierende Bedeutungen tragen: z.B. Jazz, Blues und Zouk. Aber es ist nicht nur die nationale oder ethnische Identität, die durch Musik konstruiert wird. Rhythm 'n' Blues und Rock 'n' Roll haben eine entscheidende Rolle gespielt in der Jugendkultur der 60er und 70er Jahren, die sogenannte „Youthquake“, wo zum ersten Mal junge Amerikaner und Europäer ein Lebensstil angestrebt haben, deren Werte gegen die Werte ihrer Eltern gestellt waren. Musik schuf eine Verbindung unter der Jugend und gelichzeitig schloss die ältere Generation aus. Diese inklusiven und exklusiven Rollen der Musik gibt es auch heute noch. Die Geschwindigkeit des populären Musikgeschäfts im 21. Jahrhundert führt dazu, dass nur die, die sich Zeit dafür nehmen sich damit auseinandersetzen wissen was aktuell ist, sowohl welche Stilen aktuell sind, als auch welche Künstler innerhalb einer bestimmten Stilrichtung aktuell
sind, und daraus entsteht eine Kluft zwischen die, die einer bestimmten Gruppe gehören, und die, die nicht dieser Gruppe gehören. Und wir reden hier nicht nur von „Jugend-Kultur“. Durch die Verfügbarkeit der Musik hat sich die westliche und die westlich geprägte Gesellschaft fragmentiert und besteht heutzutage aus mehreren unterschiedlichen aber überlappende SubKulturen, und jede davon hat eine eigene musikalische Identität. Die Entscheidung welche Musik man hört ist ein großer Teil der Entscheidung und der Ankündigung davon nicht nur was man werden will, sondern wer man ist und wie man das der Außenwelt zeigen will.