Einsichtige Politiker versuchten, die Kinderarbeit gesetzlich einzuschränken – gegen den Widerstand der Fabrikbesitzer, die sich als Wohltäter fühlten, wenn sie Kinder ab dem 5. Lebensjahr beschäftigten. 1833 wurde das erste Kindergesetz in England erlassen: Arbeitsverbot von Kinder unter 9 Jahren in Textilfabriken, Nachtarbeitsverbot und maximal 12-Stundentag für Jugendliche unter 18 Jahren. Fabrikinspektoren sollten die Einhaltung der Gesetze überwachen. Etwa zehn Jahre später folgte ein Verbot der Untertagarbeit für Kinder (Mindestalter: 10 Jahre) und Frauen. Ähnliche Gesetze wurden bald darauf in Deutschland und Österreich (Arbeitsverbot für Kinder unter 12) erlassen. Diese Regelungen verbesserten zwar die Situation der Kinder, trotzdem konnte die Kinderarbeit bis in das 20. Jahrhundert nicht beseitigt werden. Die erlassenen Kindergesetze wurden oft umgangen: Zum Beispiel wurde angegeben, dass kein förmliches Arbeitsverhältnis mit den Kindern bestand und bloß die Eltern die Kinder als eigene Aushilfe verwendeten. In Fabriken mangelte es noch lange an wirksamer Kontrolle der Gesetze; in Handwerk, Gewerbe und vor allem in der Landwirtschaft gab es weiterhin keinen gesetzlichen Schutz für Kinder.
Versuche zur Lösung der Sozialen Frage a - Revolutionärer Sozialismus Begründer des revolutionären Sozialismus, auch "Kommunismus" genannt, sind Karl Marx und Friedrich Engels, die sich ihrerseits auf die französischen (Saint- Simon) und englischen Frühsozialisten (Owen) bezogen bzw. sich von diesen abgrenzten. Marx und Engels gingen vom Klassenkampf als dem "Motor der Geschichte" aus, prophezeiten eine Zwei- Klassen- Gesellschaft mit wenigen "Kapitalisten" (Unternehmern) auf der einen Seite und einer riesigen Masse von ausgebeuteten "Proletariern" (Arbeitern) und sagten eine sozialistische Revolution voraus, die mit der Vergesellschaftung des Kapitals (Enteignung der "Kapitalisten" = Kapitalbesitzer, Unternehmer) und einer "Diktatur des Proletariats" enden werde. Der Staat, den sie als Instrument der in der Gesellschaft herrschenden Klasse ansahen, werde absterben.
b - Reformerischer Sozialismus Diese Richtung geht in Deutschland auf Ferdinand Lassalle zurück. Sie trat für Reformen im bestehenden Staat mit Hilfe des allgemeinen Wahlrechts und auch des Streikrechts und des Rechts auf Zusammenschluss der Arbeiter ein und setzte sich für staatliche Sozialpolitik und Genossenschaften ein. Ihre Bemühungen liefen in der Praxis auf einen Interessenausgleich zwischen den Klassen hinaus. 1866 entstand der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV; Lassalle), 1869 wurde in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet (August Bebel, Wilhelm Liebknecht), 1875 vereinigten sie sich in Gotha. 1878 bis 1890 ließ Bismarck die vereinigte Arbeiterpartei durch das "Sozialistengesetz" verbieten. Ihre Vertreter durften dennoch zum Reichstag kandidieren und erhielten trotz Bismarcks Sozialgesetzgebung (siehe unten) immer mehr Stimmen. 1891 nannte sich die wieder zugelassene Partei SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und gab sich ein neues Parteiprogramm (Erfurter Programm). Der Theoretiker Bernstein erkannte an, dass eine Verelendung der Arbeiterschaft nicht eingetreten war und dass es für die Arbeiter aufwärts ging, revidierte (hier: veränderte, schaffte ab) die marxistische Lagebeschreibung und betonte, dass schrittweise Verbesserungen möglich seien. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es innerhalb der SPD eine revolutionär- marxistische Richtung (Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht), die an Bernstein orientierte stark reformerische Richtung sowie eine vermittelnde Position. Im Ersten Weltkrieg spalteten sich die Marxisten ab und organisierten sich im Spartakusbund. Die reformerische Richtung des Sozialismus war ebenso wie die revolutionär- marxistische Richtung Bestandteil der seit den 1860er Jahren entstehenden Arbeiterbewegung: Gewerkschaften, Genossenschaften, Arbeiterpartei, Arbeiterbildungsvereine, Arbeiterkulturverein, ... Inhalt c - Private betriebliche Sozialpolitik der Unternehmer Es gab vorbildliche Unternehmer die nach dem patriarchalischen Motto „alles für, nichts durch den Arbeiter“ Kantinen, Arbeiterwohnungen, Einkaufsläden mit verbilligten Lebensmitteln, usw. zur Verfügung stellten. Ein Beispiel unter vielen ist das Zeppelindorf in Friedrichshafen. Man erhoffte sich Arbeitsmotivation, nahm den Sozialisten Wind aus den Segeln und förderte den sozialen Frieden. Im Falle Friedrichshafen ging es auch darum, den etwas abseits gelegenen Standort attraktiv zu machen. Im 20. Jahrhundert wurden die Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern rationaler, der Patriarchenstandpunkt verschwand, die Leistungen weiteten sich aus: Betriebskindergärten, Betriebsrenten, usw. Inhalt d - Kirchen Die Kirchen, die die Entwicklungen zunächst verschliefen und dadurch Anhang verloren, traten zunächst mit großen Einzelpersönlichkeiten hervor: Adolph Kolping und Bischof Freiherr von Ketteler auf katholischer Seite, Johann Hinrich Wichern (Innere Mission) und Friedrich von Bodelschwingh auf evangelischer Seite. 1891 erließ dann Papst Leo XIII. die Enzyklika Rerum Novarum mit einem Sozialprogramm. Die Kirche lehnte KLassenkampf und Sozialismus ab und befürwortet ausgehend von christlichen Grundsätzen die Zusammenarbeit zwischen Arbeitern und Unternehmer. Man versuchte an der Gesinnung des einzelnen Menschen anzusetzen, befürwortete aber auch staatliche Sozialpolitik.
Beide Richtungen gründeten Parteien: die katholische Zentrumspartei und die Christlich- Soziale Arbeiterpartei (Stöcker). e - Kathedersozialisten Auch die Wissenschaft reagierte auf die Industrialisierung. Die sogenannten "Kathedersozialisten" befürworteten ebenfalls staatliche Sozialpolitik und einen Ausgleich zwischen Arbeiterschaft und Unternehmern.
f - Staatliche Sozialpolitik In den 1880er Jahren führte Bismarck, um den Sozialisten zu schaden, eine Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung ein. Jeder Versicherte hatte einen Rechtsanspruch auf Leistungen. In der Weimarer Republik gab es den 8- Stundentag, Betriebsräte, paritätisch besetzte Schlichtungsausschüsse und die Arbeitslosenversicherung. Die Bundesrepublik Deutschland entwickelte nach 1949 ein noch dichter geknüpftes soziales Netz, das heute vor dem Hintergrund einer geänderten Altersstruktur und finanzieller Schwierigkeiten zurückgeschnitten wird. Im Zuge der Hochindustrialisierung besserten sich also die Verhältnisse für die Arbeiter.
Überblick Marx gilt als der wichtigste Vordenker der frühen Arbeiterbewegung, sollte aber immer zusammen mit Friedrich Engels gesehen werden, der wichtige Anregungen zur Kritik der politischen Ökonomie gab und nach dem Tode Marx' dessen letzte Arbeiten publizierte (2. u. 3. Bd. des "Kapital"). Ein wichtiges - für die gemeinsame Verständigung geschriebenes Werk beider, das jedoch erst 1932 veröffentlicht wurde, die Frühschrift "Die Deutsche Ideologie" (http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_009.htm), gibt eine wesentliche Basis ihrer Sozialismus-Vorstellungen. Marx gilt als der Begründer des sog. Wissenschaftlichen Sozialismus und - weil er zusammen mit Friedrich Engels das "Kommunistische Manifest" verfasste - des Kommunismus und auch des Marxismus. Diese Ansätze werden aber von späteren marxistischen Strömungen sehr unterschiedlich interpretiert: das reicht von freiheitlich demokratischen Konzepten bis zu denen des so genannten "Realen Sozialismus" und Kommunismus der ehemaligen Sowjetunion, Osteuropas, Volksrepublik Chinas uwm. (vergleiche auch Artikel Kommunistische Partei). Marx sagte über sich selber, er sei "kein Marxist". Seine Hauptwerke sind unter anderem das kommunistische Manifest, das er zusammen mit Friedrich Engels verfasste. Heute ist auch die bereits erwähnte Schrift "Die Deutsche Ideologie" beider Autoren von Bedeutung, darin auch die kurzen elf Thesen über Feuerbach. In seinem Hauptwerk Das Kapital analysiert er den modernen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts in seinen allgemeinen Bewegungsgesetzen. Zu nennen ist auch die Kritik des Gothaer Programms der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, wo er in Auseinandersetzung mit dem Programm dieser sich damals auf ihn berufenden Arbeiterpartei wichtige Aspekte der politischen Organisation des Proletariats postuliert. Eine seiner bekanntesten Thesen in Bezug auf den Kapitalismus war, dass die Interessen von Kapitalisten und Lohnarbeitern in unvereinbarem Gegensatz stehen und der Kapitalismus sich nur entwickelt und floriert, indem er "... zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter" (Das Kapital Bd. I, S. 530). [Bearbeiten]
Leben [Bearbeiten]
Jugend und Studium
Karl Marx Erinnerungsstätte auf Alt-Stralau in Berlin
Karl Marx Erinnerungstafel auf Alt-Stralau in Berlin Karl Marx wurde 1818 als drittes Kind des Advokatanwaltes Heinrich Marx (* 1777; † 1838) und Henrietta Marx (* 1788; † 1863; geborene Presborck) in Trier geboren. Sein Geburtshaus (heute Museum) stand in der Brückergasse 664 (heute Brückenstraße 10); schon im Oktober 1819 zog die Familie in ein kleines Wohnhaus in der Simeongasse (heute Simeonstraße 8) (dort erinnert heute eine Gedenktafel an den berühmten Bewohner). Heinrich Marx stammte aus einer bedeutenden Rabbinerfamilie (ursprünglich Marx Levi). 1824 konvertierte er zum Protestantismus, da er als Jude unter der preußischen Obrigkeit sein - unter napoleonischer Regierung angetretenes - Amt als Justizrat nicht hätte weiterführen dürfen. Von 1830 bis 1835 besuchte Karl Marx das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier, wo er mit 18 Jahren als Jahrgangsbester das Abitur ablegte. 1836 verlobte er sich in Trier mit seiner späteren Ehefrau Jenny von Westphalen. 1835 ging er zum Jurastudium nach Bonn (wo er der „Landsmannschaft der Treveraner“ (Trierer), dem späteren Corps Palatia beitrat); ein Jahr später nach Berlin, wo das Jura-Studium in den Hintergrund trat gegenüber Philosophie und Geschichte. Hier stieß Marx zum Kreis der Jung- oder Linkshegelianer. Hegel starb 1831 und er hatte Zeit seines Lebens einen starken Einfluss auf die Universitäten und auf das intellektuelle Leben in Deutschland. Das Hegelianische Establishment (auch bekannt als Alt- oder Rechtshegelianer) meinte, dass die preußische Gesellschaft die Serie der dialektischen Entwicklungen beendet hatte: ein ausgiebiges Sozialsystem, gute Universitäten, Industrialisierung und ein hoher Beschäftigungsgrad. Die Linkshegelianer, zu denen Marx gehörte, erwarteten weitere dialektische Änderungen, eine Weiterentwicklung der preußischen Gesellschaft, die sich mit Problemen wie Armut, staatlicher Zensur und der Diskriminierung der Menschen, die sich nicht zum lutherischen Glauben bekannten, zu befassen hatte. 1841 promovierte Marx mit einer Arbeit zur „Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ in absentia an der Universität Jena zum Doktor der Philosophie. Auf eine Professur rechnend zog Marx hierauf nach Bonn; doch verwehrte die repressive Politik der preußischen Regierung ihm - wie Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer u.a. - die akademische Laufbahn, denn Marx galt als ein führender Kopf der oppositionellen Linkshegelianer. [Bearbeiten]
Weiterer Werdegang bis 1849
Karl Marx zu seiner Blütezeit
Denkmal für Karl Marx in Karlsbad in Tschechien Marx trat in die Redaktion der „Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe“ ein, die von liberalen Bürgern in Köln zur Ausnutzung einer Lockerung der preußischen Zensur gegründet wurde und am 1. Januar 1842 zum ersten Mal erschien; die Zeitung sollte zum Organ der verschiedenen oppositionellen Strömungen von monarchistischen Liberalen bis zu radikalen Demokraten werden. Nach wenigen Monaten übernahm Marx die Chefredaktion, die er bis 1843 ausübte. Ebenfalls 1843 heiratete er seine Verlobte Jenny von Westphalen. Beide zogen nach Paris um, wo er Heinrich Heine kennen lernte und 1844 Freundschaft mit Friedrich Engels schloss, mit dem eine lebenslange enge Zusammenarbeit begann. Anfang 1845 wurde er – auf Druck Preußens - aus Paris ausgewiesen, ließ sich wie Engels in Brüssel nieder. Bei einer gemeinsamen Studienreise nach England im Sommer 1845 schlossen sie Verbindungen zum revolutionären Flügel der Chartisten. Marx gab im Dezember 1845 die Preußische Staatsbürgerschaft auf, nachdem er erfahren hatte, dass die preußische Regierung vom belgischen Staat seine Ausweisung erwirken wollte. Anfang 1846 gründeten Marx und Engels in Brüssel das Kommunistische Korrespondenzkomitee, dessen Ziel inhaltliche Einigung und organisatorischer
Zusammenschluss der revolutionären Kommunisten und Arbeiter Deutschlands und anderer Länder war; so wollten sie den Boden für die Bildung einer proletarischen Partei bereiten. 1847 wurde Marx Mitglied im Bund der Kommunisten, von dem er den Auftrag erhielt, dessen Manifest zu verfassen. Dieses wird 1848 veröffentlicht und geht als Kommunistisches Manifest (eigentlich: Manifest der Kommunistischen Partei) in die Geschichte ein. Zeitgleich bricht in Paris die französische Februarrevolution aus und löst in ganz Europa politische Erschütterungen aus, so die deutsche Märzrevolution. Marx wird aus Brüssel ausgewiesen, geht nach kurzem Aufenthalt in Paris nach Köln, wo er die “Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie“ leitete. Diese konnte am 19. Mai 1849 zum letzten Mal erscheinen, bevor sie von der preußischen Reaktion verboten wurde. [Bearbeiten]
Londoner Exil Marx wurde noch 1849 ausgewiesen, ging über Paris endgültig mit seiner Familie ins Exil nach London. Dort lebte er, lange Zeit unter dürftigen finanziellen Bedingungen als politischer Emigrant. Er überlebte von gelegentlichen Zeitungsartikeln. Seine ökonomischen Hauptwerke entstanden. So erschien 1867 der erste der drei Bände von Das Kapital. Eine enge Freundschaft zu Friedrich Engels entwickelte sich. Engels unterstützte Marx auch finanziell und übernahm sogar die Vaterschaft für ein uneheliches Kind Marx'. Dieses Geheimnis lüftete Engels erst auf seinem Totenbett. Er ist 1864 beteiligt an der Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation (kurz Erste Internationale). Marx starb in London im Alter von 64 Jahren und ist auch dort auf dem Highgate-Cemetery Friedhof begraben. Ein Schwiegersohn von Marx war Paul Lafargue. [Bearbeiten]
Marx' Analyse des Kapitalismus
Manuskriptseite des Manifests der Kommunistischen Partei Marx entwickelte aus David Ricardos System die Mehrwert- und Ausbeutungstheorie. Er ging von einem zwangsläufigen Niedergang des Kapitalismus aus. Marx analysiert die kapitalistischen Marktbeziehungen in zwei Formeln: Bei dem Austauschprozess Ware-Geld-Ware (W-G-W) geht es um den (in der Regel äquivalenten) Austausch von Gebrauchswerten; Geld hat eine Vermittlerfunktion. Damit Geld zu Kapital wird, braucht ein Kapitalist einen anderen, ihm gemäßen Umgang mit dem Geld: Geld-Ware- mehr Geld (G-W-G'). Damit diese Formel für den Kapitalisten nicht tautologisch und sinnlos ist, kommt es auf das «G'» am Ende an, also auf die Vergrößerung der ursprünglichen Geldsumme (Mehrwert). G' - das den so genannten Mehrwert der abstrakten Arbeit beinhaltet - wird als neues G wieder Ausgangspunkt der Formel, der Kreislauf beginnt von vorne; diese Formel zielt also auf eine endlose Bewegung ab. Entscheidend ist hier alleine die Vermehrung des Tauschwerts, der Gebrauchswert ist bloße Bedingung für die Verkäuflichkeit. Laut Marx kann die Kapitalvermehrung nicht aus der Sphäre der Warenzirkulation erklärt werden: Wenn zum Beispiel der Kapitalist als Verkäufer einen Preisaufschlag erheben könnte, müsste er ihn als Käufer beim "G-W" wieder verlieren. Die Wertvergrößerung muss also aus der Benutzung der gekauften Ware entspringen: Sie entsteht durch Kauf und produktive Anwendung der menschlichen Arbeitskraft. Damit das Geld in der Hand des Kapitalisten zum Kommandomittel über menschliche Arbeit wird, ist das Vorhandensein einer eigentumslosen Klasse unterstellt, die keine Mittel besitzt, um selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen - also auch kein anderes Lebensmittel hat, als ihre eigene Arbeitskraft zu verkaufen: Der "doppelt freie Lohnarbeiter" (Marx).(s. auch Produktivkraft der Arbeit). In dieser Sichtweise muss berücksichtigt werden, dass eine Geldanhäufung nicht zugleich eine Wertanhäufung bedeutet. Der Wert eines Guts leitet sich aus seiner Gebrauchsmöglichkeit und seiner Seltenheit ab. Auch Geld ist wertlos, wenn es in Massen
vorhanden ist und keinen Nutzen bringt, also in andere Güter nicht umtauschbar ist. Die Hyperinflation in Deutschland in den 1920er Jahren kann hier als Beispiel dienen. Immer wieder wurde Marx eine antisemitische Haltung unterstellt, vor allem im Zusammenhang mit seiner Schrift "Zur Judenfrage". Tatsache ist aber, dass er in diesem Text die rechtliche Gleichstellung der Juden fordert. Er führt aus, dass in einem modernen Staat die Religion Privatsache sei. Andererseits identifiziert Marx die Juden vor allem im zweiten Teil der Schrift einseitig mit "Schacher" und scheint populäre Vorurteile zu bedienen. Marx, der 1843, zum Zeitpunkt der Niederschrift 25 Jahre alt war, hat sich in seinem späteren Wirken in einigen Punkten korrigiert. Seine angeblich judenfeindliche Haltung musste in der Sowjetunion jedoch unter Stalin als Begründung für Pogrome und Zwangsumsiedlungen herhalten. Sicher ist, dass Marx weder vom Judentum noch vom Christentum etwas hielt, da er eine prinzipiell antireligiöse Philosophie vertrat. [Bearbeiten]
Kritik an Marx [Bearbeiten]
wissenschaftliche Kritik Die wirtschaftswissenschaftliche Kritik beruft sich unter anderem auf Böhm-Bawerk, der sich kritisch mit der marxschen Wirtschaftstheorie befasste. Die Produktion von Maschinen erfordere nicht nur Arbeit im ökonomischen Sinn, sondern auch zeitweiligen Konsumverzicht zur Anhäufung notwendigen Kapitals. Böhm-Bawerk begründete so Zinsen, ohne die BöhmBawerk zufolge niemand zu sparen bereit wäre, um später aus dem Konsumverzicht profitieren zu können. Niemand würde zur Erhöhung des Sozialprodukts beitragen wollen. Marx aber widersprach implizit dieser Existenzberechtigung von Profit und stellte einzig die Arbeit in den Vordergrund ökonomischer Wertschöpfung. Einzig der Arbeiter, das Proletariat, hätte nach Marx' Auffassung ein Recht auf das Eigentum der Produktionsanlagen. Auch die marxsche Krisentheorie wird kritisch gesehen. Warum solle beispielsweise der Kapitalist trotz sinkender Profitrate weiterproduzieren? Auch ist es diskussionswürdig, dass technischer Fortschritt (s. dort) stets einseitig arbeitssparend sein soll, wie Marx es behauptete. Zu den bekanntesten Marx-Kritikern lässt sich Karl Popper zählen. Popper greift bei seiner Kritik auch philosophische Aspekte Marx' auf. [Bearbeiten]
innermarxistische Diskussionen Innerhalb des heutigen Marxismus, der in zahlreiche sich teilweise völlig widersprechende Richtungen geteilt ist, werden beinahe alle Elemente der marxschen Theorie kontrovers diskutiert. Besonders umstrittene Punkte sind zum Beispiel: • •
die Rolle der Arbeiterklasse und ihr Verhältnis zu anderen sozialen Bewegungen, die Definition (und Organisation) von "sozialistischer Demokratie",
• • •
die Voraussetzungen einer sozialistischen Umgestaltung einer Gesellschaft, verschiedene Fragen der Wertschöpfung, Verhältnis Basis und Überbau (Marxismus).
Zahlreiche Werke von Marx sind nicht vollendet (er starb dafür zu früh) und auch der Marxismus ist kein abgeschlossenes System. Dies ermöglicht sowohl verschiedenste Interpretationen der Werke von Marx und Engels als auch ein verschiedenes Maß an Einordnung der Theorie, bzw. einzelner Elemente, in einen historischen Kontext. Auch haben Marx und Engels einige ihrer Ansichten mit der Zeit geändert. Z.B. gibt es widersprüchliche Aussagen darüber, ob eine sozialistische Revolution zwingend in einem hochentwickelten kapitalistischen Land stattfinden muß, oder ob die Phase des Kapitalismus nicht sogar unter besonderen Umständen übersprungen werden kann, wie Marx in seinem Brief an Vera Sassulitsch schreibt.
Karl Marx Kurzbiographie Name: Karl Marx geboren am: 5 5.1818 geboren in: Trier gestorben am: 14.3.1883 gestorben in: London deutscher Philosoph und Revolutionär Der deutsche Philosoph und Politiker Karl Marx (1818-1883) © Corbis-Bettmann, New York Mit seiner gemeinsam mit Friedrich Engels entwickelten Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie, der historisch-materialistischen Dialektik, schuf Marx die Doktrin für die meisten Organisationen der Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert. Ausgehend vom Elend der Arbeiterklasse, war ihm deren Emanzipation die Voraussetzung für die Errichtung einer egalitären kommunistischen Gesellschaft. Zur Begründung seiner Theorie widmete er sich überwiegend der Kritik am Kapitalismus, die als Analyse der Waren produzierenden Gesellschaft bis heute Bedeutung hat. Zukunftsprognosen nahmen nur einen untergeordneten Platz innerhalb seines Schaffens ein. Geburtshaus von Karl Marx in Trier © aisa, Barcelona Der Sohn jüdischer, zum Protestantismus konvertierter Eltern wuchs in einer Atmosphäre des liberalen Rationalismus auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Trier studierte Marx in Bonn und Berlin Rechtswissenschaften und Philosophie (Promotion 1841 in Jena) und schloss sich in Berlin dem Kreis der radikalen Junghegelianer an. 1842/43 war er Mitarbeiter, dann Chefredakteur der liberal-oppositionellen "Rheinischen Zeitung" in Köln. Nach ihrem Verbot ging er nach Paris, wo er die "Deutsch-Französischen Jahrbücher" herausgab, mit den bedeutenden Revolutionären seiner Zeit zusammentraf (u. a. Pierre Joseph Proudhon) und sich mit den französischen utopischen Sozialisten (u.a. Charles Fourier, Saint-Simon) auseinander setzte. Philosophisch vollzog Marx währenddessen unter dem Einfluss von Ludwig Feuerbachs philosophischen Materialismus die Abkehr vom Idealismus der Junghegelianer. In den gemeinsam mit Engels verfassten Werken "Die heilige Familie" (1845) und "Die deutsche Ideologie" (postum, 1932) formulierte er - nun auch in Kritik an Feuerbach - Grundzüge seiner materialistischen Geschichtsauffassung, nach der das Bewusstsein von den materiellen Lebensbedingungen geprägt werde ("Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein"). Bereits angedacht ist hier auch die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft durch eine sozialistische Revolution, die im Gegensatz zu vorausgegangenen Umwälzungen nicht nur die politischen Verhältnisse, sondern durch die Beseitigung der "Ausbeutung" des Menschen durch den Menschen und der "Entfremdung" auch die Produktions- und Kooperationsformen der Menschen umgestalten würde. Aus Paris ausgewiesen, lebte Marx 1845-1848 in Brüssel. 1847 traten er und Engels dem Bund der Kommunisten bei und verfassten als dessen Programmschrift das "Manifest der Kommunistischen Partei" (1848), in dem sie die bisherige Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen analysierten und die proletarische Revolution als Ergebnis eines gesetzmäßig verlaufenden Geschichtsprozesses voraussagten. Der Schlusssatz dieser am weitesten
verbreiteten Schrift von Marx - "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" - wurde zum Motto der entstehenden Arbeiterbewegung in Europa. Karl Marx © aisa, Barcelona Die Revolution von 1848 erlaubte Marx die Rückkehr nach Deutschland. 1848/49 war er Chefredakteur der radikaldemokratischen "Neuen Rheinischen Zeitung" in Köln und leitete zeitweise den dortigen Arbeiterverein. 1849 musste er wieder emigrieren und ging nach London, wo er - stets materiell von Engels unterstützt - bis zu seinem Tode lebte. Neben journalistischer Tätigkeit zum Broterwerb widmete er sich vor allem historischen und ökonomischen Studien. Seine ökonomischen Hauptwerke "Zur Kritik der politischen Ökonomie" (1. Heft 1859) und "Das Kapital" (1. Bd. 1867) blieben unvollendet. Wesentliche Teile wurden erst aus dem Nachlass veröffentlicht (so der 2. und 3. Band des "Kapitals" von Engels 1885 bzw. 1894). Der praktischen Politik wandte sich Marx nach der Auflösung des Bundes der Kommunisten (1852) erst wieder 1864 zu: Er war maßgebend an der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (Erste Internationale) beteiligt, entwarf ihr Programm in seiner "Inauguraladresse", bestimmte weitgehend ihre Politik und veranlasste ihre faktische Auflösung (1872, endgültig 1876), nachdem es zu unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen seinen Anhängern und den Anarchisten unter Michail A. Bakunin gekommen war. Auf die deutsche Sozialdemokratie nahm Marx mit seiner "Kritik des Gothaer Programms" 1875 und durch Beratung ihrer Führer, von denen er als Autorität anerkannt wurde, starken Einfluss. Veröffentlichungen des 'Kommunistischen Manifests' © aisa, Barcelona Weltbedeutung erlangten seine Ideen - durch Wladimir I. Lenin u. a. zu einer Theorie der nachholenden Industrialisierung und Modernisierung adaptiert - in den sozialistischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts. Seine dialektische Analyse von Gesellschafts- und Produktionsprozessen gewann als wissenschaftliche Methode über den engeren Kreis der marxistischen Theoretiker hinaus Bedeutung für weite Bereiche des sozialwissenschaftlichen Denkens.
Karl Marx Personendaten von Karl Marx 1818 Am 5. Mai wird Karl Marx in Trier als Sohn des Rechtsanwalts Heinrich und seiner Frau Henriette geboren. Von den acht Geschwistern sterben fünf früh an Tuberkulose 1835 Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier / Jura-Studium in Bonn 1836 Konflikt mit Vater wegen Verlobung mit Jenny von Westphalen / Philisophiestudium in Berlin / Marx schließt sich den Linkshegelianern an 1838 Tod des Vaters 1841 Promotion in Jena "Differenz der demokratischen und epikureischen Naturphilosophie" 1842 Erst Mitarbeiter, dann Chefredakteur der oppositionellen "Rheinischen Zeitung" in Köln 1843 Verbot der "Rheinischen Zeitung" / Heirat mit Jenny von Westphalen / Marx geht nach Paris 1844 Geburt der Tochter Jenny / Beginn der Zusammenarbeit mit Engels 1845 Marx und Engels schreiben "Die heilige Familie" / Nach Ausweisung aus Paris geht Marx nach Brüssel / Arbeit an der "Deutschen Ideologie" 1846 Tochter Laura wird geboren 1847 Mitglied des Kommunistenbundes / Geburt des Sohnes Edgar 1848 Marx und Engels verfassen das "Manifest der Kommunistischen Partei" /Ausweisung aus Belgien / Chefredaktion der "Neuen Rheinischen Zeitung" in Köln 1849 Prozess wegen "Aufreizung zur Rebellion" endet mit Freispruch / Marx wird ausgewiesen / Beginn des Londoner Exils / Geburt des Sohnes Guido (1851 gestorben) 1850 Journalistische Arbeit und ökonomische und historische Studien in den folgenden Jahren 1855 Geburt der Tochter Eleanor / Tod des Sohnes Edgar 1863 Auseinandersetzung mit Lassalle / Tod der Mutter 1864 Beteiligung an der Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation ("Erste Internationale") 1865 Marx schreibt "Lohn, Preis, Profit" / Konferenz der Internationale in London 1867 Der erste Band vom Hauptwerk "Das Kapital" erscheint (Die Bände 2 und 3 gibt Engels 1885/94 aus dem Nachlass heraus) 1869 Auseinandersetzung mit Bakunins anarchistischer Linie (führt 1872 zum Auschluss Bakunins aus der Internationale) 1871 Marx schreibt "Der Bürgerkrieg in Frankreich" 1872 Marx veranlasst auf dem Haager Kongress die Auflösung der Internationale 1875 Kritik an der neu gebildeten Sozialistischen Arbeiterpartei wegen ihres Lassalléschen Gedankenguts 1878 Mitarbeit an Engels' "Anti-Dühring" 1881 Tod von Frau Jenny 1882 Reisen nach Algier, Frankreich und in die Schweiz 1883 Tod der ältesten Tochter Jenny am 11. Januar / Am 14. März stirbt Marx. Er wird im Familiengrab auf dem Friedhof zu Highgate bestattet
Karl Marx Das Laissez-faire-Prinzip und seine Folgen Die Beschränkung staatlicher Allmacht war das wichtigste Ziel des wirtschaftlichen Liberalismus, der im ausgehenden 18. Jahrhundert immer mehr Anhänger fand - nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika. Dort erkannte Alexander Hamilton (1757-1804), dass die USA politisch wie ökonomisch ein "Hercules in the cradle" waren, sinngemäß: ein schlafender Riese. In seinem "Report on Manufactures" (1791) formulierte Hamilton, damals Finanzminister, ein Programm zur Entfesselung der amerikanischen Wirtschaftskraft. Ein freier Wettbewerb und die Mechanismen des Marktes sollten aus der Agrarnation ein Industrieland machen. Auf Präsident und Kongress entfiel dabei die Aufgabe, der Wirtschaft klare Spielregeln mit auf den Weg zu geben; wer sie verletzte, dem drohten staatliche Sanktionen. Solche deutlichen Kompetenzen billigten die Liberalen in England, Frankreich oder Deutschland ihren Regierungen nicht zu. (Heute wird das hoheitliche Verhalten der Laissez-faire-Epoche laissez-faire, zu Deutsch: lasst alles laufen - häufig mit einem Nachtwächterstaat verglichen. Staatliche Organe benahmen sich wie mittelalterliche Nachtwächter, die die Nächte durchwachten, ohne wirklich aufzupassen - und die Stunden ausriefen, sonst nichts.) Und zunächst gab ihnen die Entwicklung auch Recht. Die vom Wirtschaftsliberalismus geförderte Industrialisierung erzeugte einen ungeheuren Aufschwung. Sie brachte Arbeitslosen Beschäftigung, sie ließ den Welthandel rasant wachsen, sie steigerte die Kaufkraft der Bevölkerung. Bald aber zeigte sich, dass der von Smith beschworene Marktmechanismus nicht automatisch zu gesellschaftlicher Harmonie führt. Denn zwischen der Klasse der Arbeiter und der Klasse der Gewerbetreibenden tat sich eine Kluft auf, weil die Fabrikanten rücksichtslos den Umstand nutzten, dass sie die Produktionsmittel besaßen und somit die Nachfrage nach Arbeitskräften steuern konnten. Produzierte ein Betrieb am Bedarf vorbei, wurde er kurzerhand geschlossen; die Menschen verloren ihre Arbeit. Große Unternehmen bauten ihre Macht zu Monopolen aus. Wollten sie Kosten einparen, kürzten sie die Löhne. So kehrte die Armut zu den Arbeitern zurück, sie verschlimmerte sich zur schieren Not der Mehrheit der Bevölkerung. Die Fabrikbesitzer aber wurden immer reicher. Der hoffnungsvolle Start in das Experiment mit der freien Marktwirtschaft endete im Elend des Frühkapitalismus.
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Karl Marx Kritik an der klassischen Nationalökonomie Es konnte nicht ausbleiben, dass die sozialen Spannungen, die das liberalistische System hervorrief, dem herrschenden wissenschaftlichen Lehrgebäude angelastet wurden. Bedeutendster Kritiker der klassischen Ökonomie war Karl Marx . In den "Theorien über den Mehrwert" setzte er sich ausführlich mit den Arbeiten David Ricardos auseinander (dem er höchsten Respekt zollte). Diese Schrift bildete zusammen mit dem dreibändigen Werk "Das Kapital" die geistige Grundlage des sog. wissenschaftlichen Sozialismus. Seine umfangreichen Analysen verband Marx mit Prophetie; er war zutiefst von der Determiniertheit geschichtlicher Vorgänge überzeugt und glaubte fest daran, dass der Sozialismus den selbstzerstörerischen Kapitalismus ablösen und der Arbeiterklasse die Freiheit bringen würde. An dieser (zeitlich freilich nicht exakt bestimmbaren) naturgesetzlichen Zwangsläufigkeit ließ er schon im Vorwort zur Erstauflage des ersten Bandes von "Das Kapital" keinen Zweifel: "Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist - und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen-, kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren."
Karl Marx Mehrwert und Ausbeutung des Arbeiters Dem klassischen Lehrsatz, dass der Arbeiterlohn dem Wert der von ihm erzeugten Waren entspricht, und dass der Wert einer Ware ausschließlich durch den (zeitlichen) Einsatz menschlicher Arbeit entsteht, hielt Marx entgegen: Der Lohn ist kein Äquivalent der gesamten Arbeitszeit; der Arbeiter bekommt nur jenen Betrag ausbezahlt, den er zum Lebensunterhalt benötigt. Die Werte aller Arbeitsstunden, die er nach Erreichen des Existenzminimums zusätzlich leistet, bleiben beim Kapitalisten. Diese positive Differenz zwischen dem so genannten Gebrauchswert der Arbeit und ihrem Tauschwert, dem tatsächlichen "Preis", nannte Marx den Mehrwert. Die Arbeiter, so argumentierte er weiter, werden in Höhe des Mehrwertes "ausgebeutet", weil der Kapitalist dafür keine Gegenleistung erbringt. Laut Marx vergrößert sich nun der Mehrwert, und damit das Ausmaß der Ausbeutung (Exploitationsgrad), je mehr die Produktivität der Arbeit zunimmt. Jede Produktivitätssteigerung vermindert aber gleichzeitig den Gewinn des Unternehmers. Dieses "Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate" erklärte Marx folgendermaßen: Die Summe aus Lohnkosten, nach Marx variables Kapital, und den Ausgaben für notwendige Sachgüter, dem konstanten Kapital, ergibt die Produktionskosten, die Marx als das gesamte eingesetzte Kapital bezeichnete. Aus dieser Annahme folgt, dass eine Erhöhung des konstanten Kapitals die Gewinn- bzw. Profitrate vermindert (die Profitrate ist als Relation "Mehrwert zu eingesetztem Gesamtkapital" definiert). Somit lautet das unternehmerische Dilemma: Zwar steigern mit dem Gewinn bzw. Profit finanzierte neue Sachgüter, also Investitionen, die Produktivität und damit die Mehrwertrate. Gleichzeitig aber vergrößern Investitionen das konstante Kapital, und die Profitrate fällt. Laut Marx reagieren die Kapitalisten darauf mit einer Ausweitung der Produktion, um ihre absoluten Gewinne zu halten. Das erhöhte Güterangebot stößt jedoch auf eine zu geringe Nachfrage; die Firmen setzen die Preise herab. Nun wird die Produktion wieder zurückgefahren, was Entlassungen mit sich bringt. Die Arbeitslosen müssen ihren Konsum einschränken, weil sie weder Lohn noch Lohnersatz beziehen. Darum sinkt die Nachfrage weiter, die Krise verschärft sich. Dass die kapitalistische Wirtschaft nicht sofort zusammenbrach, sondern zeitweilig wieder wuchs, begründete Marx mit zwei Argumenten: Die immense Zahl der Arbeitslosen, die so genannte industrielle Reservearmee, ermöglichte es den Unternehmern, die Löhne zu drücken. Und billige Arbeitskräfte bedeuteten, dass die Kapitalisten menschliche Arbeit nicht unbedingt durch Maschinen ersetzen mussten. So entfiel der Zwang zu Investitionen. Das konstante Kapital wurde in dieser Phase kaum erhöht, die Profitrate stieg, die Wirtschaft konnte sich erholen.
Karl Marx Konzentration der Wirtschaft und Verelendung des Proletariats Aus dem fortdauernden Auf und Ab der kapitalistischen Konjunktur folgerte Marx: Große Unternehmen verdrängen mehr und mehr den Mittelstand, die Konzerne sammeln unaufhörlich Kapital und damit Macht an. Diese These von der Konzentration der Wirtschaft verband er mit der These von der Verelendung des Proletariats. Denn die industrielle Reservearmee würde ständig größer, das Lohnniveau immer niedriger und die Armut der Massen schließlich unermesslich. Am Ende ist der Gegensatz zwischen der Arbeiterschaft und den Kapitalisten (von Marx als Klasse der Bourgeoisie bezeichnet) so krass, dass der Klassenkampf beginnt. Zwangsläufig zerstört er das System. Denn die Arbeiterklasse besiegt die Bourgeoisie, und eine klassenlose Gesellschaft entsteht. Dort, so Marx, kann jeder nach seinen Neigungen und Fähigkeiten leben und arbeiten.
Karl Marx Marx und die Wirklichkeit Eine Beurteilung der Lehre von Karl Marx muss an zwei unterschiedlichen Fragekomplexen anknüpfen. Zum einen: Hat die Entwicklung die Marx'schen Prognosen und damit einen gleichsam naturgesetzlichen Ablauf menschlicher Geschichte bestätigt? Zum anderen: Wie und nach welchen Grundregeln sollte die vorhergesagte klassenlose Gesellschaft des Sozialismus bzw. Kommunismus aufgebaut werden, wie sollte sie anschließend funktionieren? Konjunkturelle Auf- und Abschwünge, von Marx als Krisen bezeichnet, haben sich in der Zeit nach ihm in nahezu jedem Land ereignet. Insbesondere in den Industrienationen kam es auch zu einer Konzentration des Kapitals. Gleichzeitig nahm die Zahl kleiner und mittlerer Betriebe aber nicht ab, wie von Marx behauptet. Im Gegenteil: Wachstumsschübe erhöhten die Zahl sogar. Als ebenso unzutreffend erwies sich die Verelendungstheorie. Die Arbeiter fassten ihre Löhne nicht als unabänderliches, von den Kapitalisten bestimmtes "Schicksal" auf; sie schlossen sich zu Gewerkschaften zusammen, die den Anteil der Arbeitsentgelte am Volkseinkommen deutlich steigerten. Schon diese Beispiele zeigen, dass die historische Entwicklung der Logik der Marx'schen Lehre (bislang) nicht bruchlos folgte. (Auch erkenntnistheoretisch lässt sich aus ihr kein zwangsläufiges Ende kapitalistischer Strukturen und ein "automatischer" Übergang in die klassenlose Gesellschaft ableiten.) Wo der Marxismus, wie in der Sowjetunion, als offizielle Staatsphilosophie galt, musste er deshalb gewaltsam eingeführt werden. Und von Beginn an standen die sozialistischen bzw. kommunistischen Länder vor dem Problem, dass sich Marx kaum zur Funktionsweise der "neuen Ordnung" geäußert hatte. Nach welchen Prinzipien sollte eine Wirtschaft arbeiten, die kein ökonomisches Eigeninteresse zulässt und statt Privatausschließlich Kollektiveigentum vorschreibt? Welche Leitsätze sollten an die Stelle des freien Wettbewerbs treten, welche Regeln den Marktmechanismus ersetzen? Die meisten ökonomischen Instrumente, die marxistische Theoretiker dazu erarbeiteten, erwiesen sich als wenig effektiv. In diesen Schwierigkeiten der Transformation marxistischer Theorie in die Praxis liegt die Wurzel des Scheiterns sozialistischer bzw. kommunistischer Systeme. Sie zerrieben sich an inneren Widersprüchen und totaler Misswirtschaft. Quelle: Ein Teil des Textes wurde unserem Werk entnommen: Die große Bertelsmann Lexikothek, Themaband: Wirtschaft, Staat, Gesellschaft, Gütersloh 2002. Er wurde von unserem Autor Gunnar Schönherr verfasst.