Campus - Zur Zukunft Deutscher Hochschulräume Im Internationalen Vergleich; Elbe, Judith; Wilhelm, Martin Mit Julia Goldschmidt

  • Uploaded by: Martin Wilhelm
  • 0
  • 0
  • June 2020
  • PDF

This document was uploaded by user and they confirmed that they have the permission to share it. If you are author or own the copyright of this book, please report to us by using this DMCA report form. Report DMCA


Overview

Download & View Campus - Zur Zukunft Deutscher Hochschulräume Im Internationalen Vergleich; Elbe, Judith; Wilhelm, Martin Mit Julia Goldschmidt as PDF for free.

More details

  • Words: 49,129
  • Pages: 56
„Die USA zu kopieren funktioniert nicht ... entscheidenter als ein Campus ist, wie viele Studenten auf einen Professor kommen. Stadtplaner und Universitäten müssen stärker zusammenarbeiten ...“ Judith Elbe im Interview mit der ZEIT

DER CAMPUS

„...Der Campus. Auch in Deutschland wird dieser Begriff verwendet, um eine Universitätsanlage zu beschreiben. Erst recht, wenn Pläne für Neubauten und neue Lehrformen entworfen werden. Campus - das klingt international und „zukunftsfähig" wie Bildungspolitiker gern sagen. Diese Studie der TU Darmstadt geht dem schicken Schlagwort Campus auf den Grund“. Frankfurter Rundschau

Der Campus

Um den Begriff Campus für die deutsche Diskussion greifbar zu machen, definieren ihn die Autoren neu: „Der deutsche Campus ist ein Arbeitsort, der US-amerikanische Campus ist ein Lebensort. ... Die Ausschreibung für den Campus Westend in Frankfurt zeigt, wie ein Modewort falsche Erwartungen wecken kann.“

zit-publik 20/04

ISSN: 1618-8403 ISBN: 3-936294-05-4 www.campusforschung.de

zit-publik 20/04

J. Elbe / M. Wilhelm

Martin Wilhelm im Interview mit der Frankfurter Rundschau

Judith Elbe Martin Wilhelm mit Julia Goldschmidt

Zur Zukunft deutscher Hochschulräume im internationalen Vergleich

Der Campus Judith Elbe Martin Wilhelm mit Julia Goldschmidt

Zur Zukunft deutscher Hochschulräume im internationalen Vergleich

ZIT Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung der TU Darmstadt

ZITpublik 20/04

Impressum

Campus als deutscher Hochschulraum der Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Internationale Campusanlagen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34

der TU Darmstadt

Harvard University . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Massachusetts Institute of Technology (MIT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . University of California at Berkeley (UCB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Princeton University . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Illinois Institute of Technology (IIT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . University of Lancaster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leeds University . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trinity College Dublin (TCD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Universidad Autonoma de Barcelona (UAB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ciudad Universitaria Madrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helsinki University of Technology (HUT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

www.campusforschung.de

Elemente der Campusanlagen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Campus Zur Zukunft deutscher Hochschulräume im internationalen Vergleich Judith Elbe, Martin Wilhelm mit Julia Goldschmidt ZIT - Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung

Konzeption und Redaktion: ZIT/mwas Erstellung der Lagepläne: Caroline Harzer Redaktionelle Mitarbeit: Linda Böttcher Alle Lagepläne sind genordet. Grafik-Design, Typographie und Produktion: Peter P. Schmidt, www.schmidts-buero.de Verlag: Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung der TU Darmstadt [ ZITpublik 20/04 ] in Kooperation mit

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

Gesamtensemble Campus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Campus-Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbindung und Außenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßstab – Dichte – Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtigste zentrale Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik des Campus als Universitätsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

36 36 38 40 42 44 46 48 52 54 60 62 66

mwas - Martin Wilhelm Architektur und Städtebau. www.zit.tu-darmstadt.de, www.mwas.de

Studentische Erfahrungen zu Campusuniversitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Auflage: 750

Zur Struktur der qualitativen Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfahrungen zu Leben und Arbeit auf dem Campus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anknüpfungspunkte zur Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Campusstudium in Deutschland – Chancen und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . .

ISSN: 1618-8403

Raum statt Ort: Eine Interpretation des Campusbegriffes für Deutschland . . .

ISBN: 3-936294-05-4

Entwicklung amerikanischer Campusanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Universitäten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der räumlichen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Studienverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Tendenzen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neu-Definition des deutschen Campus als „universitärer Raum“ . . . . . . . . . . Zukunft des deutschen Campus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Vertrieb: Verlag Toeche-Mittler, Darmstadt

Bilder auf dem Umschlag: Rückseite ganz links: Princeton University, Graduate College (mw), Mitte: MIT, Simmons Hall (mw), rechts: Siegerentwurf von Ferdinand Heide für den

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

69 69 72 82 88

. . . . . . .

92 92 95 96 98 100 101 104

Literatur / Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

AutorInnen / Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

Campus Westend Frankfurt (www.phaseeins.de/ archive_campus-westend_ ergebnis.htm), übergreifend über beide Seiten: Princeton University, Scheide Caldwell House/Henry House (mw)

Inhalt

Campus als deutscher Hochschulraum der Zukunft? Wie sollen deutsche Universitäten morgen aussehen? Mit erstaunlicher Hartnäckigkeit wird die Qualität der Bildung und Ausbildung in Deutschland spätestens seit Erscheinen der sogenannten Pisa-Studie und der sogenannten OECDStudie diskutiert. Deutschland scheint hier im internationalen Vergleich weit zurückgefallen zu sein, sowohl was die Qualität der Ausbildung, als auch was die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Forschung betrifft. Hektisches Reformieren hat eingesetzt. Im Bereich der Hochschulen1] werden Ausbildungsgänge und Abschlüsse grundlegend verändert, bis hin zur Abschaffung der Diplom- und Magisterstudiengänge. Die Einführung von einigen wenigen deutschen Eliteuniversitäten ist geplant. Damit sollen die Rahmenbedingungen nicht nur für die Ausbildung, sondern vor allem für die Forschung so drastisch verbessert werden, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal mithalten kann. Die Frage nach den baulichen Strukturen von deutschen Hochschulen wird in der aktuellen Diskussion um Eliteuniversitäten dabei überraschend wenig thematisiert, obwohl gleichzeitig in der Praxis grundlegende Änderungen stattfinden, wie beispielsweise die Verlagerung der gesamten Goethe-Universität Frankfurt auf den neuen „Campus Westend“ zeigt. Die Reform des Hochschulwesens auf der einen sowie deren bauliche Entwicklung und ihr universitärer Alltag auf der anderen Seite müssen jedoch zusammen betrachtet werden. Im vorliegenden Buch steht deshalb die Entwicklung der baulichen Strukturen von Hochschulanlagen im Vordergrund ohne die Hochschulentwicklung als Ganzes außer Acht zu lassen. Ist der Campus die Hochschulanlage der Zukunft? Inspiriert insbesondere durch die Vorbilder berühmter amerikanischer Universitäten wie Harvard, Princeton, MIT oder Berkeley erfreut sich der Campus als Entwicklungsidee für die räumliche Struktur von Universitäten, insbesondere Eliteinstitutionen, in Deutschland wachsender Beliebtheit. In Vorbildern wie Harvard und Berkeley schwingt immer das Bild des Campus als einer abgeschirmten Idealgemeinschaft höchstqualifizierter Lehrender und Lernender mit, durch die Höchstleistungen erst möglich

[1 Diese Untersuchung bezieht sich auf Einrichtungen des tertiären Bildungssektors insgesamt. In dieser Studie werden daher, trotz der Unterschiede in der Zielsetzung der verschiedenen Bildungseinrichtungen die Begriffe „Universität" und „Hochschule" synonym verwandt und bezeichnen, soweit im Text nicht explizit etwas anderes angesprochen wird, immer den gesamten tertiären Bildungssektor.

werden. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zum bundesrepublikanischen Bildungsansatz, der auf bestmöglicher Zugänglichkeit und auf in der Breite erreichbaren einheitlichen Qualitätskriterien beruht. Für die Diskussion um zukünftige bauliche Hochschulstrukturen ist besonders wichtig, dass deutsche Hochschulen traditionell in die sie umgebenden Städte integriert sind, bis hin zur Verteilung auf mehrere Standorte und zur häufig sogar fehlenden Ablesbarkeit der Universitätsanlage in der städtebaulichen Struktur. Neugründungen der Sechziger Jahre als Versuche, konzentrierte Einrichtungen zu schaffen, die mit dem bundesdeutschen Bildungsansatz und Studienalltag kompatibel sind, hinterließen, im städtebaulichen Sinn, für Jahrzehnte einen eher schlechten Ruf der Organisationsform Campus in Deutschland, allen voran die Ruhr-Universität in Bochum.

Abb. 2: Ansicht von Süden auf den „Campus“ der Ruhr-Universität Bochum, der in städtebaulicher

Die vorliegende Studie untersucht den „Campus“ anhand von prägnanten internationalen Beispielen in seinen städtebaulichen und baulichen Ausprägungen und in seinen täglichen Abläufen. Ziel der Untersuchung ist, im aktuellen Umfeld Chancen und mögliche Fehlentwicklungen dieser Bau- und Organisationsstruktur für den Standort Deutschland herauszuarbeiten. Eine solche systematische Aufarbeitung fehlt bisher, obwohl sich mehrere deutsche Hochschulen bereits in das Abenteuer Campusuniversität gestürzt haben. Sie tun das mit Hoffnungen, die von der oben genannten Elitebildung über Organisationsvereinfachungen bis hin zum Bild des belebten, quirligen Campus von Harvard gehen. Die oben genannte Verlagerung der gesamten Goethe-Universität von ihrem innerstädtischen Stammgelände auf den sogenannten „Campus Westend” ist bestimmt das derzeit spektakulärste Zeichen für eine Hinwendung zum von Amerika und England inspirierten und für ein Erfolgsmodell angesehenen Campusgedanken. So heißt es in der Auslobung zum städtebaulichen Wettbewerb: „Der Anspruch, im Wettbewerb mit führenden nationalen und internationalen Universitäten exzellente wissenschaftliche Leistungen zu erbringen und die beruflichen Zukunftsaussichten der Studierenden zu fördern soll auf allen Ebenen der Weiterentwicklung der Universität Frankfurt umgesetzt werden. (...) Der universitäre Betrieb Forschung und Lehre - soll zum einen durch die räumliche Nähe der einzelnen Fachbereiche und Funktionen zueinander und zum anderen durch die Atmosphäre eines Campus im angelsächsischen Sinne gestärkt werden.”2] Andere Beispiele für Neubau und Stärkung von Campusstandorten sind die Fachhochschule Lüneburg oder die Universität Saarbrücken. Saarbrücken ist insofern interessant, als hier im Jahr 2001 bei einem Wettbewerb nach Ideen gesucht wurde, das schon vorhandene Universitätsgelände aus den Fünfziger Jahren im Wald im Nordosten von Saarbrücken, ein ehemaliges Kasernengelände, als Campus zu stärken. Insbesondere sollten, in Anknüpfung an eine Debatte über die „Corporate Identity“ der Universität 3]„Vorschläge zur Korrektur der Mängel am Erscheinungsbild des Campus“4] erarbeitet werden. Der Campus wird dabei als ein eigener Stadtteil betrachtet, mit einem Zentrum mit Geschäften in der Mitte und klarer Kontur („Oval“) nach außen, allerdings nahezu vollständig ohne Wohnen.5]

Hinsicht umstrittensten bundesdeutschen CampusNeugründungen. (mw)

Abb. 3: In einem beschränkten Wettbewerb ausgewähltes Entwicklungskonzept für die Universität des Saarlandes Saarbrücken (www.uni-saarland.deverwalt/presse/campus/2001/3/04-Campus-f.html)

[2 Land Hessen (2002) S. 3 [3 Sand (2001) ohne Seitenangabe [4 Veauthier (2001) ohne Seitenangabe [5 „Der künftige Standort der Universität des Saarlandes wird als ausgelagerter Stadtteil mit spezifischem Nutzungsprofil begriffen. Mit den Schwerpunkten Lehre, Forschung und Entwicklung sowie Sport besitzt

Abb. 1: Massachusetts Institute of Technology (MIT), Commencement (Abschlussfeier) auf der zentralen Commencement Lawn und mit einem der markanten «Domes» im Hintergrund. (mw)

4

Der Campus Lüneburg nutzt, genau wie Saarbrücken und Frankfurt, eine ehemalige Kaserne und ist weitgehend fertiggestellt. Im Unterschied zur Vorstellung eines belebten amerikanischen Campus mutet das Gelände aber eher als konzentriertes Werksgelände an. Ihm fehlt das prägende Element des studentischen Lebens rund um die Uhr. Es fällt auf, dass auch

der Standort ein autonomes Profil, welches nicht mehr ausschließlich auf die Universität ausgerichtet ist.“ (www.machleidt.de: Städtebau Rahmenplanentwurf Campus Universität des Saarlandes)

5

auf dem Campus in Lüneburg nur am Rand und in wenigen Gebäuden studentisches Wohnen angesiedelt ist, erst aus studentischer Initiative war hier ein erstes Wohnhaus entstanden. Im Wohnen ist damit ein Schlüsselbegriff für die Qualitäten des Campus zu vermuten.

Abb.4: TU Darmstadt, Campus Lichtwiese: Aus dem Innenstadtstandort ausgelagerte Institutsgebäude, wenig Wohnen, sowie eine zentrale Mensa mit Mittagstisch. (TU Darmstadt)

[6 Vgl. Turner (1984), S. 9ff [7 Die amerikanische Campusuniversität steht allerdings, wie im Verlauf dieser Arbeit noch klar werden wird, in einem starken Gegensatz zur europäischen Universitätsentwicklung: In den USA waren die Anlagen entscheidende Elemente der Besiedelung und Zivilisierung des Landes, häufig siedelten sich die Städte erst später in der Umgebung an. Die europäischen An-

Die Außenstelle Garching der TU München oder der Standort Lichtwiese der TU Darmstadt sind nur zwei von vielen Beispielen für Teilauslagerungen von Instituten auf einen Entlastungsstandort, der dann, auch durch Anlagerung von externen Instituten oder Industrieunternehmen, größer werden kann als der Hauptstandort. Hier stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Zerrissenheit, durch die auch diese Studie angestoßen wurde, und nach dem Grad des Ausbaus und der Vollständigkeit der ausgelagerten Anlage. Der amerikanische Campus, oder besser das „collegiate system”6] amerikanischer Hochschulen, das ja im Wortsinne die Integration von Lehrenden und Lernenden zu relativ autarken, studierenden (Fach-) Gemeinschaften unterhalb der Schwelle zur europäisch verstandenen Gesamtuniversität bedeutet7], steht hier scheinbar automatisch als Erfolgsmodell und als räumliches Vorbild Pate: Der ideale Universitätsort scheint die Form eines Campus zu haben. Ist nun der Campus eine speziell amerikanische Erfindung, Ausdruck ursprünglicher amerikanischer (Hochschul-) Kultur? Ließe diese Erkenntnis in Kombination mit den aktuellen Übertragungstendenzen in Deutschland den Umkehrschluss zu, dass die Verwendung des Begriffes hierzulande im amerikanischen Sinne auf eine fehlende oder uninteressanter zu bewertende europäische Hochschulkultur – zumindest im Sinne der Hochschule als Ort – hinweist? Möglicherweise deutet die Übernahme des räumlich-städtebaulich-organisatorischen Modells die Übernahme eines gesamten Systems von amerikanischen Idealen und Zielen an. Ist diese Übertragung des Campus als Modell auf Deutschland überhaupt sinnvoll?

lagen hingegen haben ihre eher in der Stadt verstreute Form dadurch erhalten, dass sie in vorhandene Städte hinein gegründet, und mit der sie beher-

Hochschulsystem

bergenden Stadt gewachsen und verwachsen sind.

[8 Am 19.6.1999 wurde von 29 europäischen Bildungsministern eine gemeinsame Erklärung „Der europäische Hochschulraum“ verabschiedet. Teilaspekte der Erklärung sind: Verständliche und vergleichbare Abschlüsse, Studiensystem in zwei Hauptzyklen (undergraduate / graduate), Leistungspunktesystem und Modularisierung, Förderung der Mobilität von Studierenden und Mitarbeitern, Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung und Förderung der europäischen Dimension. (vgl. KMK, HRK und BMBF (2002))

[9

Diese Entwicklung wird durch die Zielverein-

barungen der TU Darmstadt mit dem Land Hessen

Im Bereich der Lehre finden derzeit Veränderungen statt, die an das Studiensystem im angloamerikanischen Raum erinnern. Mit dem sogenannten Bologna-Prozess8] sind europäische Universitäten in eine Entwicklung eingetreten, die eine Harmonisierung der Hochschulsysteme in Europa fördern soll. Teilziele sind beispielsweise die höhere Mobilität der Studierenden und die Internationale Anerkennung von Hochschulabschlüssen, die durch Einführung von Kreditpunktsystemen und einheitlichen Bachelor- und Master-Abschlüssen erreicht werden sollen9]. Unter den Schlagworten Internationalisierung und Mobilität wird offensichtlich eine Entwicklung in Richtung des anglo-amerikanischen Systems betrieben, die gleichzeitig die Trennung von Fachhochschul- und Universitätssystem in Deutschland und damit die Trennung zwischen praxisorientierten und wissenschaftsorientierten Studienausrichtungen aufhebt. Auch die international anerkannten wissenschaftsorientierten Magisterund Diplomabschlüsse der Universitäten werden zurückgedrängt. Trotz dieser durchaus erschreckenden „Nebenwirkungen” warnt das Centrum für Hochschulentwicklung ausdrücklich vor den schwerwiegenden Folgen insbesondere für die Studierenden, wenn Studiengänge nicht rasch und konsequent im Sinne des Bologna-Prozesses umgestellt werden10].

untermauert. (vgl. Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst et al. (2002) Kapitel 3.1 „Lehre“)

[10 vgl. Centrum für Hochschulentwicklg. (2003) S.3f

6

Den berufsorientierten Bachelor-Studiengängen steht allerdings das Bekenntnis zum Humboldtschen Verständnis von Universität entgegen, insbesondere in Bezug auf die Einheit von Forschung und Lehre. Dieses Prinzip brachte deutschen Universitäten internationales Ansehen

und es gilt selbstverständlich auch in den USA als Ideal. Über die Aufrechterhaltung dieses Prinzips an den Universitäten, aber auch der verschiedenen nationalen Traditionen besonderer Qualität im tertiären Bildungssektor insgesamt, scheint zumindest unter deutschen und französischen Hochschulvertretern Einigkeit zu bestehen.11] Wie die besonderen Qualitäten deutscher Studienformen zu bewerten sind, wird wenig diskutiert. Argumentiert wird statt dessen beispielsweise mit der hohen Qualität der Ausbildung an Universitäten wie Harvard. Neben den zahlreichen negativen Einschätzungen zur deutschen Studiensituation finden sich durchaus auch Meinungen, die die Qualität des Studiums an Eliteuniversitäten in den USA mit der an deutschen Hochschulen vergleichen. Die meisten anderen amerikanischen Universitäten blieben eher dahinter zurück.12] Dem gegenüber stehen Aussagen, die der öffentlichen Meinung die Vermutung eines Niedergangs deutscher Universitäten zuschreiben: „In deutschen Universitäten träfen unzureichend vorbereitete und wenig motivierte Studierende auf Lehrende, die für die Lehre letztlich nicht qualifiziert seien und deren eigentliche Interessen mit der Erteilung qualifizierten Unterrichts relativ wenig zu tun hätten.”13] Zwar ist die Lehre selbst in dieser Studie nicht Thema, die beschriebene Entwicklung soll aber den Verdacht einer relativ unreflektierten Übernahme eines anderen Studiensystems untermauern.

Campus als Ort Wesentlich für diese Studie ist die Frage, was hinter der Idee „Campus-Universität” eigentlich steckt. Zunächst scheint klar zu sein, was darunter zu verstehen ist: Die gesamte Universität befindet sich auf einem Gelände, an einem Ort, beieinander. Campus bedeutet in diesem Sinne also einfach, dass alle für Forschung und Studium nötigen Funktionen direkt beieinander liegen und kurze Wege bestehen. Welche Funktionen gehören in diesem Fall allerdings zur Vollständigkeit dazu? Wie ist es beispielsweise mit den Studierenden selbst? Müssen sie auf dem Campus wohnen, damit das Universitätsgelände zum Campus wird? Wie sieht es mit Versorgungsinfrastruktur aus? Muss das gesamte „Studentische Leben” auf dem Universitätsgelände stattfinden, damit von einem Campus die Rede sein kann? Um 1900 entstand mit diversen Veröffentlichungen zum ersten Mal eine aussagekräftige Diskussion um das Thema Campus-Planung in den USA. Eine zentrale Aussage, die sich bei vielen Architekten der Beaux-Arts-Schule wiederfindet, ist die, dass „the campus, or large open space, was an essential part of the American tradition”14]. Der Collegeplaner arrangierte die Gebäude auf verschiedene Weisen um den zentralen Campus. Mit diesem Verständnis bezeichnet Campus nicht das gesamte Hochschulgelände, sondern lediglich einen – wenn auch städtebaulich wichtigen - Teil, nämlich eine zentrale Freifläche, die für Versammlungen, Feierlichkeiten oder einfach als zentrale Mitte und Identifikationsort dient.

[11 Geäußerte Meinung praktisch aller an der Diskussion Beteiligte während des deutsch-französischen Kolloquiums „Idee und Aufgabe der Universität heute“ vom 3.-5.4.2003 in Heidelberg.

[12 vgl. Hansen (2001). Klaus P. Hansen ist Professor für Amerikanistik an der Universität Passau.

[13 Martens (2000) S.235

Das heute gängige Verständnis von Campus umfasst allerdings das gesamte Universitätsgelände inklusive der Wohn- und Versorgungseinrichtungen für die Studierenden. So ist der Campus der Ort einer Gemeinschaft, an dem sie zusammen lebt und arbeitet. Als solches wäre er dann das „academical village”, wie es Thomas Jefferson15] formulierte, oder so etwas

[14 Turner (1984) S.188 [15 Turner (1984) S.3

7

wie eine kleine Idealstadt, wie Paul V. Turner16] schreibt. Anders als eine Stadt ist der Campus aber eine Einheit mit einem allen Mitgliedern der Gemeinschaft gemeinsamen Zweck. Die Besonderheit ist deshalb, dass der Campus nicht nur die Bedürfnisse der Institution in idealer Weise unterstützen bzw. befriedigen, sondern gleichzeitig auch die Ideale der Universität oder des Colleges ausdrücken soll und darüber hinaus als Vorbild für jede Siedlungsform einer menschlichen Gemeinschaft dient.

Abb. 5 (links): Innenstadt und Südoststadt Darmstadt mit geschwärzten Institutsgebäuden sowie - umrandet - dem Standort des neuen Wissenschafts- und Kongresszentrums. In der Mitte oben das Hauptgelände der TUD mit Verwaltung und Audimax, rechts in der Mitte die biologischen Institute mit botanischem Garten, rechts unten der Auslagerungsstandort

Als Raum des Zusammenlebens beinhaltet Campus studentisches Leben. Studierende in USA und in Europa und Deutschland sind hier nicht ohne weiteres zu vergleichen. So ist bei Witold Rybczynski zu lesen, das College sei für die US-amerikanischen Studierenden eine Art Zwischenspiel zwischen Jugend und Erwachsensein, eine eigene Welt für sich17]. Deutsche Studierende würden sich wohl eher als Erwachsene bezeichnen. Es ist vollkommen üblich, dass Studierende neben ihrem Studium andere Verpflichtungen haben, etwa zu arbeiten, oder sei es nur die Welt zu bereisen. Die beispielsweise in Hessen übliche Möglichkeit, sich als Teilzeitstudent zu immatrikulieren18], wenn berufliche, familiäre oder andere Gründe ein Vollzeitstudium nicht zulassen, und dennoch einen vollwertigen Abschluss anzustreben, verdeutlicht, in welchem sozialen Kontext Studierende hier zu sehen sind. Wohnen auf dem Universitätsgelände kommt vielen deutschen Studierenden nicht in den Sinn und ist als Merkmal eines deutschen Campus also kritisch zu hinterfragen.

„Lichtwiese“ auf dem ehemaligen Flughafen der Stadt.

Maßstab

ca.1/35.000

(Kartengrundlage:

Vermessungsamt der Stadt Darmstadt, Zeichnung mwas / Marion Klipstein)

[16 vgl. Turner (1984) S. 304 [17 vgl. Rybczynski(1997) S.8 [18 vgl. HHG, insbesondere §65 [19 vgl. beispielsweise Scheuermann (2000) [20 2001 hat sich die TUD bei der Verleihung des best

Im Widerspruch zu diesen räumlichen Definitionen von Campus scheinen die aktuellen Diskussionen zum virtuellen Campus zu stehen. Die optimale Nutzung neuer Medien für den Lehrbetrieb an Hochschulen steht hier im Mittelpunkt der Überlegungen.19] Thema ist beispielsweise die Vermischung von Präsenz- und Fernstudium mit Hilfe des Internets. Wenn in diesem Zusammenhang die Verwendung des Campus-Begriffs tatsächlich sinnvoll ist, was bedeutet dann Campus? Das Universitätsgelände kann es in diesem Sinne - zumindest ausschließlich – nicht sein. Geht es also vielmehr darum, dass die universitäre Gemeinschaft unter sich ist, ob real oder virtuell? Ist der Campus ein Arbeitsplatz oder ein Lebensraum?

practice-Preises des Centrums für Hochschulentwick-

Auch in räumlicher Hinsicht verändert sich die Hochschule bis zu einem Punkt, an dem sie über ihre bauliche Identität nachdenken muss: Der Bau eines Kongresszentrums angrenzend an die Darmstädter Innenstadt auf dem Stammgelände der TUD wird verwirklicht; damit einher gehend wurde der Fachbereich Bauingenieurwesen und Geodäsie auf dem Außenstandort Lichtwiese zusammengefasst und es stellt sich zunehmend die Frage, wie die Standorte Innenstadt und Lichtwiese ausgestattet sind und wie sie zueinander stehen. Ob es sinnvoll ist, die bauliche Struktur zu einem Campus nach amerikanischem Vorbild zu entwickeln, soll hier als Fallbeispiel für eine deutsche Hochschule insgesamt überdacht werden. Innerhalb der TUD gibt es jedenfalls Stimmen, die eine solche Entwicklung begrüßen würden.

lung (CHE) erfolgreich gegen 11 Mitbewerber durchgesetzt. Die Auszeichnung wird vom CHE jährlich an

Die TU Darmstadt Dreischritt Institution, universitäres Leben und Ort

jeweils eine Fachhochschule und eine Universität vergeben, die auf besonders vorbildliche Weise einen umfassenden Reformprozess einleiten und dabei Reformmaßnahmen in allen Bereichen der Hochschule zu einem Gesamtkunstwerk verknüpfen. Die TUD beeindrucke durch die Fülle origineller Reform-

Die Situation an der TU Darmstadt (TUD) diente als Anstoß für diese Studie. Die TUD ist ein recht typisches deutsches Referenzbeispiel. Sie muss ihre nötige inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung mit vielfach sanierungsbedürftigen Gebäuden, in der Zerrissenheit zwischen einem innerstädtischen und einem ausgelagerten Standort und gleichzeitig in einem drastischen inhaltlichen und organisatorischen Umorganisationsprozess umsetzen.

ansätze und -projekte in allen Bereichen des universitären Lebens, die sie vorantreibe und verwirkliche, ohne dabei den Blick auf das Ganze zu verlieren, so das Gutachten zur Begründung der Entscheidung. (www.tu-darmstadt.de/tud/best_practice/de0208.tud)

[21 vgl. Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst et al. (2002) Kapitel 1.1. „Allgemeine Grundsätze und Ziele“

8

Insgesamt ist die TUD mit Erfolg, wie die Auszeichnung zur best practice-Universität im Jahr 2001 zeigt20], dafür engagiert, eine innovative und zukunftsfähige Entwicklung zu betreiben. Sie arbeitet beispielsweise intensiv an der Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses, bietet derzeit bereits in vielen Fachbereichen Bachelor- und Masterstudiengänge neben den traditionellen Diplom- und Magisterstudiengängen an und hat ein Leistungspunktesystem, die sogenannten ECTS-Punkte (European Credit Transfer System) eingeführt. Die TU Darmstadt zählt hier bundesweit zu den führenden Hochschulen und weitet diese Angebote stetig auf weitere Studiengänge aus.21]

Die folgenden Kapitel bilden einen Einstieg in die Diskussion der Fragen „Was ist ein Campus?” und „Ist der Campus für Deutsche Universitäten eine sinnvolle Form?”. Zwar steht dabei die bauliche und räumliche Struktur der Universität im Mittelpunkt der Überlegungen, gleichzeitig ist es notwendig, die Entwicklung der Universität als Ort zusammen mit den an diesem Ort beheimateten Strukturen und mit den Entwicklungsprozessen zu betrachten. Die aktuellen Veränderungsprozesse in der Hochschullandschaft Deutschlands stehen in einem internationalen Vergleichsrahmen. Diese besondere Entwicklungsdynamik erfordert eine Betrachtung sowohl der deutschen Hochschulentwicklung als auch der deutschen Hochschul-Orte in einem internationalen Vergleich. Abb.6 : Haupteingang der TUD, Innenstadt.

Wir gehen im Folgenden von einem Dreischritt bestehend aus der Universität als Institution, dem Leben und Arbeiten der Universitätsangehörigen an und mit der Universität und der baulichen Struktur, dem Ort, aus. Das bedeutet, dass alle drei Komponenten gleichberechtigt

Die zunehmende Verlagerung von Instituten auf den Standort Lichtwiese stellt die Frage nach der Identität der Hochschule. (je)

9

nebeneinander stehen und sich in ihrer Entwicklung wechselseitig beeinflussen. Gemeinsam bilden sie die Hochschulentwicklung als Ganzes.

von Fachgrenzen deutlich wahrgenommen wird. Hier ist also die Frage nach dem Einfluss der räumlichen Struktur gestellt.

Hochschule als Institution beinhaltet zunächst die Hochschulorganisation und -verwaltung und deren Aufbau. Im Idealfall basiert sie, wie an der TUD, auf einer Grundordnung, also einer rechtlichen Institutionalisierung. Zur Institution Hochschule gehört der gesamte Bereich von Forschung und Lehre, wie die gezielte Schwerpunktsetzung durch Berufungen und die Curricula. In ihr werden die Ansprüche der Gesellschaft an das tertiäre Bildungssystem, also die ihr zugedachten Aufgaben, implementiert. Zumindest die gesellschaftlichen Ansprüche und Anforderungen der Vergangenheit sind damit in der Institution Hochschule inhärent enthalten. Als gesellschaftliche Akteurin nimmt die Institution Hochschule selbst am politischen Prozess der Aufgabendefinition für die tertiäre Bildung teil.

Inwieweit die Raumstruktur allerdings tatsächlich von Bedeutung ist und nicht doch die Grenzen oder die Offenheit in den Köpfen der Forschenden und Studierenden, ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Möglicherweise hat tatsächlich das individuelle alltägliche Verhalten den größten Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg des Zieles Interdisziplinarität. Ob der Alltag von disziplinären Zwängen bestimmt ist und das Engagement im interdisziplinären Bereich überhaupt zulässt, ist dann wieder eine Frage der institutionellen Strukturen. So schließt sich der Kreis.

Der Bereich Leben und Arbeiten umfasst vor allem den Arbeitsalltag von Studierenden, Wissenschaftlern bzw. Lehrenden und dem sonstigen Personal an den Universitäten. Gemeint ist die in der Einleitung schon angedeutete universitäre Gemeinschaft, also die Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden. In Frage zu stellen ist hier natürlich, ob diese Gemeinschaft tatsächlich existiert. Neben der Arbeits- und Lernsituation im Alltag ist auch das sonstige alltägliche Leben wie die Wohnsituation, die Versorgung, die Freizeitgestaltung, die möglicherweise ebenso wie die Arbeitswelt durch die Universität geprägt sind, von Bedeutung. Die nicht institutionalisierten, eher individuellen und kulturellen Ansprüche, Forderungen und Erwartungen von Studierenden und deren Eltern sowie der Forschenden und Lehrenden an die Hochschulen sind in dieser Komponente inhärent und beeinflussen die Hochschulentwicklung mit. Die Hochschule als Ort beinhaltet die städtebauliche Struktur der Universitätsgelände, die verschiedenen Nutzungen dort und die räumlichen Bezüge zwischen diesen Nutzungen und mit der Umgebung, also die Einbindung in die Stadt. In diesen Strukturen manifestieren sich Ideale und praktische Ansprüche der Hochschulen aus der Vergangenheit und bilden sie ab. Sie sind nur mit großem Aufwand wieder zu verändern. Dadurch wirkt sich die räumliche Struktur nicht unerheblich auf Institution und universitäre Gemeinschaft aus. Diese drei Bereiche sind zwar analytisch zu trennen, beeinflussen sich aber wechselseitig stark, was in den Argumentationen der nachfolgenden Kapitel immer wieder deutlich wird. Als Beispiel soll hier kurz eine Besonderheit an der TUD angeführt werden: Eines der großen Ziele der TUD ist das der Interdisziplinarität. So wurden einige neue Kombinationsstudiengänge entwickelt und mit dem Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung besteht seit mehr als 15 Jahren eine eigene Einrichtung an der TUD, die die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Forschung und Lehre aktiv fördert. Die Interdisziplinarität ist also ein wichtiges Element der Institution TUD. Möglicherweise benötigt gerade die interdisziplinäre Arbeitsweise besondere räumliche Strukturen, die den ständigen Austausch zwischen Mitarbeitern und Studierenden der verschiedenen Disziplinen fördern, um so optimale Arbeitsergebnisse zu produzieren. Vielleicht behindert die Zweiteilung der TUD und die damit teilweise weiten Entfernungen zu Kollegen anderer Disziplinen den Kontakt zu diesen. Vielleicht ist eine klare Zuordnung der einzelnen Disziplinen in eigene Gebäude aber auch besonders förderlich, da durch das Verlassen des eigenen und das Betreten eines anderen Gebäudes das Überwinden 10

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich in zwei großen Blöcken mit der Hochschule als Ort und mit dem Alltagsleben der universitären Gemeinschaft. In den einzelnen Teilen wird immer wieder Bezug auf die institutionellen Komponente genommen, es wird deutlich, wie wichtig die Wechselwirkungen mit dieser Komponente sind. Sie konnte hier allerdings nicht in einem eigenen Kapitel behandelt werden, der Bedarf wird aber deutlich. Für die Aufarbeitung der Universität als Ort werden im folgenden Kapitel die räumlichen Strukturen bestehender internationaler Campusanlagen zunächst grafisch aufgearbeitet und kurz beschrieben. Dies stellt die Grundlage einer umfangreichen städtebaulichen Analyse dieser Anlagen in Kapitel „Elemente der Campusanlagen im Vergleich“ dar, um darauf aufbauend den Vergleich der Anlagen untereinander und mit Deutschland vornehmen zu können. Komplementär dazu wird die Frage nach dem studentischen Alltag mit Hilfe empirischer Methoden, in diesem Fall mit qualitativen Interviews, in Kapitel „Studentische Erfahrungen zu Campusuniversitäten“ angegangen. Um diesen sehr komplexen Bereich einzuschränken, fokussieren die Untersuchungen auf die Gruppe der Studierenden. Das bedeutet die Auswertung zum einen der Erfahrungen mit dem Studium an internationalen Campus-Universitäten im Vergleich zum Studium an deutschen Hochschulen, zum anderen der Unterschiede im studentischen Leben. Das abschließende Kapitel bringt die Ergebnisse beider Untersuchungen in einen Zusammenhang. Dazu wird die Entwicklungsgeschichte deutscher und amerikanischer Universitäten zusammenfassend gegenübergestellt, sowie die wesentlichen Unterschiede verdeutlicht. Ziel konnte dabei nicht sein, die oben angeführten Fragen, insbesondere den Entwicklungsprozess, abschließend zu diskutieren, sondern vielmehr eine Grundlage für den vertiefenden Einstieg in den Diskurs zu schaffen. Für die Komponente des universitären Ortes allerdings wird eine Definition formuliert und somit zur Diskussion gestellt. Dieses Ergebnis lässt eine Empfehlung für die Frage nach der Entwicklungsperspektive der baulichen Struktur des Referenzbeispiels TU Darmstadt zu, die den Abschluss und Ausblick der Studie bildet.

11

Internationale Campusanlagen im Überblick Ziel der Einzelanalysen internationaler Campusanlagen22] sowie der nachfolgenden thematischen Auswertung ist es, typische Charakteristika des „Voll-Campus“ in städtebaulicher, funktionaler und organisatorischer Hinsicht zum einen, aber auch in Bezug auf Stimmung, Leben und Bild herauszuarbeiten. Der Unterschied zwischen beispielsweise Princeton und der TU Darmstadt erscheint offensichtlich. Ist der Campus von Princeton eine nahezu vollständige Idealstadt an sich, mit dem Ort Princeton als unterstützendes „Anhängsel“, so ist die TU Darmstadt eine auf Studienzwecke optimierte Einrichtung, eingebettet in die sie umgebende Stadt. Mit dem derzeit stattfindenden grundlegenden Umstrukturierungsprozess der deutschen Hochschulen stellt sich zwingend die Aufgabe, auch die städtebaulichen und architektonischen Ausprägungen anpassen zu müssen. Insbesondere die Orientierung an amerikanischen Beispielen stellt die Frage: Ist der Voll-Campus die Universitätsform der Zukunft in Deutschland? Für eine erste Annäherung sind im Folgenden prägnante internationale Campusanlagen unter dem Blickwinkel auf ihre Übertragbarkeit auf deutsche Hochschulen kurz beschrieben und anschließend zusammenfassend thematisch analysiert. Die Zusammenstellung der internationalen Campusanlagen ist keine Auswahl besonderer einzelner Hochschulen, sondern umfasst ein möglichst breites Spektrum. Einziges durchgängiges Auswahlkriterium war dabei der Voll-Campus, d.h. eine Anlage, die vielfältige Funktionen beinhaltet und nicht, wie die Darmstädter Lichtwiese, lediglich eine Auslagerung einzelner Teile einer Universität darstellt. Der deutschlandtypischen funktionalen Auslagerung soll hier das Modell des „richtigen“ Campus gegenüberstehen.

[22 Die Einzelanalysen von Campusanlagen basieren auf Material, das von Studierenden der TUD im Rahmen einer Übung in den Jahren 2001 und 2002 erarbeitet wurde. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden für die vorliegende Studie vereinheitlicht und ergänzt. Insbesondere wurden die Lagepläne im Maßstab 1:10.000 zur besseren Vergleichbarkeit einheitlich nachgezeichnet und die unterschiedlichen Nutzungen der Gebäude farblich gekennzeichnet.

Die untersuchten Anlagen sind in drei Obergruppen zusammengefasst: -Amerikanische Campusanlagen: Die beiden Ivy-League-Schulen23] Harvard und Princeton und drei jüngere Schulen (Berkeley, MIT und IIT). -Neugegründete Campusanlagen in Europa aus der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts: Helsinki, Lancaster, Barcelona. - Ältere europäische Gründungen: Hier sind etwas vereinfachend Dublin von 1592 mit Leeds und Madrid von 1904 bzw. 1927 zusammengefasst. Zum einen liegen die Wurzeln z.B. von Madrid ebenfalls im 16. Jahrhundert, zum anderen stammen diese Anlagen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, also aus der Zeit vor der Ausbildung von Massenuniversitäten in den Sechziger Jahren, was diese Zusammenfassung zulässig macht.

Die Detailangaben zu den Campusanlagen wurden aus Angaben zum einen des Büros Ayers Saint Gross Architects and Campus Planners (www.asg-architects. com/fs_comparing.html) und zum anderen der untersuchten Universitäten zusammengestellt. Eine Übersicht der Universitäts-Homepages befindet sich auf Seite 107.

[23 Unter dem Begriff Ivy-League (Efeu-Liga)-Anlagen werden die acht großen alten US-amerikanischen Hochschulen Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth, Harvard, University of Pennsylvania, Princeton und Yale zusammengefasst.

12

Mit Hilfe dieser Obergruppen lassen sich Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Campusanlagen und deren Geschichte sowie insbesondere anhand der europäischen Neugründungen die unterschiedlichen Verständnisse davon, was Universität sein soll, herausarbeiten. In der Darstellung der einzelnen Anlagen, vor allem aber in der dann folgenden Auswertung zeigt sich eine starke Polarisierung. Es wurde vor allem deutlich, wie „anders“ der US-amerikanische Campus, den man heute als das Erfolgsmodell und als Exportschlager für Universität schlechthin betrachten muss, ist, auch und besonders im Vergleich zu den neugegründeten europäischen Anlagen. Folgerichtig spitzt sich die Fragestellung darauf zu, ob das übliche Verständnis und faszinierende Bild von Campus, bei dem automatisch an Harvard, Yale, Berkeley oder Princeton gedacht wird, überhaupt nach Europa übertragbar ist, unter hiesigen Bedingungen sinnvoll erscheint und sich nicht zuletzt auch in angemessener Art in die Entwicklung europäischer Städte integrieren lassen würde.

Abb. 7: Harvard University, Harvard Yard, Memorial Church: Symbol, Treffpunkt, Identitätsmerkmal, Touristenmagnet und internationales Bild für den Begriff „Campus“. (mw)

13

Harvard Unversity Cambridge, USA Gegründet 1636 Campus-Bevölkerung: ca. 35.000, davon Undergraduate Students: 6.957, Graduate Students: 12.784, Studierende gesamt: 19.731 Lehrende: ca. 2.750, sonst. Angestellte: 12.190 Gesamter Landbesitz: 1.968 ha

Abb. 8 (oben): Harvard University, Massachusetts Hall: Sorgfältig gepflegtes Erbe der Pilgerväter als Symbol für traditionelle, seriöse Bildung. (Harvard Office of News and Public Affairs)

Harvard ist die älteste und berühmteste Universität Amerikas. Sie wurde gleichzeitig mit der sie umgebenden Stadt Cambridge - Bostons Schwesterstadt auf der Nordseite des Charles River - gegründet. Heute dominiert der hier beschriebene Cambridge Campus (zweiter Hauptteil von Harvard ist Longwood Campus südlich des Charles River in Boston, dort befinden sich die medizinischen Fakultäten) die Stadt in vielerlei Hinsicht. Insbesondere ist Harvard Square die Mitte von Cambridge - die Universität also als das Zentrum einer Stadt mit immerhin über 100.000 Einwohnern. Cambridge ist nicht nur dadurch eine prototypische Universitätsstadt: Hier sitzt zudem mit dem MIT eine zweite Eliteuniversität der USA und der Name Cambridge wurde von den Gründervätern zu Ehren ihrer Studienstadt Cambridge in England gewählt. Bietet Harvard Square einen der Universität gehörenden Verschränkungsraum mit dem öffentlichen Leben - hier befinden sich die Harvard Shopping Malls, Cafes, der Harvard Bookstore, Harvard Coop, ein Kaufhaus und schließlich die U-Bahn-Station „Harvard Square“ - so ist das Bild der eigentlichen Universität geprägt vom zentralen „Harvard Yard“ mit der Memorial Church, der Widener Library, die mit 3,2 Millionen Bänden zu den bedeutendesten Bibliotheken der Welt zählt, mehreren Museen, die auch für den gesamten Metropolenraum Boston von Bedeutung sind, Corbusiers Carpenter Center for the Arts, dem Faculty Club, einigen wenigen Institutsgebäuden und überraschenderweise einer großen Anzahl von Wohnheimen. Dieses Yard-Prinzip findet sich in den Hauptteilen der Universität, selbst in Mies van der Rohes „Graduate Housing“ in Ansätzen wieder: Der Yard ist eine introvertierte Grünfläche, in und um die sich Institute, Bibliotheken und Wohnanlagen anordnen. Sie wirken wie Stadtteile innerhalb der Universität wie auch der Gesamtstadt. Etwa entsprechend dieser Quartiere sind die Universitätsinstitute zu Schulen zusammengefasst, z.B. der GSD Graduate School of Design oder der berühmten Kennedy School of Government. Harvards Anlage wird durch eine Architektur mit klassischer Formensprache als Symbol für griechische Bildungsideale sowie mit viktorianischen Elementen, (rotem Backstein etc.) als Symbol für Gediegenheit und Überlegenheit zu einer zusammenhängenden gebauten Corporate Identity überhöht. Die neueren Teile der Universität resultieren aus dem Wachstum der Vor- und Nachkriegszeit, neben dem oben genannten Graduate Housing vor allem das Science Center mit zusammengefassten Labors, Instituten und Hörsälen, der Einkaufs- und Bürokomplex des Holyoke Centers an Harvard Square, sowie die Wohnanlagen für verheiratete Studierende am Charles River, alles bekannte Werke des ehemaligen Dekans der Architekturfakultät Jose Luis Sert, die neuesten stammen aus den Sechziger Jahren. Ganz anders als sein direkter Nachbar MIT schien Harvard mit diesen Gebäuden die Moderne abgeschlossen zu haben und kehrte zum traditionellen Erscheinungsbild zurück.

Institutsgebäude Sondergebäude Versorgung Wohnen Sport und Freizeit

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 9 (oben): Luftbild: Gut zu erkennen die Verschränkung der Hochschule mit der Stadt, die Universität als Zentrum. (MIT-MAVS Map Server)

Abb. 13: Harvard University, Campus (ohne Medizinfakultäten): Die Universität bildet und besetzt das

Abb. 10, 11, 12 (rechts): Eindrücke von Harvard: In

Zentrum der Mittelstadt Cambridge. Das Wohnen ist

der Mitte der Blick auf die gebogene Front von

zum einen den Schulen zugeordnet (die meist ganze

Harvard Yard zu Harvard Square mit den Hauptzu-

Stadtblocks besetzen), zum anderen entlang des

gängen. (Harvard Office News and Public Affairs)

Charles River konzentriert. (Zeichnung mwas)

14

15

Massachusetts Institute of Technology (MIT) Cambridge, Massachusetts, USA Gegründet 1861 in Boston, Umzug 1916 nach Cambridge Campus-Bevölkerung: 17.970, davon Undergraduates: 4.300, Graduates: 5.672, Lehrende: 931, Angestellte: 7.067 Wohnangebot: für Undergraduates: ca. 3.200, für Graduates / Verheiratete: ca. 2.500 BGF: ca. 911.000m2, Größe gesamte Universität: 62,3 ha, Parkplatzangebot: 4.814

Abb. 14 (oben): Blick von Westen auf den Haupteingang des MIT: Klassische Bauformen sollen die Position in der Weltspitze und die Bildungsideale der Institution

Die zweite große Universität in Cambridge, das MIT, gilt als weltweite Spitze im Bereich von Technologieforschung und –lehre. Das MIT bildet einen Campus mit einer präzisen Logik aus: Das entlang des Charles River lang gezogene Gelände gliedert sich in zwei gleich große Teile, dem östlichen Teil (der ursprüngliche Campus), auf dem die Institutsgebäude dominieren, sowie dem erst seit den Dreißiger Jahren langsam zugekauften westlichen Teil, der dem Wohnen, den Sporteinrichtungen sowie Einrichtungen für Kultur, Kirche und Versorgung (Studentenzentrum) vorbehalten ist. Mittig durchschnitten wird das Gelände von Massachusetts Avenue, der belebten Hauptverbindungsstraße zwischen Boston und Cambridge über den Charles River. Ein gigantischer Fußgängerüberweg verbindet die beiden Campusteile. Der Überweg ist der Haupteingang in beide Teile des Campus. Vor allem auf seiner östlichen Seite prägt einer der fotogenen „Domes“ als Zugang zum „Infinite Corridor“ des Hauptgebäudes das Außenbild der Schule. Das im klassizistischen Stil errichtete Hauptgebäude ist das Gründungsgebäude auf dem neuen Standort in Cambridge. Es ist eine zusammenhängende Großstruktur, die, nach dem Vorbild von Klöstern, einen großen Hof umschließt: Die „Commencement Lawn“ für Institutsfeiern. Zusammen mit den Treppen und Wiesen vor dem Studentenzentrum auf der Westseite sind dies die prägenden Außenräume der Anlage. Der wichtige Kreuzungspunkt zwischen städtischer Hauptstraße und Hauptweg durch den Campus markiert das MIT als eine offene und an die Stadt angebundene Schule; andererseits expandiert der Campus massiv und nicht konfliktfrei in die umgebende Stadt mit Einkaufszentren, Büroparks und Studentenwohnheimen. Die Schule verdichtet gleichzeitig den Campus, zieht hier Nutzungen zusammen, und stellt nahezu provokativ ihre herausragende Stellung durch ein ausgeprägtes Bauprogramm („The Evolving MIT Campus“) mit spektakulären Gebäuden von Architektur-Weltstars zu Schau: Das Instituts- und Forschungszentrum Stata Center von Frank Gehry, das Wohnheim Simmons Hall von Steven Holl, die Erweiterung des nahezu legendären Media Lab von I.M. Pei durch einen Anbau von Fumihiko Maki, sowie unter anderem der Bau eines großen Sport- und Fitnesszentrums.

unterstreichen. (mw) Institutsgebäude Sondergebäude Versorgung Wohnen Abb. 15 (oben): Simmons Hall von Steven Holl: Beispiel für aktuelle Weltstar-Architektur, die einen

Maßstab 1:10.000

600 m

Sport und Freizeit

innovativen Ruf etablieren soll. (mw) Abb. 17: MIT Campus: Massachusetts Avenue kreuzt Abb. 16 (rechts): Luftbild: Boston Downtown und

den Campus von Nord nach Süd, bildet die

Back Bay sowie auf der Cambridge-Seite nördlich des

Haupteingänge und verknüpft die Schule mit

Charles River MIT und Harvard. Gut erkennbar ist die

Cambridge und Boston; westlicher Campus für

Dominanz alleine dieser beiden Schulen im Stadtbild.

Wohnen, Versorgung, Sport, östlicher Teil haupt-

(Luftbild MIT/MAVS GIS Server)

sächlich für Institute. (Zeichnung mwas)

16

17

University of California at Berkeley Berkeley, USA Gegründet 1868 Campus-Bevölkerung: 43.201, davon Undergraduate Students: 22.386, Graduate Students: 8.625, Studierende gesamt: 30.011 Lehrende: 1.309, Angestellte: 11.881 Wohnheimangebot insgesamt: 6.175, davon für Undergraduates: 5.049, für Graduates/Verheiratete: 1.126 (wenige hundert auf dem Kerncampus). Kerncampus: 72 ha, gesamt: 498 ha.

Herausragendes Merkmal des Kern-Campus ist seine parkartige Gestaltung, die in einem starken Gegensatz zur umgebenden Stadtstruktur steht. Auf dem ursprünglich von Frederick Law Olmstead, einer Ikone der Landschaftsarchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, geplanten und später unter diesem Einfluss weiterentwickelten, am Hang gelegenen, die San Francisco Bay überblickenden und von einem Bachlauf durchzogenen Gelände sind die einzelnen Gebäude in Kombination mit italienisierenden „Plazas“ locker gestreut. Wahrzeichen ist der ebenfalls italienisch anmutende Campanile, daneben fallen in der an sich unhierarchisch gegliederten Anlage die palastartige Doe Library als Flaggschiff-Bibliothek und die großen repräsentativen Faculty Clubs auf.

Parkplatzangebot Gesamtuniversität: 7.400

Unüblich für eine US-amerikanische Anlage ist, dass der Kern-Campus sehr wenig Wohnraum anbietet. Lediglich ein Wohnheim findet sich am Ostrand des Campus am Hang, die größeren Wohnanlagen sind in der umgebenden Stadt sowie in außenliegenden Clustern verteilt. Durch das Fehlen von Wohnraum liegt die Zahl der Studierenden auf dem Campus im Vergleich zur Fläche für eine US-Universität sehr hoch.

Abb. 18: Campanile - Wahrzeichen, italienisierende

Berkeley bietet ein vollständiges Studienangebot, der Kern-Campus wird dominiert von Institutsgebäuden. Auf dem Campus fällt daneben die Ballung von Sportanlagen mit einem Großstadion in der südöstlichen Ecke auf. Einher mit den oben genannten geringen Wohnmöglichkeiten geht das völlige Fehlen von Versorgungseinrichtungen.

Architektur mit Symbolkraft für klassische Werte. (UCB Press and Media Services)

Abb. 19: Zeichnung vom Ursprungszustand der Hoch-

Obwohl sich der Campus und seine Umgebung in ihrer städtebaulichen Struktur sehr stark unterscheiden, drückt sich darin die enge Verzahnung des Campus insbesondere mit den südlich gelegenen Stadtvierteln aus, die viele private Versorgungsmöglichkeiten bieten. Interessanterweise gehören die Stadtblöcke um den Kern-Campus jedoch auch der Universität und sind in ihre langfristige Planung mit einbezogen. Insgesamt empfindet sich Berkeley als mit der umgebenden Welt verzahnte, urbane, soziale und liberale Hochschule. Auf ihrer Homepage bezeichnet sie „commitment to civil rights and liberties“ als ihre Tradition.

Institutsgebäude

schule: Vorposten der Zivilisation. (Regents of the University of California at Berkeley)

Sondergebäude Versorgung Wohnen Maßstab 1:10.000

600 m

Sport und Freizeit Abb. 21: UC Berkeley Campus: Parkartige Anlage als Insel in der Stadt, Campus von Institutsbauten dominiert, damit eine Ausnahme unter den US-amerikaniAbb. 20: Luftbild: Parkartiger Kern-Campus als eigene

schen Anlagen; die Universität dehnt sich mehr und

Welt, die sich stark von den umgebenden städtischen

mehr (mit Wohnnutzungen und Versorgung) in die

Strukturen absetzt. (UCB Press and Media Services)

umgebende Stadt aus. (Zeichnung mwas)

18

19

Princeton University Princeton, New Jersey, USA Gegründet: 1746, Campus-Bevölkerung: 18.175, davon Undergraduates: 4.600, Graduates: 1.751, Studierende gesamt: 6.351, Lehrende: 700, Angestellte: 11.124 Wohnen: für Undergraduates: 4.300, für Graduates / Verheiratete: 1.088, für Lehrende: 700 Bruttogeschossfläche: ca. 767.000m2 Campusgröße: 202 ha, Parkplätze: 3.639

Princeton ist der Prototyp eines Land-Campus. Die Anlage ist in landschaftlich reizvoller Situation auf einem nach Süden geneigten Hang eines Flusstales angelegt. Sie dominiert das angrenzende gleichnamige Städtchen vollständig. Alles hat hier mit der Universität zu tun, der Ort wirkt als städtische Infrastruktur für den Campus. Entsprechend vollständig ist das Angebot. Neben den recht klar nach ihren Fachdisziplinen organisierten Institutsgebäuden ist die Universität vor allem durch die weiter unten beschriebenen Wohn-Colleges geprägt, verfügt über ein Kunstmuseum, einen eigenen Bahnhof (einer kleinen Stichstrecke der Linie Washington-New York), Princeton Press, einem Kaufhaus u.v.m.. Die Hochschulgebäude konzentrieren sich auf den an den Ort angrenzenden nördlichen Bereich der Anlage, davor liegen Sportanlagen (mit dem obligaten Ruderclub am Fluss), ein Großstadion, ein Golfplatz und freie Landschaft, mit der Besonderheit des „Graduate College“, einem Wohnheim in Form einer gothisierenden Burganlage im Westen oberhalb des Golfplatzes. Princeton ist heute Prototyp für eine nach dem Collegesystem aufgebaute Universität: Der Begriff College steht für Wohnheime von ca. 500 Studierenden, in denen Gemeinschaft, soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten und gleichzeitig akademische Betreuung geboten werden, die damit besonders für die jungen Undergraduates zu Ersatz-Heimaten werden. Daher fällt auf dem Campus ein hoher Anteil an Wohnen auf, das sich als Typmerkmal jeweils um „teilprivate“ Innenhöfe zu gruppieren versucht. Jedes College verfügt über ein Gemeinschaftszentrum mit Restaurant, Sporträumen, Aufenthalts- und Seminarräumen. Dabei ist das so verstandene Collegesystem erst 30 Jahre alt und konnte erst nach langen Kämpfen realisiert werden. Relikte der unabhängigen „Dining Clubs“, den Vorläufern der Colleges, lassen sich entlang einer Straße im Osten der Anlage noch erkennen.

Abb. 22 (oben): Graduate College (Wohncollege): Burgartiges Ensemble, historisierende Architektur und traumhafte Lage als Markenzeichen. (mw)

Mit Nassau Hall und dem davor liegenden „Campus“ (von hier stammt der Begriff ursprünglich) verfügt Princeton über ein nationales Hochschul-Symbol. Zwar ist der heutige Campus nicht im städtebaulichen Sinn hierarchisch organisiert und verfügt über kein klar erkennbares Zentrum, er wird aber zusammengebunden durch eine Architektur des Gothic Revival, die bis heute nur sehr vorsichtig interpretiert wird (die Architekturfakultät als Extrem ist in gemäßigt modernem Stil entworfen), sich in allen Publikationen der Hochschule wiederfindet und einen Eindruck der Ehrwürde und Gediegenheit vermittelt. Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 25: Pinceton University Campus: An einem nach Süden geneigten Hang gelegen ist der Campus geprägt von Wohn-Collegenutzung; links Golfplatz und Institutsgebäude

Graduate College. (Zeichnung mwas)

Sondergebäude Abb. 23 (oben): Nassau Hall mit davor liegendem Grün, das als Mutter des Begriffs „Campus“ gilt (mw)

Versorgung

Abb. 24 (rechts): Luftbild 2003: Nördlich der am oberen Bildrand quer verlaufenden Hauptstraße der

Wohnen

schmale Streifen Städtchen, das vollkommen von der Universität dominiert wird. (Princeton GIS Center)

20

Sport und Freizeit

21

Illinois Institute of Technology (IIT) Chicago, Illinois, USA Gegründet 1893 im Zentrum von Chicago, Umzug 1950-57 auf den hier dargestellten Campus. Campus-Bevölkerung: Undergraduates: 1.736 Graduates: 2.994, Studierende gesamt: 4.730 Lehrende: 280, Angestellte: 720. Gesamte Campus-Bevölkerung: 5.730 Wohnen auf dem Campus: für Undergraduates: 1.296, für Graduates/Verheiratete: 340, für Lehrende: 16; BGF Gebäude: ca. 235.000m2, Grundstück: 53 ha, Parkplätze: 2.000

Das IIT ist Ikone für einen Campus im Geist der klassischen Moderne. Von Superstar Ludwig Mies van der Rohe geplant ist die Anlage streng orthogonal organisiert. Sie ist strikt funktionsgetrennt in einen Instituts- und einen Wohn-, Versorgungs- und Freizeitteil mit 33rd Street als zentralem Rückgrat der Anlage. 33rd Street übernimmt gleichzeitig die damals als nachhaltig angesehene optimale Anbindung für den motorisierten Individualverkehr und an die westlich verlaufende Autobahn. Hier sind linear (und als Zentrum des Campus!) große Flächen für Parkplätze angeordnet. Fahrerschließung und Fußgängerverkehr sind strikt getrennt, mit ebenfalls in Nord-Süd verlaufenden Fußgängerachsen parallel zu 33rd Street. Die Baumassen sind skulptural auf das Gelände plaziert. Obwohl also das System der umgebenden Stadt aufgenommen ist, entsteht kein Raumkantenstädtebau, sondern ein aufgelockertes aber geordnetes Muster. Die Gebäude selbst sind funktionalistische Boxen, in denen optimiert und von einander getrennt die einzelnen Fachinstitute untergebracht sind und deren Erscheinungsbild nicht durch klassische Zitate, sondern durch die Verwendung eines Rastersystems sowie durch modulare Bauteile zusammengefasst wird. Der Ursprungscampus ist also von einem genialischen Mastermind auf einen Schlag geplant und realisiert und drückt den Zeitgeist von technologischem Aufbruch und neuer Gesellschaft emblematisch aus - der Campus sollte die erste moderne Campusanlage der USA werden. Gleichzeitig drückt sich in seiner linearen Anordnung Erweiterbarkeit in allen Richtungen klar aus. In dem neuen Masterplan von 1996 wurde endgültig von einem Abriss der in die Jahre gekommenen Anlage abgesehen und statt dessen eine Stärkung und Anpassung der Anlage an heutige Verhältnisse beschlossen. Im Rahmen einer „IIT Challenge Campaign“ sind heute bereits realisiert ein Wohnheim, das State Street Village von Helmut Jahn, sowie vor allem das McCormick Tribune Campus Center von Rem Koolhaas als neue, spektakuläre Mitte der Anlage, die dazu noch eine neue U-Bahn-Station über ihrem Dach integriert. Vielleicht am innovativsten ist jedoch das Vorhaben, das „HUB“, Hermann Union Building, nach dem Wegzug der Studentenvereinigung in das neue Campuszentrum zu einem Gebäude für ein neues Curriculum, team- und projektbasiert sowie in Zusammenarbeit mit der Industrie, zu verwandeln. Maßstab 1:10.000

Das IIT versucht mit innovativen Lehr- und Forschungsstrukturen sowie, ähnlich zum MIT, mit zeitgenössischer Stararchitektur die Tradition eines fortschrittlichen technologischen Instituts bildhaft weiterzuführen. So grüßt die Internetpräsenz der Schule (am 12.12.04) mit dem Slogan: „Students at IIT live and study in buildings designed by world famous architects“.

600 m

Abb. 29: Campus Illinois Institute of Technology: Strenge Anlage, Meisterstück des Städtebaus der klassischen Moderne, Funktionstrennung: Westlich des in

Abb. 26 (ganz oben): Blick auf die neue Hochbahnstation über dem ebenfalls neuen Studentencenter, im

der Mitte verlaufenden Erschließungsbandes mit UInstitutsgebäude

Hintergrund Chicagos Innenstadt. (Richard Barnes / Illinois Institute of Technology).

Bahn und State Street befinden sich die Institutsgebäude, östlich davon Wohnen und Versorgung, zen-

Sondergebäude

tral das neue Studentenzentrum. (Zeichnung mwas)

Abb. 27 (oben): Crown Hall von Mies van der Rohe: Symbol für Hochschularchitektur der klassischen Mo-

Versorgung

derne. (Bonta (1983) S.78 ) Abb. 28 (rechts): Masterplan IIT von Mies van der Rohe,

Wohnen

1940 (Modellcollage): Tabula Rasa der bestehenden Stadt zur Umsetzung radikal moderner Campusplan-

Sport und Freizeit

ung. (Philip Johnson, Mies van der Rohe (1947) New York, S. 135, Nach Turner (1984) S. 248)

22

23

University of Lancaster, Lancaster, UK Gegründet: 1964 Studierende gesamt: 13.000 Campusgröße: 101 ha

Abb. 30 (oben): Blick auf die Universität: Moderne Anlage, die in eine ländliche Umgebung als funktionalistische Ideal-Universität eingesetzt ist. (Press Office Lancaster University)

Lancaster ist eine prototypische Neugründung der massiven europäischen Bildungsinitiativen nach den Zweiten Weltkrieg. Auf der grünen Wiese, 5 km südöstlich des Stadtzentrums, wurde hier ein Typ eines funktionalistischen Idealcampus verwirklicht: Entlang einer überdeckten mittleren Fußgängerachse in Nord-Süd-Richtung („The Spine“) reihen sich alle Funktionen. Senkrecht zur Fußgängerachse untertunnelt die Hauptanbindungsstraße mit unterirdischer Busstation und direktem Autobahnanschluss die Anlage. Über dem Kreuzungspunkt sind mit Einkaufen, Verwaltung und Bibliotheken zentrale Funktionen des Campus angeordnet. Gestalterisch konsequent bildet schließlich „The Spine“ an seinen Enden abschließende Plätze aus. Ergänzt wird das Verkehrskonzept durch eine äußere Ringstraße, von der Stiche die Anlagen von außen anliefern. Die Möglichkeit zur Erweiterung ist eingeplant: So wird in neuester Zeit in südwestlicher Richtung über die Ringstraße hinaus an einem Satelliten hauptsächlich für Graduate Colleges gebaut. Lancaster versucht das britische College, wie es in den berühmten Vorfahren in Cambridge und Oxford angelegt war, zu re-interpretieren: Ein Großteil der Gebäudemassen sind Wohnheime, die zu Colleges mit jeweils etwa 500 Studierenden zusammengefasst sind. Im Unterschied zu den traditionellen Vorbildern und zu den US-amerikanischen Anlagen bieten diese Colleges jedoch über Gemeinschaftsflächen für die Freizeit hinaus keine eigenen Studienangebote oder in den Lehrplan eingebundene Sport- und Gemeinschaftsaktivitäten - schließlich ist die Gründungszeit der Universität die Zeit der konsequenten Funktionstrennung. Ebenfalls als Zeichen seiner Gründungszeit stellen sich innerhalb des strengen und funktionalistisch hierarchischen städtebaulichen Konzeptes die Gebäude als zurückhaltende Funktionsbauten ohne architektonische Akzente oder Merkzeichen dar. Wie vielen anderen Neugründungen mangelt es deshalb auch Lancaster an einprägsamen Raumbildungen oder gar Monumenten. Lediglich eine später hinzugefügte kleine Gedenkbibliothek am westlichen Eingang sticht etwas hervor und könnte ein Zeichen für eine Umorientierung in gestalterischer Hinsicht sein.

Institutsgebäude Sondergebäude Versorgung Wohnen

Abb. 31 (oben): Bowland College: Anlage im Stil einer Gebrauchsmoderne mit hohem Wohnwert, bester Er-

Sport und Freizeit

schließung, völlig ohne Pathos. (Press Office Lancaster University)

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 32 (rechts): Blick von Südwesten auf die Universität: Gut erkennbar die verkehrstechnische Optimierung durch Anbindung an Autobahnen und die

Abb. 33: Lancaster University: Kompakte Anlage mit-

insulare Einbettung in die Landschaft. Rechts im Vor-

ten in der freien Landschaft, zentrale fußläufige

dergrund die mittlerweile fertig gestellten neuen

Erschließung, Autoverkehr von außen über Ringstraße,

Colleges, in der Mitte zwischen den beiden Bauab-

mittig Unterführung mit Busstation; im Süden der neue

schnitten das Universitätshotel. (Bildrechte erteilt von

zweite Bauabschnitt mit Wohn-Colleges. (Zeichnung

Webb Aviation)

mwas)

24

25

Leeds University, Leeds, UK Gegründet: 1904 (Vorgängerin Medizin 1831), Campus-Bevölkerung: 29.498, davon Studierende: 31.500 (männliche/weibliche Studierende: 47/53), 6.450 Erstsemester, zusätzlich über 50.000 Studierende in Kurz-Kursen, Lehrende: ca. 3.000, Angestellte: ca. 4.500. Wohnheimplätze: 6.500 (garantierte Unterkunft für Erstsemester), Buchbestand: 2,7 Mio., Gesamtgelände: 358 ha, Teil Innenstadt: 40 ha. Ausgeschenkte Biermenge in der Student Union Bar pro Jahr: ca. 300.000 Liter

Der Campus in Leeds steht für den Typus „kleiner Stadtteil“. Ohne klare Hierarchien oder Ordnungsstrukturen scheint er Stück für Stück gewachsen, lediglich das nördliche Sportfeld sticht aus der Gebäudemasse heraus. Folglich ist es auch eine Straße, University Road, die, obwohl im nördlichen Teil gelegen und trotz ihrer heterogenen, offensichtlich von der früheren Nachbarschaft übernommenen Baustruktur, als Mitte der Anlage gelten kann, an der sich mit der Parkinson Library die „Leuchtturmbibliothek“ befindet und deren Enden als Haupteingänge der Schule wirken. Von diesem atmosphärischen Teil mit klassizistischen Fassaden und funktional ambivalenten Gebäuden dehnt sich die relativ junge Hochschule nach Süden in eher funktionalistischer Manier mit neueren Instituten, einem zusammengefassten Hörsaalgebäude und vor allem dem Univeritätsklinikum über eine Plattform auf der Ringstraße bis direkt in das Stadtzentrum von Leeds aus.

Institutsgebäude Sondergebäude Versorgung Wohnen Sport und Freizeit

In südwestlicher Richtung dagegen scheint die Hochschule, wie schon in ihrem zentralen Teil, schlicht bestehende Nachbarschaften übernommen und mit ihren Nutzungen gefüllt zu haben. Institute und Wohnheime finden sich hier in funktional undeterminierten Nachbarschaftsstrukturen. Zusammenhaltendes Element der Campusanlage ist ihr durchgehendes Netz aus Fußgängerverbindungen, für die die in den Campus hineinführenden Stadtstraßen durchgetrennt wurden: Es entsteht ein attraktiver Park in der Innenstadt, der seine Fortsetzung in einem direkt nördlich angrenzenden Stadtpark findet. Auffällig ist, dass der Campus kaum Wohnraum aufweist: Lediglich knapp 1.000 des insgesamt vergleichsweise hohen Angebotes von 8.000 Wohnheimplätzen der Universität finden sich hier. Interessant ist allerdings ein Blick auf die langfristigen Planungen des Institutes: So sollen vor allem die auf einen eigenen Wohn- und Studiencampus vor der Stadt ausgelagerten Undergraduates unbedingt auf dem Hauptcampus integriert werden. Ganz deutlich sind hier Bemühungen im Gange mit dem Ziel, den Zusammehalt und das klare Bild der Anlage zu stärken.

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 37: Leeds University, Haupt-(Innenstadt-)Campus: Außer den südlichen Universitätskliniken, die über eine Plattform über der Ringautobahn mit dem Campus verbunden sind, keine spezifische und einheitliche Baustruktur, sondern Erweiterung Stück für Stück; kaum Wohnen. (Zeichnung mwas)

Abb. 34 (ganz oben): Leeds University von Norden, ca. 1965: Hier noch gut zu erkennen Woodhouse Cemetery, den die Universität 1968 im Zuge ihres Wachstums zum zentralen Campus machte. (The Leodis Database of Leeds Library) Abb. 35 (oben): Parkinson Library: Haupteingang zur Universität, Flaggschiff-Bibliothek und Symbol der Hochschule. (Press Office University of Leeds) Abb. 36 (rechts): Luftbild Leeds University von Südwesten: Verschiedenste Baustile und -formen, die aus den Wachstumsschüben und der Ausdehnung der Schule in die umgebenden Nachbarschaften resultieren. (University of Leeds Media Services' Photographic Division)

26

27

Trinity College, Dublin, Ireland Gegründet: 1592 Studierende gesamt: 15.511, davon Undergraduates: 11.318, Graduates: 4.193, weibliche Studierende: 61% Professoren: 636, Forscher: 520, sonstige Angestellte: 1.679 Wohnheimplätze auf dem Campus: 760, außerhalb: 1.050. Campusgröße: 19 ha, Nutzflächen 200.000m2. Bibliotheksbestand: 4,25 Mio. Bände

Trinity ist der Prototyp des historischen, ehrwürdigen Campus im Zentrum einer Stadt. Flächenmäßig ist Trinity die kleinste und dichteste der betrachteten Anlagen und gleichzeitig die älteste. Eingepackt in die Stadtmitte Dublins nimmt der Campus kaum mehr als die Dimension eines großen Stadtblockes ein und stellt dem Stadtbild einige berühmte Gebäude und Fassaden zur Verfügung. Die Anlage verfügt trotzdem über die meisten Merkmale eines „Vollcampus“. Lediglich eingekauft werden muss - einleuchtenderweise - im umgebenden Stadtzentrum. Wohnen findet sich in überraschender Dichte, trotz beschränkter Ausdehnung nehmen Sportplätze und ein Universitäts-Park als unverzichtbare Elemente der CampusIdentität die Mitte des Campus ein. Dadurch ist die Universität in zwei sehr dicht bebaute Teile aufgeteilt: Die westliche Hälfte ist durch strenge, palastartige Raumbildungen geprägt: Eine hierarchische Anlage mit vier repräsentativen Höfen mit jeweils ganz speziellem Charakter, deren zentraler einen Hauptplatz mit Denkmal bildet. Die umgebenden Gebäudestrukturen stammen aus der Gründungszeit des Colleges, die Fassaden des westlichen Haupteinganges stehen für das Bild der ehrwürdigen Alma Mater mit großer Tradition, die Bibliothek ist eines der großen Meisterwerke der Architekturgeschichte. Die Nutzungen des westlichen Teils sind den Höfen zugeordnet: Um den Sporthof die Wohnheime, um den Eingangshof die Verwaltung und die Aula und um den südlichen Hof die Bibliotheken, zu deren Zusammenfassung und Ausbau auch die einzigen neuen Ergänzungen der traditionellen Gebäude errichtet wurden. Der östliche Teil des Campus wirkt dagegen als intensiver Funktionsteil, als Arbeitsort. Er beherbergt neuere Institutsgebäude in hoher Verdichtung und damit ohne die markanten Raumbildungen des alten Teils. Jeder Quadratzentimeter ist ausgenutzt, die Gebäude bilden straßenbegleitende Kanten zur Umgebung. Erst in den letzten Jahren überspringt die Anlage markant ihre traditionellen Grenzen, bemerkenswerterweise vor allem, um zusätzlichen Wohnraum anzubieten. Nach Osten entstanden campusnahe Wohnblocks, außerhalb des Stadtzentrums ein neuer Wohn-Campus als ein Angebot, mit dem die Schule auch deutlich wirbt. Bei der Entscheidung der Studierenden für eine Hochschule und damit für die internationale Konkurrenzfähigkeit selbst einer solch ehrwürdigen Schule scheint Wohnen also eine immer größere Rolle zu spielen.

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 41: Trinity College Dublin: Kleine Anlage von der Größe eines großen Stadtblocks, mit palastartigem Hofsystem aus der Gründungszeit im Westen und Erweiterungen im Norden und Osten. Die ganze Anlage ist eine parkartige Insel mitten in der Stadt. Das Wohnen

findet

sich

ohne

funktionalistische

Unterscheidung in einigen der Palastflügel. (Zeichnung mwas)

Institutsgebäude Sondergebäude Abb. 38 (ganz oben): Luftbild, Trinity College: Die Gesamtanlage stellt sich dar als ein grünes Auge in der

Versorgung

Stadt und in derselben Größe wie die umgebenden Stadtquartiere. Die verschiedenen Funktionen drücken

Wohnen

sich in vormoderner Haltung nicht in funktionalistisch erkennbaren Gebäuden aus, links z.B. Wohnheime,

Sport und Freizeit

vorne Verwaltung. Abb. 39 (oben): Trinity College, Campanile: Mittelpunkt und Merkzeichen der Hochschule. Abb. 40 (rechts): Palastartiger Haupthof: Strenge Raumbildung als Ergänzung zur umgebenden Stadt und Symbol für besondere Funktionen des Ortes. (alle Bilder auf dieser Seite: Brendan J. Dempsey, TCD Audio Visual and Media Services)

28

29

Universita Autonoma de Barcelona (UAB) Barcelona, Spanien Gegründet: 1968 Studierende gesamt: 38.480 Lehrende und Angestellte: 4.458

Radikal zeigt die Anlage der UAB ihr Gründungsjahr: 1968. Kernstück des Campus und erster Bauabschnitt ist ein „Zweizylinder", eine antihierarchische, antitraditionelle bis zu siebenstöckige Großstruktur und Forschungsmaschine, die sich über Kategorien der traditionellen städtebaulichen Raumbildung hinwegsetzt und als ein zusammenhängender Bereich die Straßen mit einer mit Stegen zusammengefassten Parallelwelt für Fußgänger überspannt. Die Struktur bildet jeweils an einem doppelten Mittelstrang nach außen Institute und zwischen den Strängen Hörsäle, Bibliotheken und Gemeinschaftseinrichtungen aus. Gut ablesen lässt sich der schnelle Paradigmenwechsel in den weiteren Bauabschnitten: Anstatt im gleichen Muster zu erweitern und fortzufahren entwickelte sich, bis auf einen kleinen Fortsatz im Süden, die weitere Besiedlung in kleineren, ablesbaren und eigenständigeren Einheiten, wenn auch nach wie vor streng funktionsgetrennt. Sogar städtische Raumbildungen entstanden in der Mitte des Campus, wo sich, angelehnt an die Haltestelle der Regionalbahn, Cafes, Geschäfte, Kulturbauten und kleinere Bibliotheken anlagerten und ein zentraler Platz sowie Grünflächen gestaltet wurden. Westlich dieser Mitte entstand ein klar abgegrenztes Studentendorf sowie ein Hotel. Zwischen den Verkehrsachsen im Südosten und den Instituten finden sich als Puffer die Sportanlagen. Das Erscheinungsbild des ersten Bauabschnitts ist durch eine einheitliche Bauweise mit Betonfertigteilen geprägt. Heute setzen jedoch individuell gestaltete und repräsentative Neubauten Schwerpunkte. Gegründet wurde die Hochschule 15 km nördlich von Barcelona in einem damals als Hauptentwicklungszone der Stadt angesehen landwirtschaftlichen Gebiet in reizvoller Hanglage nach Südwesten. Auffallend sind die extremen Erschließungsbemühungen: Neben der oben erwähnten und unter dem Campus geführten Regionalbahnlinie verfügt die UAB über einen eigenen Autobahnanschluss sowie einen Fernbahnhof am südostlichen Rand der Anlage. Entlang dieser Verkehrsträger fährt eine Spange die drei Haupterschließungsstraßen an, hier ist ferner ein Großteil der Parkplätze untergebracht. 40 Buslinien fahren die Hochschule ständig aus einem bis zu 100 km entfernten Einzugsgebiet an und münden in ein inneruniversitäres Busverteilersystem.

Institutsgebäude Sondergebäude Versorgung Wohnen Sport und Freizeit

Abb. 42 (ganz oben): UAB Institutsgebäude erster Bauabschnitt: Funktionalistische Architektur der Nachkriegsmoderne. Abb. 43 (oben): Das Fussgängersystem überspannt in Brücken den Fahrverkehr, so entstehen große, zusammenhängende Institutskomplexe. Abb. 44 (rechts): Luftbild UAB: gut zu erkennen die

Maßstab 1:10.000

600 m

maschinenartigen Großkomplexe des ersten Bauabschnitts. Abb. 45, 46 (ganz rechts oben und unten): Univer-

Abb. 47: Universidad Autonoma de Barcelona:

sität als funktionalistische Idealanlage in freier

Maschinenartige Großstrukturen aus der Gründungs-

Landschaft, unten einer der Neubauten nicht mehr

zeit in den ersten Bauabschnitten im Südosten,

als Großkomplex sondern in einer heute modischen,

danach

Zukunft verkörpernden Architektursprache. (alle Bilder

Wohnen als separate Wohnanlage mit Hotel im

auf dieser Seite: UAB Servei des Publicacions)

Nordwesten. (Zeichnung mwas)

30

Erweiterungen

als

kleinere

Einheiten;

31

Ciudad Universitaria Madrid, Spanien Gegründet: als Universidad de Madrid im 16. Jh., seit 1927 auf dem heutigen Campus de Moncloa, zerstört im spanischen Bürgerkrieg und wieder aufgebaut. Studierende gesamt: ca. 100.000,

Ein Kuriosum am Rande einer möglichen Campusdefinition stellt die riesige Anlage der Ciudad Universitaria dar: Zum einen ist sie Standort von zwei Hochschulen, der Universidad Politecnica de Madrid (UPM) und vor allem der Universidad Complutense de Madrid (UCM), zum anderen war sie bei Ihrer Gründung als Stadterweiterung, als eigener Stadtteil Madrids, vier Kilometer nordwestlich des Zentrums, konzipiert.

Lehrende: 5.961, Angestellte: 3.540

Der Masterplan unterteilte das Gelände durch große Achsen in Zonen der Lehre und in Zonen begrünter Freiräume, schachbrettartig angeordnet und an zentralen Plätzen orientiert. Heute sind davon nur noch Spuren zu erkennen. Offensichtlich bedingt durch seine ambitionierte Größe wurde der Plan überrollt von Verkehrsführungen der Gesamtstadt - der Campus wird quer durchschnitten von einem Hauptzubringer ins Stadtzentrum - und von den Entwicklungen der beiden Hochschulen. Heute besteht eine kuriose Mischung aus großer Achse und locker verteilten Gebäuden, ein stadträumliches Konzept ist nicht erkennbar. Funktional fehlt darüber hinaus das städtische Element der Versorgung vollständig (bis auf den Instituten zugeordnete Cafeterias) und wird von den angrenzenden Stadtvierteln übernommen. Da auch die Wohnheime des Campus, das Uniklinikum, sowie die Sporteinrichtungen am südöstlichen Rand der Anlage Platz fanden, erscheinen sie eher der umgebenden dichteren Stadt zugeordnet. Die Institute scheinen im Campusfeld zu schwimmen, der nördlich angeordnete und zentral gedachte Platz erscheint etwas verloren. Obwohl kein Stadtviertel, erschließt ein öffentliches Busnetz das Gelände und trifft an diesem Platz zusammen. Die Erschließung der Anlage gleicht einem städtischen Straßennetz.

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 49: Ciudad Universitaria Madrid: Im Norden in der Mitte ist die Masterplanidee erkennbar mit ihren schachbrettartig angeordneten und mit Freiflächen ver-

Die Fakultäten formen auf dem Campus eigene Gruppen. Neue Bauten werden entsprechend diesen Gruppen zugeordnet. Auch die oben genannten Cafeterien befinden sich in diesen Gebäudegruppen, bis auf die Hauptbibliothek und einen Teil der Verwaltung gibt es keine übergreifenden Einrichtungen.

schränkten Instituten an einem wichtigen Platz. Im weiteren Verlauf folgt dann aber eher chaotische Besiedelung, insbesondere durchschneidet eine Ausfallstraße die Anlage diagonal. Wohnen findet sich am Rand zur Stadt. (Zeichnung mwas) Institutsgebäude

Abb. 48 (rechts): Axonometrie der Ciudad Universi-

Sondergebäude

taria (Campus Moncloa), Norden ist rechts. Gut zu erkennen ist das Einstreuen größerer Komplexe in eine

Versorgung

Parklandschaft. In der Mitte rechts („Zona Norte“) die begonnene aber nicht durchgehaltene formale Strenge

Wohnen

des urprünglichen Masterplans mit einer interessanten schachbrettartigen Verteilung von Gebäudekomplexen

Sport / Freizeit

und Freiflächen um einen zentralen Platz. Auch gut zu erkennen ist, wie sehr die zusammenhängende Campusentwicklung durch die diagonal verlaufende Ausfallstraße, die Av. Puerta de Hierro, zerschnitten wurde. (www.ucm.es/info/ucmp/pags.php?tp=Los%20Campus &a=&d=pags.php?tp=Campus%20de%20Moncloa %20y%20Somosaguas&a=localiz&d=plano.php)

32

33

Teknillinen Korkeakoulu (Helsinki University of Technology - HUT) Helsinki, Finnland Gegründet: 1849, 1955 Umzug auf den jetzigen Standort, Studierende gesamt: 15.000, Lehrende: 243 Wohnheimplätze auf dem Campus: 1.100

Abb. 50, 51, 52 (drei Abbildungen oben): Eindrücke

Die HUT, die 1849 in Helsinki gegründete älteste technische Universität Finnlands, wurde in den Fünfziger und Sechziger Jahren 15 Kilometer westlich von Helsinki am östlichen Rand von Espoo als Campusuniversität neu errichtet. Die Struktur der Anlage zeigt den Idealismus und Aufbruchsgeist der Nachkriegszeit in skandinavischer Ausprägung. Ihr Standort, die Halbinsel Otaniemi im Meerbusen von Helsinki, ist eine landschaftlich traumhafte Situation, der Campus stellt sich dar als ein leicht hügeliger Wald mit eingestreuten Gebäuden und bestmöglichem Strandanschluss. Er vermeidet als großzügige, gestreute Anlage traditionelle städtebauliche Raumbildungen. Statt räumlicher Hierarchien ist er funktional sauber getrennt in den nordöstlich angeordneten Wohn-, Freizeit- und Sportbereich mit Kapelle, Hotel und sozialer und studentischer Infrastruktur, sowie den südwestlichen größeren Institutsbereich. In der Mitte der Anlage befinden sich das Hauptgebäude mit Verwaltung und Instituten, sowie ein Supermarkt und die Hauptbibliothek. Institute der verschiedenen Fachrichtungen sind in jeweils einzelnen, freistehenden, skulpturalen Gebäuden mit individueller Erweiterungsmöglichkeit untergebracht. Das Wohnen findet Platz in locker gestreuten Apartmenthäusern. Gestalterisch zusammengebunden wird die Anlage durch die Verwendung von sichtbarem Backstein, dies in Anlehnung an die Architektur von Alvar Aalto, der die ersten und wichtigsten Gebäude der Hochschule entwarf. Das Verkehrssystem schließlich ist, auch ganz im Stil der Zeit, als freischwingende Form entworfen, ohne städtebauliche Straßenräume, sondern mit Optimierung der Erreichbarkeit mit Individualverkehr. Heute betont die Hochschule jedoch ihr eigenes Bussystem und die gute Anbindung nach Helsinki mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Von ihrem Stammcampus aus erweitert sich die Anlage kontinuierlich nach Südwesten und verwächst dort mit einem Gewerbegebiet. Interessanter Schwerpunkt dieses Verwachsens sind die beiden Anlagen „Innopolis“ und „Otaniemi Technology Park“ an der südwestlichen Spitze, die innovative Unternehmen anziehen und in den Campus mit einbeziehen sollen. Institutsgebäude

des zentralen Bereichs mit den Gebäuden von Alvar Aalto. Vom finnischen Nationalhelden entworfene

Sondergebäude

charakteristische skulpturale Backsteinarchitektur in lockerer Anordnung als Symbol des Aufbruchsgeistes

Versorgung

der Nachkriegszeit und des neuen skandinavischen Selbsverständnisses. (www.tkk.fi)

Wohnen Sport und Freizeit

Maßstab 1:10.000

600 m

Abb. 53 (rechts): Lufbild HUT: Neuansiedlung auf

Abb. 54: HUT Helsinki University of Technology:

einer landschaftlich traumhaften Halbinsel im Meer-

Lockere, großzügige Anordnung der Gebäude auf

busen von Helsinki, Neuaufbruch manifestiert durch

einer bewaldeten Halbinsel, Wohnen als Wohn-

Urbarmachung attraktiver Landschaften. (Reed

siedlung mit ebenfalls locker gestreuten Zeilen im

(1998) S.263)

Nordosten am Wasser. (Zeichnung mwas)

34

35

Elemente der Campusanlagen im Vergleich Die amerikanischen Ivy-League-Universitäten, in einer Sonderstellung auch das MIT, prägen die heutigen Vorstellungen davon, was ein Campus ist: Sie sind ablesbare und klar begrenzte Anlagen mit einer relativ standardisierten, für den dauernden Aufenthalt auf dem Campus vollständigen Funktionsmischung, einer autarken inneren Erschließungs- und Verknüpfungsstruktur, ausgeprägten Grün-, Sport- und Freiflächen, sowie der Ausbildung eines wiedererkennbaren Stils, eines Gesichts, einer Architektur, einer Adresse. All dies unterstützt das amerikanische Ideal des „Collegiate Spirit“, der engen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Studierenden und Lehrenden und den amerikanischen Traum von einer Idealstadt in Form eines Campus als reinem, puritanischem Kristallisationspunkt für Bildung und Innovation28]. Historischer Ausgangspunkt dieses Ideals ist Thomas Jeffersons University of Virginia at Charlottesville Campus von 1817. Erstmals wurde hier das europäische Vorbild der breit angelegten Universität umgesetzt. Die bis dahin bei den Colleges üblichen kleineren Einheiten werden zusammengefasst und ordnen sich zum Bild des „Academic Village“ an. Die Universität ist aus mittelgroßen Modulen, den sogenannten Professorenhäusern, wie eine Mall komponiert, mit lediglich einem repräsentativen Gebäude, der Bibliothek, als Zentrum. Gesamtensemble Campus

[28 Die Gründer von Princeton beispielsweise begründeten ihre Entscheidung für einen weit abgelegenen Ort damit, dass man hier „more sequestered from the various temptations attending a promiscous converse with the world, that theatre of folly and dissipation“ sei (Leith, Alexander, A (1978): Princeton Companion. Princeton. nach Turner (1984) S. 47). Nicht zuletzt durch Einsteins langen Aufenthalt in Princeton besitzt dieser entlegene, aber dicht mit akademischem Leben besiedelte Ort bis heute die Aura des Abgerücktseins von der Welt, die bei der Definition des Begriffes Campus entscheidend mitschwingt.

Abb. 55: University of Virginia, Charlottesville, Architekt: Thomas Jefferson. Jefferson, Präsident der Vereinigten Staaten und Multigenie, entwarf diese Anlage 1817 als Idealbild zur Verkörperung des neuen und gleichzeitig an die Klassik angelehnten amerikanischen Bildungsideals einer Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden: Der Campus als zentrale Freifläche mit mittigem Kopfgebäude sowie seitlich flankiert von kleineren Gebäuden, in denen Studierende und Professoren leben und arbeiten. (mw)

36

Nimmt man die Anlage des MIT als einer der sich wohl am dynamischsten entwickelnden Universitäten, so muss man die Nutzungen auf dem Campus noch erweitern um das Phänomen eines eigenen Campus-Quartiers mit Start-up und Spin-off Unternehmen, Shopping Malls, eingestreuten Fraternities und Sororities (Hausgemeinschaften ähnlich den deutschen Verbindungen), ausgelagerten Wohnheimen und Wohnanlagen, die zwar für Studierende, aber nicht in der Form von Wohnheimen entwickelt werden, Hotels mit Konferenzräumen, Parkhäusern, Stationen für den öffentlichen Nahverkehr und zugeordneten Betrieben wie etwa einem Universitätsverlag. Eine gewisse Vollständigkeit des Angebotes gehört also offensichtlich zur Definition eines Campus. Die amerikanischen Universitäten verstehen diese Voll-

ständigkeit als ein Angebot an die Studierenden und deren Eltern, durch das die Notwendigkeit, den Campus während des Semesters verlassen zu müssen, vermieden werden kann. Dieser Typ von Campus ist ein Erfolgsmodell wie auch ein Exportschlager und kann deshalb als, in dieser Studie durchaus kritisch hinterfragter, „Standard“ betrachtet werden, von dem es mehr oder weniger ausgeprägte Variationen gibt. Ganze Hochschulsysteme, wie zum Beispiel die neugegründete Universita de Queretaro in Mexiko, kopieren dessen Prinzipien – bis hin zu der in diesem autarken Campusmodell quasi „genetisch“ eingebauten Übersteigerungsmöglichkeit zur „Gated Community“, also einem streng bewachten und abgezäunten Bereich, der nur nach Ausweiskontrolle betreten werden darf. Die neugegründeten Campusanlagen in Europa aus der Mitte des 20. Jahrhunderts definieren einen Kontrast zu den amerikanischen Anlagen. Insbesondere der geringere Stellenwert des Wohnens sowie der kulturellen und sportlichen Einrichtungen und der Versorgungsinfrastruktur auf dem Campus steht für eine andere Auffassung von Universität. Die europäischen Campusanlagen sind streng angelegt und funktional gedacht, sie gleichen eher Industriebetrieben. Dies ist zum einen der Zeit der Gründungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrem städtebaulichen Verständnis zuzuschreiben, zeigt aber zum anderen das Verständnis und den Stellenwert von Universität, Studentenleben und Studienzeit als weit mehr in das normale Leben und vor allem in die Mechanismen und Strukturen der Arbeitswelt integriert. Auch wenn diese Universitäten aus den Innenstädten ausgelagert sind, so verlassen sie sich auf die sie beheimatenden Städte hinsichtlich des Angebots an Wohnraum, an kulturellen Einrichtungen, an Sportmöglichkeiten und an Versorgungsinfrastruktur, was sich durch ihre Namensgebung nach den umgebenden Städten schon in starkem Maße ausdrückt. Sie verfügen nur in Ausnahmefällen über eigene Museen, Theater, Hotels oder Kaufhäuser, sie verfügen nicht über Sportanlagen gleicher Dimension oder gar für internationale oder kommerzielle Ereignisse. Sie bieten in der Regel nur einem Bruchteil ihrer Studierenden Wohnheimplätze. Die gemeinschaftsbildenden, festungsartigen „Colleges“ wie in Princeton sind selbst in Lancaster, das nach seinem eigenen Verständnis als College-Universität entwickelt wurde, unbekannt. Die Versorgung in Europa beschränkt sich neben der obligatorischen Mensa und Cafeteria in der Regel auf einfache Einkaufsmöglichkeiten, und selbst diese müssen teilweise erst durch studentische Initiative entstehen. Das „Studentendorf“ in Barcelona mit Bars und Geschäften beispielsweise lässt sich nicht mit dem funktionalen Umfang der Studentenzentren an amerikanischen Hochschulen vergleichen.

Abb. 56: Dublin Innenstadt: Gut zu erkennen die völlige Integration der Universität in die Stadttextur und -körnung mit ähnlicher Größe wie die beiden angrenzenden Stadtparks. (www.tcd.ie/Maps/tcd_ city.html)

Die alten europäischen Anlagen zeigen konsequenterweise eine noch engere Verflechtung mit der sie umgebenden Stadt. Trinity College in Dublin nimmt nicht mehr als einen großen Stadt-Block ein und ist vollständig in die Stadt-Textur integriert; bis auf Mensa und Pub fehlt jegliche Versorgunsinfrastruktur auf dem Campus, dies alles stellt die Stadt in nächster Umgebung zur Verfügung. An der Ciudad Universitaria in Madrid fehlt ebenfalls das Element Versorgung in Form von eigenständigen baulichen Elementen. Nach Aussagen dort Studierender ist die Versorgung dezentral in den Instituten durch Cafeterias und Mensen sichergestellt. Hier ist die bewusste Anordnung der Wohnheime und des Universitäts-Klinikums am Rand des Campus und damit im Übergang zur umgebenden Stadt besonders auffällig und zeigt, dass dem Campus schon im Masterplan von 1929 mit seinen großräumlichen Festlegungen kein introvertiertes Leben zugewiesen wurde. 37

Die Universität Leeds geht nahtlos in die Stadt über. Sie ist über die Zeit mit der Stadt gewachsen, bildet kein Zentrum und keine eindeutige, eigene, sich von der umgebenden Stadt unterscheidende Struktur aus. Hier ist, ähnlich wie in Dublin, kaum Wohnen auf dem Campus zu finden und die Angebote zur täglichen Versorgung sind auf ein Minimum reduziert. Die Anlage in Leeds entspricht den deutschen Großstadtuniversitäten am meisten, hat jedoch durch die sukzessive Übernahme von städtischen Häusern und Gebieten ihr Wachstum als zusammenhängender Universitätsstadtteil und ablesbarer Campus gemeistert. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Leeds zwei kleinere Außenstellen gründen musste. Diese sind jedoch keine Teilauslagerungen einzelner Funktionen und damit Torsos einer Universität, sondern mit dem Zentrum für lebenslanges Lernen (Wakefield Campus), sowie vor allem mit dem in der Landschaft gelegenen Dorf für alle künstlerischen Ausbildungen (Bretton Hall Campus) eigenständige Campusanlagen mit entsprechenden Wohn- und Vorsorgungsangeboten.29] Campus-Identität Abgesehen vom IIT als einer für die Moderne beispielhaften Ausnahmeerscheinung fällt bei den betrachteten amerikanischen Anlagen deren in den Vordergrund geschobenes und sorgfältig gepflegtes traditionalistisches Erscheinungsbild auf. Sei es die Kirche auf Harvard Yard, der Dome des MIT, der italienische Campanile und die überdimensionierten Eingangstore in Berkeley oder Nassau Hall als das Gründungsgebäude in Princeton, sie alle sind Bilder und Merkzeichen, mit denen die Universitäten werben und die deren potentiellen Kunden das Gefühl von den guten alten Zeiten, von Seriosität, Tradition und Stärke vermitteln sollen. Die Tradition, unterschiedliche Funktionen der Gebäude in einem vormodernen Ansatz hinter einem einheitlichen neoviktorianischen Gestaltungsstil nahezu unsichtbar zu machen, erhält sich bei einigen Anlagen (z.B. Princeton) bis heute. Umgekehrt bleiben Harvards Versuche, mit dem einzigen Gebäude von Le Corbusier in den USA, dem Carpenter Center for The Arts, sowie mit den Bauten von Sert und Gropius Ikonen für Modernität und Dynamik auf dem Campus anzusiedeln, Einzelbewegungen, die sich trotz ihrer modernen Haltung in den traditionellen Gesamtkontext der Universität einfügen.

Abb. 57: Princeton University, Nassau Hall: Identität durch eine Architektur, die die klassischen griechischen Bildungsideale und die traditionellen bürgerlichen Werte repräsentieren soll. Bis heute werden Neubauten auf dem Campus in der Regel in dieser Architektursprache oder als postmoderne Interpretationen errichtet. (mw)

[29 vgl.www.leeds.ac.uk/about/bretton_hall.htm

38

Sehr offensichtlich allerdings sind die Versuche der jüngeren Schulen MIT und IIT, mit architektonischen Perlen von Weltstars ihre Dynamik, Kraft zur Innovation und Vorreiterrolle zu zeigen. Besonders am MIT hat man hier mit Aaltos Studentenwohnheim, Saarinens Kirche und Konzerthalle, Peis Instituten und in jüngster Zeit mit Bauten von Holl und Gehry eine eigene Tradition aufgebaut. Am IIT hat man sich 1996 nach langem Kampf entschieden, mit der durchaus kontrovers diskutierten städtebaulichen Struktur von Mies van der Rohe nicht nur weiter zu leben, sondern sie im Gegenteil als modernes Bild auszubauen. So sollen Bauten von Helmut Jahn (Wohnanlage) und Rem Koolhaas, dessen McCormick Student Center mit seiner spektakulären U-Bahnstation die Mitte des Campus besetzt, den Standort, dessen Zusammenhalt und dessen Identität zukunftsweisend stärken. Bei den Anlagen in Berkeley und Harvard fällt der Außenraumgestaltung eine entscheidende identitätsstiftende Rolle zu. „Harvard Yard“, der zentrale Grünraum der historischen Keimzelle der Schule, ist schlicht Harvard und ist deshalb auf zahllosen T-Shirts zu finden. Ein besonderer und wiedererkennbarer Klassiker ist der gesamte Campus in Berkeley, der, ursprünglich von

Frederick Law Olmstead geplant und unter diesem Einfluss weiterentwickelt, beinahe den Eindruck eines verwilderten Parks mit lediglich eingestreuten Gebäudekomplexen und Plazas bietet. Besonders am westlichen Eingang des Campus ist absolut kein Zweifel an dessen Identität möglich, da sich hier direkt an die belebteste Straße der Stadt als einer der Hauptzugänge ein verwunschener Bachlauf mit exotischen Bäumen anschließt. Ganz anders die europäischen Anlagen: Zwar wirbt auch die Homepage von Helsinki mit dem zentralen Gebäude in rotem Ziegelstein von Aalto, der schließlich als finnischer Nationalheld gilt. In der weiteren Selbstdarstellung jedoch spielen die räumlichen Bilder und Eindrücke z.B. in Form der traumhaften landschaftlichen Lage und des großzügigen Campus kaum eine Rolle. Die ursprüngliche Anlage von Lancaster war, in der typischen demokratischen Zurückhaltung der Sechziger Jahre, ohne herausragendes Merkzeichen konzipiert. Erst mit dem winzigen Neubau der John Ruskin Library erhielt die Anlage an ihrer Hauptzufahrt ein kleines, allerdings vollkommen aus dem Gesamtkontext der Baustruktur herausfallendes Merkzeichen. Der um 1968 geplante Campus von Barcelona stellt die Universität als Arbeitsort und Zweckbau in den Vordergrund und drückt sich durch maschinenartige Institutsgroßbauten perfekt aus. Erst in neuester Zeit brechen z.B. der etwas spektakulärere Neubau für eine Medienbibliothek aus dieser Haltung aus. In Lancaster ist der Versuch gut zu erkennen, eine neue Campusmitte und damit eine hierarchische Struktur mit neuen sozialen Stadt- und Innenräumen zu bilden. In Helsinki bilden zwei großdimensionierte Gebäudekomplexe mit Sonder- und Institutsgebäuden einen Schwerpunkt aus, Barcelona formt einen langgestreckten Hauptplatz, von dem die meisten Gebäude erschlossen werden. Allen liegt aber im Gegensatz zu den amerikanischen Anlagen offenkundig nicht die Absicht zu Grunde, ein unverwechselbares Außenbild zu schaffen und z.B. in der Internetpräsenz zu brillieren, sondern funktionale und soziale Schwerpunkte zu setzen.

Abb. 58: Harvard University, Faculty Club, Funktion und Architektursprache vermitteln ein Bild von Gediegenheit, Bildung und Tradition (Harvard Office of News and Public Affairs)

Erwartungsgemäß präsentieren sich die älteren Universitäten, vor allem aber Trinity in Dublin, mit ihren historischen Fassaden und Elementen. Beim näheren Hinsehen erschließt sich jedoch auch hier ein entscheidender Unterschied zu den amerikanischen Universitäten: Das Alter der Anlage drückt sich zwar in der Gediegenheit der Präsentation aus und ist mit Sicherheit ein die Wiedererkennbarkeit entscheidend fördernder Faktor, ist aber kein durch historisierende Neubauten wiederholtes Werbemittel um Studierende. Trinity ist 1592 gegründet, damit schlicht einer der ältesten Orte und Touristenmagnete der Stadt, weist mit Long Room in der Old Library einen der bekanntesten Räume der Architekturgeschichte auf30] und beherbergt einige der bekanntesten historischen Dokumente der irischen Geschichte. Eine Sonderstellung nimmt die Ciudad Universitaria ein: Sie ist nicht nur ein Campus, der zwei eigenständige Universitäten beherbergt, sondern diese Universitäten haben noch dazu an anderen Orten zusätzliche Institute. Hier sind also von vornherein keine identitätsbildenden Merkmale zu erwarten, die symbolisch für den Campus stehen würden. Für europäische Hochschulen ist offensichtlich das durch bauliche Merkzeichen symbolisierte Außenbild weniger üblich als für amerikanische Hochschulen. Gründe sind wohl zum einen die Knappheit der Mittel, die im Zweifelsfall eher in die Qualität der Lehre als in die als Dekoration empfundenen Zeichen gesteckt werden, zum anderen die geringere Notwendigkeit, um die Studierenden als Kunden zu werben. Allerdings tragen die Universitäten in Europa nicht nur den Namen ihrer Stadt, sondern werden mit dieser in der Regel als eines gesehen.

Abb.59: Trinity College Dublin, Haupteingang Stadtseite: Die schlossartigen Hochschulgebäude spiegeln die 400jährige Geschichte der Hochschule und sind nicht historisierend als Werbemittel nachgebaut. (Brendan J. Dempsey, TCD Audio Visual and Media Services)

[30 vgl. www.tcd.ie/Library/heritage/longroom.php#tcdtop

39

Ihre Attraktivität resultiert in großem Maße auch aus der Beliebtheit der Stadt. Insofern steht ihnen die Möglichkeit offen, die Merkzeichen der Stadt stärker als die ihren zu verwenden oder zusammen mit ihrer Stadt Außenbild-Konzepte zu entwickeln, um sich auch im internationalen Kontext wiedererkennbar zu machen. Dies gilt umgekehrt auch für die das Stadtbild prägenden und als Sehenswürdigkeit ausgewiesenen historischen Universitätsgebäude. Die architektonische Geschichte wird hier offensichtlich stark als Stadtgeschichte empfunden. Princeton und Berkeley, selbst Cambridge und Chicago bieten eben diese Möglichkeit nur sehr eingeschränkt.

„Produktionsbedingungen“ vorfindet: Die notwendige dichte Infrastruktur der besiedelten Gebiete gibt es quasi gratis. Die Universität dominiert, sogar in intakten Ostküsten-Städten sowie auch in der San-Francisco-Region, die Beziehungen zur Stadt. Noch in anderer Hinsicht entsteht durch die Universitäten Druck auf die sie umgebenden Stadtteile: Stark ansteigende Studierendenzahlen32] haben den Druck auf den lokalen Wohnungsmarkt bis zu einem Punkt verstärkt, an dem nicht-studentische Einwohner die Universitätsumgebung verlassen müssen und instabile, monostrukturierte Gebiete entstehen. Die Hochschulen reagieren darauf mit verstärkten Anstrengungen zur Schaffung von Wohnraum auf dem Campus sowie mit Revitalisierungsmaßnahmen ihrer Nachbarschaften33].

Einbindung und Außenbeziehungen Abb. 60: Carpenter Center for the Arts, Harvard University: Einziges Gebäude von Le Corbusier in Nordamerika. Hochschulen beauftragen die Superstars der Weltarchitektur, um ihre Bedeutung und ihre Philosophie zu manifestieren. (mw)

Abb. 61: Gründung von Harvard University: Im Vordergrund das Ensemble der ersten Gebäude. Gut zu verstehen ist, warum die Hochschule die Stadtentwicklung maßgeblich geprägt hat und bis dato bestimmendes Element in der sie umgebenden Stadtlandschaft ist. (Rekonstruierte Darstellung des Zustandes von 1668 von Harold R. Shurtleff/Harvard University Press, nach Turner (1984) S. 21)

40

Alle untersuchten amerikanischen Universitäten prägen entweder die sie umgebenden Städte und Stadtteile, haben maßgeblich zu deren Blüte und Wachstum beigetragen, oder formen eigene Stadt-Nuklei durch eine funktional wie sozial autarke Studiengemeinschaft. Die größte untersuchte Anlage, Harvard University, war Gründungsbestandteil der sie umgebenden Stadt Cambridge und dominiert diese heute über weite Strecken. Der zentrale öffentliche Raum mit dem man Cambridge identifiziert ist bezeichnenderweise Harvard Square. Es ist kaum mehr zu unterscheiden, was zu Cambridge und was zum Universitätscampus gehört. Auch Berkeley stellt das uneingeschränkte Zentrum der Stadt dar. Interessanterweise ist dabei der Campus selbst Instituts- und Sondergebäuden vorbehalten, während Versorgung und Wohnen zum Großteil in der als Stadtstruktur lesbaren Umgebung verteilt sind. Allerdings ist diese umgebende Stadt nicht nur ganz eindeutig als die zur Universität gehörende Stadt zu erkennen, sondern UC Berkeley ist auch Eigentümerin dieser Stadtteile. Noch deutlicher stellt sich diese Situation in Princeton dar: Hier ist die Universität die Stadt. Es hat sich im Laufe der Zeit neben der Universität auf der grünen Wiese weder ein Stadtwachstum eingestellt, noch gibt es in sinnvoll erreichbarer Nähe einen anderen nennenswerten Ort. So stehen auch die jenseits der Campusgrenze angesiedelten Dienstleister in vollkommener Beziehung zur Hochschule. Hier konnte gemäß dem amerikanischen Ideal eine vollständige Universitätsstadt entstehen. Harvards junger Nachbar MIT hat sich im ausgehenden 19. Jahrhundert auf einem ehemaligen Kasernengelände angesiedelt und dehnt sich entlang des Charles River systematisch immer weiter in ehemalige Industriegebiete aus. Nach eigenen Angaben ist das MIT mittlerweile der mächtigste „Einwohner“ von Cambridge. Der Expansionsdrang von Harvard und MIT findet im stabilen städtebaulichen Kontext von Boston und Cambridge statt und beeinflusst diese Städte in vielerlei Hinsicht positiv. Die Übernahme weiter Stadtteile durch die NonProfit-Organisation MIT und die damit verbundene Aussiedelung steuerzahlender Wirtschaftsbetriebe bringen aber auch stabile Städte durch sinkende Steuereinnahmen in ernste Gefahr.31] Besonders kritisch ist die Entwicklung in Fällen wie der Syracuse University in Upstate New York (in den vorangegangenen Analysen nicht aufgeführt) zu sehen, die das nahezu abgestorbene Stadtzentrum dieser ehemaligen Industriestadt Block für Block aufkauft, niederreißt und besetzt, und sei es mit Parkplätzen. Damit wird die Stadt dauerhaft ihrer ReUrbanisierungsmöglichkeiten beraubt, das Zentrum der Stadt wird privatisiert. Die privaten Universitäten stellen sich als den Bedingungen der um ihre Bedeutung kämpfenden verdichteten Städte extrem gut angepasste Lebewesen dar. Sie sind finanzkräftige Akteure, die in zentralen Gebieten ohne viel Konkurrenz investieren können und wollen und die dort ideale

Eine Sonderstellung nimmt das IIT in Chicago ein: Sein Campus lag seit der Gründung in einem als problematisch geltenden Teil der Stadt, er entstand durch eine „Tabula Rasa“- Sanierung. Der Vollcampus war hier also eine Abschottungsmaßnahme gegen die Umgebung. Mit dem neuen Masterplan von 1996 für das Institut wird nun eine Doppelstrategie gefahren: Einerseits wird zum ersten Mal seit 25 Jahren auf dem Campus neu gebaut. Bezeichnenderweise entstehen Wohnheime, ein Studentenzentrum sowie eine spektakuläre Hochbahnstation. Damit gewinnt der Campus an Eigenständigkeit und Attraktivität. Zum anderen gibt es Projekte, die in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren die Nachbarschaft aufwerten und damit die heute als bedrückend empfundene Ausgrenzung der Anlage überwinden sollen. In diesem Zusammenhang kann allerdings der Neubau einer zentralen Hochbahnstation auch kritisch gesehen werden, befreit er doch die Studierenden von dem Zwang, die direkte Nachbarschaft, und sei es auf dem Weg zu öffentlichen Verkehrsmitteln, auch nur berühren zu müssen. Ganz anders gestaltet sich die Situation bei den europäischen Anlagen. Mit Lancaster und Barcelona finden sich zwei Satelliten in den Beispielen. Lediglich drei Kilometer von der Stadt entfernt stellt dabei Lancaster ein Kuriosum dar: Alleine sitzt der Campus auf einem linsenförmigen Feld inmitten landwirtschaftlicher Flächen. Nur wenig stärker in die Umgebung eingebunden stellt sich Barcelona dar. Trotz dieser Alleinstellung sind beide Anlagen eng mit ihren Mutterstädten verbunden. Sie sind recht funktionale, in landschaftlich reizvolle Gebiete ausgelagerte Arbeitsorte. Selbst der Collegiate-System-Campus Lancaster ist weit entfernt von dem Anspruch, eine autarke Einheit zu bilden. Hier gilt als selbstverständlich, dass die Mehrzahl der Studierenden eigenständig in Lancaster oder angrenzenden Orten wohnt. Die alten europäischen Universitäten stehen selbstverständlich in engster Verbindung mit der Stadt, sind mit ihr funktional wie sozial eng verwoben bis hin zu einem fließenden Übergang von innen und außen, wie er besonders in Leeds auffällig ist. Die Stadt setzt sich hier kaum merklich in den Campus fort, selbst die Bautypen gleichen sich. Trotz Expansion der Universität in die Stadt hinein entsteht hier nicht der Eindruck einer Eroberung der Stadt: Sie wird nicht vom geschlossenen Idealstadtmodell „Universität“ bedrängt und vereinnahmt. Die Universität bleibt ein Stadtteil, der mehr oder weniger nach den selben Regeln funktioniert wie seine Umgebung.

Abb. 62: UC Berkeley, Kerncampus und der Universität gehörende städtische Nachbarschaften. (www.pc.berkeley.edu/ ncp/about/index.html)

Abb. 63: Ausdehnung des Campus des MIT in die umgebenden Nachbarschaften: Dunkel dargestellt sind die nicht-akademischen Liegenschaften. (Grafik aus MIT Technology Review (2003) S.8)

[31 vgl. Atwood (2003) S.7 ff

[32 von ca. 10 Millionen Studierenden in den USA 1974 auf ca. 15 Millionen im Jahr 2001, Tendenz weiter stark steigend. (NCES (2003) S.222)

[33 http://www.planetizen.com/oped/item.php?id=51

Sowohl Gelände als auch Gebäude der analysierten Universitäten in den USA sind 24 Stunden geöffnet, belebt, aber auch von einer eigenen Campuspolizei bewacht. Sie gelten im Vergleich zur Gesamtstadt als sicher. Auf den Campusanlagen befinden sich in der Regel 41

Abb. 64: Blick vom Dach eines für das MIT umgerüsteten Industriegebäudes: Hinter dem Schlot sind gut zu erkennen die „Domes“ des Hauptgeländes, rechts im Hintergrund der John Honcock Tower in Bostons Stadtteil Back Bay. (mw)

wichtige kulturelle Einrichtungen für die Gesamtstadt, teilweise auch Gastronomie. Nicht zuletzt dadurch stellen insbesondere Berkeley, MIT und Harvard beliebte Ausgeh- und Ausflugsziele dar und sind ein Muss im Touristenprogramm der sie umgebenden Städte. In Europa sind die Universitäten stärker beschränkt auf den eigentlichen Ausbildungsbetrieb. Sie sind eher Arbeits- als Lebensorte und als solche in der Regel in den Abend- und Nachtstunden geschlossen. In keinem der untersuchten Beispiele spielt das Wohnen und das Nachtleben eine wichtige Rolle auf dem Campus. Selbst die „vila universitaria“ in Barcelona mit ihren 2000 Bewohnern und einigen Bars ist im Vergleich zur Größe der gesamten Universität unbedeutend; 95% der Studierenden und Mitarbeiter pendeln zu diesem 20 km von der Stadt entfernten Campus. Kulturelle, sportliche und gesellschaftliche Einrichtungen sind in der Regel in den Städten zu Genüge vorhanden. Die Anlagen in den USA dagegen waren häufig seit ihrer Gründung der kulturelle Vorposten im eroberten Gebiet und haben diese Tradition bis heute weitergeführt. Selbstverständlich finden sich hier Bibliotheken, Theater, Museen und Sporteinrichtungen, die wichtiger sind als die der umgebenden Städte und die von diesen mitgenutzt werden. Europäische Universitäten sind in bestehenden Städten gegründet, ihre Aufgabe war nie die kulturelle Erschließung dieser Gebiete. Leeds allerdings scheint in der gemeinsamen Entwicklung mit der Stadt sowie durch den nahtlosen Übergang eine größere Zahl von Konzertsälen, Ausstellungsorten und ein Theater angesiedelt zu haben, die, ähnlich den amerikanischen Anlagen, durchaus ein Angebot an die Stadtbevölkerung darstellen dürften. Maßstab – Dichte – Größe Unmittelbar auffällig sind die extremen Größenunterschiede der untersuchten Anlagen. Das Trinity College ist lediglich ein etwas größerer Stadtblock, während die Schule in Helsinki die Dimension eines Stadtteils und noch extremer Harvard University und Princeton ganze Städte formen. Jenseits ganz unterschiedlicher Studentenzahlen drücken sich hier Planungsverständnisse verschiedener Zeiten aus: Eine Neugründung der Fünfziger und Sechziger Jahre wie Helsinki besetzt die „grüne Wiese“ großzügig mit Solitären, während ältere Verständnisse aber auch die allerjüngsten Entwicklungen im Zusammenrücken eine soziale Qualität sehen und den kostbaren Boden dicht besiedeln. Noch überraschender sind die Unterschiede zwischen Europa und Amerika. Dem Winzling Dublin mit seinen 15.500 Studierenden steht z.B. die Kleinstadt Princeton mit lediglich 6.400 Studierenden gegenüber. Nur eine der beiden Universitäten in der Ciudad Universitaria in Madrid, die UCM, bietet in einer Baumasse ähnlich der von Princeton ca. 100.000 jungen Menschen Studienplätze an. Es ist offensichtlich vor allem der Flächenbedarf des Wohnens, der für die andere Dimension der amerikanischen Anlagen sorgt.

Abb. 65, 66: Größenvergleich Trinity College Dublin mit 15.500 Studierenden (oben) und Princeton University mit 6.400 Studierenden (unten), (M=ca. 1:25.000, Zeichnungen mwas)

42

In einer ersten groben Annäherung ist festzustellen, dass bei den untersuchten amerikanischen Anlagen die Campus-Baustruktur aus „mittelgroßen“ Gebäuden oder Höfen besteht, die als relativ gleichmäßig gestreute Solitäre ein definiertes Feld – den Campus – besetzen. Hofartige Anordnungen auf dem Campus entpuppen sich in der Regel funktional als WohnColleges. Bei allen Beispielen sind die Gebäude relativ unhierarchisch angeordnet, Freiflächen ordnen sich in die Körnung der Gebäude ein. Relativ einheitlich bewegt sich diese Körnung um Feldgrößen, die ganz ähnlich den Standard-Blockgrößen der umgebenden Städte sind;

maschinenartige Großstrukturen, wie man sie bei einigen neugegründeten europäischen Universitäten, etwa der in Barcelona sieht, bleiben Ausnahmen34]. Trotzdem sind selbst der parkartige Campus der UC Berkeley, und in noch stärkerem Maße die anderen amerikanischen Anlagen, hochverdichtete und hocherschlossene Ausbildungsund Forschungsgelände. Zwar fehlen bis auf wenige Ausnahmen Hochhäuser auf dem Campus, trotzdem dürften die maximal fünf- bis sechsgeschossigen Bebauungen durch ihre großen Gebäudetiefen durchaus eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 2 bis 3 erzeugen. In Bezug auf die Übertragbarkeit der Dichtewerte der amerikanischen Anlagen auf europäische, speziell auf deutsche Verhältnisse ist jedoch etwas Vorsicht angebracht, da die dortigen Tiefen unbelichteter Räume und die damit mögliche Kompaktheit der Gebäude nicht den hiesigen Anforderungen und Gewohnheiten35] entsprechen. Abb. 67: UC Berkeley, Lageplan: Gut zu erkennen ist

Auffällig und den Maßstab sprengend sind bei den untersuchten US-amerikanischen Anlagen die Sportarenen, die hier einen wichtigen Teil der Ausbildung wie auch des Außenbildes darstellen. Sie fassen wie in Berkeley bis zu 80.000 Zuschauer. Andere gemeinschaftliche Sonderfunktionen wie Studentenzentrum oder Bibliotheken bleiben allerdings im Maßstab. Die „mittlere“ Größe von Institutsgebäuden privater Universitäten dürfte strukturell deren eher additive Finanz- und Planungsrealität ausdrücken, die nicht wie beim Bau von öffentlichen Hochschulen von staatlichen Vorgaben und an Studierendenzahlen orientierten Mittelzuweisungen bestimmt ist. Bei allen untersuchten Beispielen sind wichtige Institutsgebäude und Wohnheime von einzelnen Benefaktoren gestiftet, tragen deren Namen, zeigen eigenes Profil und gehen bewusst nicht in einem größeren Komplex auf. Dabei können in größeren Instituten selbst kleinere Umbauten ebenso den Namen eines Geldgebers tragen. In direktem Zusammenhang mit dem Planungsverständnis ihrer Gründungszeit stehen die städtebaulichen Strukturen der neugegründeten europäischen Universitäten. Dabei interpretieren sie jedoch die Regeln der Moderne auf andere Art als die amerikanischen Planer. Gebäude von auf gute Belichtung und Belüftung optimierter Tiefe und Höhe sind auf periphere, grüne und landschaftlich attraktive Areale platziert. Sie sind auf Funktionalität und beste innere Verbindungen angelegt, und in der Regel durch einen Masterplan vorgegeben und in relativ kurzer Zeit realisiert. Das extremste Muster funktionaler Optimierung bildet dabei Barcelona durch seine zwei überdimensionierten Institutskomplexe und seine sauber getrennten Funktionen, insbesondere die Wohnsiedlung und die Sonder- und Versorgungsinfrastruktur, aus. Die beiden Institutskomplexe sind massive Megastrukturen, verfügen über vollständige innere Erschließungs- und Verbindungsgänge und damit ein die Wegebeziehungen über den Campus weitgehend vermeidendes System. Interessant ist, dass Erweiterungen in den Achziger Jahren von den Großstrukturen abrücken und im Gegenteil mit kleineren Gebäuden deren Restflächen sensibel arrondieren. Die Dichtewerte der neugegründeten europäischen Anlagen dürften sich dabei dennoch durch ihre großzügige Anlage in der Landschaft lediglich bei GFZ-Werten von 1-1,5 aufhalten.

die homogene mittlere Körnung der Gebäudestruktur mit Ausnahme des Sportstadions für internationale Spiele. (M=ca. 1:25.000, Zeichnung mwas)

Abb. 68: Lancaster University, erster Bauabschnitt: als Gesamtkomplex in einem Stück, zu einer Zeit und nach einem Konzept realisiert (M=ca. 1:25.000, Zeichnung mwas)

[34 http://www.planetizen.com/oped/item.php?id=51 [35 siehe Arbeitsstättenverordnung Anhang 3.4.

Auch die untersuchten alten europäischen Anlagen bilden, in Bezug auf ihre Entstehungszeit betrachtet, bereits Megastrukturen aus. Der Campus in Madrid weist trotz seiner immensen Ausdehnung und verstreuten Bauten Großgebilde auf, ähnlich den Hauptverwaltungen von Industriebetrieben oder Krankenhausstrukturen der damaligen Zeit. Tatsächlich war eine der

Die Nähe zu Fenstern wird in Deutschland als entscheidende Qualität eines Arbeitsplatzes angesehen. Selbst bei Hochhausarbeitsplätzen wünschen sich Arbeitnehmer in Deutschland, dass die Fenster zu öffnen sind.

43

ersten Fakultäten hier die Medizin. Trinity wartet mit einem palastartigen Hauptgebäude auf, das die prestigeträchtige Institution repräsentiert. Das gesamte Trinity College ließe sich jedoch spielend in nur einem der beiden Großinstitute in Barcelona unterbringen. Die städtebaulichen Dichten der betrachteten alten europäischen Anlagen in Dublin und Leeds sind sehr hoch, vermutlich entsprechend den sie umgebenden Stadtteilen mit GFZ-Werten von 3 bis 4,5. Die Anlage in Madrid weist zwar großdimensionierte Einzelgebäude auf, ihre Dichte dürfte sich jedoch durch die verstreute Anordnung nicht weit über GFZ 1,0 einstellen.

Abb. 69: Modell des Sieger-Entwurfes von Ferdinand Heide für den neuen Campus Westend der GoetheUniversität Frankfurt (2003): Fortführung der Tradition der Großstrukturen bei Institutsgebäuden wie auch Freiflächen. (www.phaseeins.de/archive_campuswestend_ergebnis.htm)

Im Gegensatz zu den amerikanischen Anlagen lässt sich bei den europäischen nur schwer eine allgemeine aktuelle Haltung zur Baustruktur herausfiltern, hauptsächlich deshalb, weil die großen Bautätigkeiten seit den Expanisonszeiten der Sechziger und Siebziger Jahre vorbei sind. Dennoch darf angenommen werden, dass sich hier eine Tendenz weg von den Megastrukturen hin zu den mittleren Körnungen amerikanischer Anlagen andeutet. Eine entsprechende Formulierung im Auslobungstext zur neuen Goethe-Universität in Frankfurt verbot ausdrücklich Megastrukturen und forderte an anderer Stelle einige von privaten Trägern mitfinanzierte, kleinere Institutsgebäude. Dennoch waren die Dimensionen der zusammenzufassenden Institute mit Größenordnungen um die 50.000 m2 Bruttogeschossfläche wesentlich größere Einzelgebäude, als man sie auf den amerikanischen Anlagen findet. Nicht zuletzt durch den monumentalen Komplex der ehemaligen IG Farben, der als Institutsgebäude umgerüstet wurde, wird auch der neue Campus in Frankfurt immer noch Großstrukturen aufweisen und sich stark von amerikanischen Anlagen unterscheiden. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung der Jury für einen Entwurf mit einer sehr groß dimensionierten zentralen Freifläche als Zentrum der Anlage, die die europäische Tradition der Megastrukturen und der hierarchischen Anlagen auf eine deutliche Art weiterführt. Freiflächen

Abb. 70: Wiese vor Nassau Hall, dem ersten Gebäude von Princeton University als Urtypus des amerikanischen Campus. (Kupferstich von 1764, aus Samuel Blair, An Account of the College of New Jersey, Princeton Library. In: Turner (1984) S.43)

[36 vgl. Turner (1984) S. 47 [37 vgl. Turner (1984) S. 47 [38 Durch die enorme Ausdehnung von Harvard ist heute der Yard zwar eine identitätsstiftende Fläche, aber lange nicht mehr die eine zentrale Freifläche, um die sich die Gebäude anordnen. Dies sollte bei der Diskussion um neue deutsche Campusplanungen und um das „Modell Harvard“ beachtet werden.

44

Wie der Begriff Campus schon suggeriert, sind es die Freiflächen, die für diesen städtebaulichen Typus eine entscheidende Rolle spielen. Klassische Fläche der angloamerikanischen Campusanlagen ist der Yard, die zentrale Freifläche, um die die Gebäude angeordnet wurden. Der Begriff Campus wurde wahrscheinlich in Princeton erfunden36], um die freie Fläche zwischen Nassau Hall, dem ersten Gebäude in Princeton, und Nassau Street zu beschreiben. Bis heute heißt diese Fläche schlicht „The Campus“37] und ist unmissverständlich eine ehrwürdige grüne Fläche, die auf allen Fotos von Nassau Hall den Vordergrund bildet. Bei den untersuchten Anlagen ist diese Fläche nur noch in Harvard nahe ihrer ursprünglichen Funktion zu finden38]. Bei anderen Schulen hat sie zumindest einen Funktionswandel erlebt, z.B. beim MIT zur Commencement Lawn. Sie ist eine wichtige, aber nur einmal im Jahr mit einer festen Funktion belegte Fläche, ansonsten dient sie als Frisbee-Wiese. Am IIT war der Yard nie geplant und vorhanden, ebenso ist er in Berkeley in der Gestaltung der Gesamtanlage aufgegangen. Der heutige Begriff von Campus erstreckt sich auf den Charakter einer gesamten Universitätsanlage. Mit Ausnahme von Berkeley, wo die Gestaltung und dichte Bepflanzung der FreifIächen entscheidender Teil des Entwurfskonzeptes waren und heute den Charakter der Anlage prägen, sind der größte Teil der Freiflächen der amerikanischen Campusanlagen grüne, parkartig mit Einzelbäumen versehene (Liege-)Wiesen, die mit einem dichten Fußwegenetz

durchzogen sind und in die die Gebäude eingestreut wirken. Einige Flächen sind funktional wie gestalterisch herausgehoben. So dienen die Flächen vor den Studentenzentren am MIT und in Berkeley als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Schulen. In Ermangelung eines solchen eindeutigen Studentenzentrums bildet an Harvard der Yard einen auch historischen Schwerpunkt, in dem Erschließungswege zusammenlaufen, der von Sondergebäuden wie Kirche und Zentralbibliothek umstanden ist und zum Aufenthalt einlädt. Auch in Princeton dient „The Campus“ als repräsentativer Haupteingang von der Stadt und als „grüner Verteiler“. Wichtige Funktions-Freiflächen sind außerdem die Sportflächen, die jede Universität in großem Umfang zur Verfügung stellt. Da der Sport für den studentischen Alltag, die Außendarstellung der Universitäten und deren Bezug zur umgebenden Stadt eine wichtige Rolle spielt, wird er hier in einem eigenen Kapitel diskutiert.

Abb. 71: Lancaster University: Kompakte Anlage auf dem freien Feld. Der zentrale Freiraum ist gleichzeitig die fußläufige Verbindung aller Einrichtungen („Spine“),

Die Vielfalt der Freiflächen sowie deren gleichmäßige und gleichwertige Einbindung in die städtebauliche Struktur des Campus unterstreichen das bei den US-amerikanischen Anlagen verfolgte Prinzip der Stadt in der Stadt, also einer idealtypischen und vollständigen Umgebung mit nutzbaren, öffentlichen Freiräumen bis hin zu an italienischen Vorbildern angelehnten Außenraumqualitäten. Zusammenhängende Freianlagen und damit ein durchgrüntes Campusbild trotz hoher Dichte werden beispielsweise am MIT durch unterirdische Park-, Erschließungs- und Infrastrukturnetzwerke ermöglicht. Die aufwändigste Maßnahme ist in Harvard zu beobachten: Hier wurde eine mehrspurige Stadtstraße auf etwa einem Kilometer Länge in einem Tunnel geführt, um den nördlichen Campusteil über eine auf der Unterführung liegende Grünanlage an Harvard Yard anzubinden. An den neugegründeten europäischen Hochschulen ist der typische „Yard“ nicht zu finden. Helsinki besitzt statt dessen in der Campusmitte eine sogenannte Versammlungswiese. Der gesamte Campus gleicht ansonsten eher einem Wald, in den ab und an Gebäude eingesprenkelt sind. Im Zentrum der UAB ist mit der Placa Civica die neue Mitte des Campus ganz im Stil der Sechziger Jahre und eben in Form einer urbanen Plaza entworfen, ebenso bildet Alexandra Spare die Mitte der zentralen Fußgängerzone wie des gesamten Campus in Lancaster und erfüllt hier die Funktionen, die von einer städtischen Fußgängerzone erwartet werden. Die grünen Freiflächen innerhalb der Anlagen sind als Abstandsgrün zu verstehen. Auf dem Campus in Lancaster schließt mit dem South Park außerhalb des Campus eine Parkanlage im Süden an die Bebauung an. Unter den alten europäischen Schulen bildet Dublin einen besonderen Freiflächen-Typus aus. Man könnte ihn „Schlosshöfe“ nennen. Die insgesamt gestreckt kreuzförmig angelegte Hauptanlage verfügt über sechs unterschiedlich genutzte Innenhöfe, von denen der zentrale einen inneren Universitätsplatz formt mit dem Campanile als Mittelpunkt der historischen Anlage und belebt durch seine Funktion als Hauptverteiler. Vier andere Höfe sind verschieden parkartig gestaltet, der fünfte wird, als Innenhof begrenzt durch drei Wohngebäude und die Dining Hall, kurioserweise als Tennisplatz genutzt. Die zwischen Hauptkomplex und neueren Erweiterungen befindliche Fläche besteht aus dem Rugby-Platz sowie dem University Park, der ebenfalls für Sport genutzt werden kann.

Grünräume liegen außerhalb des baulichen Feldes. (Press Office Lancaster University)

Abb. 72: Illlinois Institute of Technology: Funktionales, unhierarchisches Freiraumkonzept: Getrenntes Verkehrssystem mit einer Abfolge parkartiger Streifen und Verkehrsstraßen. (Richard Barnes / Illinois Institute of Technology)

Abb. 73: Trinity College Dublin: Blick auf den zentralen, parkartigen Hof mit Campanile als Mitte und als einprägsames Zeichen. (Brendan J. Dempsey / TCD Audio Visual and Media Service).

Leeds ist die am dichtesten bebaute aller untersuchten Anlagen. Die in ihrem nördlichen Teil liegende große, zusammenhängende und parkartig gestaltete Freifläche war ein Friedhof, der 45

aufgelassen wurde, um der wachsenden Universität ein Grün- und Sportfeld zu geben. In seinem zentralen Teil bildet der Campus eine langgestreckte, zum großen Teil mit Parkplätzen besetzte platzartige Fläche aus. Alle anderen Freiflächen sind auf das Minimum reduziert, sind mehr oder weniger große Vorgärten oder einzelnen Gebäuden zugeordnete halböffentliche Rückseiten. Dennoch macht die Anlage vor allem im westlichen Teil durch alten Baumbestand und niedrige Hauszeilen einen sehr durchgrünten Eindruck. Madrid bietet die landschaftlichste Anordnung, die Gebäude sind weit verstreut. Der Campus ist fast 80 Jahre nach seiner Gründung heute dicht eingewachsen. Mit dem botanischen Garten und einer zusammenhängenden Wiese in der Mitte sowie mit dem Westpark am südlichen Rand der Anlage sind drei gestaltete und gepflegte öffentliche Flächen im CampusPatchwork angeordnet. Verkehr

Abb. 74: UAB Barcelona, Verkehrssystem: Trennsystem mit Straßennetz senkrecht auf südliche Autobahn und dazu parallele Parkplätzstreifen, quer dazu, teilweise in Gebäuden, befindet sich das Fußgängernetz. (Plan nicht genordet. Zeichnung: Matthias Wittig).

Die untersuchten amerikanischen Anlagen sind mit Ausnahme des IIT gewachsene Universitäten und spiegeln diesen Inkrementalismus in einem additiven Netzwerk von befahrbaren Wegen, Fußgängerwegen und Verlängerungen von Stadtstraßen wider. Für diese Erschließungssysteme ist der Begriff „hybrid“ am passendsten. Für die zentralen Campusbereiche gilt, dass Fußgänger Vorrang und teilweise eigene Verbindungswege haben und mit Ausnahme des Anlieferverkehrs PKW’s am Rand dieser Bereiche abgefangen werden. Die aufwändige Tunnelführung einer Stadtstraße zur besseren fußläufigen Anbindung der nördlichen Campusteile an Harvard Yard ist Bestandteil dieses Konzeptes. Gleichzeitig sind die amerikanischen Anlagen entweder mit eigenen Straßennetzen für eine eingeschränkte Zahl von Nutzern dicht erschlossen, wie bei den Beispielen Princeton, Berkeley, eingeschränkt auch am MIT, oder öffentliche Straßen, wie ganz deutlich in Harvard, übernehmen die Vernetzung der Universität. In jedem Fall, sogar bei dem so lockeren Erscheinungsbild von Berkeley, sind die städtischen Erschließungsnetze in ihrem Maßstab bis in den Campus weitergeführt, wenn auch nicht notwendigerweise für den allgemeinen Fahrverkehr zugänglich, und erschließen so den Campus. Am MIT gliedert die stark befahrene aber auch belebte Massachusetts Avenue den Campus in zwei verkehrsberuhigte Hälften. Die Verkehrssituation der modernen, in einem Guss geplanten Anlage des IIT stellt sich in strikt getrennten, teilweise in zwei Ebenen geführten Systemen dar, die ein zusammenhängendes Fußgängernetz ermöglichen. Der Lieferverkehr erfolgt teilweise über das öffentliche Straßennetz, teilweise über entsprechende Stiche. Mischverkehrsflächen stellen die Ausnahme dar.

Abb. 75: UAB Barcelona: Blick in einen neuen Abschnitt des Fußgängersystems, das bis heute in Teilen als Ebene oberhalb des Straßensystems weitergeführt wird. (UAB Servei de Publicaciones).

46

Alle amerikanischen Anlagen verfügen über eigene Busnetze, die neben der Erschließung des gesamten Campus auch Bestandteil des Sicherheitssystems sind. In der Regel kommen diese Busse in der Nacht auf Anruf und die Busfahrer holen die Studierenden dann aus den Gebäuden ab. Auch verfügen alle Anlagen über eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel: Harvard, MIT, IIT und Berkeley über eigene U-Bahn- und Busstationen, Princeton sogar über eine eigene Zug- und Greyhoundstation und Berkeley über eine S-Bahnanbindung nach San Francisco. Dass diese Systeme in den USA an Bedeutung gewinnen, lässt sich plakativ am Neubau des Studentenzentrums mit hierher verlegter Hochbahnstation am IIT

belegen. Unvollständige weitere Anbindungen, fehlende Zuverlässigkeit, niedrige Reisegeschwindigkeiten und veraltete Technik, aber auch Bequemlichkeit sowie nebulöse Sicherheitsargumente lassen die meisten Studierenden allerdings nach wie vor auch aus der nächsten Nachbarschaft mit dem Auto anreisen, was sich in überproportional großen Angeboten für ruhenden Verkehr ablesen lässt. Ruhender Verkehr wird als Selbstverständlichkeit innerstädtisch in meist überirdischen Parkhäusern oder auf großen Parkplätzen am Rand der landschaftlichen Campusanlagen abgefangen. Beim IIT sind Parkplätze auch entlang der State Street in der Mitte des Campus angelegt. Direkt an den Institutsgebäuden scheinen für Professoren und Mitarbeiter in gehobenen Positionen reservierte Parkplätze die Regel zu sein.

Abb. 76: Lancaster University, System der Verkehrstrennung: Gut zu erkennen die zentrale Fußgänger-

Europäische Neugründungen wie Lancaster und Barcelona basieren auf strikt getrennten Verkehrssystemen. Rückgrat der Anlage in Lancaster, tatsächlich auch North Spine und South Spine genannt, ist eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Fußgängerzone. Ein Knotenpunkt der Verkehrssysteme ist auf zwei Ebenen in der Mitte des Campus angeordnet. In der Straßenunterführung unter dem Alexandra Square befindet sich auch die Haltestelle der Buslinien, die die Universität nach Lancaster anbindet. Da der Campus der UAB sehr weitläufig ist, wurden an einigen Stellen Brückengebäude über die Fahrstraßen gelegt. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr erfolgt hier über einen Fernbahnhof am Südrand der Anlage, sowie über einen Lokalbahnhof an der Placa Civica in der Mitte des Campus. Beide Anlagen verfügen über eine PKW-Erschließung am Campusrand mit direktem Autobahnanschluss. Die Erschließung der Gebäude für den Lieferverkehr erfolgt durch Stichstraßen. Die dritte Neugründung, Otaniemi, stellt sich durch ihre Weitläufigkeit ganz anders dar: Hier gibt es keine explizite Verkehrstrennung. Der Campus ist wie ein wenig dichtes Neubaugebiet mit einem hierarchischen Straßennetz mit Bürgersteigen in Kombination mit einigen den Fußgängern vorbehaltenen Durchquerungen erschlossen. Lediglich die den Campus begrenzenden Hauptverkehrsstraßen werden mit Fußgängertunneln und -brücken kreuzungsfrei gequert. Der Campus verfügt über eine öffentliche Buserschließung. Diese Buslinien stellen im 4- bis 20-Minutentakt auch die direkte Anbindung nach Helsinki und Espoo sicher.

achse, in deren Mittelpunkt Alexandra Square die Verknüfung mit einer unterirdischen Fahrerschließung darstellt. Von außen erfolgt über eine Ringstraße die Andienung der Gebäude (Plan nicht genordet, Zeichnung mwas)

Abb. 77: Princeton University: Für amerikanische Universitäten typische Mischverkehrsflächen innerhalb des Campus. (mw)

Die älteren europäischen Anlagen weisen, bedingt durch ihre Entstehungsgeschichte, keine einheitlichen Verkehrskonzepte auf. Der kleine Campus in Dublin kann zum größten Teil über das städtische Straßennetz angefahren werden. Der innere Fußgängerbereich ist für Servicefahrzeuge befahrbar. Der Campus in Leeds wird von normalen Stadtstraßen mit Bürgersteigen erschlossen und weist nahezu keine eigenen Verkehrsstrukturen auf. Allerdings ist sein zentraler Bereich als Fußgängerzone verkehrsberuhigt. Madrid verfügt sowohl über städtische Straßen als auch über ein sehr weitmaschiges und der lockeren Anordnung der Gebäude entsprechendes Erschließungsnetz für Kraftfahrzeuge und einen Anschluss an die Stadtautobahn, der die ganz Anlage nahezu zerteilt. Fußgängerwege übernehmen lediglich direktere Anbindungen und Verbindungen, stellen aber kein einheitliches System dar. Die hybride Erschließungsstruktur der amerikanischen Anlagen, obwohl aus ihrer Entstehungsgeschichte stammend, entspricht interessanterweise den aktuellen Verkehrskonzepten, die eine Trennung der Verkehrsarten nach den problematischen Erfahrungen mit B-Ebenen und mit unbelebten Fußgängerzonen heute wieder vermeiden. Explizit unerwünscht sind aus diesen Gründen heute die funktional wie erschließungstechnisch optimierten „Ausbil-

Abb. 78: TU Darmstadt, Standort Innenstadt: Gut zu erkennen ist die ursprüngliche Planung einer über der Fahrebene liegenden Fußgängerebene, die die Hochschule fußläufig an die Innenstadt anschließen sollte, aber nie komplettiert wurde. (je)

47

dungsmaschinen“ der Nachkriegszeit. Hybriden Systemen traut man heute eher zu, mit der notwendigen Flexibilität auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren sowie für die Erschließungsräume eine gewisse Natürlichkeit und Möglichkeit für Zufälle zu gewährleisten. Angesichts der zunehmenden Größe der Anlagen kann man die Vermutung anstellen, dass neben einem Fahrradwegenetz Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel an zentralen Stellen auf den Anlagen notwendig sind, um die Wege von den Rändern zu verkürzen, die Akzeptanz dieses Transportmittels zu erhöhen und damit auch das räumliche Parkplatzproblem zu bewältigen. Institute Abb. 79: IIT, Chicago, U-Bahn-Röhre integriert in das McCormick Tribune Campus Center von Rem Koolhaas: Lärmschutz, Verbesserung der Verkehrsanbindung nach Chicago, vor allem Zeichen für die Innovationskraft der Hochschule. (R. Barnes / Illinois Institute of Technology)

Abb. 80: MIT, Media Lab von I.M.Pei: Zusammenfassung aller Aktivitäten zum Thema Neue Technologien und Anwendungen in einem Gebäude, das beinahe zum Wallfahrtsort für die entsprechende Szene wird. Das Gebäude behält die mittlere Körnung der Campusarchitektur bei, wird derzeit um ein zweites Gebäude erweitert. (mw)

[39 Ryan (2001) S. 41 [40 vgl. Ryan (2001) S. 41f [41 „Harvard and Yale thus simultaneously mustered their considerabel talents toward what must be viewed as one of the great enterprises in the history of American higher education: the creation of collegiate units within the modern university and, through that, the joining of collegiate and university ideals“. (Ryan (2001) S. 54)

48

Auffälligstes Merkmal der amerikanischen Universitäten ist die mittelgroße Körnung ihrer Baustruktur mit einer entsprechenden Ablesbarkeit der einzelnen Gebäude, der Gebäudecharaktere, und im Idealfall auch der einzelnen Fachbereiche. Zum besseren Verständnis dieses Erscheinungsbildes ein kurzer Exkurs in die Geschichte: Der Erfolg der Institution „Universität“ ist in den USA ein vergleichsweise junger. Am deutlichsten kommt dies in einem Zitat der Yale Corporation zum Ausdruck, die 1872 feststellt, dass Yale „had attained to the form of a University“39]. Durch die lawinenartigen Errungenschaften der Wissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts fand sowohl qualitativ wie auch quantitativ ein Wachstumsschub statt. Bis dahin waren die Schulen kleinere, meist christlich, ethisch und moralisch orientierte Colleges, Lebens- und Studiengemeinschaften von Lernenden und Lehrenden mit einer Art Studium Generale. Die universitären Ideale von Offenheit, Wahlfreiheit und Spezialisierung hatten sich gegen die moralisch, christlich und ethisch motivierte, auf einen festgelegten Fächerkanon beschränkte Collegeausbildung nicht durchsetzen können. 1872 hatte Yale lediglich 900 Studenten und 20 Professoren40] und zum Wachstum auf diese Dimensionen gut 170 Jahre gebraucht. Die Anlage war Stück für Stück um vergleichsweise kleine Gebäude erweitert worden und hatte nie die überschaubare Dimension verlassen, die für das Konzept der engen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft notwendig war. In der Gefahr, dass das Wachstum zu einer Universität dieses erfolgreiche Konzept zerstören könnte, griffen Harvard und Yale 1926 eine für die weitere Entwicklung der amerikanischen Universitäten entscheidende Idee, bezeichnenderweise des privaten Donors Edward S. Harkness, auf, indem sie das College-System innerhalb der Universität schufen41]. Diese Revolution sorgte dafür, dass sich auch stürmisches Wachstum bei den amerikanischen Institutionen weiterhin immer in kleinen, überschaubaren Einheiten vollzog, was zur heutigen mittleren Körnung führt. Ausnahmen bestätigen die Regel, so die Zusammenfassung mehrerer naturwissenschaftlicher Fachbereiche zum 1970-72 gebauten Harvard Science Center. Zusammen mit der für den Bau notwendigen Tunnelführung einer Stadtstraße unter dem Campus ähnelt diese Struktur der Verkehrstrennung der europäischen Neugründungen. Ansonsten folgt die Entwicklung in der Regel sowohl dem Ideal der überschaubaren Einheiten, wie auch der Entwicklungs- und Finanzierungslogik privater Institutionen. Erweiterungen oder neue Bereiche wurden in kleinen Schritten und in klar ablesbaren Gebäuden umgesetzt. Diese Gebäude können untereinander durch Brücken oder unterirdisch verbunden sein, geben allen betrachteten Universitäten dennoch das Bild eines Parks mit eingestreuten Bauten. Interessanterweise wurde diese Körnung sogar beim Campus des IIT beibehalten, obwohl dessen erster Abschnitt in den

Dreißiger und Vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts relativ zusammenhängend geplant und realisiert wurde. Auch hier deutet die Namensgebung der Einzelgebäude auf unterschiedliche Benefaktoren, die ihre gestifteten Gebäude nicht mit anderen verschmolzen sehen wollten. Das Einstreuen der Gebäude in einen Park, die Ablesbarkeit einzelner Fachbereiche und der Wunsch nach Überschaubarkeit prägen das amerikanische Idealbild des Campus soweit, dass selbst der strenge Mies van der Rohe dagegen nichts ausrichten konnte. Am IIT tut sich im Moment allerdings der vielleicht revolutionärste Schritt bei der Neu-Organisation von Instituten. Hier stand bisher mit dem Hermann Union Building ein Zentrum für Kultur, Freizeit, Ausstellung und Konferenzen wie ein Brückenkopf mitten im akademischen Teil des Campus. Der Masterplan von 1996 sieht jetzt einen Umbau des Gebäudes in eine vollkommen neue, gruppenorientierte Arbeitsumgebung vor42]. Hier soll ein neuer Lehrplan, fast könnte man ihn als Projektstudium bezeichnen, ausprobiert werden. Gleichzeitig werden Schnittstellen zur Industrie geschaffen. Besonders interessant ist allerdings der Verweis, dass diese neuen Arbeitsformen in Anlehnung an die benachbarten Architekturstudios organisiert sind, deren Arbeitsform bisher immer als Paradiesvogel im universitären Alltag galt.

Abb. 81: MIT, Stata Center von Frank Gehry als neuestes Gebäude des MIT: Neue, definierte Institutsund Arbeitsumgebung führt die Tradition architektonischer Highlights zur Identitätsstiftung und zur Festigung des innovativen Rufs der Hochschule fort. (Pressestelle MIT)

Eine weitere Besonderheit in Form einer mittleren Gliederung weist die größte untersuchte amerikanische Anlage - Harvard - auf: Die ablesbare Aufteilung in Schulen wie Law School, Divinity School oder Business School, die ihrerseits wieder in Departments und Colleges organisiert sind. Auch die anderen US-Hochschulen sind in Schools untergliedert, bei keiner anderen schien aber die Notwendigkeit zu bestehen, diese Schulen auch als Untergliederung räumlich zusammenzufassen und ablesbar zu machen. Nach Möglichkeit in eigenen Gebäuden, zumindest aber organisatorisch besteht in den USA der Wunsch, weitere Untereinheiten zusammenzufassen und zu stärken. Departments (z.B. am MIT das Department of Architecture in der School of Architecture, Planning and Media Sciences) verfügen über ein zentrales Sekretariat („Headquarter“), das sowohl Funktionen der Verwaltung des gesamten Departments wahrnimmt, als auch, durch das Fehlen eigenständiger Lehrstühle, die einzelnen Professoren bei ihrer Arbeit unterstützt. Lediglich die Gruppen und Center verfügen über kleine Sekretariate. Zu den Departments gehören die sehr sparsam dimensionierten Arbeitszimmer der Professoren. Weiter sind den Departments lediglich die direkt mit der jeweiligen Fachrichtung in Verbindung stehenden Einrichtungen zugeordnet (z.B. Labors, Ateliers, studentische Arbeitsplätze, kleine Seminar- und Besprechungsräume, Fachbibliotheken). Alle weiteren Lehrräume werden zentral verwaltet und reserviert, und liegen teilweise sehr weit von den Fachbereichen entfernt.

[42 „A building transformed for a new curriculum – The development of IIT’s new focus on interprofessional (IPRO) education within the undergraduate curriculum has created a demand for a new type of engineering workspace. Similar in function to the architecture studios of S.R. Crown Hall, the new IPRO Center will remain in the Hermann Union Building. In conjunction with the creation of a new $25 million Campus Center on State Street, the HUB will be transformed into a center for project-based, teamdriven learning. Faculty and students will utilize

Es sei noch einmal erlaubt, das Beispiel MIT für eine weitere, prägende Besonderheit amerikanischer Campusentwicklung und Finanzierungsrealität heranzuziehen: Die starke Durchmischung von Universitäts- mit privaten Forschungsinstituten und die daraus resultierenden baulichen Entwicklungen. So dehnt sich die Schule in die angrenzenden Industriegebiete aus, um aktuelle Forschungsprojekte der Industrie in unmittelbarer Nähe anzusiedeln (z.B. Plasma Science and Fusion Center, Brain and Cognitive Sciences Project, Laboratory for Computer Science). Auch diese Projekte setzen die mittlere Körnung der Bauten fort, ihre Aktualität lässt sie in ehemaligen Industriegeländen die nötige Flexibilität finden.

group workstations where the new curriculum will be realized. Industrial sponsors will work alongside IIT faculty and students in the new IPRO Center to tackle real-world problems in a highly interactive environment. The transformation of the HUB into the new IPRO Center, along with remodeling the building’s southern end for a new community and conference center, will cost an estimated $5 million.“ (masterplan.iit.edu/hub.html)

49

Gänzlich anders stellt sich die Situation bei den neueren europäischen Hochschulen dar, insbesondere in Barcelona, aber auch in Lancaster und Helsinki. Barcelona ist geprägt von Megastrukturen, die mehrere Großinstitute beherbergen. Die neueren europäischen Hochschulen sind planerisch der Spiegel der großen Nachkriegs-Initiativen für das erforderliche Angebot an höherer Ausbildung.43]

Abb. 82: UAB Barcelona, erster Bauabschnitt: Rigide funktionalistische Lernmaschine in freier Landschaft, und Großinstitute mit Binnenerschließung spiegeln die geplante Nachkriegshochschule, die mit explosionsartig ansteigenden Studierendenzahlen zurecht kommen musste. (Plan nicht genordet, Zeichnung: Matthias Wittig)

[43 „Following the Second World War, the future of

Ob Neugründungen oder Verlagerungen bestehender Institutionen wie in Helsinki, diese Anlagen wurden in einem Stück mit dem Ziel optimierter Wissensvermittlung geplant. Erscheinen dabei die Anlagen von Lancaster und Helsinki auf den ersten Blick ähnlich den amerikanischen Beispielen, so offenbaren sich bei näherer Betrachtung entscheidende Unterschiede: Lancaster, obwohl in einzelne Komplexe, sogar Colleges aufgeteilt, muss typologisch als ein Komplex gesehen werden, der an einer inneren Erschließung, der Fußgängerzone, in einem Schwung, von einem Investor, nach einem Gesamt-Masterplan und in einer „Sprache“ errichtet wurde. Besonders deutlich wird diese Analyse, wenn man sich vorstellt, wie effizient die Fußgängerzone angelegt ist. Stellt man sie sich mit einem Dach vor, so wird die gesamte Anlage zu einem in der Mitte erschlossenen Großgebäude. In Helsinki verraten besonders die Wohnsiedlung am Rande, aber auch die Großkomplexe im Zentrum der Anlage die planerische Handschrift ihrer Entstehungszeit: Zum einen lockere Verteilung in der Landschaft zur Optimierung von Licht, Luft und Sonne, zum anderen die Zusammenfassung von Institutstypen und funktionale, soziale wie wirtschaftliche Optimierung der Neubauten, wie man sie auch bei den Bauprojekten der Zeit in Harvard beobachten kann. Betrachtet man die Gebäudetypen, so erkennt man schnell deren Anlage nach funktionalen erschließungs- wie belichtungstechnischen Kriterien. Man kann diesen Neugründungen aus heutiger Sicht kritisch gegenüberstehen, sie repräsentierten jedoch damals wie, in eingeschränktem Maße auch heute noch, die Realität wie auch den Erfolg öffentlicher Ausbildungssysteme. Deren Finanzrealität ist die Erfüllung öffentlich eingeforderter Planvorgaben, dies insbesondere was die Optimierung der Ausbildung großer Zahlen von Studierenden betrifft. Die Anlagen spiegeln in einem durchaus positiven Sinne diesen Massenbetrieb sozial wie wirtschaftlich homogener Gesellschaften, sowie im übertragenen Sinne die Stabilität der namensgebenden Städte und deren Fähigkeit, Aufgaben zu übernehmen, die im amerikanischen Kontext von den Universitäten selbst organisiert werden müssen. Reaktionen auf ein verändertes Forschungsund Finanzierungsumfeld zeigen sich in der Anlagerung von Technologieparks in Barcelona und Helsinki. Hier findet eine stärkere Integration der Drittmittel- und Forschungskomponente statt, ohne aber den speziellen Ausbildungscharakter der Hochschule zu verlassen.

further and higher education became an important concern of the British government. The government faced immense problems as it tried to cope with the demands of an expanding population and the advent of a new technological age. After the war, there were only nine universities and less than 1000 full time students in the country. Between 1958 and 1961, this balance was readdressed as 7 new universities were announced; one of these was the University of Lancaster.“ (www.lancs.ac.uk/users/history/universityhistory/growth/collegesystem.htm - Origins and Growth - initial idea)

50

Die Institutsgebäude der alten europäischen Anlagen lassen sich in zwei Typen gliedern: Dies sind zum einen die Gebäude, die mit vormoderner Haltung errichtet wurden, sowie diejenigen, die später in einer den Neugründungen ähnlichen Haltung addiert wurden. Als spezieller Typ sind deswegen hier die vormodernen Gebäudeteile interessant. Sie sind bei Trinity und in Madrid als Universitätsgebäude errichtet, tragen aber eher Züge von Palastarchitektur in ihrer Monumentalität und Dekoration. In Leeds trifft dies für das Hauptensemble zu, ansonsten tritt hier durch die Integration von „normalen“ Stadtvierteln der Typus des umgenutzten Stadthauses auf. Heute sind alle diese Strukturen eigentlich nicht als Typ eines Institutsgebäudes identifizierbar. Interessanterweise trägt dies jedoch zum einen dazu bei, die alten Anlagen identifizierbar zu machen und ihnen einen eigenen Charakter zu geben. Zum anderen ist diesen Gebäuden eine gewisse Nutzungsneutralität und Zeitlosigkeit zu eigen,

einem sehr aktuellen Entwurfskriterium angesichts des radikalen Wandels in den Lehr- und Forschungskonzepten der Universitäten. War die Auffassung in der Nachkriegszeit davon geprägt, enormes Wachstum nach einheitlichen Qualitätsstandards zu bewältigen, und führten diese Anforderungen zu spezialisierten Universitätskomplexen, so lassen heutige Anforderungen nach Flexibilität und schneller Reaktion die Anlagen der alten Universitäten wieder in den Mittelpunkt rücken. Sie liegen noch dazu in der Regel nahe an oder in den Städten, den nach neusten Forschungen nach wie vor kreativsten Zonen der Wirtschaftslandschaft44]. Ihre Gebäude sind in anderen Zeiten und für andere Vorstellungen gebaut, damit heute eigentlich neutrale, nicht spezialisierte und flexible Konversionsstrukturen. Betrachtet man vor allem das Schaubild des Campus in Leeds, so wird klar, dass sich die Gebäudestrukturen dieser alten Universitäten nicht systematisieren lassen: Klein und groß, modern und vormodern, ehemalige Fabriken wie Wohngebäude sind hier durch die Gründungsgeschichte zusammengefasst. Mit heutigen Augen betrachtet entsteht dadurch interessanterweise eher ein positiver, vielfältiger und Möglichkeiten versprechender, zudem charakterbildender und stabiler Eindruck, also ein zeitgemäßer Ansatz. Bei einer noch zu leistenden Evaluation der unterschiedlichen Anlagetypen stünde hier im Vordergrund, ob geplante Anlagen, wie es unzweifelhaft die neueren europäischen, aber auch die mit einem gewissen Bild konzipierten amerikanischen sind, Vorteile gegenüber der Vielfalt von tatsächlich „zusammengewürfelten“ Anlagen bringen. Abb. 83: Harvard University: Aufteilung in Schulen,

Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Institutsanordnungen ist auch das Thema der An-Institute, der Spin-Offs, der institutionellen oder freien Verbindungen zur Wirtschaft von Interesse. Nur an zwei der untersuchten europäischen Hochschulen (Barcelona und Helsinki) lassen sich die bewusste Anlagerung von externen Instituten und forschungsorientierten Einrichtungen der Wirtschaft auf eigens dafür ausgewiesenen Campusteilen beobachten. Von den amerikanischen Universitäten verfügt nur das MIT über einen sogenannten University Park als einem von der Hochschule entwickelten Büro- und Institutsstandort.

die teilweise aus früher selbständigen Colleges hervorgegangen sind. Die Hochschule fasst Wohnen, Lehre, Gemeinschaftsgebäude und (Drittmittel-) Forschung in homogenen, wenig funktional ablesbaren Anordnungen zusammen. (map.harvard.edu/ mapindex. cfm?mapname=camb_allston)

Bei den Hochschulen in den USA besteht eine enorme Durchdringung der Lehre mit von der Wirtschaft kofinanzierter Forschung. Dies findet in der Regel in den Gebäuden und Labors der Hochschule statt. Deshalb benötigen die Hochschulen in den USA in der Regel keinen eigens ausgewiesenen Technologiepark für die Ansiedelung von Instituten der Privatwirtschaft. In der nahtlosen Integration der Einrichtungen der Wirtschaft in die Hochschulinstitute liegt, das sei noch angemerkt, auch ein Grund für die im Vergleich zu europäischen Universitäten so viel größeren Campusanlagen in den USA. Lediglich das MIT mit seinem Anspruch als Technologieführer will wohl darüber hinaus z.B. Neugründungen räumlich an den Campus binden. Die Integration von privatwirtschaftlichen Einrichtungen an den öffentlichen europäischen Institutionen stellt sich als systematisch unvereinbar dar, als Public-Privat-Partnership (PPP) zumindest als aufwändig. Die Anlagerung von Privatinstituten auf eigenständigen Campusteilen ist unkomplizierter zu realisieren. Die innerstädtischen europäischen Anlagen eignen sich allerdings nicht als typische Standorte für Firmenansiedlungen, zudem sind sie als Massenuniversitäten räumlich meist wesentlich zu knapp bemessen, um auch nur die Lehre durchführen zu können (auf dem Campus des Trinity College studierten im Jahre 1939 1.500 verglichen mit 15.000 Personen heute). Nur die neugegründeten Hochschulen verfügen über Platz und Lage, die der Ansiedelung von Technologieparks und anderen Gründungen entgegenkommt.

[44 vgl. Läpple (o.J)

51

Dabei scheint Lancaster von den drei analysierten Anlagen interessanterweise seine Marktlücke im Konferenzwesen und der weiterführenden Managementausbildung als besondere Liaison zur Wirtschaft gefunden zu haben. Bibliotheken

Abb. 84: Stich des Gründungsplans der University of Virginia at Charlottesville: Kleine, durch Arkaden zusammenhängende «Professorenhäuser», in denen Studierende und Lehrende gemeinsam Arbeiten und Wohnen, fassen ein zentrales Grün, mit nur der Bibliothek als überhöhtem, die Akademie repräsentierenden Kopfgebäude. (Lithographie 1856, University of Virginia Library. In: Turner (1984) S. 79)

Abb. 85: UC Berkeley, Doe Library von John Galen Howard: Der aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangene Entwurf von 1907 symbolisiert den Anspruch auf Weltgeltung durch eine neue Bibliothek. (Regents of the University of California, Environmental Design Archives)

Abb. 86: Universidad Autonoma des Barcelona,

Bibliotheken verkörpern die akademische Welt. Vermutlich waren sie die ersten akademischen Gebäude überhaupt, die Anfänge der Universität. Interessanterweise lassen sich hier zwar unterschiedliche Konzepte erkennen, die Unterschiede zwischen den internationalen Beispielen sind in diesem Bereich aber am geringsten. In der Wettbewerbsauslobung für die Goethe-Universität in Frankfurt ist ein Bibliothekskonzept weg von der großen Zentralbibliothek und hin zu drei immer noch sehr großen, mehrere Fachbereiche übergreifenden und in räumlicher Nähe zu diesen angeordneten Bibliotheken skizziert. Sie werden von einer zentralen Service- und Lagerbibliothek mit nur kleinen Forschungs- und Lesesaalkapazitäten verwaltet und versorgt. Diese kleineren Bibliotheken werden mit langen Öffnungszeiten auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen45] und damit die frühere Rolle der Zentralbibliothek einnehmen. Durch das neue System soll vor allem Dopplungen beim Buchbestand mit den einzelnen Fachbereichsbibliotheken vorgebeugt, die Benutzernähe und -freundlichkeit erhöht und das Anwachsen in nicht mehr handhabbare Größen verhindert werden.46] Angesichts dieses möglicherweise richtungsweisenden Umbruchs bei der Bibliotheksorganisation an den Hochschulen seien im folgenden die wichtigsten Chrakteristika der Bibliothekssysteme skizziert: US-amerikanische Hochschulen verfügen über eher dezentralisierte Systeme. So ist auch Harvard geprägt durch ein dezentralisiertes Bibliothekssystem, verfügt aber gleichzeitig mit der weltberühmten Widender Library über eine umfassende Flaggschiff-Bibliothek. Sie ist Teil der Harvard College Library, die aus 11 spezialisierten, das Flaggschiff entlastenden Bibliotheken besteht und etwa 8 Millionen der insgesamt 13,5 Millionen Bände der Hochschule verwaltet47]. Daneben verfügt die Universität über annähernd 100 weitere Bibliotheken unterschiedlichster Größe und, den Namen nach zu urteilen, unterschiedlichster Donationen. Jede einzelne Schule verfügt in der Regel über eine größere und in eigener Regie geführte Spezial-Bibliothek, was den additiven Charakter der Universität und des Bibliothekssystems unterstreicht. Diese Fülle ist wohl Ergebnis mehr oder weniger zufälliger Schenkungen und des langsamen Wachsens der Universität. Als Netzwerk verschiedener Standorte verwaltet Nachbar MIT seine 2,6 Millionen Bücher: die MIT Libraries betreiben fünf thematische Bibliotheken, fünf Spezialbibliotheken sowie das Hochschularchiv. Daneben existieren einige Dutzend kleinere unabhängige Bibliotheken. Eine Zentralbibliothek fehlt, einziges als Bibliothek erkennbares Gebäude ist Hayden Library, die zwei der Themenbibliotheken beherbergt. Zwar besetzt eine Bibliothek den zentralen Dome der Hauptanlage, offensichtlich verhinderten aber organisatorische Gründe des dezentralen Bibliotheksnetzes die Ausprägung einer Flaggschiffbibliothek an dieser Stelle.

Neubau Media-Bibliothek: Einführung der Tradition der auffallenden und die Universität verkörpernden Bibliotheksbauten. (UAB Servei de Publicacions)

[45 In Frankfurt sind die Stadt- und die Universitätsbibliothek zusammengefasst

[46 vgl. Land Hessen (2002)

52

Ähnlich homogen hat Princeton seine 19 thematischen Fachbibliotheken mit 6 Millionen Bänden verteilt und organisiert, mit dem Unterschied, dass mit Firestone Library wiederum ein riesiges Flaggschiff für Humanities and General Books dominiert. Berkeley scheint eher auf Zentralisierung des Systems zu setzen und schafft derzeit mit der Zusammenlegung von Doe und Moffit zu einem unterirdisch verbundenen Gebäudekomplex in der Campusmitte

eine dominierende Zentralbibliothek für Kunst, Geistes- und Sozialwissenschaften Internationale Studien im Netz der Campusbibliotheken. Am übersichtlichsten und europäischen Verhältnissen ähnlichsten ist die Situation am IIT: neben einem 1962 gebauten Bibliotheksgebäude, der Galvin Library, existiert auf dem Hauptcampus nur Auslagerung in Form einer Spezialsammlung für Architektur.

und den neu eine

Im Gegensatz zu den natürlich gewachsenen Bibliotheksorganisationen amerikanischer Anlagen können an den neugegründeten europäischen Universitäten verschiedene Planungskonzepte studiert werden. Seinen Charakter als ein zusammenhängender Komplex, als ein Gebäude, bestätigt Lancaster durch seine eine zentrale Bibliothek mit eigenem Gebäude im Zentrum der Anlage. Es existieren mit einer Ausnahme48] keine Auslagerungen oder Spezialbibliotheken. Das Wachstum des Bestandes wurde durch einen 1997 fertiggestellten Erweiterungsbau an der 30 Jahre älteren Mutter untergebracht. Genau das gegenteilige Konzept findet sich bei der UAB. Hier besteht die Bibliothek aus sieben Teilbibliotheken ganz ähnlicher Größe, von denen fünf den entsprechenden Fachbereichen zugeordnet sind; die Bibliothek für Geisteswissenschaften findet fachgebietsübergreifend in einem eigenen kleinen Gebäude Platz. Erwähnenswert ist ein recht spektakulärer, wenngleich bescheiden großer Neubau für eine Bibliothek und Mediathek für Kommunikation.

Abb. 87: Harvard University Widener Library: Mutter aller Flaggschiff-Bibliotheken mit 3,2 Mio Bänden. (Harvard Office of News and Public Affairs)

In Helsinki verfügt als Prinzip jedes Department über seine eigene Bibliothek, es gibt nur ein vergleichsweise bescheidenes zentrales Gebäude in Form der Nationalbibliothek für technologisches Quellenmaterial als zusammenfassende Institution für die technischen Studiengänge, sowie eine gemeinsame Organisation und einen gemeinsamen Katalog. Die Bibliotheken sind dabei als wichtige Funktionen direkt den Fachbereichsbüros zugeordnet. Diese dezentrale Anlage bestätigt auch hier konsequent den städtebaulichen Charakter der Universität als locker in einen Wald eingestreutes Dorf, aus dessen einzelnen Häusern man, gar im Winter, so wenig wie möglich herausgehen möchte. Abb. 88: Trinity College Dublin, Long Room, Old Library:

Die alte Ciudad Universitaria verfügt erwartungsgemäß über ein dezentrales Bibliothekssystem. Ein eigenes als solches erkennbares Bibliotheksgebäude fehlt. Bemerkenswert ist ein Vergleich der Buchbestände: die 130.000 Studierenden der UCM in Madrid kommen mit 2 Millionen Bänden in ihrem Bibliothekssystem aus, während den 18.000 Studierenden in Harvard 13,5 Millionen Bände zur Verfügung stehen; bei einem solchen Zahlenverhältnis ist es eigentlich kein Wunder, dass sich auf dem Campus der UCM kein eigenes und herausstechendes Bibliotheksgebäude findet.

Einer der bedeutendsten Räume der Weltarchitektur verkörpert das akademische Zeitalter. (Brendan J. Dempsey / TCD Audio Visual and Media Services)

[47 zum Vergleich: die Boston Public Library verfügt über 6 Millionen, die seit 1.1.2005 zusammengelegte Universitätsbibliothek Frankfurt am Main über 7 Millionen Bände (www.bpl.org/guides/history.htm,

Die extrem verdichtete Anlage in Dublin hingegen wartet konsequenterweise mit einem auf einen Ort der Anlage zentralisierten Konzept auf. Herzstück ist die berühmte Old Library aus dem Jahr 1712. Gleich südlich davon wurden 1967, 1978 und 2003 Erweiterungen für den wachsenden Bestand angeschlossen. Bis auf zwei kleinere Institutsbibliotheken nimmt dieser Komplex den gesamten Bestand von 4 Millionen Bänden auf.

www.ub.uni-frankfurt.de/jahresbericht/jahresbericht.html)

[48 Die kuriose Ausnahme ist eine winzige Spezialbibliothek mit 8 Arbeitsplätzen und kleiner Gallerie, die sich thematisch ausschließlich mit dem Lebenswerk John Ruskins befasst. Trotz ihrer Kleinheit liegt

„The Library“ in Leeds verfügt mit Brotherton Library über ein Flaggschiff, das auch symbolisch das Außenbild der Universität prägt. Diese Bibliothek für Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften wird entlastet durch einen weiteren, freistehenden, größeren Bibliotheksneubau, die Boyle Library für Natur- und Ingenieurwissenschaften, sowie einige größere und

sie am Eingang des Campus in prominentester Lage und ist als ellipsenförmiger Baukörper aus einer anderen Zeit als der Gründungsphase stammend nahezu das Merkzeichen des Campus.

53

kleinere ausgelagerte Standorte. Der Leeds-Typus ist damit, insbesondere im Unterschied zu Dublin, eine den amerikanischen Konzepten ähnelnde Hybridbibliothek, die zwar über ein Flaggschiff, aber nicht über eine Zentralbibliothek verfügt, und damit die symbolische Bibliothek mit spezialisierten und nicht unbedingt untergeordneten Satelliten kombiniert.

Abb. 89: Princeton University, Graduate College, Aufenthaltsraum: Nicht die einzelnen Zimmer, die nach eigener Erfahrung häufig schäbig sind, sondern die gemeinschaftlichen Räume und Aktivitäten machen das College-Konzept aus. (mw)

Grundlegender Unterschied zwischen amerikanischen und europäischen Bibliotheken bleibt die durch Sponsoren, Schenkungen, sowie eher inkrementalistische Planungsrealität stärkere Zersplitterung und Spezialisierung an den US-Hochschulen, der eine geplantere Situation in Europa gegenübersteht. Mit Ausnahme von Harvard verfügen alle Hochschulen über zentralisierte Systeme, es finden sich jedoch innerhalb dieser Systeme alle denkbaren Varianten, von vollkommener Aufgliederung in gleichwertige Spezialbibliotheken (Barcelona) bis hin zu Stärkung eines zentralen Standortes (Dublin, Berkeley). Das in Frankfurt ausgelobte System mit drei gleichwertigen Teilbibliotheken ergänzt durch eine zentrale Service-Bibliothek ohne großen Publikumsverkehr findet sich in den untersuchten Beispielen nicht. Wohnen

[49 „By the fifteenth century (...) universitas has come to signify a place of higher learning, an institution, (...). The term college, stemming from the Latin collegium (...) retained a more social connotation. (...). Unlike the university, the colleges governed student life beyond instruction: they attempted to manage a stundent’s full development. (...) From that beginning (...), American higher education was concerned not only with the training of minds but also with the molding of character, and the „Collegiate Way of Living“, with its common residence, structured community life, intellectual exchange,

Im Zusammenhang mit dem Begriff Wohnen sei hier noch einmal die Bedeutung des Begriffs „College“ erläutert49]. Der Geist des gemeinsamen Lernens, Lebens und Arbeitens galt für die mittelalterlichen europäischen Colleges in England und Frankreich wie für die Neugründungen Ende des 17. Jahrhunderts in den USA. Das heutige System der Universität, in die Colleges als Untereinheiten eingeschrieben sind, wurde erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch Harvard und Yale theoretisiert und verbreitet. Es sollte dazu dienen, die überschaubare Lebens- und Lerneinheit der kleinen Hochschulen auch dann zu erhalten, wenn sie zu umfassenden Universitäten anwuchsen. Dieser Wunsch nach Überschaubarkeit prägt die amerikanischen Hochschulen seither, lediglich in kurzen Phasen unterbrochen, wie etwa während der stärker funktionalistischen Ansätze der Moderne.

and spiritual purpose and practices, was the path to those complementary goals.“ (Ryan (2001) S. 47ff)

[50 „Beginning in the fall of 2002 all unmarried firstyear students live within one of the Institutes residence halls (...)“ (web.mit.edu/facts/housing.html)

[51 Mit den deutschen Verbindungen vergleichbar [52 „All first and second year students at Princeton live and dine in one of five residential colleges. Each college consists of a cluster of dorms, housing bet-

Das Wohnen ist in den USA wesentlicher Bestandteil der College-Idee und Struktur der Universitäten, selbst bei den urbaneren, vergleichweise jungen und liberalen Technologie-Instituten wie etwa dem MIT50]. Besonders für die jungen Studierenden in den USA kann es damit als Pflicht und Teil der Bildung gesehen werden, auf dem Campus zu wohnen. Campuswohnen unterstreicht didaktisch den Gemeinschaftscharakter und die Einbettung in gemeinsame Ziele. Städtebaulich macht es entscheidend das Bild des „academical village“ sowie die Vision der Idealstadt aus, in der Lehrende und Lernende in autarker Umgebung zusammen leben und arbeiten.

ween 450 and 500 students, and a dining hall. The colleges have libraries and study spaces, game rooms, seminar rooms, coffee houses, theaters and computer clusters. A senior faculty member serves as master of each college. Each college also has a staff that includes a dean and a director of studies responsible for academic advising, and juniors and seniors who serve as resident advisers and minority affairs advisers.“ (www.princeton. edu/main/ campuslife/housingdining/colleges)

54

Als Beispiel soll hier Princeton dienen: Princeton plante schon 1906 die Einführung von Residential Colleges, dies scheiterte jedoch am Widerstand der vielen „Clubs“51] auf dem Campus. Erst 1978 gelang es, diese Clubs zu den heute vorhandenen fünf Colleges zusammenzufassen. Trotzdem oder gerade deshalb sind in Princeton die Colleges heute das bestimmende System und ist Princeton der Vorreiter dieses Modells.52] Das College ist sehr viel mehr als ein Wohnheim, es bietet Ersatz für die Familie, es bietet Versorgung, schafft einen geregelten Tagesablauf, bietet akademische Betreuung und seine soziale Gemeinschaft ersetzt die Freunde aus der Schulzeit. Das Wohnen in einem Wohnheim wird schlicht als integraler Bestandteil der Bildung für Undergraduates angesehen.

Die fünf Colleges in Princeton sind, auch durch ihre additive Entstehungsgeschichte bedingt, selbst wie kleine Campus-Anlagen mit ihren aus verschiedenen Zeiten stammenden Wohnhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen strukturiert. So besteht Butler College aus Wohnund Clubhäusern aus der Zeit zurück bis 1915, zentralen Einrichtungen und der erst in den Achziger Jahren erbauten Wu Hall, dem Zentrum der Anlage mit Speisesälen, Unterrichtsund Gemeinschaftsräumen53]. Entsprechend verfügen die Colleges neben dem Verwalter über einen Dekan, einen Studiendirektor, sowie eine Zahl von Tutoren und älteren Studierenden, die die Jüngeren in allen Fragen betreuen und bei der Organisation des Alltags unterstützen. Die Angebote der Universität sind, obwohl räumlich direkt angrenzend, als „außerhalb“ der engen Gemeinschaften dieser Colleges zu sehen. Obwohl im strengen Sinne nicht selbstorganisiert, bieten die Colleges ihren Studierenden eine Vielzahl von Positionen an, mit denen sie ihre Pflichten erfüllen und in ihrem erfolgreichen Lebenslauf soziale, Communityund Leadership-Aktivitäten nachweisen können. Für Graduate-Studierende steht in Princeton das Graduate College bereit, das 1913 noch als eigenständige Schule entstanden ist, also nach alter Tradition und vor der Einführung des Systems von Wohn-Colleges innerhalb einer Universität. Heute dürfte vor allem die abgelegene Lage und das fehlende Wohnungsangebot im Städtchen Princeton die Notwendigkeit der Einrichtung begründen. In dieser Anlage drückt sich der Spagat zwischen Gemeinschaftsanspruch und steigender Selbstständigkeit der Älteren plakativ aus: Als einziger Teil von Princeton liegt dieses College vor den Toren des Campus in landschaftlicher Alleinlage und drückt durch seine burgartige Anlage und gotisierende Architektur die Vorstellung der Autarkie deutlich aus. Innerhalb des Komplexes ist vom Essensangebot über Einrichtungen zum „Sozialisieren“ bis hin zu Studien- und Sportmöglichkeiten alles geboten. Durch das Nachkriegswachstum der Universitäten wurde 1963 ein New Graduate College im Bauhaus-Stil in unmittelbarer Nähe zum alten Komplex errichtet. Für Studierende mit Familie sind mit den Butler Apartments sowie den Lawrence Apartments als normale Wohnungen konzipierte Angebote zwar in direkter Nähe aber außerhalb des Campus angeordnet. Die Bauweise der ersten Colleges in Harvard ist ein markantes Hufeisen, das einen gemeinsamen Hof bildet und sich zum Fluss hin öffnet. Die geschlossene Bauweise der Colleges aus dieser Zeit ist bekannt unter dem Namen „Quadrangle“ und hat sich bis heute erhalten. Mit etwa 250 Studierenden sind diese Colleges innerhalb der Universität deutlich kleiner als die jüngeren Gründungen in Princeton. Besonderheit ist die Anordnung am Fluss, die Studierende im zweiten bis vierten Studienjahr deutlich von den „Frischlingen“ trennt. Hier begann die Entwicklungsgeschichte eines eigenen studentischen Stadtteils in Cambridge, die sogenannten River Houses. Die Bildung von Colleges setzte und setzt sich auch heute noch weiter fort. Als Beispiel mag hier Pforzheimer House gelten, das aus einzelnen Wohngebäuden des ehemaligen Radcliffe College entstand. Es bedurfte einer Brückenverbindung zwischen den Häusern und einer Erweiterung von 250 auf 350 Studierende, um den kulturellen wie sportlichen Aktivitäten das notwendige Momentum zu geben.54] Mit The Harvard Graduate Center besitzt die Schule eine Interpretation der College-Idee für die reiferen Graduates, wie auch des Quadrangles, im Bauhaus-Stil von Gropius. Obwohl mit gemeinsamen Räumen wie einem Speisesaal ausgestattet, formen die Gebäude zweideutige, unregelmäßige Innenräume, die teilweise nur von einer Pergola begrenzt sind, und versuchen damit eine Dynamisierung der Ursprungsidee. Im Vergleich mit den im Gregorianischen Stil errichteten ersten Colleges

Abb. 90: Princeton University, Butler College: Colleges in Princeton wurden seit 1978 aus selbstständigen Wohnhäusern zusammengesetzt und durch ein Zentralgebäude ergänzt, hier Wu Hall. (web.princeton.edu/sites/butlercollege/about_butler/a boutbutler.shtml).

Abb. 91: Princeton University, Butler College, Wu Hall von Venturi Rauch and Scott Brown: Weiteres Beispiel für Collegearchitektur mit Weltgeltung, hier als postmodernes Statement von Princeton und als Versuch der Weiterführung seiner gebauten Tradition mit modernen Mitteln. (mw)

[53 „The college provides decentralized academic advising and a setting for intellectual exchanges, as well as extensive social and cultural activities.“ (web.princeton.edu/sites/butlercollege/about_butler/aboutbutler.html)

[54 siehe: www.hcs.harvard.edu/~pfoho/house/about.htm)

55

Abb. 92: Harvard University, Peabody Terrace von

erscheint es nahezu unglaublich, dass zwischen den Entstehungsjahren der Bauten weniger als 20 Jahre liegen. 1963 folgt mit Peabody Terrace von Sert eine vollkommen freie Interpretation des College-Themas als ein in sich abgeschlossener Wohnungskomplex aus Zeilen- und Hochhäusern mit ca. 450 Einheiten, der in guter Lage und auf Kosten eines Teils einer traditionellen Nachbarschaft errichtet wurde und noch heute durch innovative Wohngrundrisse hervorsticht. Aber auch an Harvard wird das Konzept des College-Systems für ältere Studierende nicht forciert. Die Universität besitzt in Cambridge über 2500 Apartments, die bevorzugt an Universitätsangehörige und ältere Studierende vergeben werden.55]

Sert, Jackson, Gourley, 1964: Wohnheime für verheiratete Studierende als Fortsetzung der River Houses, stilistisch Teil eines kurzen Ausflugs der Hochschule in die Moderne. (Harvard University News Office. In: Turner (1984) S. 273)

Abb. 93: Harvard University, River Houses: Die Wohnheime der Hochschule besetzen das Flussufer und dehnen sich weiter aus; südlich anschliessend Peabody Terrace. (President and Fellows of Harvard College)

Abb. 94: MIT, Baker House von Alvar Aalto: Wohnheime von architektonischen Weltruf unterstreichen die Bedeutung des (gemeinsamen) Wohnens besonders für Undergrads. (Reed (1998) S.190)

[55 Alle diese Wohnungen liegen weniger als eine Meile von der Universität entfernt. (www.hpre.har-

MIT, IIT und UC Berkeley sind Universitäten, die nicht dem Modell des Residential College gefolgt sind. Dass es genau diese Schulen sind, zwei Technologie-Institute und eine als sehr liberal (im amerikanischen Sinne des Wortes: links) geltende staatliche Schule, unterstreicht, dass dem Modell durchaus Kritik entgegengebracht wird. Zwar sind an allen drei Schulen Wohnheimbauprogramme aufgelegt worden und wird am MIT und IIT die Komponente des Wohnens auf dem Campus für Undergraduates strikt forciert, dennoch scheinen diese neuen Anlagen trotz Räumen für gemeinschaftliche Aktivitäten und Speisesälen von der engen Gemeinschaft und charakterlichen Erziehung der Residential Colleges weit entfernt zu sein. Nur am Rand des Campus verfügt die UC Berkeley über einige Wohnheime. Der größte Teil des Wohnens befindet sich außerhalb des Geländes, das University Village für Studierende mit Familien liegt mit drei Meilen am weitesten entfernt. Schon fast aggressiv in der Namensgebung wie in der Gestaltung setzt die UC Berkeley drei Komplexe mit weit über der Hälfte der Wohnheimplätze von der College-Idee ab: Sie heißen schlicht Unit 1, 2, 3 und sind als Hochhausgruppen südlich des Campus in der Stadtstruktur untergebracht. Zwar werden sie im Moment mit niedrigen Wohngebäuden nachverdichtet und die Gemeinschaftsräume verbessert, sie werden jedoch nicht als Colleges strukturiert. Obwohl einige Anlagen in Berkeley über eigene Speisesäle verfügen, betont ein sogenannter Meal Plan die Möglichkeit für alle Studierenden, nach freier Wahl in allen Restaurants und Speisesälen auf dem Campus essen zu können. Das MIT bietet eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Wohnmöglichkeiten besonders für junge Studierende an56]. Die Wohnmöglichkeiten sind also bis zu einem gewissen Grad nach unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten, aber auch nach dem Alter ihrer Studierenden und nach Regeln und Gewohnheiten differenziert. So beherbergt das New House fünf ethnische Wohngemeinschaften mit einem recht engen Gemeinschaftsleben, zum Beispiel „Chocolate City“ als eine Gemeinschaft, die in einer „Vanilla Villa World“ die afrikanisch-amerikanische Kultur bewahren will. Die Wohnheime für die Undergraduates sind zum größten Teil auf der westlichen Hälfte und damit am Rande der Sportfelder, neben den Kultureinrichtungen und dem Studentencenter, sowie in direkter Nähe zu einigen Wohneinrichtungen für Graduates und Studierende mit Familien angeordnet und bilden mit diesen hier durchaus eine eigene kleine Welt.

vard.edu/rre/faculty/index.html)

[56 „Whether a student chooses to live in one of MIT’s 11 undergraduate residence halls or 5 cultural houses, there’s a diversity of lifestyles and cultures within the residence system that reflects that of our student body.“ (web.mit.edu/housing/undergrad/index.html)

56

Zwar existieren am MIT keine Colleges, allerdings ähnelt die Struktur der Wohnanlagen dem Collegegedanken. So werden maximale Wohnheimgrößen von 350 Bewohnern nicht überschritten. Nicht umsonst sind die beiden architektonischen Meisterstücke der Wohnmöglichkeiten auf dem Campus des MIT Wohnheime für Undergraduates, zum einen Alvar Aaltos Baker House mit 318 Betten, und zum anderen die gerade eröffnete Simmons Hall von

Steven Holl mit 346 Betten57]. Die Organisation mit Ein- und Mehrbettzimmern (bei der gerade eröffneten Simmons Hall nur noch Ein- und Zweibettzimmer), angeordnet an Fluren mit gemeinsamen Studierzimmern und „Social Lounges“, und das Erdgeschoss mit gemeinsamen Speise- und Veranstaltungssälen und Serviceeinrichtungen kann als typisch gelten. Sie unterstreichen, wie wichtig qualitativ hochwertige Wohnangebote auf dem Campus sowohl für die Hochschule und ihren Ruf, als auch für die Studierenden und Eltern in offenkundig wieder zunehmendem Maße sind. Einige der Anlagen, darunter die neueste, verfügen über eigene Speisesäle und betrachten das gemeinsame Essen als eine soziale und durch eine Zwangsabgabe zu fördernde Aktivität.58] Angesichts der extravagant anti-klassischen und modischen Architektur, die nach Angaben von Studierenden allerdings von den Bewohnern nicht gerade begeistert aufgenommen wird59], scheint hier ein spannendes Experiment in der Auseinandersetzung mit der College-Idee zu beobachten zu sein.

Abb. 95: Simmons Hall von Steven Holl (2003): Eigenständiger, nicht zur Nachbarschaft in Beziehung stehender Baukörper mit von innen zugänglichen

In moderner Manier ist das Wohnheimangebot am IIT östlich von State Street und der Hochbahn übersichtlich und sauber von den Instituten getrennt. Auch innerhalb des Wohnquartiers setzt sich diese saubere Ablesbarkeit in der Architektursprache fort: Die Graduates sind in vier freistehenden Hochhäusern untergebracht, die Undergraduates in einer flacheren, zusammenhängenden Gebäudestruktur mit gestalteten Freiräumen, die sieben anerkannten Sororities und Fraternities sauber um einen gemeinsamen Innenhof aufgereiht. In dieses Schema passt auch der Neubau von Häusern für Professoren und Angestellte (Michigan Plaza), einen Block östlich des Campus. Interessanterweise aber – auch hier nur als Schritt in die Richtung der College-Qualitäten zu verstehen – rief der Masterplan von 1996 nach neuen Wohnmöglichkeiten für Undergraduates mit größerer Nähe zu den akademischen Institutionen, umgesetzt durch das New State Street Village von Helmut Jahn zwischen Bahn und State Street. Zusammen mit dem neuen Campus-Center kann hier, ähnlich wie am MIT, der Versuch gesehen werden, die studentische Campus-Gemeinschaft stärker zu fokussieren und zusammenzuhalten.

Serviceeinrichtungen im EG und in den oberen Geschossen ausgehöhlten Gemeinschaftslounges und Dachterrassen. (mw)

[57 Sowohl die neue Simmons Hall mit ihrer vom Boden fast abgehobenen Eigenständigkeit, als auch Aaltos Baker House mit seinen inneren Wohnkorridoren und Gemeinschaftsflächen sind gute Beispiele für die selbst am MIT autistische eigene Welt der Wohnheime und ihrer Gemeinschaften.

[58 „Special Note: At Simmons having dinner together will be an important part of the community. Specifics are still in development but all residents will pay a dining hall subsidy.“ (www.mit.edu/housing/undergrad/simmons.html)

[59 Gespräch mit MIT-Undergrad-Studentin Kelly

Von den europäischen Universitäten kommt die Anlage in Lancaster den amerikanischen am nächsten, da sie offensichtlich als einzige englische Neugründung nach dem Collegiate System organisiert ist. Sie weist sechs fachgebietsübergreifende Wohn-Colleges auf, die die Sozialisierung der Studierenden verbessern sollen, aber dennoch von ihrer Struktur her eher deutschen Wohnheimen als amerikanischen Colleges entsprechen. So fehlen in der Regel gemeinsame College-Speisesäle sowie Lehr- und Betreuungsangebote. Die Entscheidung für Colleges sollte hier der einseitigen Orientierung auf einzelne Fächer, also dem Fachidiotentum, sowie der Sozialisierung nur mit den Studierenden des gleichen Faches vorbeugen.60] Die Colleges in Lancaster sind wesentlich größer als die Gemeinschaften in den USA, ihr Anspruch ist weit weniger umfassend61]. Die gemeinschaftlichen Angebote sind technischer Art (Waschmaschinen, Bügeleisen), allerdings existiert z.B. in Bowland College mit dem Junior Common Room ein Treffpunkt mit Spielmöglichkeiten, vor allem aber eine voll lizensierte Bar mit eigenem Wirt. Deren Warnhinweise gegen erste Zeichen von Alkoholismus bei Jugendlichen, Maßangaben für sicheres Trinken62] sowie Regeln gegen Handgreiflichkeiten deuten auf ein rauheres Gemeinschaftsklima und einen anderen Geist hin, als ihn die elitären Gemeinschaften in Princeton und Harvard zu pflegen scheinen. Das existierende Tutorensystem dient dazu, den neuen Studierenden einen schon erfahreneren zur Seite zu stellen, um sich schneller zurecht zu finden.

Zimmerman (August 2003)

[60 „Lancaster University is based upon a collegiate system and is one of only six collegiate universities in the country. (...) It was commented in the 1964 Lancaster Guardian (...) that large universities with big numbers of staff and students were more likely to break up their social life into smaller groups, which in the absence of colleges, would tend to centre around faculties or departments. In terms of socialisation, it was undesirable for off duty students to mix with those studying the same subject.“ (www.lancs.ac.uk/users/ history/universityhistory/growth/collegesystem.htm)

[61 „Most colleges have about eight or nine hundred members and all on-campus accommodation is located within the colleges which makes it easy to get to know people and gives a sense of belonging to a supportive community.“ (www.lancs.ac.uk/colleges/colleges.htm)

57

Abb. 96: Lancaster University (vor Erweiterung), Analyse Wohnen: Wohncolleges als geschlossene Anlagen, angebunden über den gemeinsamen mittleren „Spine“. Links Universitätshotel, unten Beginn der

Betrachtet man die Anlage und Architektur der Colleges in Lancaster, so verblüfft die Normalität der Wohnbauten und des Abstandsgrüns in der Sprache der Sechziger und Siebziger, vor allem im Vergleich zu der bedeutungsgeladenen Sprache der amerikanischen Schwestern wie auch der neueren amerikanischen Wohnheime an MIT und IIT. Nichtsdestotrotz frappant bleibt bei der Betrachtung der Funktionsverteilungen auf dem Campus die überraschend große Fläche, die die Wohn-Colleges, vor allem im Vergleich zu den Instituten, einnehmen. Mit den aufsummierten ca. 7.000 Betten finden immerhin etwa die Hälfte der Studierenden auf dem Campus einen Platz, eine Zahl, die von den anderen untersuchten neugegründeten Hochschulen nicht annähernd erreicht wird. Im Moment findet im Südosten des Kerncampus zudem gerade eine Erweiterung um mehrere neue Wohn-Colleges, insbesondere für Graduate Students, statt, die darauf hindeutet, dass das Angebot eines Wohnplatzes im Konkurrenzkampf auch der europäischen Hochschulen eine immer wichtigere Rolle spielt.

Erweiterung des Wohnens für Graduate Students. (Zeichnung mwas)

Abb. 97: Helsinki University of Technology, Analyse Wohnen: Lockere Anordnung der Wohnzeilen in landschaftlich reizvoller Lage und als eigene Siedlung. (Zeichnung mwas)

Abb. 98: UAB, Analyse Wohnen: Wohnen als konzentrierte Großanlage mit Hotel abseits der Institute. (Zeichnung mwas)

58

Sehr unterschiedlich und sehr skandinavisch gestalten sich die Wohnqualitäten in Helsinki. Locker gestreut, aber auf ein klares Wohngebiet beschränkt, bedecken hier 1.400 Wohnungen ohne besondere Anpassungen oder Organisationsformen eine Fläche etwas größer als der gesamte Campus in Lancaster. Alle am Ufer der Universitätshalbinsel gelegen, bieten sie traumhafte Blicke und Naturbezug. Der Anspruch, auch nur einen signifikanten Teil der 15.000 Studierenden hier zu beherbergen, kann bei der geringen Zahl von Wohnungen selbst angesichts der großen Entfernung nach Helsinki nie bestanden haben. An der UAB in Barcelona ist dieses Verhältnis noch deutlicher. Hier stehen für die 45.000 Studierenden lediglich 2.000 Betten zur Verfügung. Das eigenständige Wohndorf liegt auch hier als grober Unterschied zu den US-amerikanischen Anlagen, obwohl auf dem Campusgelände, von den Institutskomplexen deutlich abgerückt. Die zentrale Placa Civica mit ihren Versorgungs- und Gemeinschaftsangeboten verbindet beide Teile. Die Wohnbauten haben die Form einer zweizeiligen Großstruktur mit zwischenliegenden Grünflächen und einem separat ausgebildeten Kopfbau, vermutlich mit Sonderwohnungen. Die Struktur kommt ohne erkennbare Zäsuren und Gliederungen aus, die auf gemeinschaftliche Einrichtungen oder Aktivitäten schließen lassen könnten, und vollzieht damit reguläre Wohnstrukturen nach. Anstelle weiterer Wohnangebote binden mehrere Dutzend Buslinien, zwei Eisenbahnsysteme und eine Autobahn das Gelände an die Stadt an. Es scheint also, selbst bei der hier möglichen Ideal-Planung, eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein, den Campus lediglich als Arbeitsort zu betrachten. Nicht überraschend weist Trinity ein nur geringes Wohnraumangebot auf dem Campus auf. Das zentrale Gelände verfügt über drei in die palastartige Anlage integrierte Wohngebäude, zwei weitere grenzen im Süden und Osten, dem Blocksystem der Anlage folgend, an. Erst neuerdings finden sich im Osten des Campus und über eine Brücke verbunden neu gebaute Wohnungen in einem Teil eines benachbarten Stadtblocks. Ein größeres Bauprogramm hat Ende 2003 die Zahl der Betten in Trinity Hall, dem hauptsächlichen Wohnstandort für Studentenwohnungen, etwa vier Kilometer südlich des Hauptcampus gelegen, von 170 auf jetzt etwa 1.000 erhöht. Sowohl die Ermutigung für Erstsemester, dort bevorzugt behandelt zu werden und mit dem Common Room und anderen Einrichtungen eine auf Gemeinschaft orientierte Infrastruktur vorzufinden, als auch der Umfang des Bauprogramms lassen auch hier darauf schließen, dass eine ausreichende

Anzahl von Wohnplätzen vor allem für junge Studierende mehr und mehr zu einem Auswahlkriterium für eine Hochschule werden. Auch Leeds verfügt, wie bei der innerstädtischen Lage des Campus kaum anders zu erwarten, nur über ein größeres und einige kleinere Wohnhäuser auf dem Hauptcampus; lediglich 500 Studierende finden hier Platz. Alle Häuser auf dem Campus wie auch einige der in der Stadt verteilten Heime bieten Vollverpflegung an. Die Mehrzahl der Wohnheimplätze aber liegt in sogenannten „self-catered“ Häusern mit eigenen Küchen. Insgesamt bietet die Universität etwa zwei Dutzend Wohnheime ganz unterschiedlicher Größen, Lagen, Stile und Alter über die gesamte Stadt verstreut an. Offenkundig hat man bei Gelegenheit Häuser zugekauft oder überschrieben bekommen. Ein Schwerpunkt der angebotenen Wohnheimplätze scheint dabei in einer halb-ländlichen Umgebung nahe den Universitäts-Sportplätzen etwa vier Meilen außerhalb des Campus zu liegen. Die Universität bietet einen sehr leistungsfähigen Zimmervermittlungsservice mit standardisierten Verfahren und Qualitätskriterien, der im Jahr knapp 20.000 Betten vermittelt63].

Abb. 99: Ciudad Universitaria Madrid, Analyse Wohnen: Anordung des Wohnens am Rand und im Über-

Madrid schließlich wartet mit einem nicht unerheblichen Volumen von Wohnungen, ausnahmslos am Rande der Ciudad gelegen, auf, das in der Form von Geschosswohnungsbau in verschiedensten Stilen errichtet wurde. Ein Wohngebiet erstreckt sich dabei in einem grünen Streifen am Südrand des Campus, angrenzend an den Westpark, ein anderes kleinteiligeres Wohngebiet ist am Übergang in die Stadt am nordöstlichen Campusrand zusammengefasst. Besonders auffallend sind die Professorenwohnungen im Südosten des Campus, die als Großwohnanlagen mit Überhöhe ausgebildet zu sein scheinen. Trotz ihrer nicht übersehbaren Ausdehnung dürften jedoch auch hier die Wohnungen im Vergleich zu geschätzten bis zu 150.000 Studierenden nur einen Bruchteil des Wohnbedarfes decken. Bis auf Lancaster, dem Musterfall des europäischen College-Systems, bestätigen alle anderen Beispiele die Regel, unabhängig von der Entfernung zu den Kernstädten, den Wohnraum für die Mehrzahl der Studierenden dort zu decken. Bei den US-Hochschulen muss in diesem Zusammenhang auf eine Differenzierung hingewiesen werden: Alle Betonung des „OnCampus“-Lebens spricht hier die Undergraduates an, die nach einer nur 12-jährigen Schulausbildung häufig sehr weit vom Elternhaus entfernt ihre Studien beginnen. Besonders bei den betrachteten, sehr bekannten Hochschulen dürfte dies die Regel sein, da sie nicht nach räumlicher Nähe, sondern nach „Ranking“ ausgewählt werden. Für diese sehr jungen, talentierten und vor allem in der städtischen Umgebung bisweilen sehr unerfahrenen Kunden und ihre Eltern eine sichere, neue Heimat zur Verfügung zu stellen, ist natürlich ein entscheidendes Qualitätskriterium. Bei den älteren Studierenden ist auch in den USA, zumindest in städtischen Umgebungen, die Suche nach den eigenen vier Wänden sehr weit verbreitet.

gang zur Stadt, einzelne Wohnheime. (Zeichnung mwas)

[62 „As you can see, the odd drink now and then is not a problem, or an infrequent heavy session. What is dangerous is either frequent heavy drinking or per-

Die untersuchten europäischen Anlagen bieten in der Regel deutlich mehr Unterkunftsplätze an, als auf den Kerngebieten zu finden sind. Obwohl Nähe zum Campus natürlich ein wichtiges Kriterium für den täglichen Weg ist, sind die Wohnmöglichkeiten in der Regel in der Stadt verteilt. Wichtig ist die Versorgung mit Wohnraum in attraktiven Stadtvierteln und zu günstigen Preisen. Sich als Student ein Zimmer, einen Wohngemeinschaftsplatz oder eine Wohnung in der Stadt zu nehmen, ist eine Selbstverständlichkeit und wird, im Unterschied zu den USA, nicht als unsicher betrachtet. Selbst in einer Stadt mit Wohnraummangel wie

sistent drinking.“ (www.lancs.ac.uk/users/bowland/ html/college-bar.html)

[63 Der universitätseigene gemeinnützige Service UNIPOL vermittelt Wohnungen, Wohnheimplätze und Privatunterkünfte. (www.leeds.ac.accommodation/ prospective:_students.htm)

59

Frankfurt weist deshalb die Auslobung für einen neuen Hochschulstandort nur eine vernachlässigbare Zahl von Studierendenwohnungen aus64]. Damit verzahnt sich die Universität und das studentische Leben intensiv mit den Städten, gleichzeitig genießen die Campus-Anlagen nicht die Eigenständigkeit, Bedeutung und den Einfluss ihrer amerikanischen Schwestern.

Abb. 100: IIT, Chicago, State Street Village von Helmut Jahn (2003): Erstes neues Studierendenwohnheim seit mehreren Jahrzehnten auf dem Campus, zeichenhafte Architektur für den Neuaufbruch, Steigerung der Wohn-

Natürlich könnten Modelle sicheren Zusammenlebens dann auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen, wenn Studienbeginner nach nur noch 12 Jahren Schulpflicht jünger werden, mehr Studierende zum Studium von zu Hause weg ziehen, wenn Studienzeiten kürzer und die „Ablenkungen“ des richtigen Lebens als störend für das persönliche Fortkommen angesehen werden. Allerdings ist eine solche Entwicklung fraglich und allenfalls sehr langfristig zu erwarten. Auch wird die Einbettung in städtische Zusammenhänge, eine andere Auffassung von Studentenleben und den Erfahrungen, die man dabei sammelt, sowie die weniger bedeutungsgeladene Auffassung von Universität in Europa wohl immer auch eine größere Normalität und den Reiz des Wohnens in der Mitte der Stadtgesellschaft mit sich bringen.

qualität durch Glasmantel als Lärmschutz. (Richard Barnes / Illinois Institute of Technology)

Sport Besuchte man im Sommer 2003 die Internetseite von Princeton University so wurde man von einem „Champions again“ begrüßt. Ein universitäres Frauenteam hatte eine nationale Meisterschaft gewonnen. Leistungssport ist für amerikanische Universitäten wichtig, zum einen für das Außenbild einer erfolgreichen Institution65], zum anderen aber als Innenbild für eine enge Gemeinschaft mit Teamgeist und Höchstleistung. Baulich lassen sich deshalb bei den Anlagen in den USA zwei Bereiche deutlich differenzieren: zum einen Sportmöglichkeiten als Ausgleich und Übung für die Studierenden (Intramurals), zum anderen „Athletics“, also wettkampforientierte Einrichtungen für nationale und internationale Wettkämpfe und der dazugehörigen Vorbereitung (Intercollegiates).

Abb. 101: Princeton University, Analyse Sportanlagen: Rechts gut zu erkennen die maßstabsprengenden Stadien (intercollegiate), in der Mitte des Campus das Fitnesscenter, südlich am Fluss das Ruderhaus. (Zeichnung mwas)

[64 In der Auslobung für den Wettbewerb «Campus Westend» war für den gesamten neuen Campus der Goethe-Universität Frankfurt lediglich für ca. 500 Studierende, Lehrende und Gäste Wohnraum auf dem Campus gefodert (18.000 m2 BGF), dies bei einer Studierendenzahl von 17.550 (304.000 m2 BGF). (Land Hessen (2002))

[65 Manche amerikanischen Hochschulen verdan-

Die Campuspläne von Berkeley und Princeton sind dominiert von Großarenen in einer Dimension, die man hierzulande eher einer Stadt und einem erfolgreichen Fußballverein zuschreiben würde. Folgerichtig liegt bei beiden Anlagen der Stadionkomplex am Rande des Campus und ist mit einem Großparkplatz für Sportereignisse ausgestattet. Die offizielle Athletics-Homepage von Princeton drückt die auch räumliche Loslösung dieses Bereiches von dem Universitätsbetrieb deutlich aus. Sie ist aufgemacht wie die Seite eines großen deutschen Sportclubs und erinnert praktisch nicht daran, dass es sich um einen Hochschulverein handelt. Berkeley verfügt an seiner südwestlichen Campusecke über ein Stadion mit Olympiadimensionen für Leichathletikveranstaltungen, sowie im Südosten über ein Stadion mit einer Kapazität von über 70.000 Personen (California Memorial Stadion), Heim des California Golden Bears Football Team und anderer Mannschaftssportarten. Harvard schließlich verfügt über das größte und umfassendste Erstliga-Sportprogramm der Nation, was sich räumlich durch einen ausgedehnten und nahezu vollständig auf der Bostoner Seite des Charles River zusammengefassten Sportkomplex für den „Intercollegiate“-Sport ausdrückt. Hier ist vom Großstadion über das Baseballfeld bis hin zu einer Regattastrecke alles vorhanden. Der von vielen Sweatshirts bekannte bogenartige „Harvard“-Schriftzug ist denn auch nicht das Logo der Universität, sondern das der Sportmannschaften.

ken ihren Ruf einzig und allein den sportlichen Erfolgen ihrer professionellen Teams.

60

An allen drei Schulen ist der Bereich der „Intramurals“ deutlich getrennt von den Athletics.

Die Intramurals-Möglichkeiten werden in Form von Sportzentren in vergleichsweise bescheidener Form zentral auf dem Campus, in Princeton teilweise sogar den Colleges zugeordnet, angeboten. Berkeley verfügt über ein breites Angebot an Sporteinrichtungen mit dem Ziel Erholung und Gesundheit. Hier sind teilweise Tennisanlagen und Swimming Pools mit Kinderspielplätzen, Clubhäusern und Grillplätzen zu Freizeitzentren für die Universitätspopulation zusammengefasst. Besonderheit in Princeton ist der universitätseigene Springdale Golf Club in landschaftlich traumhafter Lage. Umgekehrt stellt sich die Situation bei MIT und IIT dar: zwar können auch diese Schulen auf Sportarten verweisen, bei denen sie im nationalen Rahmen konkurrieren, die Betonung liegt aber eindeutig auf dem Ausgleichs- und Freizeitsport. Am MIT sind die meisten Sportflächen zusammengefasst und bilden die zusammenhängende grüne Mitte des westlichen Wohn-, Kultur-, Versorgungs-, Freizeit- und Sportcampus. Erst in den letzten Jahren wurde in direktem Anschluss an eine kleinere, vorhandene Sporthalle mit dem neuen Zeisinger Center eine gigantische modische Fitnesshalle mit angeschlossenen, durchaus wettkampftauglichen, Sportanlagen geschaffen. Sie liegt auf der Westseite des Campus direkt im Anschluss an die weitläufigen Felder für Freiluftsportarten, die zwar aus Sicherheitsgründen umzäunt, aber generell frei betretbar und von jedem nutzbar sind. Einen anderen Weg geht das IIT: In strenger Funktionstrennung bildet es seine Sportflächen am nördlichen Rand des Campus aus. In seinem neuen, 2003 eingeweihten Campuscenter sind neben anderen zentralen Einrichtungen auch „Recreational Facilites“ integriert, was einem klassischen Fitness-Centerangebot entspricht. Bei den europäischen Anlagen sind die Sportflächen dagegen in Vergleich klein oder eher informell ausgebildet. Sport ist an den europäischen Hochschulen eine Freizeit- und Erholungsbeschäftigung und wird keinesfalls so ernst genommen und mit der Professionalität wettkampfmäßig betrieben, wie dies in den amerikanischen Hochschulen die Regel ist. Helsinki verfügt ausschließlich über Außensportanlagen. Hier befinden sich zwei Segelbootmarinas, eine ausgedehnte Leichtathletik- und Fußballanlage sowie Tennisplätze neben der natürlich zum Laufen, Wandern und informellem Sport anregenden landschaftlichen Einbettung und Großzügigkeit. In Barcelona gesellen sich lediglich ein Fußballfeld und einige Tennisplätze zu einem kleinen Gebäude mit Fitnessanlagen am südlichen Campusrand. Ob darüber hinaus Einrichtungen oder Aktivitäten angeboten werden, konnte im Rahmen der Studie nicht herausgefunden werden. Kurios die Lösung in Leeds auf dem Hauptcampus: Hier wurde, wohl durch die räumliche Enge bedingt, das Sportzentrum mit einem Konferenz- und Ausstellungszentrum zusammengefasst und durch eine kleinere Fitnesseinrichtung sowie ein bescheidenes Außenfeld ergänzt. Größere Sportfelder für Außensportarten finden sich allerdings vier Meilen außerhalb des Campus. Die Sportflächen in Lancaster werden außerhalb des linsenförmigen Campusbereiches in der Landschaft angeboten. Das von der südlichen Fußgängerzone direkt erreichbare Sportzentrum fasst Angebote für Hallensportarten bis hin zu einem Schwimmbad zusammen. Ergänzt werden diese durch Außen-Angebote wie eine Golf Driving Range und Tennisplätze. Das Kartenmaterial zum Campus in Madrid deutet zwar auf umfangreiche und stark durchgrünte Außensportfelder zwischen den südlichen Wohnheimgebieten und den Instituten hin, ein dort schon eingezeichneter Sportkomplex aus mehreren Hallen scheint jedoch noch nicht realisiert worden zu sein. Informationen über Hochschulteams etc. waren nicht zu erhalten, allerdings machen die Anlagen den Eindruck von

Abb. 102: «Champions again»: Wettkampfsport („Intercollegiate“) als wichtiger Teil des Hochschullebens sowie der Außendarstellung. Nicht zu verwechseln mit „Intramurals“, den Aktivitäten zur körperlichen Ertüchtigung und Fitness. (www.princeton.edu. Stand: Oktober 2004)

Abb. 103: Princeton University, Wettkampfstadion: Wettkampf-Großstadien für Baseball und Football mit ausgedehnten Parkplätzen als üblicher Bestandteil des Campus (mw)

61

guter Wettkampftauglichkeit. Interessanterweise weist der Innenstadtcampus Dublin im Verhältnis zu seiner Größe die umfangreichsten Sportfelder auf. Das nördliche Feld dient natürlich dem Nationalsport Rugby, das südliche, offiziell College Park genannt, wird wahrscheinlich für Fußball genutzt. Fast erwecken sie den Eindruck einer grünen Lunge, sicher tragen sie jedoch zur Wahrnehmung der Anlage als Campus maßgeblich bei. Ansonsten findet sich auf dem Campus mit Luce Hall eine kleinere, ältere Sport- und Fitnesseinrichtung; ein für das Jahr 2002 geplanter Neubau musste aus finanziellen Gründen verschoben werden. Aus den Kommentaren über diese Entscheidung lässt sich nicht unerheblicher Konkurrenzdruck auf die Universität herauslesen. Herausgehoben wird vor allem der Hinweis, dass die neue Einrichtung mit jedem universitären Sportzentrum auf der Welt konkurrieren könne.66]

re, mensaähnliche aber wesentlich kleinere Einrichtung findet sich im südöstlichen Teil des Campus. Im gleichen Gebäude sind außerdem eine Studierendenbar sowie anmietbare Räumen des MIT Faculty Club zu finden. Mit dem Endicott House und dem Brooks Center unterhält das MIT außerdem ein eigenes Konferenzzentrum mit Gästezimmern außerhalb des Campus im ländlichen Dedham. Das östliche Ende des Campus um die U-Bahn-Station Kendall Square wird schließlich von einem kommerziellen Zentrum mit Hotel, Kaufhaus, vielfältigen Essensmöglichkeiten und Geschäften gebildet. Auch MIT Press, der Unversitätsverlag mit seinem Buchgeschäft, und das Hospital, eine eigene kleinere Lehr-, Forschungs- und Behandlungsklinik, deren Benutzung für Hochschulangehörige kostenlos ist, sind hier untergebracht.

Größter Unterschied zwischen den USA und Europa liegt also in der Betonung des Wettkampfsports an mehreren der amerikanischen Beispiele. Bei den Freizeit-, Erholungs- und Gesundheitssportarten sind erwartungsgemäß die vorzeigbaren Anlagen der privaten und in Konkurrenz stehenden Institute besser ausgebaut und moderner. Grundsätzlich unterscheiden sie sich aber weniger durch ihre Dimension, sondern lediglich insofern, als sie als Regel auf den Campusanlagen selber untergebracht sind und damit den Zusammenhalt des Campus betonen und die Notwendigkeit, diesen zu verlassen, reduzieren.

Obwohl das MIT eine unangefochtene Monopolstellung in technischer Ausbildung in der Region einnimmt, fristet das eigene Museum ein Schattendasein. Am Rande sei hier auf das mit dem MIT in einem Vertragsverhältnis stehende Wellesley College nordwestlich von Boston hingewiesen, einer kleinen aber sehr reichen Undergraduate School für Frauen, die mit dem Davis Museum and Cultural Center von Rafael Moneo über einen der interessantesten Museumsbauten der Region mit einer vielseitigen Kunstsammlung verfügt. Der Neubau selbst ist mit seiner Sammlung ein außergewöhnlicher Studienort und dient auch hier gleichzeitig der Öffentlichkeit.

Abb. 105: MIT, Konzerthalle (Kresge Hall) von Eero

Abb. 104: Harvard University, Analyse Sportanlagen: Sportzentrum für Wettkampfsport mit Großstadion außerhalb des Kern-Campus auf der anderen Flussseite, auf dem Campus verteilt und nahe zu Instituten und Wohnheimen kleinere Fitness-Center. (Zeichnung mwas)

Wettkampfsport findet in den USA maßgeblich an den Hochschulen und nicht in freien Sportvereinen oder gar auf oder in städtischen und öffentlichen Grundstücken und Gebäuden statt. Wie viele andere entspringen auch diese an amerikanischen Hochschulen vorgefundenen Strukturen einer gänzlich anderen gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit, als man sie in Europa antrifft. Die Universitäten waren häufig vor den Städten da, sie stellen bis heute ständig wachsende Einsprenksel von umfassend organisierten Idealstädten in einem Land dar, das trotz seiner bedeutenden Metropolen nach wie vor grundsätzlich öffentlichkeits- und stadtablehnend denkt und lebt. Bei allen Versuchen der Übertragung dieses Modells muss man sich dessen immer bewusst sein. Wichtigste zentrale Einrichtungen Amerikanische Hochschulen stellen, neben den entsprechenden Angeboten in den Colleges, in großem Maße Räume für gemeinschaftliche und kulturelle Aktivitäten zur Verfügung. Das „academic village“ und die „collegiate community“ finden sich hier deutlich wieder.

[66 vgl. www.tcd.ie/Communications/Facts/capitaldev.php, www.tcd.ie/facts.html, sowie: www.tcd.ie/Strategic_Plan/

62

Am MIT lassen sich diese Aktivitäten auch baulich sehr deutlich ablesen. So gibt es ein kirchliches Zentrum mit der Kapelle von Eero Saarinen und Gemeinderäume an zentraler Stelle. Es steht den verschiedensten Glaubensgemeinschaften offen. Gleich neben der Kapelle findet sich das Kresge Auditorium, eine Konzerthalle, die auch im städtischen Kontext von Boston zu den Großen zählt und städtische Bedeutung als Veranstaltungsort genießt. Das Ensemble, mit einer viel frequentierten Liegewiese als Mitte, wird ergänzt durch das Stratton Studentenzentrum. Hier finden sich Einrichtungen wie ein Ballsaal, der zentrale Computer-Raum, das 24-Stunden-Cafe sowie eine Vielzahl weiterer Atelier-, Club- und Versammlungsräume. Außerdem ist hier ein großer Teil der Restaurants und Geschäfte des Campus untergebracht. Ein großer Teil des ersten Stocks ist als „Food Court“ organisiert, auf dem verschiedene Anbieter um einen großen gemeinsamen Speisesaal ihre Spezialitäten anbieten. Eine weite-

Harvard dagegen glänzt durch eine Reihe von Museen und Museumsneubauten, vier Kunstmuseen und acht größtenteils naturwissenschaftliche Museen und Sammlungen. Daneben verfügt die Universität über drei Konzertorte, vier Theater und zwei Radiostationen. Besonders sticht aber das Carpenter Center for the Arts mit seinem stadtbekannten Programmkino („The Harvard Film Archive“) heraus. Es wurde aus der Erkenntnis errichtet, dass HarvardAbsolventen ohne einen Grundkurs in „Kultur“, der für jeden vorgeschrieben sein soll, keine Führungspositionen einnehmen können. Es unterstreicht den Anspruch der Hochschule auf Vermittlung einer umfassenden Bildung über die fachliche Wissensvermittlung hinaus. Die Hochschule übernimmt damit, selbst in einer europäisch orientierten Ostküstenstadt wie Boston, einen bedeutenden Teil der kulturellen Versorgung der gesamten Stadt.

Saarinen auf der Osthälfte des Campus: Teil der Tradition des Institutes, durch architektonisch zukunftsweisende Bauten ein Bild von Innovation zu vermitteln. Konzerte als Angebot an die universitäre und städische Bevölkerung. (mw)

Abb. 106: Kapelle von Eero Saarinen auf der Osthälfte des MIT-Campus. Zusammen mit einem interreligiösen Zentrum

dient

die

Anlage

den

vielfältigen

Glaubensgemeinschaften auf dem Campus. (mw)

Direkt neben dem Carpenter Center, und in direkter Nachbarschaft zu Harvard Yard sticht der Harvard Faculty Club durch seine gediegene Architektur und Gartengestaltung heraus. Mit dem Holyoke Center an Harvard Square verfügt Harvard, neben einem eigenen Kaufhaus und Buchgeschäft, über einen städtebaulich wie architektonisch interessanten Komplex von Sert. Dieser Bau verbindet mit einer inneren Einkaufsstraße Harvard Square mit den südlichen Campusteilen, und stellt in seinen Obergeschossen gleichzeitig Büroräume zur Verfügung. Anfang und Ende der Einkaufsstraße bilden, nicht zuletzt durch große Cafe-Terrassen, die belebtesten Plazas auf Harvard Square aus. Mit der King Student Union verfügt auch der Campus in Berkeley über ein Multifunktionsgebäude nahe des südlichen Haupteingangs und am Übergang in die Studentenviertel von Berkeley. Wie der Name schon sagt, verfügt es zwar über Cafes und einige Geschäfte, der Schwerpunkt liegt aber auf Raum für Studentenorganisationen und kulturelle Veranstaltungen. Zwar verfügt der Campus Berkeley mit einem eigenen Kunstmuseum sowie mehreren Theaterorten ebenfalls über kulturelle Angebote. Die angrenzende Stadt stellt hier aber

Abb. 107: Davis Museum von Rafael Moneo am Wellesley College: Lehrsammlung internationaler Kunst mit Studierendencafe und gleichzeitig Ergänzung des Museumsangebotes und ein architektonischer Höhepunkt der Region um Boston. (mw)

63

umfassende Angebote zur Verfügung, ob diese nun auf der Universität gehörenden Grundstücken stattfinden oder nicht, weshalb die autarken Strukturen und Angebote auf dem Campus im Vergleich zu den anderen untersuchten amerikanischen Anlagen am schwächsten ausgebildet sind.

Abb. 108: Zentraler Computercluster im Studentenzentrum des MIT als Hauptstelle des campusweiten sogenannten Athena-Netzwerkes, das flächendeckend und fächerübergreifend Netzwerkmaschinen mit umfassendem Software-, Kommunikations- und Dienst-

Eigentlich auffällig auf dem Campus Berkeley sind die kleinen, alten Gemeinschaftseinrichtungen wie der Komplex der Faculty Clubs. Darin untergebracht ist beispielsweise der eigene Women’s Faculty Club, der die liberalen Auffassungen an der Hochschule noch einmal deutlich macht, und das denkmalgeschützte University House, der Ort für offizielle Empfänge. Die Aufgabe eines Faculty Clubs macht ein Zitat von der Webseite des Berkeley Faculty Clubs deutlich: „The Club was founded out of a practical need for warm lunches at reasonable prices, and a need for companionship in an early-day community which lacked the cultural, social and residential amenities to satisfy the needs of a new faculty. Today, The Club provides a variety of services for University of California members, guests and departments.“

leistungsangebot zur Verfügung stellt. (mw)

In Princeton zeigt sich am Beispiel des Kunstmuseums eine durch die Alleinlage der Universität bedingte Besonderheit: Angelagert an das Kunst-Institut dient das Museum als notwendiges Anschauungsmaterial für die Studierenden. Gleichzeitig steht das Museum Besuchern von außen offen. Mit dem Frist Campus Center verfügt auch Princeton über ein multifunktionales Gebäude mit einem Laden, dem einzigen Speisesaal außerhalb der Colleges und einer eklektizistischen Mischung von Organisationen und Serviceangeboten. Zusammen mit der weit von Nassau Street entfernten Lage kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Hülle für alle sonst nicht zuordenbare Reste erstellt wurde. Direkt hinter dem Studentenzentrum findet sich das Gesundheitszentrum der Universität. An der kurzen Liste gemeinschaftlicher Einrichtungen in Princeton ist deutlich spürbar, wie stark die Betonung des College-Systems die gemeinschaftlichen Aktivitäten absorbiert. Die deutlichste Stärkung zentraler Einrichtungen findet derzeit am IIT mit Fertigstellung des McCormick Tribune Campus Center von Rem Koolhaas, das das bisherige The Commons Gebäude mit Läden und Verwaltung aufnehmen wird, statt.67] Diese Zentralisierung steht in interessantem Zusammenhang mit der Umwandlung des bisherigen Campus Centers, der Hermann Student Union, in eine vollkommen neue Arbeitsumgebung.

Abb. 109: Harvard University, Carpenter Center for the Arts (Mitte), rechts davor Harvard Faculty Club, links daneben die Fogg und Busch-Resinger Kunstmuseen: Vielfältige Reihe zentraler Nutzungen um Harvard Yard, mit dem Carpenter Center als einzigartiger, zentraler Nutzung in Form eines Zentrums für die Künste mit Ausstellungsräumen, Veranstaltungsräumen, Ateliers, einem Artist in Residence und einem Programmkino, um allen Studierenden diesen Bereich gesellschaftlichen und kulturellen Lebens zugänglich zu machen. (Laurence Lowry (März 1963): Architectural Forum. S.81. In: Turner (1984) S.269)

64

Die europäischen Anlagen stellen sich sehr unterschiedlich dar. In Lancaster ist der Versuch des Zusammenziehens von Allgemeinnutzungen um den zentralen Alexandra Square deutlich spürbar. Hier finden sich neben der zentralen Bibliothek das Computerzentrum, das Gäste- und Empfangshaus, ein Supermarkt, mehrere Geschäfte und Banken, aber auch die Zentralwerkstätten. Das Kirchenzentrum steht frei im Westen des Campus und ist durch seine außergewöhnliche Form leicht erkennbar. Die Essensmöglichkeiten schließlich sind auf dem Gelände verteilt, so z.B. im nördlichen Cartmel College. Tatsächlich scheint der nördliche Teil bei Cartmel die Funktion eines kulturellen Zentrum einzunehmen. Hier sind Theater, Konzerthallen, Versammlungsräume und Ausstellungsgalerie im Gebäude der Musikfakultät zusammengefasst. Mit dem Sportzentrum erhielt auch der südliche Teil eine eigene Schwerpunktfunktion. Nördlich, außerhalb des Campus, findet sich ein Gesundheitszentrum. Ebenfalls etwas losgelöst findet sich mit dem Lancaster House Hotel ein Angebot mit Seminarräumen für Gäste. Hier ist das Weiterbildungsangebot für Management untergebracht.

Besonders auffällig ist das große Angebot an Konferenzräumen und -zentren auf dem Campus: Gleich nördlich von Alexandra Square ein eigenes Zentrum, westlich davon im Physikgebäude ebenfalls zu Konferenzen nutzbare Großräume und im Süden mit dem Fox Building ein dediziertes Konferenzgebäude. In Kombination mit dem Campus-Hotel, der Nähe zu Manchester sowie der attraktiven landschaftlichen Lage scheint sich hier ein neuer Geschäfts- und Aktivitätszweig zu entwickeln, der gleichzeitig die Wirtschaft an die Universität heranführen und den Studierenden Gelegenheiten zur Praxiserfahrungen verschaffen soll. Abb. 110: Modellfoto II, Chicago, McCormick

Die zentrale Placa Civica ist der Drehpunkt der UAB und kann als ein Studentenzentrum unter offenem Himmel gesehen werden. Mensa, Geschäfte, Bars, Kultur- und Servicegebäude besetzen und begrenzen den Raum. Allerdings sind auf dem Campus sieben weitere kleinere Mensa-Standorte, einige weitere Läden und ein freistehendes universitäres Verwaltungsgebäude zu finden. Unweit der Placa Civica liegt ein winziges Gesundheitszentrum. Auch an der UAB wurde ein Hotel als nordwestliche Spitze der Wohnanlage errichtet, das gleichzeitig der Hotelhochschule als Trainingsgelände dient. Obwohl kein eigenes Konferenzzentrum ausgewiesen ist, deutet doch die Form des Hotelkomplexes auf entsprechende Räume hin.

Tribune Campus Center; Zusammenfassung aller „Lebensfunktionen“ (Funktionen siehe Anmerkung 67) in einem Gebäude, dazu integrierter Hochbahnanschluss über dem Dach. (Richard Barnes / Illinois Institute of Technology)

Mit dem zentralen Komplex von Alvar Aalto besitzt der Campus in Helsinki ein Hauptgebäude, das neben zwei Instituten ganz traditionell die Verwaltung beherbergt. Nicht weit davon, und damit die Versammlungswiese auf der gegenüberliegenden Seite zum Hauptgebäude begrenzend, bildet sich entlang der Ringstraße ein kleines Zentrum für das tägliche Leben mit Läden, zwei Gebäuden der Studentenvertretung sowie dem Weiterbildungs-, Arbeitsvermittlungs- und Kongresszentrum. In den Wohngebieten befinden sich eine Kapelle, das Universitätshotel sowie die kleine Gesundheitsstation für Studierende. Kurioserweise ist diese getrennt von der Gesundheitsstation für Mitarbeiter. Leider fanden sich zu den Essensangeboten keine Aussagen. Trinity bildet im Nordwesten einen eigenständigen Gebäudekomplex aus Dining Hall, dem Atrium für Empfänge, Feste und sonstige Gelegenheiten, sowie der berühmten „Buttery“ im Keller (eine große Bar) aus. Direkt daneben bilden die Kapelle im Norden sowie im Süden das Public Theatre, für öffentliche Versammlungen und die Abschlussfeiern genutzt, die Abschlüsse des U-förmigen zentralen Gebäudes. Dessen Hauptfassade und Haupteingang zur Straße sticht als Schwerpunkt und Hauptgebäude heraus. Hier ist erwartungsgemäß die Verwaltung untergebracht. Mit dem Computerzentrum im Norden, vor allem aber dem Neubau des Theaters und des entsprechenden Fachbereiches, sowie den Bibliotheken im Süden, kann die gesamte westliche Campushälfte, der historische Teil, als von Gemeinschaftsnutzungen und Wohnen dominiert bezeichnet werden.

[67 „Recreational and dining facilities, an auditorium and meeting rooms, student organization offices, the campus bookstore, a coffee bar, a post office, and a convenience store are all located in the 110,000 square foot building, unifying into one

Verteilt und in Gebäudekomplexe integriert verfügt der innerstädtische Campus von Leeds über Konferenzzentrum, Theater, Konzerthallen und Ausstellungsgalerie. Um die verkehrsberuhigte Campusmitte konzentrieren sich fünf in die unterschiedlichen Gebäudestrukturen integrierte Essensmöglichkeiten. Mit der hier ebenfalls angesiedelten Student Union sowie dem repräsentativen University House sowie mit der angrenzenden Zentralbibliothek mit ihrem Turm erinnert die Campusmitte von Leeds an das Bild einer englischen Kleinstadt.

place the "residence life" functions that had previously been scattered across campus. The new building also embraces the old. It was uniquely designed to attach to the Mies-designed Commons Building, which was fully restored as the new student residence hall dining facility and which reopened in January 2004.“ (http://mies.iit.edu/masterplan/)

65

Der Masterplan von 1929 sah für Madrid die städtebauliche Anlage hierarchisch organisiert vor, insbesondere sollte im Norden auf einem langgestreckten Platz ein Zentralgebäude mit Aula, Bibliothek, Rektorat und politischer Führung entstehen. Wie um dieses strenge Konzept zu konterkarieren stellt sich die Anlage heute als Patchwork dar, mit auf dem Gelände verteilten Sonderfunktionen, Museen, Rektorat, Theaterrotunde und Verwaltung in jeweils eigenen Gebäudekomplexen und unterschiedlichsten Stilen. Die Mensen und Versorgungen sind zudem in die einzelnen Instituts- und Wohnkomplexe integriert. Zusammen mit einem fehlenden zentralen Außenraum ist Madrid damit endgültig der von allen untersuchten Beispielen zerrissenste und heterogenste Campus.

Ebenso eklatant ist die Situation auf kulturellem oder sportlichem Gebiet: Selbst in der stark europäisch anmutenden Ostküstenstadt Boston führt der Besuch einer Oper, eines Theaterstücks, eines Museums oder eines Footballspiels fast zwangsläufig auf den Campus einer Hochschule oder in ein von einer Universität betriebenes Theater. Architektur, Kultur und Sport – alle drei haben mit Geld zu tun, und darüber verfügen zumindest die berühmten USamerikanischen Institutionen, im Gegensatz zu den öffentlichen Haushalten der sie umgebenden Städte, in atemberaubendem Maße. Sie ziehen philanthropische Investments in kulturelle Einrichtungen magisch an, die sich die Niedrigsteuernation USA aus öffentlichen Haushalten nie leisten könnte. Häufig ist das Außenbild einer Stadt durch das Image der dort beheimateten Hochschule geprägt.

Kritik des Campus als Universitätsanlage Abb. 111: TU Darmstadt, Standort Innenstadt: Zentrale Nutzung à la Deutschland mit Hauptverwaltung in der Innenstadt und als Merkzeichen der Hochschule. (je).

Der Besuch eines berühmten amerikanischen Universitätscampus ist ein unvergessliches Erlebnis, sei es als Tourist oder als Studierender. Der Mikrokosmos der Anlagen, die idealstädtische Anordnung und Mischung, die Lebendigkeit, Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung, die Ausstrahlung von Elite und deren architektonischer Hervorhebung ziehen einen so sehr in den Bann, dass Millionen von Touristen hier ihre Batterien mit einer Ladung heiler Welt auftanken und dass es vielen Studierenden schwer fällt, die Anlagen nach ihrem Studium wieder zu verlassen. Selbst ein vergleichsweise stark zur Stadt geöffneter Campus, wie der der liberalen, staatlichen UC Berkeley wirkt durch seine gärtnerische Gestaltung und durch seine italienisierten Bauten wie eine unwirkliche Welt in der Welt. Die Hochschulen haben damit das erreicht, was schon den Pilgrim Fathers vorschwebte: Die Schaffung missionarischer Festungen zur Förderung eines richtigen (gläubigen) Lebens, als Bollwerk gegen die schlechte Welt des zurückgelassenen Europas und gegen die Versuchungen der Städte. Für den europäischen Beobachter ist dieser Unterschied zwischen dem Campus und der ihn umgebenden Stadt besonders frappant: Fast hat man den Eindruck, idealistische städtebauliche Planung und architektonische Qualität lassen sich in den USA nahezu ausschließlich auf dem Universitätscampus verwirklichen. Beinahe exemplarischer humanistischer Städtebau auf dem Campus steht einem gnadenlosen turbokapitalistischen Walten in den Städten gegenüber.

[68 Siehe beispielsweise Themenheft „New Urbanism“ der Bauwelt (2000), zur Bandbreite der städtebaulichen Aktivitäten, die angeregt durch den Congress for New Urbanism in den USA stattfinden.

66

Erst langsam finden in den Städten, z.B. unter dem häufig postmodernen Einfluss des Congress for New Urbanism68] Umgestaltungen im Sinne einer verbesserten Lebensqualität statt, die seit jeher auf den Campusanlagen durchgängig gepflegt und weiterentwickelt wurden. Amerikanische Campusanlagen wurden nie autogerecht umgestaltet, nie wurde das Primat des Fußgängers in Zweifel gezogen, nie wurden Parkanlagen für die Anlage von Schnellstraßen ausgenutzt oder mussten traditionelle Ensembles und Gebäude gebrauchsfunktionalistischen Projekten weichen. Der Architektur- und Städtebautourist stellt mit Erstaunen fest, dass die in Architekturzeitschriften publizierten interessanten Gebäude und städtebaulichen Situationen in den USA sich mehrheitlich in Campusanlagen befinden. Insbesondere an den vergleichsweise jungen Technologieinstituten findet ein regelrechter Boom von Architekturhöhepunkten im Kampf um die Aufmerksamkeit der industriellen Sponsoren wie der zukünftigen Kunden in Form der Studierenden statt. Die in den USA wie international stark steigenden Studierendenzahlen finden in diesen baulichen Aktivitäten ihren bestimmt spektakulärsten Ausdruck.

Abb. 112: Innenraumfoto des 2003 fertig gestellten

Die Hochschulen in den USA verfolgen zur Zeit verstärkt das Ziel, den Campus zu einem idealen Mikrokosmos, zur Idealstadt, auszubauen und damit die Notwendigkeit, diesen verlassen zu müssen, zu reduzieren. Dauernder Aufenthalt auf dem Campus gilt, vor allem für die jungen Studierenden, als Teil des Curriculums. Dazu kommt ein verstärkter Wunsch der Eltern danach, dass sich ihre Kinder auf sicherem Boden aufhalten. Der Schaffung des Mikrokosmos dienen umfassende Angebote für Versorgung, Kultur, Sport und Gemeinschaftsaktivitäten auf dem Campus, vor allem aber massiver Neubau von Studentenwohnheimen, sowie der Versuch, bestehende Wohneinrichtungen auf dem Campus zusammenzuziehen. Selbst eine technologieorientierte Ostküstenschule wie das MIT beschreibt das zusammen Wohnen und Arbeiten auf dem Campus für ihre Undergraduates als Teil des Curriculums und unternimmt alle Anstrengungen, dafür die baulichen Anlagen zu schaffen. Wesentlich profaner stellt sich die Situation der analysierten europäischen Anlagen, und dazu zählen explizit und vielleicht überraschenderweise auch die englischen und irischen Hochschulen, in denen ja der Begriff Campus eigentlich erfunden worden war, dar. Sie sind in die Öffentlichkeit integrierte Hochschulen, und seien sie auch privat finanziert. Sie sind Arbeitsorte und stehen als solche in arbeitsteiligem Austausch mit der Gesamtstadt. Die europäische Stadt bietet dabei in der Regel sowohl den Charakter und den Namen, als auch eine vollständige Infrastruktur und kulturelle Einrichtungen; Faktoren, die von vielen amerikanischen Hochschulen selbst generiert werden müssen, um zu einem intellektuellen Gesamtraum zu werden. Schon fast symbolisch für den Charakter als Arbeitsort findet sich bei einigen europäischen Anlagen die Verwaltung im zentralen Hauptgebäude oder freistehend an prominenter Stelle. Auch der Vergleich der Mensen, Dining Halls und Studentenvertretungen in Europa mit den Studentenzentren und Colleges der USA lohnt sich: Sind die Studentenzentren und zentralen Einrichtungen der USA optimierte Serviceeinrichtungen und die (Wohn-)Colleges inszenierte Gemeinschaftsbildungen, so stehen die europäischen zentralen Funktionen eher für politisches Engagement, sowie in Form der oft nur mittags geöffneten Mensen für die Abläufe einer Arbeitswelt, die in einer Stadt eingebunden und dort beheimatet sind. Selbst in vergleichsweise neu gegründeten, das Collegeideal anstrebenden und weit außerhalb der Stadt liegenden europäischen Anlagen wie in Lancaster oder Barcelona, spielt das Wohnen auf dem Campus eine nachgeordnete Rolle. Findet eine größere Zahl der Studierenden auf dem Campus Platz, wie in Lancaster der Fall, so unterscheiden sich die Merkmale des sozialen Lebens doch sehr stark von der curricularen und puristischen Ernsthaftigkeit amerikanischer Studentenwohnheime.

McCormick Student Campus Center von Rem Koolhaas am IIT: Beispiel für spektakuläre Bauaktivitäten der US-amerikanischen Hochschulen. (Richard Barnes / Illinois Institute of Technology)

Abb. 113: Haupteingang des MIT mit Eingangs-Dome und davor Massachusetts Avenue: Wiedererkennbares Gesicht, Eindruck von Massivität und Solidität, Touristenziel und städtischer Stolz. (mw)

67

Studentische Erfahrungen zu Campusuniversitäten Europäische Campus-Hochschulen sind, als wesentliches Merkmal, optimal an den öffentlichen Nah- und teilweise auch Fernverkehr angebunden. Gilt dies selbstverständlich für die Innenstadtanlagen, so ist es umso offensichtlicher bei den außerhalb liegenden Campusgeländen: Die Mitte von Lancaster stellt sich als Verkehrsknoten dar, in dem sich die unterirdische Busanbindung an die Stadt mit dem Fußgängernetz verknüpft, Barcelona verfügt über Lokalwie Fernbahnanschluss und Helsinki über eine Schnellbuslinie mit hoher Taktfrequenz. Auch an einem ganz anderen Punkt, der Anordnung der Forschungsaktivitäten, zeigt sich ein signifikanter struktureller Unterschied: Sind bei den amerikanischen Anlagen die Forschungsaktivitäten, besonders die gesponsorten, integraler Bestandteil der Lehre wie auch der Gebäude, so zeigen europäische Anlagen diese als Ansiedlungen, als ablesbare Institute, als „Science Parks“ wie in Helsinki oder in Form des eigenständigen Fraunhofer Instituts in der Mitte des Innenstadtstandortes der TU Darmstadt.

Abb. 114: Gründung von Dartmouth College 1769. Hochschule als Vorposten der Besiedelung, als Instrument zur Zivilisierung der Indianer (gut links zu erkennen) und als Realisierung des Traums von der

Jenseits aller gegenseitigen Annäherungen des europäischen und amerikanischen Modells – so verstärken einige US-Universitäten beispielsweise zur Zeit ihre Anbindung an den ÖPNV bleiben die Unterschiede beider Modelle grundsätzlich. So gut also die Idee einer stärkeren Konzentration von Universitätseinrichtungen auf einem gemeinsamen Gelände in Deutschland auch sein mag, sie erfordert offensichtlich zwingend die Neudefinition einer deutschen Campusidee, um nicht ein schlechter Abklatsch der amerikanischen Vorbilder zu bleiben.

Gebauter Raum wie ein Universitätscampus sollte nie Selbstzweck sein. Er sollte in optimaler Weise die Strukturen und die Organisation der dort stattfindenden Aktivitäten unterstützen. Es geht also nicht nur um die Form, sondern vor allem um die Funktionalität. Um aus den bisherigen Ergebnissen der räumlichen Studie Empfehlungen für die Entwicklung deutscher Universitäten ableiten zu können, ist es wichtig, internationale Beispiele auch in Bezug auf die letzten beiden Aspekte des beschriebenen universitären Dreischritts bestehend aus Ort, Institution und universitärer Gemeinschaft zu untersuchen. Zu diskutieren ist, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede das Arbeiten und Studieren an „Campus-Universitäten“ mit dem Arbeiten und Studieren an deutschen Universitäten, insbesondere an der TUD, aufweist. Müssen ähnliche innere Strukturen durch die Universitätsanlage unterstützt werden und inwieweit ist damit die Grundlage für eine Übertragbarkeit der baulichen Struktur gegeben? Zur Klärung dieser Frage wurden in qualitativen Interviews zwölf Personen befragt, die sowohl in Deutschland, zumeist in Darmstadt, als auch eine zeitlang an einer Campus-Universität im Ausland studiert haben. Vor diesem Erfahrungshintergrund war es den Befragten möglich, nicht nur über das Studieren an einer Campus-Universität zu berichten, sondern diese Studiensituation auch mit der in Deutschland zu vergleichen. Durch die geringe Zahl an Interviewpartnern können die Ergebnisse zwar nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, liefern aber einen sehr aufschlussreichen ersten Eindruck über mögliche Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen.

Idealstadt und dem idealen, puritanischen Leben. (Stich von S.E. Brown (1839): Dartmouth College. In:

Zur Struktur der qualitativen Interviews

Turner (1984) S.16)

Mit der Untersuchung sollten vor allem Informationen über den studentischen Alltag an Campus-Universitäten gewonnen werden. Besonders wichtig war dabei der direkte Vergleich mit der Situation in Deutschland, um auf die Übertragbarkeit schließen zu können. Dieser sollte nicht nur im Nachhinein durch die Bearbeiter vorgenommen werden, sondern von denjenigen, die beide Situationen erlebt haben, vor dem persönlichen Erfahrungshintergrund reflektiert werden. In den vorangegangenen Kapiteln wurde deutlich, dass den Studierenden auf dem Campus vielfach nicht nur zum Studium selbst, sondern auch zum Wohnen und zur Freizeitgestaltung, teilweise auch zur Versorgung, Angebote gemacht werden bzw. Räume zur Verfügung stehen. Die Befragung betrachtete dementsprechend alle Bereiche des täglichen Lebens. Für die Bearbeitung der Untersuchungsfragen war zunächst das Studium selbst wichtig, da davon auszugehen ist, dass es in der Regel den organisatorischen und zeitlichen Rahmen des studentischen Alltags bestimmt. In diesem Zusammenhang sind der Aufbau des Studiums, Wahlmöglichkeiten und Flexibilität des Stundenplans, die Lehrformen und die Betreuungsund Ausstattungssituation sowie das Engagement der Studierenden von Interesse. Damit werden einmal der zeitliche Rahmen, aber auch die zum Studium im engeren Sinne gehörenden Bereiche betrachtet. In einem zweiten Block ging es dann um die Bereitstellung studentischen Wohnraums durch die Universitäten. Neben dem quantitativen Angebot waren hier die Ausstattung der Wohnheime, die Kosten und die organisatorische Unterstützung der Studierenden bei der Wohnungssuche durch die Universität von Interesse. 68

69

Auch die Frage der Versorgung ist für die Einschätzung des studentischen Lebens auf dem Campus von Belang. Zum einen ging es hier um die Möglichkeiten der Studierenden, Angebote von warmen Mahlzeiten auf dem Campus nutzen zu können, zum anderen um Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf und Studienmaterialen. Außerdem war von Interesse, inwieweit die einheimischen Studierenden normalerweise neben dem Studium arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, was ebenfalls wesentlich zur Strukturierung des studentischen Alltags beiträgt. Zuletzt wurden Freizeitangebote und soziale Kontakte angesprochen. Hier ging es um die von der Universität angebotenen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wie Sport, Theatergruppen oder Sprachkurse. Darüber hinaus sollte auch das selbstständige Engagement der Studierenden beispielsweise in kulturellen oder politischen Gruppen betrachtet werden. Im Bereich der sozialen Kontakte ging es um die typischen Wege zum Kennenlernen und Freundschaften schließen. Dabei sollte auch die Rolle von „Ingroups” und studentischen Verbindungen an den Universitäten erfragt werden. Für die Förderung sozialer Kontakte durch den „Raum Campus” selbst waren darüber hinaus auch Treffpunkte, Aufenthaltsbereiche und Möglichkeiten zum „Kaffee trinken“ von Interesse. Zielgruppe der Untersuchung waren Studierende und Universitätsabsolventen, die im Verlauf ihres Studiums ein oder zwei Semester lang im Ausland an einer Campus-Universität studiert haben. Außerdem war ein Bezug der Befragten zur TUD wünschenswert, um deren konkrete Situation einschätzen und vergleichen zu können. Aufgrund der beschränkten Mittel zur Durchführung der Untersuchung wurde die Anzahl der Befragten auf 10-15 Personen beschränkt. Um entsprechende Personen ausfindig zu machen, wurde per Mail-Verteiler der Autoren ein Aufruf versandt. In diesem wurde gebeten, sich entweder zu einem Interview bereitzuerklären, falls Interesse an der Teilnahme bestünde und entsprechende Erfahrungen vorlägen, oder den Aufruf weiterzuleiten. Bewusst wurde auf eine Erläuterung des unklaren Campusbegriffs in der Anfrage verzichtet, um so Teilnehmer zu finden, die von sich aus die Universität, an der sie im Ausland studiert haben, für eine Campus-Universität halten. Auf diesem Wege fanden sich in kurzer Zeit zwölf Personen, die bereit waren, an der Befragung teilzunehmen. Günstig an der Zusammensetzung dieser Personen war, dass sie mit einer Ausnahme alle an verschiedenen Universitäten im Ausland studiert haben. So wurde trotz der kleinen Stichprobe ein breiter Überblick über den Studienalltag an Campus-Universitäten ermöglicht.

ren“ und dem „Thema“, der in einen übergeordneten „Rahmen“ eingeordnet wird. Aus diesen vier Punkten werden jeweils zwei in einer Frage gegenübergestellt (also bspw. ich-Thema, die anderen-ich, Thema-

Zu Beginn des Interviews wurden einige formale Fragen gestellt, um die nachfolgenden Antworten besser einordnen zu können. Hier waren die konkrete Campus-Universität, Gründe für die Wahl dieses Universitätsstandortes im Ausland, die Dauer des Aufenthaltes, der Zeitpunkt des Aufenthaltes, das Studienfach, das Erbringen studienrelevanter Leistungen sowie die Wohnform während des Studiums in Deutschland, also bei den Eltern am Heimatort oder Umzug, von Interesse. Den Abschluss des gesamten Interviews bildete eine Frage nach der persönlichen Meinung zu einem TUD-Campus auf der Lichtwiese. Auf diese abschließende Frage, ob man sich einen Campus in Darmstadt vorstellen könne, und zwar explizit auf der Lichtwiese, wie es in einem studentischen Entwurf am Fachbereich Architektur einmal umgesetzt wurde, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Daher wurden die wichtigsten Argumente und Meinungen in ihrem originalen Wortlaut zusammengestellt und an passender Stelle in die Marginalienspalte gesetzt. Da die einzelnen Aussagen aus ihrem Gesamtkontext gelöst nebeneinander stehen, ist anzumerken, dass die Befragten nicht immer für oder gegen die Campus-Idee votierten. Vielmehr wurden in den Statements auch verschiedene Argumente einander gegenüber gestellt.

Da im Rahmen der Untersuchung persönliche Erfahrungen und Bewertungen abgefragt werden sollten und die Teilnehmer quasi als Experten für die von ihnen besuchte CampusUniversität fungierten, wurde die Form des qualitativen Interviews gewählt. Da alle Befragten Erfahrungen in beiden relevanten Studiensystemen gesammelt haben, war davon auszugehen, dass sie bei offen gestellten Fragen insbesondere auf Unterschiede eingehen würden.

Um viele Eindrücke von den Befragten zu erhalten, sollte die Gesprächssituation für sie möglichst angenehm sein. Aus diesem Grund wurden die Interviews trotz der vielen konkreten Fragen nicht strukturiert sondern leitfadengestützt geführt. Den Einstieg in jeden Themenblock bildete jeweils die relativ offene Frage nach der Situation, beispielsweise der Wohnsituation. Auf diese Weise konnten die Befragten ihre Erfahrungen frei schildern und es wurden lediglich Ergänzungsfragen gestellt, wenn der Befragte ein Thema nicht von sich aus angesprochen hatte. Bei interessanten Details konnten so auch weitere Einzelheiten erfragt werden.

Zum Aufbau des Interviewleitfadens wurden die o.a. Themenblöcke in Anlehnung an die Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI)69] konkretisiert. Diese Methode erschien sinnvoll, da das jeweilige Thema in einer Beschreibung der Situation vor Ort, deren Bewertung durch den Befragten im Vergleich zur TUD sowie die vermutete Wahrnehmung der

Zur Fixierung der Befragungsergebnisse wurden die Gespräche auf Tonband aufgezeichnet. Diese Methode wurde aus zwei Gründen gewählt. Zum einen führt das Aufzeichnen des Interviews im Gegensatz zum Mitschreiben zu einer entspannteren Gesprächssituation, da der Interviewer besser zuhören und auf Details reagieren kann. Zum anderen ging es um

[69 vgl. Cohn (1975). Die TZI-Methode orientiert sich an einem Dreischritt bestehend aus „ich“, „die ande-

Situation durch die einheimischen Studierenden interessierte. Dazu war auch der organisatorische Rahmen, der von der Universität vorgegeben wurde, relevant. Die TZI-Methode wurde allerdings nicht in reiner Form angewendet, sondern den Bedürfnissen der Befragung angepasst. Der Aufbau des Fragebogens orientiert sich an den verschiedenen Feldern der TZI, um ein Übersehen wichtiger Zusammenhänge zu vermeiden. Abgefragt wurden für jedes der oben angesprochenen Themenfelder jeweils: • eine Einschätzung der Situation an der Campus-Universität bzw. der eigenen Situation • das Verhalten der Einheimischen in dieser Situation • die angebotene Unterstützung oder organisatorischen Hilfen der Universität • das eigene Verhalten im Vergleich zu dem der Einheimischen bzw. anderer Studierender • Erfahrungen mit der Organisation seitens der Campus-Universität • Nutzung der Angebote der Campus-Universität durch die einheimischen und anderen Studierenden Den Abschluss der Frage in jedem Themenblock bildete eine allgemeine Frage nach der Einschätzung der Situation an der Campus-Universität, insbesondere vor dem Hintergrund des Studiums in Deutschland und deren Begründung.

Rahmen) und für alle Paarungen die bestehende Situation und eine Wunschsituation erfragt. Auf den Bereich der Wunschsituation wurde in dieser Befragung allerdings verzichtet, da die Methode nicht nur auf ein, sondern auf fünf Themen angewendet wurde.

70

71

die Situationswahrnehmung und deren Bewertung durch die Befragten, weshalb die Informationen möglichst vollständig festgehalten werden sollten. Zur Auswertung wurden die Interviews transkribiert. Dabei wurde allerdings auf das Festhalten der gestellten Fragen verzichtet und die Antworten nach den o.a. großen Themenblöcken (also Studium, Wohnen, Versorgung, Freizeit, soziale Kontakte) sortiert, falls der Befragte zwischen den Blöcken hin und her gesprungen war. Diese Verzerrung des Befragungsverlaufs ist vertretbar, da Argumentationszusammenhänge immer als Ganzes verschoben wurden. Zur besseren Lesbarkeit wurden die Antworten außerdem geglättet, d.h. Pausen und Füllwörter in Pausen wurden weggelassen und unvollständige Sätze sinngemäß ergänzt.

Erfahrungen zu Leben und Arbeit auf dem Campus Die im Folgenden zusammengefassten Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf Aussagen aus den zwölf Leitfadeninterviews. Zur besseren Lesbarkeit wurde dabei auf die Verwendung des Konjunktivs mit Ausnahme von wertenden Einzelaussagen verzichtet. Eine Interpretation der Ergebnisse erfolgt später.

In Frankreich werden zunächst zwei Jahre „classe préparatoire” absolviert, die zwar unserem Grundstudium entsprechen, allerdings allgemein naturwissenschaftlich-technisch, bzw. geisteswissenschaftlich ausgerichtet sind. Danach bewirbt man sich an der Grande Ecole, an der man nach drei weiteren Jahren den Abschluss entsprechend einem Diplom macht.71]

Bei den befragten Personen handelt es sich um vier Frauen und acht Männer, die die Fächer Wirtschaftsingenieurwesen, Bauingenieurwesen, Maschinenbau, Physik und Volkswirtschaftslehre studiert haben oder noch studieren und während ihrer Studienzeit im Ausland waren. Mit einer Ausnahme haben alle Befragten an verschiedenen Campus-Universität studiert70], vier im europäischen Ausland, die übrigen acht in den USA oder Kanada. Die Dauer des Aufenthaltes lag zwischen einem halben und einem Jahr. In praktisch allen Fällen wurden zwei Semester absolviert. Vier der Befragten waren in jüngster Vergangenheit im Ausland, vier Ende der 90er Jahre, drei zu Beginn der 90er Jahre und ein Auslandsaufenthalt fand bereits Ende der 70er Jahre statt. Studienrelevante Leistungen wurden in allen Fällen erbracht, fünf Befragte haben während dieser Zeit eine Studien- oder Diplomarbeit erstellt, in zwei Fällen wurde ein besonderes Modell, welches einen Master-Abschluss innerhalb eines Jahres erlaubt, erfolgreich absolviert.

Studienplan und Tagesablauf

Das Studium an Campus-Universitäten - Studienaufbau [70 Die Befragten selbst definierten die Universität an Bei den Universitäten handelt es sind im Einzelnen um: Delft/Niederlande; Lyon/Frankreich; Glasgow, Southampton/Großbritannien; Guelph (Ontario)/ Kanada; Berkeley (Kalifornien), Buffalo (New York state), Evanston (Chicago), Madison (Wisconsin), Bloomington (Indiana), Chicago (Illinois)/USA

72

Das Studienjahr gliedert sich in der Regel wie auch in Deutschland in zwei Semester, in Großbritannien in Trimester. Mit einer Ausnahme ist das Studium an den betrachteten CampusUniversitäten zunächst in Form eines Bachelor-Studiums aufgebaut. Das bedeutet einen Studienaufwand von zwei bis vier Jahren. Er wird als vollwertiger Abschluss anerkannt, mit dem ein Großteil der Absolventen ins Berufsleben eintritt. Ein Befragter wies in diesem Zusammenhang auf die hohen Studiengebühren und sonstigen Kosten für das Studium in den USA hin, weshalb viele Studierende zum Zeitpunkt des Bachelor-Abschlusses Schulden haben, die sie schnellst möglich abbauen wollen.

„ ... Ich wäre wegen der zerrissenen Uni in der Stadt beinahe nicht nach Darmstadt gekommen.“ „ ...und vor allen Dingen auch eine direkte Möglichkeit, zur Lichtwiese hoch zu kommen. Das finde ich nach wie vor schlecht und freue mich, wenn ich mit dem Fahrrad da bin.“ „Während des Studiums hat mich das zweigeteilte auch nicht gestört. frische Luft und Radfahren. Alle

In den Niederlanden war das Studienjahr vor der Umstellung des Studiums auf Bachelor- und Master-Abschlüsse derart gestaltet, dass fünf Blöcke, bestehend aus sechs Wochen Vorlesungszeit, eine Woche Lernen und zwei Wochen Prüfungen abzuarbeiten waren. Dieses System wurde von der Befragten als sehr angenehm und motivierend empfunden, da man sich intensiv auf wenige Themen konzentrieren, diese mit der Prüfung abschließen und sich dann auf die nächsten Themen einlassen konnte.

Zur Analyse wurden die Daten zusammengefasst und im nächsten Schritt auf ihre Aussagekraft in Bezug auf die übergeordnete Fragestellung und auf weiteren Forschungsbedarf hin ausgewertet.

der sie im Ausland studierten als Campus-Universität.

Zwei Befragte gaben in Bezug auf das Bachelor-Studium an, dass es deutlich weniger spezialisiert abläuft, als das Vordiplom in Deutschland. Viele Studierende würden auch zunächst noch nach eigenen Vorlieben suchen und dementsprechend Kurse auswählen. Einer gab an, dass nach seinem Eindruck in Deutschland ein wesentlich breiteres Fachwissen vermittelt werde. Im Anschluss an das Bachelor-Studium ist es möglich, noch einen Abschluss als Master zu machen, der unserem Diplom ähnlich ist und noch einmal ca. 2 Jahre Studium in Anspruch nimmt. In einem Fall (Buffalo) wurde auf eine sehr internationale Studentenschaft im Masterprogramm hingewiesen, was durch die wenigen einheimischen Studierenden zu begründen ist, die nach dem Bachelor-Abschluss weiter studieren.

die ich kannte, hatten ein Fahrrad. Das sind auch nur 10 Minuten.“ „Unabhängig von der Campusuni finde ich es auffällig, wie stark die Trennung von den Fachbereichen ist. ...“

Die Aussagen über Wahlmöglichkeiten innerhalb der Studienpläne variieren. So gaben fünf Befragte an, dass die Studienpläne sehr stark vorgegeben und Wahlmöglichkeiten kaum vorhanden sind, drei andere gaben an, dass es gute Wahlmöglichkeiten gab. In einem Fall wurde darauf hingewiesen, dass sich die Studierenden im Vorfeld schon sehr genau überlegen, welche Kurse sie belegen wollen. Für die Sozialwissenschaften wurden die Wahlmöglichkeiten von einem Befragten (Madison) besonders gut bewertet. Alles liefe dort über die Summe von credit points. Außerdem wurden Wahlmöglichkeiten mehrfach im Sinne der Entscheidung für einen Schwerpunkt oder eine Richtung ausgelegt, innerhalb derer die Kurse dann festgelegt waren. Die Kurse und Übungen sind auf jeden Fall regelmäßig zu besuchen. Es mussten praktisch immer Hausaufgaben zu den einzelnen Übungen und Vorlesungen gemacht werden und häufiger wurden regelmäßig benotete Tests geschrieben, deren Ergebnisse mit in die Bewertung bzw. Anerkennung des Kurses eingingen. Acht Befragte kennzeichneten das Studium dort explizit mit dem Begriff „verschult”.

[71 Das französische Hochschulsystem ist durch eine Zweiteilung in Universitäten und Grandes Ecoles, an

Alle Befragten, die Angaben zum Tagesablauf machten, charakterisierten den Tagesablauf als sehr stark durch das Studium bestimmt. Die Vorlesungen und Übungen liegen teils über den Tag verteilt, teils ist der Tag stärker strukturiert in Vorlesungen am Vormittag und Übungen am Nachmittag (2 Befragte). In allen Fällen halten sich die Studierenden aber den ganzen Tag am Campus auf, weil sie dort auch ihre Hausaufgaben machen und lernen. Die Studierenden sind damit von Montag bis Freitag den ganzen Tag auf dem Campus zu finden. Ganze, freie

denen die „Elite“ ausgebildet wird, gekennzeichnet. Da der Befragte an einer Grande Ecole studiert hat, sind die Aussagen zum französischen System immer in Bezug auf diese Elite-Bildungseinrichtungen und nicht in Bezug auf die französischen Universitäten im Allgemeinen zu verstehen.

73

Werktage gibt es praktisch nicht. Einmal wurde angesprochen, dass auch feste Sporttermine mit in den vollen Tagesplan eingebunden sind. Lehrformen – Qualität des Studiums Fünf Befragte sprachen das Studieren in kleinen Schritten oder Portionen („babysteps”) an, wie es durch die Form des Unterrichtes und die regelmäßigen Hausaufgaben und Test gefördert wurde. Zum einen wurde die ständige Forderung und Leistungskontrolle der Studierenden und die gute Aufbereitung des Lehrmaterials als gut eingeschätzt. So würde man am Ende des Semesters nicht wie hier in Darmstadt von einem Berg von Material erschlagen. Auch das wissenschaftliche Schreiben werde geübt und nicht gleich eine ganze Hausarbeit angefertigt. Zum anderen wurden die Lehrbücher in einem Fall als „dramatisch viel besser” eingeschätzt. Eine Befragte vermutete, dass das portionsweise Abarbeiten des gut aufbereiteten Lehrstoffs es den Studierenden überhaupt erst ermöglicht, genügend Zeit zum Feiern zu haben. Demgegenüber wurde die ständige Anleitung und damit das fehlende Lernen von Selbstorganisation kritisch gesehen. Auch werde den Studierenden alles direkt serviert und das kritische Suchen von Informationen und der Umgang mit Material bzw. Literatur werde nicht gelernt. Selbstständigkeit und kritisches Hinterfragen der Skripte werde nicht praktiziert. Zwei Befragte schätzen den höheren Zeitaufwand durch diese Lehrformen als unverhältnismäßig im Vergleich zu einem höheren Lernerfolg ein, zwei hielten ihn für ähnlich, ein Befragter schätze den Arbeitsaufwand geringer ein. Eine Befragte (Illinois) bemerkte, dass die Übungen in den technischen Fächern sehr wichtig sind, allerdings in den wirtschaftswissenschaftlichen Fächern teilweise Essays geschrieben werden mussten, bei denen man sich im wesentlichen „etwas aus den Fingern saugen musste”, ohne wirklich etwas daraus zu lernen. Dafür hätten die einheimischen Studierenden allerdings eine entsprechende Fähigkeit entwickelt. „ ... Was ich aber wiederum nicht wollte, dass auf dem Universitätscampus alles stattfindet und das praktisch losgelöst von allem eine Stadt in der Stadt bildet.“ „Ich fand es eigentlich immer gut, von der Uni wegzufahren und nach Hause zu fahren, dadurch auch einen räumlichen Abstand zu bekommen, auch wenn man mal 10 Minuten durch den Regen gefahren ist.“

Die Didaktik der Lehrveranstaltungen wurden von „ähnlich zu hier” bis „dramatisch viel besser” eingeschätzt. Oft war die Zahl der Studierenden in den Vorlesungen deutlich kleiner als hier. War das nicht der Fall, so waren die Gruppen in den dazugehörenden Übungen mit 1020 Personen deutlich kleiner. Einmal wurden die Vorlesungen als sehr dialogisch bezeichnet. Auf die gute Didaktik wurde zweimal explizit hingewiesen. Der Unterricht wolle Interesse wecken und die Studierenden motivieren. Die Professoren hätten auch ein eigenes Interesse an einer guten Bewertung, die durch die Studierenden vorgenommen wird. Sie arbeiteten im Gegensatz zu Darmstadt immer mit modernen Präsentationen und Folien (Berkeley).

„Ich finde es einfach schöner, wenn man irgendwo studiert, dass man auch etwas von dieser Stadt mitkriegt.“ „Die Stadt ist halt im Verhältnis zum Campus zu groß. Ein Campus macht – denke ich – nur Sinn, wenn das eine eigene Stadt ist. ... “

74

Verschiedene Einzelbeobachtung waren beispielsweise, dass die Professoren einen anderen Status hätten als in Deutschland. D.h. sie verhielten sich nicht so sehr als Fachgebietsleiter, sondern mehr als Lehrende. Ein Befragter bezeichnete den Professoren-Status hier als „Status des Halbgottes” gegenüber einer „Dialogkultur der Nichtbesserwisserei” in Glasgow. Die Studentenbetreuung werde als eigene Aufgabe wahrgenommen, die Professoren nähmen sich ausreichend Zeit, seien in Notfällen auch zu Hause erreichbar und die Studierenden hätten weniger Hemmungen, beim Professor zu klopfen (Buffalo). Er habe auch keine eigene Sekretärin und übernähme einen Teil der Verwaltungsaufgaben selbst. Das Studium werde in den USA als Beruf angesehen. Damit gelten die Studierenden nicht als Faulenzer und sie würden dementsprechend unterstützt und gefördert. Der Campus habe den Vorteil, dass auch die Labors dort untergebracht seien und damit die Chance, einen Professor anzutreffen, einfach erhöht werde (Lyon). Abb.115: Eingang zur Landes- und Hochschulbiblio-

Bibliothek und Ausstattung

thek Darmstadt (je)

Fünfmal wurde auf die besonders gut ausgestatteten Bibliotheken hingewiesen. Zum einen waren immer ausreichend Lehrbücher vorhanden, die man sich selbst aus den Regalen holen konnte. Zum anderen sind ausreichende und gut nutzbare Arbeitsplätze in den Bibliotheken vorhanden. Sie haben sehr lange geöffnet: mindestens bis Mitternacht, häufig auch 24 Stunden lang. Das führt dazu, dass immer Studierende auf dem Campus anzutreffen sind. Auch stehen den Studierenden über die Bibliothek hinaus auf dem Campus an verschiedenen Stellen Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen man in Freistunden lernen kann. Jedem Studierenden stehe außerdem jederzeit ein Computerarbeitsplatz zur Verfügung, wie ein Befragter (Buffalo) berichtete. Er bezeichnete dies als „geil”, weil man dadurch zu Hause keinen Computer brauche und auch immer auf andere Studierende treffe. Ein anderer (Guelph) berichtete, dass den Masterstudierenden die Institutsgebäude mit Lernräumen und Labors jederzeit zugänglich seien. Alle Masterstudierenden hätten einen eigenen Arbeitsplatz, an dem sie an fortlaufenden Projekten (mit-)arbeiteten. Dadurch blieben sie auch während der vorlesungsfreien Sommermonate (Mai-August) auf dem Campus. Ein dritter Befragter (Berkeley) berichtete, dass Lehrmaterialien häufig von Firmen gesponsert würden, wodurch immer neues modernes Material vorhanden sei.

„ ... Es hat ja auch schon Planungen gegeben, ganze Fachbereiche da hoch zu legen, oder ob man nicht viel-

Anforderungen, studentisches Engagement und Lernen

„Ich habe einiges dagegen, wenn Universitäten zu sehr abgeschottet sind von der Umgebung.“

welchem jeder Studierende einem Mitarbeiter zugeordnet wird, der sich ähnlich einem Klassenlehrer um das Vorankommen des Studierenden kümmert. Zwei Befragte vermuteten, dass das höhere Dienstleistungsverständnis auf Seiten der Lehrenden auch durch die Studiengebühren bedingt wird.

Betreuungssituation Die Betreuungssituation wird im Vergleich zu Deutschland insgesamt als besser eingeschätzt. Vor allem übernehmen die Professoren in der Regel die Betreuung selbst, bieten ausreichend Sprechstunden an und sind auch sonst zu den normalen Bürozeiten zum Teil zu erreichen. Häufig stehen die Türen offen und die Betreuungsangebote werden von den Studierenden auch angenommen. Es entstand der Eindruck, es gäbe einfach weniger Studierende pro Professor als in Deutschland (2 Befragte). In Großbritannien gibt es ein Tutoren-System, in

leicht das eine oder andere Wohnheim auf die Lichtwiese baut, um da ein bisschen studentisches Leben hin

Die Anforderungen an die Studierenden schätzten vier Befragte als unterschiedlich ein. In der Tendenz ist das Bachelor-Studium leichter als das Grundstudium in Deutschland, die Anforderungen im Master-Studium sind dagegen etwas höher als das Hauptstudium. In Frankreich ist es genau umgekehrt, dort sind die Vorbereitungsjahre „quasi unmenschlich”, aber mit Bestehen der Aufnahmeprüfung an der Grande Ecole hat man den Abschluss fast garantiert, „réputation à l’entrée” genannt. In den ersten Semestern müssen Prüfungen dort nur bestanden werden, Noten sind uninteressant. Daher ist das Engagement in dieser Zeit eher eingeschränkt.

zu bringen. Aber die ganze Uni da zu konzentrieren, das halte ich für nicht gut. Das ist meine Meinung.“ „Das wird mit Sicherheit schwieriger, als es in den USA ist, weil es doch ein sehr großer Unterschied ist. Diesen Schritt vom Lernen zum wirklichen Leben an der Uni zu machen, das ist glaube ich nicht so einfach. ...“

75

„ ...Wenn Du auf dem Campus wohnst, gibt es den Campus für Dich und außen rum nichts. Ich fand es immer gut, auf dem Weg zur Uni wenigstens ein paar

Besonders die regelmäßigen Hausaufgaben prägen die Anforderungen. Man verwende pro Lehrveranstaltung etwa noch einmal soviel Zeit darauf, war die Einschätzung eines Befragten, ein anderer wies auf Unterschiede bedingt durch Kurs und Professor hin.

normale Leute zu sehen.“ „Ich glaube, allein der Kontakt mit der normalen Bevölkerung, wenn man morgens um acht vom Johannesviertel auf die Lichtwiese fährt, dass man davon persönlich mehr hat, als wenn man auf dem Campus wohnt.“ „Und ich finde es zur Abwechselung auch ganz nett, wenn man andere Leute, nicht nur Studenten, sieht. ...“

Das Engagement der Studierenden für das Studium wurde von mehreren als hoch eingeschätzt, die hohe Arbeitsbelastung wird von den Studierenden als normal angesehen. Zum Teil wird auch am Wochenende gearbeitet. Ein Befragter bemerkte, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch am Wochenende Kommilitonen auf dem Campus anzutreffen waren. Zwei Befragte vermuteten, dass die Studierenden auch durch die Kosten für das Studium (Studiengebühren) zu Engagement für ihr Studium motiviert werden. Zwei andere wiesen darauf hin, dass das Zusammenwohnen im Wohnheim zu einer gegenseitigen Motivation, Unterstützung und einem Mitziehen führt. Gelernt wird sowohl in Gruppen, als auch allein. Dabei werden Übungen im Rahmen der Lehrveranstaltungen häufig gemeinsam bearbeitet, selbstorganisiertes Lernen und Hausaufgaben werden häufiger alleine bestritten. In den USA wird Wert darauf gelegt, dass Aufsätze oder andere benotete Leistungen einzeln erbracht werden. In einem Fall wurde von Seiten der Amerikaner argumentiert, sie würden nicht zusammen arbeiten, weil sie nicht voneinander abschrieben. Einschätzung insgesamt Insgesamt wurde im Vergleich beider Systeme die hervorragende Betreuungssituation und die Ausstattung an den Campus-Universitäten als wesentlicher Vorzug des Studiums dort, dem Erlernen von Selbstständigkeit und der Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen von Informationen an deutschen Universitäten gegenübergestellt. Positiv wurden außerdem die studienstraffenden Lehrformen bewertet. Das deutsche System sei nur sinnvoll, wenn man es zu nutzen wisse, ansonsten führe es oft zu unnötig langen Studienzeiten. Wohnen

„ ...Um einen Campus in Darmstadt zu schaffen, muss man Anreize geben, auch dort zu wohnen. Aber wenn sich das mal einspielt und die Studenten dann auch merken: hoppla, dass ist viel schöner hier zu wohnen, weil ich dann auch dazu gehöre und nicht immer nur tagsüber dabei bin, würde sowas bestimmt gut funktionieren.“ „Ich könnte mir das schon vorstellen, dass eine echte Campusuniversität auf der Lichtwiese geschaffen wird. Was ich mir weniger vorstellen könnte ist, dass

An allen Campus-Universitäten gibt es Studentenwohnheime entweder direkt auf dem Campus, in unmittelbarer Nähe oder beides. Diese Wohnheime bestehen aus mehreren Blöcken und verfügen meist über eine eigene Kantine oder Mensa, teilweise über eine Cafeteria oder kleine Läden für Getränke, Schreibwaren und Süßigkeiten. In der Regel gibt es ein deutlich höheres Angebot an Wohnheimplätzen als in Darmstadt. An einigen europäischen Universitäten, die gut erreichbar sind, wohnt ein Teil der Studierenden weiter bei den Eltern, was durch die weiten Entfernungen in Amerika aber auch in Frankreich praktisch nicht möglich oder auch nicht üblich ist. Häufig wohnen vor allem die jüngeren Studierenden in den Wohnheimen und die älteren suchen sich dann Privatunterkünfte oder ziehen in andere Wohnheime um.

man auch den Wohnbereich dazu kriegt, dass das für Studenten wirklich attraktiv ist und sie aus anderen Wohnbereichen auch zur Übersiedlung bewegen kann. Aber da hängt vielleicht auch viel davon ab, wie der Wohnungsmarkt in Darmstadt überhaupt ist. ... “

76

Die Befragten, die in Großbritannien oder in Kanada waren, schätzten die Ausstattung der Wohnheime ähnlich zu den Standards in Deutschland ein. Einer (Southampton) berichtete von einer breiten Spanne, die sich von 20er-Wohngemeinschaften über 5er- oder 7er-Wohngemeinschaften bis hin zu gut ausgestatteten Einzelzimmern, gedacht für Doktoranden,

erstreckte. Alle anderen berichteten von einem eher niedrigeren Standard. Insbesondere in den USA ist es üblich, in der ersten Zeit in Zweitbettzimmern zu wohnen. Es gibt oft wenige Einzelzimmer, die älteren Studierenden vorbehalten und nur sehr schwer zu bekommen sind. In Frankreich gibt es Einzelzimmer, aber diese sind sehr klein („20 Kubikmeter pro Person”). Des öfteren wurde von einer sehr schlechten Bausubstanz gesprochen. Toiletten und Bäder liegen in der Regel auf dem Flur und werden geteilt. Insbesondere in den USA sind die Etagen in den Wohnheimen nach Geschlechtern getrennt. Eine Befragte bewertete es als positiv, dass die Zimmer möbliert vermietet werden, was den Studierenden große Flexibilität ermögliche. Verwaltet werden die Wohnheime von der Universität, in einigen Fällen vergibt sie auch die Zimmer. In anderen Fällen muss man sich direkt bei den Wohnheimen bewerben und bekommt dann eventuell ein Zimmer zugewiesen. Auch die Doppelzimmer werden von der Universität belegt. Zum Teil muss das hingenommen werden, zum Teil gibt es die Möglichkeit, mit einem Freund oder einer Freundin zusammen zu ziehen. Einige Universitäten bieten Listen mit privaten Vermietern an und helfen so den Studierenden, die privat wohnen wollen, ebenfalls bei der Organisation. Zwei Befragte berichteten, dass der Wohnungsmarkt während ihres Auslandsaufenthaltes vor Ort sehr angespannt war und es schwierig war, überhaupt ein Zimmer zu bekommen, sowohl im Wohnheim, als auch auf dem freien Markt. Wer im Masterprogramm sei und auch während der Sommerferien vor Ort bleibe, bekomme sehr leicht ein privates Zimmer, da die übrigen Studierenden meist nach Hause fahren, berichtete ein Befragter. Studentische Verbindungen sind die dritte Möglichkeit zu wohnen. Verbindungen unterhalten Häuser rund um den Campus. Allerdings ist es häufig sehr schwierig, in diese Verbindungen aufgenommen zu werden. Die Hälfte der Befragten hat während des Auslandaufenthaltes privat gewohnt. Teilweise, um das Wohnen im Doppelzimmer zu vermeiden, aus Kostengründen oder weil die Wohnheime im wesentlichen von Bachelor-Studierenden bewohnt wurden, während sie selbst im MasterProgramm studierten. Häufig gibt es in unmittelbarer Nähe zum Campus eine Vielzahl privater Studentenwohnungen. Teilweise werden von Wohnungsunternehmen private Wohnheime in Campusnähe gebaut. In Guelph ist es üblich, sich mit 5-6 Studierenden ein kanadisches Holzhaus zu mieten und eine Wohngemeinschaft zu gründen. In der Regel ist der Campus auch für die privat wohnenden Studierenden fußläufig oder mit dem Fahrrad gut zu erreichen. In manchen Städten liegt der Campus aber so weit außerhalb, dass in der Stadt wohnende Studierende auf ein Auto angewiesen sind.

Abb. 116: Karlshof, das größte Studentenwohnheim in Darmstadt (je )

„ ... Einen Campus in Darmstadt könnte ich mir schon vorstellen. Es muss allerdings ein Anreiz geschaffen

Vier Befragte berichteten, dass die Kosten für das Wohnheim trotz des oft niedrigen Standards deutlich höher sind als in Deutschland. Das gleiche berichteten drei Befragte für private Wohnungen. Drei Befragte halten die Kosten bei gleichen Standards für ähnlich zu Darmstädter Preisen. In Frankreich sind die Kosten für die Wohnheime sehr niedrig, weshalb auch ausnahmslos alle Studierenden in den ersten Jahren dort wohnen.

werden, dann auch dort zu wohnen. Denn das RheinMain-Gebiet ist einfach das Einzugsgebiet für die Uni hier und es ist für viele einfach billiger, noch zu Hause zu wohnen mit allen Nachteilen, die das trotzdem hat.“ „Man müsste hier halt mal gucken, wieviele Studie-

Bei der wertenden Einschätzung der Wohnerfahrungen wurden vor allem das Wohnen in UniNähe und die Kontakte (Freunde finden, Informationsfluss, Mitziehen beim Lernen) durch das Wohnheimwohnen als positiv bewertet. Ein Befragter bezeichnete diese Wohnform als Teil des studentischen Lebens. Auch in Darmstadt wären viele Wohnheimplätze wünschenswert (2 Befragte), sie sollten aber preiswert sein (3 Befragte) und auch eine Vermittlungshilfe durch die

rende von außerhalb kommen und wieviele aus der Nähe kommen und noch zu Hause wohnen, die das dann wirklich auch als Campus nutzen würden. Das funktioniert ja nur dann, wenn auch Leute da sind, die das Angebot als Campus nutzen. ...“

77

Universität wurde zweimal gefordert. Demgegenüber wurde jeweils in Einzelstatements das Wohnen in Doppelzimmern als grausam bezeichnet, die Phasen der “toten Hose” durch die Abwesenheit der Studierenden in den Semesterferien beanstandet und Bedenken geäußert, durch das Wohnen auf dem Campus von der Stadt nichts mitzubekommen. Zwei Befragte stellten in Frage, ob die deutsche Mentalität ein ausgeprägtes Wohnheimwohnen überhaupt zuließe bzw. inwiefern man auch innerhalb Deutschlands durch die unterschiedliche Klientel von allgemeinen Universitäten auf Technische Universitäten schließen könne. Mahlzeiten An den europäischen Universitäten gibt es zentrale Mensen. Meistens gibt es dort auch abends warme Gerichte. Teilweise ist das Essen allerdings sehr teuer. In Amerika hat sich in der Regel ein anderes Modell durchgesetzt. Dort gibt es in einem zentralen Gebäude so etwas wie eine Markthalle, in der bei verschiedenen kommerziellen Anbietern wie Fastfood-Ketten oder Restaurants gegessen werden kann. In einigen Fällen gab es auch in unmittelbarer Nähe zum Campus verschiedene gastronomische Angebote, die genutzt wurden, oder die Studierenden brachten sich selbst etwas mit. In einem Fall wurde berichtet, dass den Masterstudierenden in ihren Aufenthaltsbereichen Kühlschränke und Mikrowellen zur Verfügung standen, so dass sich viele Studierende etwas mitbrachten und dort aufwärmten.

Einige Universitätsanlagen sind direkt in die Stadt eingebunden, womit den Studierenden auch die dort vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten, teilweise in unmittelbarer Nachbarschaft, zur Verfügung stehen. In anderen Fällen gab es nur in großen Einkaufszentren am Stadtrand gute Einkaufsmöglichkeiten, so dass man auf ein Auto angewiesen war. Finanzen Die Wahrnehmungen davon, ob die einheimischen Studierenden neben dem Studium arbeiten, sind sehr unterschiedlich. Zum Teil wurde Arbeiten als unüblich bezeichnet, die Finanzierung werde durch Eltern und Stipendien bewerkstelligt. Teils wurde davon gesprochen, dass die Studierenden viel nebenbei arbeiten. Einmal wurde angesprochen, dass die langen Sommersemesterferien den Studierenden erlauben, in dieser Zeit voll zu arbeiten und so genug Geld für die nächsten beiden Semester zu verdienen. Gemeinsam mit anderen Äußerungen in dieser Richtung lässt sich allerdings darauf schließen, dass besonders in den USA weniger häufig im direkten universitären Umfeld als Hilfskraft gearbeitet wird, sondern eher Jobs wie Verkäufer oder Kellner angenommen werden. In den Niederlanden gibt es einen staatlichen Zuschuss ähnlich dem BAföG, allerdings erhalten Studierende diesen nur, wenn sie gleichzeitig durch eine gewisse Anzahl von Stunden in einem Nebenjob dazu verdienen.

Abb. 117: Eingang zum Hochschulstadion der TUD (je)

Freizeit

„ ... Das einzige, was ich mir gut vorstellen könnte, wäre ein kleiner Supermarkt. (...) Das wäre vielleicht eine Versorgungsmöglichkeit nach 16 Uhr. Es ist ja

Darüber hinaus ist es üblich, dass die Wohnheime eigene Kantinen haben, in denen die Studierenden Vollpension buchen können. Dieses Versorgungsangebot bestand teilweise auch am Wochenende. In den USA ist dieses Angebot häufig verpflichtend, was unterschiedlich bewertet wurde. Einerseits wurden hohe Kosten und die restriktiven Essenszeiten kritisiert, andererseits wurde das Angebot aufgrund mangelnder Einkaufsmöglichkeiten für unbedingt notwendig erachtet und auch die breiten Zeitfenster pro Mahlzeit gelobt.

doch so, dass nicht nur Assistenten sondern auch Studenten manchmal länger arbeiten wollen oder müssen. Denen täte ein Edeka, wo man Brot und Käse kaufen kann, vielleicht ganz gut.“ „Das nervige hier ist eben, dass die Cafeteria einfach um 16 Uhr schließt. Das ist dort undenkbar. Die büffeln bis 18, 20 Uhr da und wollen dann auch essen und abends noch feiern. (...) Die Universität stirbt nicht so schnell aus wie hier. Der Campus ist eben Lebenswelt

Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind in den Wohnheimen an den US-amerikanischen Universitäten nicht gegeben. Dort standen entweder gar keine Küchen zur Verfügung oder nur eine einzige für einen ganzen Gebäudeblock, so dass die Nutzung kaum möglich war. Zum Teil wurden Mikrowellen für die Studierenden in den Wohnheimen vermutet. An den anderen Universitäten standen den Studierenden in den Wohnheimen Gemeinschaftsküchen zur Verfügung, in privaten Unterkünften war das natürlich immer der Fall. In Lyon wurden an den Wochenenden, an denen die Mensa geschlossen blieb, häufig „Etagenessen” veranstaltet, bei denen größere Gruppen das gemeinsame Kochen organisierten. In Guelph wurden gern gemeinsame Barbecues veranstaltet.

und nicht nur eine Ausbildungsstätte. Und dafür sind Rahmenbedingungen wie Mensa und Cafeteria unab-

Einkaufsmöglichkeiten

dingbar. Das würde ich mir auch für hier wünschen – unbedingt!“ „Ich würde mir das weniger wünschen, denn ich halte es für eine Vorteil, in der Stadtmitte zu studieren. Ich bin mal schnell nach Hause gegangen, kann schnell mal in der Stadt was einkaufen und auf der Lichtwiese würde ich mich doch mehr weit ab fühlen. ... “

78

Bis auf eine Ausnahme sprachen alle Befragten auf die Frage nach den Freizeitmöglichkeiten an der Universität als erstes die Sportangebote an. Zu jedem Campus gehören Sportanlagen mit großen Hallen und Gymnastikhallen, Schwimmbad, Leichtathletikanlagen, Tennis- und Squashplätzen. In den USA sind Basketball- oder Footballstadien auf dem Campusgelände üblich. Liegen Gewässer in der Nähe, gibt es Ruderangebote. Das Sportangebot wird durchweg von der Hochschule organisiert, eine Nutzungsgebühr ist meistens in den Studiengebühren enthalten, vereinzelt werden geringe Beiträge erhoben. Es gibt überall Kurse, die von Übungsleitern betreut werden, aber auch verschiedene Mannschaften, die entweder zum Spaß gemeinsam Fußball oder Volleyball spielen, oder aber Leistungssport betreiben. In der Regel werden Wettbewerbe der Mannschaften, beispielsweise einzelner Wohnheime gegeneinander, organisiert. Darüber hinaus gibt es häufig Angebote, ausgefallene Sportarten zu betreiben oder Wander-, Ski- oder Kanutouren am Wochenende zu unternehmen. Diese werden eher von studentischen Gruppen selbst organisiert. Mehrfach wurde betont, dass dem Sport an der Universität eine besondere Bedeutung zukommt, einerseits aufgrund des Gesundheits- und Körpergefühlaspektes, andererseits aber auch aufgrund des sportlichen Ehrgeizes und der Außendarstellung der Universität durch die Leistungssportmannschaften.

In drei Fällen von US-Universitäten wurde von der Möglichkeit, Lebensmittel auf dem Campus einzukaufen, berichtet, in einem Fall von kleinen Läden für das nötigste in den Wohnheimen. In diesen und drei weiteren Fällen gab es darüber hinaus Geschäfte mit Büchern, Schreibwaren und Studentshops für Textilen u.ä. mit dem Universitätslogo, aber auch eine Post oder Bankautomaten auf dem Gelände. Einmal wurde von einem eigenen Campus-Zentrum mit Bars und Geschäften gesprochen (Illinois). Die Einkaufsmöglichkeiten wurden insgesamt in Abhängigkeit von der Lage der Universität zur Stadt bewertet.

„ ... Sportmöglichkeiten werden hier auch von der Uni angeboten. Wirklich auch gut, im Verhältnis zu anderen Unis. Das könnte als Grundlage, zumindest vom sportlichen Rahmen, schon gehen. Du müsstest halt wirklich alles zusammenziehen, nur dann macht es

Darüber hinaus gibt es häufig noch viele andere Angebote im künstlerischen, kulturellen oder Bildungsbereich. Eine Befragte charakterisierte das Angebot als „wie an der Volkshochschule”. Auf Theater-, Kino- und Museumsangebote, für die entsprechende Räumlichkeiten bzw. Gebäude auf dem Campus zur Verfügung stehen, wurde mehrfach hingewiesen. Allerdings gibt es in diesem Bereich keine einheitlichen Angaben. Zum Teil waren die Befragten aufgrund der eigenen Interessenlage nicht so gut informiert, wie sie das im Sportbereich waren. Zum Teil wurde aber auch berichtet, das die Angebote in diesem Bereich deutlich stärker von selbstorganisierten studentischen Gruppen geprägt waren. Besonders im

Sinn. Sobald du doch wieder irgendwohin extra fahren musst, macht es wieder keinen Sinn.“ „Ich kann mir vorstellen, dass diese beiden Standorte campusähnlich ausgebaut werden, also jeweils. Aber nicht mit Mauern, sondern dass die sozialen und kulinarischen Rahmenbedingungen verbessert werden. ...“

79

Falle der französischen Universität war dies gegeben. Dieser und vier weitere Befragte wiesen außerdem darauf hin, dass von den Studierenden sehr viel Wert auf das Erlangen eines Amtes gelegt wurde. Es sei gut für den Lebenslauf, einmal Präsident von irgendeinem Club gewesen zu sein, da man dort Führungsqualitäten übe und seine Bereitschaft zu persönlichem Engagement deutlich mache. Zwei Befragte wiesen explizit auf die hohe Qualität der Campus-Zeitung hin. Hier engagieren sich vor allem die Journalismusstudenten, für die es ein wichtiges Sprungbrett sein kann, bei der Campuszeitung Chefredakteur gewesen zu sein. Vereinzelt wurde auf Veranstaltungen bzw. Events hingewiesen. Bei studentisch organisierten Events handelte es sich in der Regel um Partys in größerem Maßstab, die den Studierenden Abwechslung bescheren sollten. Aber auch von den Universitäten selbst wurden Veranstaltungen angeboten. Eine Befragte wies besonders auf die identifikationsbildende Funktion von thematischen Aktionen wie etwa einem „health day” auf dem gesamten Campus hin. So etwas wünschte sie sich auch für Darmstadt, stellte aber gleichzeitig in Frage, ob solche Aktionen durch die räumliche Zerrissenheit der TUD überhaupt Resonanz fänden. Die Einschätzungen, wie viel Zeit für Freizeitaktivitäten zur Verfügung steht, gehen etwas auseinander. Zwei Befragte betonen, dass der Sport für sehr wichtig gehalten wird und dafür auch schon mal eine Lehrveranstaltung ausfallen kann oder zumindest die Hausaufgaben verschoben werden. Wichtig sind vor allem auch die Wochenenden, da viele Studierende nicht nach Hause fahren. Hier werden Ausflugsangebote gerne genutzt. Das Ausgehen in der Stadt hängt von der Lage des Campus zur Stadt ab. Zwei Befragte wiesen darauf hin, dass man verschiedenste Angebote braucht, damit keine Langeweile aufkommt, „da man schließlich den ganzen Tag aufeinander hockt”. Alter Praktisch alle Befragten wiesen in unterschiedlichen Zusammenhängen auf das geringere Alter der einheimischen Studienanfänger im Vergleich zu deutschen hin. Dadurch werde beispielsweise das Wohnen im Doppelzimmer nicht in Frage gestellt, das verpflichtende Essensangebot der Wohnheime als sinnvoll oder auch das stärker strukturierte Lehrprogramm – Lernen in Portionen – als möglicherweise notwendig erachtet. Aufenthaltsmöglichkeiten

„ ... Ich weiß ja nicht, wo hier noch was hinkommen soll, aber ich fand immer diese ganzen Freiflächen das Schöne an der Uni. Insofern wollte ich gar nicht, dass hier noch was hinkommt. Hier kann man wunderbar Drachen steigen lassen und den Bumerang schmeißen. ...“

80

Alle Befragten berichten von verschiedenen Möglichkeiten, Freistunden auf dem Campus zu verbringen oder sich mit Bekannten zu treffen. Von Cafes, Bars oder Pubs sprechen acht Befragte. Diese befinden sich entweder direkt auf dem Campus oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Teilweise gibt es auch von Studierenden selbst organisierte Bars. Zentrale Treffpunkte sind natürlich die Mensa (5 Nennungen), die Cafeterien (4 Nennungen) und bei schönem Wetter die Grünflächen (4 Nennungen). Zudem gibt es entweder im zentralen oder auch in dezentralen Gebäuden mit Sofas ausgestattete Aufenthaltsräume (6 Nennungen), in denen häufig auch Kaffee- und Süßigkeitenautomaten stehen (4 Nennungen). Teilweise wird von solchen Räumlichkeiten auch in der Bibliothek berichtet. Ein Befragter berichtet, dass es dort

zwar ähnlich wie hier auch „hässliche Gebäude mit langen Fluren” gäbe, dass man aber mit Hilfe von Kaffeeautomaten und Sitzmöglichkeiten immer wieder versuche, „Einladungen auszusprechen.”

„ ... Im Wohnheim zu wohnen, finde ich für das Studium und die Persönlichkeit förderlich. Man lernt selbstständiger zu sein und man hat einfach mehr Kontakte, als wenn man privat wohnt. Man lernt

Weitere Einzelaussagen gab es über einen Billardclub auf dem Campus in Glasgow, Veranstaltungen in den Räumen studentischer Clubs, die auch für andere Studierende häufig zugänglich sind (Lyon), Kurse mit eigenen Lernräumen zu deren Verfügung, die mit Kaffeemaschine zum Treffpunkt ausgebaut werden (Southampton) und zentrale Punkte auf dem Campus oder verschiedene Veranstaltungen, die zu Treffpunkten für die Studierenden werden (Berkeley).

auch mehr Ausländer kennen, einfach auf dem Flur, wozu man sonst selten Gelegenheit hat.“ „Die meisten leben es doch aus, dass sie Studenten sind, dass sie neue Freundschaften pflegen, Tag und Nacht mit ihren Kommilitonen zusammen sind und empfinden das als das Optimum. ... “

Kontakte knüpfen Das Kennenlernen anderer Studierender wurde unterschiedlich eingeschätzt. Die Mehrzahl der Befragten nannte aber vor allem die Lehrveranstaltungen, um Kontakte zu knüpfen. Zweimal wurde auf die größere Offenheit der Studierenden in den USA hingewiesen. Es ist dort einfacher, andere anzusprechen. Wichtig waren auch Partys und Veranstaltungen, vor Allem zu Beginn des Semesters. Häufig wurden speziell zum Kennenlernen für die Neuen solche Partys veranstaltet. Zwei Befragte berichteten von speziellen Veranstaltungen für ausländische Studierende, bei denen man Land und Leute kennen lernen konnte. Eine wesentliche Rolle wurde aber vor allem den Wohnheimen zugesprochen. Hier trifft man ständig auf andere Studierende, wohnt zum Teil zu zweit in einem Zimmer und hat die Möglichkeit, Studierende aus anderen Fachbereichen kennen zu lernen. Vereinzelt wurden studentische Gruppen oder Verbindungen, WG-Mitbewohner und andere Deutsche als Möglichkeiten zum Kontakte Knüpfen genannt. Ein Befragter wies auf die große Internationalität der Studentenschaft in seinem Umfeld hin, was er als sehr angenehme, multikulturelle Atmosphäre empfand. Drei Befragte wohnten überwiegend mit einheimischen Studierenden zusammen in einem Wohnheim, die Übrigen wohnten in international gemischten Wohngemeinschaften.

„ ... Die Uni kann in der Stadt liegen. Sie sollte einfach durch Grünflächen zusammengehalten werden. Sie kann nach außen ruhig auch mit der Stadt verzahnt sein, sollte aber einfach eine Einheit bilden.“ „Was die Uni selbst angeht, ist es schon schön, wenn

Vier Befragte wiesen auf die Bedeutung des Campus als gemeinsamer Arbeits- vor allem aber auch Wohnort als wesentlich für das studentische bzw. soziale Leben hin. Ein interessanter Hinweis war der, dass man durch den Campus sehr sicher sei, dass man es mit einem Studenten zu tun habe, wenn man sich begegne. Dadurch sei die Hemmschwelle zum Ansprechen anderer junger Leute geringer als in der Stadt. Dreimal wurde auf das Entstehen lebenslanger Freundschaften in dieser Umgebung hingewiesen, die für sie selbst auch über Kontinentalgrenzen hinweg Bestand haben.

man alles an einem Fleck zusammen hat. Wenn ich mir überlege, wie viel Zeit ich hier mit pendeln zwischen Lichtwiese und Stadtmitte verbringe – das ist schon störend.“ „Auch für den AStA fände ich es gut, wenn der zentral für die ganze Uni präsent wäre. ...“

Auf die Frage nach „In-Gruppen“ wurde sehr unterschiedlich geantwortet. Vereinzelt wurde in diesem Zusammenhang auf die große Bedeutung von Bruder- und Schwesternschaften hingewiesen. Auch wurde normale Cliquenbildung beschrieben oder vermutet, dass Studierende, die am Wochenende nach Hause fahren, weiterhin dort ihren festen Freundeskreis haben. Einmal wurde auf die wichtige Bedeutung der Wohnheimetage für die Gruppen- und Identitätsbildung hingewiesen.

81

Anknüpfungspunkte zur Übertragbarkeit Dieser Abschnitt diskutiert die oben zusammengefassten Ergebnisse aus den Interviews in Bezug auf ihre Übertragbarkeit auf deutsche Universitäten. Herausgezogen werden sollen die Aspekte, die wesentliche Unterschiede aufweisen. Zweiter Betrachtungspunkt ist die Relevanz für die Raumsituation. Unsere zentralen Aussagen sind im Text kenntlich gemacht. Die unseres Erachtens nach wichtigsten genannten Aspekte für die Übertragbarkeit sind zum einen das geringere Alter, mit dem das Studium vor allem in den USA aufgenommen wird. Bedingt durch weniger Schuljahre und teilweise nicht vorhandene Wehrpflicht sind die Studierenden nach Angaben der Befragten im Schnitt zwei bis drei Jahre jünger als in Deutschland. Zum anderen erscheinen die Lehrformen, die von den Befragten als „verschult” bezeichnet wurden, ein wichtiger Hinweis auf grundlegende Unterschiede zu sein.72] Beide Aspekte spielen in der folgenden Argumentation immer wieder eine Rolle. Der zu Deutschland in der Regel unterschiedliche Studienaufbau mit Bachelor- und Masterabschlüssen ist an dieser Stelle weniger interessant, da er sich nicht unmittelbar auf den studentischen Alltag auswirkt. Zudem werden inzwischen auch hier verstärkt Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten, um die deutschen Hochschulen international konkurrenzfähiger zu machen.

schen der Schule, an der der Lehrer lehrt und die Schüler

Diese semantische Unterscheidung besteht im angelsächsischen Raum kaum, das College bildet eine Übergangsform zwischen beidem. (vgl. Stichweh (2003))

82

Aufenthaltsmöglichkeiten auf dem Campus Neben den Arbeitsmöglichkeiten auf dem Campus sind auch die Aufenthaltsmöglichkeiten in Pausen bzw. für die Freizeitgestaltung wichtig für die Studienqualität. Die beschriebenen Anlagen bieten dafür Räumlichkeiten, es gibt Cafés bzw. Cafeterias mit langen Öffnungszeiten, ansprechende Freiflächen und Sitzgelegenheiten mit Getränke- und Süßigkeitenautomaten an vielen Stellen. Solche einladenden Plätze zum Verweilen und Zusammensitzen sind in Darmstadt rar. Die rege Nutzung der „Kuhle“ (studentisch betriebenes Café) im Architekturgebäude, die nicht nur von Architekturstudenten und – mitarbeitern gern genutzt wird, macht einen vorhandenen Bedarf deutlich.

Wesentliche Unterschiede, die sich auf den studentischen Alltag, aber auch auf die Raumsituation auswirken können, sind das verschulte System und das portionierte Lernen. Daraus resultiert für die Studierenden häufig Anwesenheitspflicht in den Lehrveranstaltungen und die Verpflichtung zur kontinuierlichen Bearbeitung des Lehrstoffs, wenn gute Noten in den regelmäßig stattfindenden Tests erzielt werden sollen. Dazu kommt das intensivere Arbeiten mit Lehrbüchern, die den Studierenden in der Regel in der Bibliothek zur Verfügung stehen. Alle Faktoren gemeinsam sorgen dafür, dass sich die Studierenden den ganzen Tag über am Campus aufhalten. Diese Voraussetzungen sind in Deutschland in diesem Ausmaß nicht gegeben und werden vermutlich auch in nächster Zukunft nicht eintreten.

Gerade im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Literaturarbeit (hier intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Quellen, dort eher Lehrbücher) erscheint das Bibliotheksangebot gerade verkehrt. Lehrbücher werden häufiger gekauft, teilweise gibt es secondhand-shops auf dem Campus, so dass benutzte Bücher auch wieder verkauft werden können. Dadurch sind sie für den Studierenden jederzeit verfügbar. Zur intensiven Literaturarbeit dagegen sind Präsenzbibliotheken mit langen Öffnungszeiten und guten Arbeitsplätzen vor Ort besonders wünschenswert bzw. notwendig. Anzumerken ist dabei auch, dass die Literaturarbeitsweise hier durchweg als positiv bewertet wurde und auch von Seiten der Autoren als besondere Qualifizierung zu Selbstorganisation und der Herausbildung von Reflexionswissen angesehen wird. Vor dem Hintergrund der immer schnelleren Entwicklung von Informationen und Wissen in unserer Gesellschaft und der damit einhergehenden Diskussion um lebenslanges Lernen erscheint diese Qualifikation als besonders wertvoll, bzw. notwendig.

• Zwar ist nicht davon auszugehen, dass hier eine Entwicklung eintreten wird, die Studierende dazu veranlasst, sich jeden Tag von früh bis spät auf dem Universitätsgelände aufzuhalten. Allerdings ist es wünschenswert, den Raum zu schaffen, der es ermöglicht, bei Bedarf an der Universität lernen und arbeiten zu können. Ohne diese Angebote wären die Studierenden auch an den untersuchten Campus-Universitäten darauf angewiesen, in Freistunden zu Hause zu arbeiten. Durch die räumliche Nähe der Wohnheime zu den Institutsgebäuden auf dem Campus steht den Studierenden in der Regel auch diese Alternative zur Verfügung. Inwieweit sie genutzt wird, bleibt offen, da die Be-

Abb. 118: Architekturgebäude der TUD mit Innenund Außen-“Kuhle“ als beliebten Aufenthaltsmöglichkeiten für den gesamten Bereich Lichtwiese (je)

• Im Bereich Aufenthaltsqualität sollte unbedingt von den Campus-Anlagen gelernt werden. Bibliothek

lernen und der Universität, an der sich die Schüler bilden und der Lehrer als Katalysator dient, unterschieden.

• Die Frage, ob die Studierenden den Tag über auf dem Campus bleiben und dort die Lernräume nutzen, weil es dieses Angebot gibt, oder weil die Zimmer keine komfortable Alternative darstellen, bleibt hier offen.

Lernen auf dem Campus

Neben den verpflichtenden Terminen wird durch das Raumangebot der Aufenthalt und das Lernen in den Unterrichtsgebäuden, in zentralen Bereichen und der Bibliothek zusätzlich unterstützt. Zudem stehen in der Regel ausreichend Computerarbeitsplätze zur Verfügung. Solche Angebote finden sich hier in geringerem Umfang.

[72 In Deutschland wird institutionell deutlich zwi-

fragten darüber nichts aussagten. Allerdings ist auf die häufig kleinen Studentenzimmer oder Doppelzimmer im Studentenwohnheim als mögliches Hindernis hinzuweisen.

• Weiterentwicklungsbemühungen sollten in Richtung eines Ausbaus der Literaturarbeit und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Bibliotheken vorangetrieben werden. Im Gegensatz zu Universitäten in Deutschland sind sowohl die Bibliothek, als auch teilweise Lernräume, Cafeterias, Studentenbars oder die Mensa auf dem Campus bis spät abends und am Wochenende geöffnet. Teilweise sind sie 24 Stunden am Tag zugänglich. Das ermöglicht den Studierenden die freie Zeiteinteilung. Man kann auch nach dem Sport noch einmal in die Bibliothek oder den Rechnerpool gehen, oder kann die Nacht durcharbeiten, wenn eine Arbeit abzugeben ist.

83

• Gerade in Deutschland, wo Studierende häufig nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren, wäre eine möglichst flexible Zugänglichkeit der Bibliothek und der Lernzentren sinnvoll und wünschenswert. Sicherheit

Abb. 119: Mathematikgebäude der TUD (je)

Diese 24–Stunden–Angebote sorgen zudem rund um die Uhr für studentische Aktivitäten auf dem Campus. So ist der Campus nachts, wenn auch nicht so intensiv wie tagsüber, belebt. Dadurch entstehen soziale Kontrolle und ein Sicherheitsgefühl für diejenigen, die sich noch spät dort aufhalten. Besonders in den USA, in denen Verbrechen an Schulen Schlagzeilen machen, spielt der Faktor Sicherheit bei den Eltern eine Rolle bei der Auswahl einer geeigneten Hochschule für ihre Kinder. An dieser Stelle ist wieder auf das geringere Alter hinzuweisen, welches in Kombination mit den hohen Studiengebühren, die häufig die Eltern übernehmen, zu einem großen Einfluss der Eltern auf die Wahl des Studienorts führt. • Inwiefern der Sicherheitsaspekt auch in Deutschland wahrgenommen wird, ist noch zu klären. Tatsache ist, dass die Universitäten in der Regel nachts leer und oft verschlossen sind. Die kontinuierliche Arbeit während der Semester führt allerdings dazu, dass in den Semesterferien kaum Studierende an der Universität und damit auf dem Campus anzutreffen sind. Die Frage, ob die Anwesenheit von Professoren, technisch-administrativem Personal und Doktoranden auf dem Campus zu seiner Belebung in den Semesterferien ausreicht, ist noch zu untersuchen. Betreuungssituation Die intensivere Betreuung, wie sie von den Befragten dargestellt wurde, wirkt sich sowohl für den Bereich von Lehrveranstaltungen als auch für das Gesprächsangebot außerhalb des Unterrichts direkt auf die Raumstruktur aus. Die intensive Betreuung der Studierenden in Übungen zu Vorlesungen erfolgt unter anderem durch kleine Gruppen von 10-20 Studierenden. Das bedeutet, es müssen ausreichend viele kleine Übungs- bzw. Seminarräume zur Verfügung stehen. • Abgesehen von dem Personalaufwand erscheint die Durchführung von begleitenden Übungen zu „Massenvorlesungen” in kleinen Gruppen unter den gegebenen Voraussetzungen aus Raummangel praktisch kaum umsetzbar. • Auch eine intensive Betreuung außerhalb der Lehrveranstaltungen im Sinne von offenen Türen bei den Lehrenden erscheint ohne weiteres kaum möglich. Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern ist dies nur dann umsetzbar, wenn Einzelbüros zur Verfügung stehen. Anderenfalls werden die Kollegen regelmäßig gestört und ist ein insgesamt effektives Arbeiten an einem Fachgebiet gefährdet. Bei den Professoren ist die Problematik eher im Strukturellen oder im Statusbereich zu sehen. Professoren, die eine intensive Betreuung anbieten wollen, können dies in der Regel problemlos tun.

84

• Die Intensivierung der Betreuung durch den Professor selbst liegt in seinem persönlichen Ermessen. Zu erinnern ist hier an die Vermutung einer Befragten, dass die Professoren an der von ihr besuchten Campus-Universität mit weniger zufrieden seien, auch mit einem kleinen Büro und ohne Sekretärin auskämen, was hier kaum vorstellbar sei. Allerdings ist zu bedenken, dass die Gleichzeitigkeit von Forschung und Lehre im Aufgabenfeld der Professoren, die in Deutschland als besondere Qualität angestrebt wird, in den USA nicht immer gegeben ist.73] Wohnsituation

Abb. 120: Wohnheim Lichtwiese (je)

Die Wohnsituation an den untersuchten Campus-Universitäten unterscheidet sich von der Darmstädter Situation zum einen durch das deutlich größere Angebot an Wohnheimplätzen, zum anderen durch die Nutzung dieses Angebots durch praktisch alle Studierenden in den ersten Studienjahren. Hier sind zwei Gründe zu nennen: Durch die intensive Konkurrenz der Hochschulen und die Studiengebühren in den USA aber auch in anderen Ländern, wird der Studienort deutlich intensiver ausgewählt als hier und eben nicht an der nächstliegenden Universität studiert. Durch die verhältnismäßig dünne Besiedelung in den USA und Kanada, aber auch in Frankreich, ist eine tägliche Anreise (auch zur nächstliegenden) Hochschule nur selten möglich. Der Großteil der Studierenden muss daher an den Studienort umziehen. Das Wohnen bei den Eltern ist eher unüblich. Durch das geringere Alter der Studienanfänger, die oft das erste mal von zu Hause weg sind, steigt der Bedarf an Wohnheimplätzen. Nicht nur die durch die Befragten vermutete Unselbstständigkeit der Studierenden, sondern auch die Sorge der Eltern und der Wunsch nach Aufsicht, steigern den Bedarf nach Wohnheimen gegenüber privatem Wohnraum. Die Bereitschaft zum Wohnen im Doppelzimmer ist allerdings tatsächlich am ehesten im geringeren Alter der Studierenden zu suchen. Insgesamt erinnern insbesondere diese Zweibettzimmer-Wohnheime an ein Internat. • In wieweit sich die Wohnheim-Situation auf Deutschland übertragen lässt, ist fraglich. Das Interesse an Wohnheimplätzen dürfte in Deutschland am ehesten in günstigeren Preisen, aber auch in den guten Möglichkeiten zum Wohnen mit anderen Studierenden in Wohngemeinschaften, wie es in den Wohnheimen angeboten wird, liegen.74] Durch die schlechte Wohnungsmarktsituation in Darmstadt dürfte die Nachfrage allerdings höher sein als in anderen deutschen Universitätsstädten. Lagegunst durch unmittelbare Nähe zur Universität wäre sicher ein Faktor, der das Wohnen im Wohnheim weiter attraktiviert, allerdings treffen deutsche Studierende ihre Wohnentscheidungen vermutlich deutlich individueller. Schlechte Standards zu hohen Preisen, wie sie mehrfach angesprochen wurden, sind für Neubaumaßnahmen in jedem Fall nicht wünschenswert.

[73 vgl. Hansen (2001) [74 In Deutschland wohnen jeweils gute 20% der Studierenden bei ihren Eltern, alleine, zusammen mit einem Partner oder in einer Wohngemeinschaft. In

• Eine studentische Dichte auf dem Campus, wie in den Interviews beschrieben wurde, dürfte auch bei preiswerten Wohnheimangeboten hier kaum erreichbar sein.

Wohnheimen wohnen dagegen nur knapp 15 %. Nach den Wünschen der Studierenden würden deutlich weniger bei den Eltern und weniger im Wohnheim, dafür mehr in einer eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft wohnen. (vgl. bmbf (2002, S.22)

85

Versorgungssitutation Die Vollpension, wie sie in vielen Wohnheimen in den USA angeboten wird, unterstreicht den oben angesprochenen Internatscharakter der Situation dort. • Verpflichtende Verpflegungsangebote und damit einhergehende Kosten sind hier kaum vorstellbar. Das Gleiche gilt für die teilweise fehlende Ausstattung zur Selbstversorgung. Dem gegenüber steht das positiv bewertete Angebot unseres Typs von Mensa und die Kritik an der schlechten Versorgungssituation am späten Nachmittag und Abend, vor allem auf der Lichtwiese. Die Cafeterias der TUD schließen jeweils um 16 Uhr, Freitags bereits um 15.30 Uhr. Auf der Lichtwiese hat im Mai 2003 ein an das Bistro angeschlossener Biergarten eröffnet, der in den Sommermonaten täglich bis 22 Uhr geöffnet hat. • Ein Versorgungsangebot auch abends ist sicher auch hier wünschenswert, allerdings nur in freiwillig zu nutzender Form vorstellbar. Zu überlegen wäre die Erweiterung des Mensaangebotes auf ein Abendessen. Derartige Angebote bestehen an anderen deutschen Hochschulen bereits. Ob dafür ein Bedarf besteht, ist zu untersuchen. Die als akzeptabel empfundenen möglichen Arbeitszeiten und damit die Präsenz der Studierenden, aber auch der Mitarbeiter an der Universität könnte so auch auf die Abendstunden verlängert werden. Die Frage der Einkaufsmöglichkeiten auf dem Campus ist sehr differenziert zu betrachten. Hier spielen viele Faktoren zusammen. Schon an den untersuchten Universitäten wurde deutlich, dass das Einkaufsangebot von der Lage in der Stadt und den Angeboten dort abhängig ist. Gerade wenn es um den täglichen Bedarf – also Lebensmittel – geht, spielt auch die Frage der Wohnsituation eine wichtige Rolle. Wohnen viele Studierende auf dem Campus, ist der Bedarf an Einkaufsmöglichkeiten größer, wenn sie auf dem Heimweg durch die Stadt an Supermärkten vorbeikommen geringer. Auch das Angebot von Mensa und Cafeteria als Alternative zur Selbstversorgung während des Aufenthaltes auf dem Campus ist relevant. Weitere Faktoren sind die Ladenöffnungszeiten außerhalb und die Arbeitszeiten. Ist es üblich, lange am Campus zu bleiben, so haben die Läden in der Stadt schon geschlossen und der Bedarf wächst. Auch die Frage der Verkehrsmittel für den Heimweg ist interessant. Für den Individualverkehr (zu Fuß, Fahrrad, Auto) ist das Unterbrechen der Fahrt unproblematisch, für ÖPNV-Nutzer eher umständlich. Neben Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf gibt es Zweigstellen von Banken und Post, aber auch Kopiershops und Buchhandlungen an den untersuchten Campusanlagen. • Für alle genannten Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen ist zu prüfen, inwieweit ein Bedarf an der TUD besteht.

Unterhalt solcher Anlagen kostenintensiv und die Außendarstellung durch erfolgreiche Sportmannschaften der Universitäten eher unüblich ist. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass die ausgeprägte Vereinssportkultur, wie sie in Deutschland besteht, in den USA eher unüblich ist. Dort ist der Sport insgesamt sehr stark durch die Schulen und auch Hochschulen organisiert. Allerdings verfügt die TU Darmstadt über relativ große Sportanlagen. Auch das Sportangebot ist umfangreich. Trotzdem sind die Sportangebote an der Universität kaum präsent. Wer sie nutzt, hat sie gezielt gesucht und gefunden. • Hier können und sollten deutsche Hochschulen von den Campus-Universitäten lernen. Zum einen sollten sie das bestehende Angebot sichtbar machen, zum anderen ist zu hinterfragen, ob der in den USA hochgehaltene „Gesundheitsfaktor Sport” nicht auch für uns interessant sein kann. Immer wieder gehen Meldungen von Bewegungsarmut bei Kindern und von Übergewicht durch die Medien. Eine „Bewegungserziehung” muss natürlich bereits in Kindergarten und Schule erfolgen, eine Fortsetzung an den Hochschulen könnte dennoch sinnvoll sein. Neben dem Sport gibt es auch hier andere Gruppen wie die Theatergruppe oder das Hochschulorchester. Zu vermuten ist, dass hier weniger Wert auf professionelle Organisation und die Vergabe von Ämtern gelegt wird, sondern vielmehr die inhaltliche Arbeit im Vordergrund steht. Besonders hervorzuheben sind die politischen studentischen Organisationen, wie der AStA oder die Fachschaften. Diese Form der studentischen Mitbestimmung ist international betrachtet eher unüblich.

Abb. 121: Flur mit den Büros des AStA (allgemeiner Studierendenausschuss) an der TUD (je)

• Im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Raumsituation ist zu überprüfen, inwieweit studentischen Gruppen hier von der Hochschule durch Räume und finanzielle Mittel unterstützt werden bzw. unterstützt werden sollten. • Im Zusammenhang mit Bildungsangeboten, insbesondere mit universitätseigenen Museen, in denen die Arbeit an der Universität nicht nur den Studierenden, sondern auch einer interessierten Öffentlichkeit nähergebracht werden kann, sollte von den internationalen Vorbildern gelernt werden. Auf welche Weise dies organisatorisch umsetzbar ist, ist zu prüfen. Mit dem Botanischen Garten existiert bereits eine solche Einrichtung an der TU Darmstadt, die allerdings wie auch die Sportanlagen, wenig präsent und schwierig zugänglich ist. Interessant sind auch Events auf dem Universitätsgelände, die für alle wahrzunehmen sind und zur Identifikation der Studierenden mit der Universität beitragen. Hier wurde von einer Befragten in Frage gestellt, ob solche Events an einer Universität ohne Campus überhaupt die gewünschte identifikationsstiftende Wirkung entfalten können. Diese Frage sollte genauer untersucht werden.

Freizeitangebot Zentrales Element der Freizeitangebote an den untersuchten Campus-Universitäten sind die Sportanlagen. Inwiefern auch hier solche Angebote wünschenswert sind, ist zu klären, da der 86

87

[75 vgl. Stichweh (2003)

Kosten

[76 vgl. Landfried (2003)

Das Thema Kosten des Studiums scheint insgesamt wichtig und sollte genauer durchleuchtet werden. Die Studiengebühren werden als Begründung für die bessere Betreuungssituation und die Dienstleistungseinstellung der Lehrenden, aber auch als Begründung der kurzen Studienzeiten herangezogen. Demgegenüber stehen die teilweise erheblich über der Regelstudienzeit liegenden Durchschnittsstudienzeiten der ohnehin älteren Studierenden hierzulande. • Bessere Betreuung und eine straffere Studienorganisation wären hier sicherlich auch wünschenswert. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies tatsächlich durch das Verwerfen des Prinzips eines kostenlosen Bildungsangebots umgesetzt werden sollte. Der im Begriff „Universität“ enthaltene Universalitätsanspruch enthält auch einen sozialen Aspekt75]. An der Universität soll jedem ohne Einschränkung nach Herkunft oder finanziellen Voraussetzungen Bildung offeriert werden. Neben der Diskussion um Studiengebühren stellt auch die Diskussion um Privatisierung im tertiären Bildungsbereich dieses Prinzip in Frage. Damit ist sehr kritisch umzugehen. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise in Bayern 80% aller Unternehmensgründungen von Hochschulabsolventen getätigt werden, ist das Angebot kostenfreier Bildung nicht nur Subvention, sondern auch eine Investition in die Wirtschaftskraft der Gesellschaft.76] Hier sollte nach anderen Lösungen gesucht werden. Auch subventioniertes Wohnen in Wohnheimen und subventionierte Mahlzeiten in der Mensa stehen durch eine stärkere ökonomische Ausrichtung zur Disposition. Ob eine solche Entwicklung gewünscht ist, ist zu hinterfragen. Campusstudium in Deutschland – Chancen und Grenzen Die Ergebnisse der Untersuchung machen deutlich, wie komplex die Zusammenhänge zwischen Raumstruktur, Studienverlauf, Alltagsgestaltung und der räumlichen Einbindung der Hochschule sind. Der Vergleich der Studiensituation insbesondere zwischen US-amerikanischen Universitäten und Deutschland zeigt die großen kulturellen Unterschiede, was die Aufgabe der Hochschule und die Rolle und Position der Studierenden angeht. Sicherlich nehmen die Unterschiede zwischen den Studierenden mit zunehmender Studiendauer ab und treffen damit weniger auf Hauptstudiums- bzw. Masterstudierende zu, vielmehr stechen sie zwischen den Studienanfängern ins Auge. Für die noch sehr jungen Studienanfänger in den USA ähnelt das College mehr einer Schule als unseren Universitäten. Da die Studierenden dort auch wohnen, übernehmen die amerikanischen Hochschulen wie ein Internat einen deutlich über die wissenschaftliche Bildung hinausgehenden Erziehungsauftrag. Die Eltern geben ihre Kinder regelrecht in die Obhut des Colleges. Neben dem deutlich geringeren Alter der Studienanfänger in den USA im Vergleich zu Deutschland, sind die in den meisten Fällen sehr großen Entfernungen des Studienortes zum Heimatort zu bedenken. Sie kommen schon zwangsläufig durch die Größe des Landes, aber auch durch die gezielte Auswahl der Hochschule für die Kinder, bzw. die Auswahl der Studierenden durch die Universitäten zustande. Die Hochschule übernimmt damit die Sorge um und die Aufsicht über den jungen Menschen. Die Rundumverpflegung im Wohnheim beispielsweise kann in diesem Zusam-

88

menhang weniger als Angebot an die Studierenden, als vielmehr als eine Selbstverständlichkeit der Versorgung des Studierenden durch die Hochschule verstanden werden. Hier wird wie in einer großen Familie mit einem eigenen (Doppel-)Zimmer gewohnt und gelebt und natürlich auch gegessen. Selbstversorgungsangebote erscheinen vor diesem Hintergrund als eher überflüssig. Diese Angebote stellen aber keinesfalls eine Subvention oder staatliche Fürsorge dar, vielmehr sind sie professionalisierte Dienstleistungsangebote, die, wie auch die Studienangebote selbst, von den Eltern der Studierenden oder durch später zurückzuzahlende Studiendarlehen eingekauft werden. Demgegenüber steht ein eigenständig gestaltetes Leben der Studierenden in Deutschland, denen die Hochschulen als staatliche Bildungsträger ein kostenfreies Studium ermöglichen und mit Einrichtungen wie Mensa oder Studentenwohnheimen subventionierte Versorgungsangebote zur Verfügung stellen, die bei Bedarf genutzt werden können. Die Vorstellungen von Lebenssituation und Alltagsgestaltung scheinen in Deutschland bereits bei den Studienanfängern deutlich individueller orientiert. Entsprechend bieten Studentenwohnheime vollständige Appartements oder Zimmer in Wohngemeinschaften mit Bad und Küche an. Der Umzug, um in einer anderen Stadt das Studium aufzunehmen, ist hier nicht in gleichem Maße üblich wie in den USA. So lebt etwa ein Fünftel der Studierenden weiterhin im Elternhaus. Dementsprechend bleibt auch das in der Schulzeit gewachsene soziale Umfeld bestehen. Freizeitaktivitäten können häufig im gleichen Verein etc. fortgesetzt werden. Die Organisation des alltäglichen Lebens ist selbstverständlich Aufgabe des Studierenden. Hier wird Wohnraum, nicht Familienersatz angeboten. Gemeinsam mit dem Bafög sollen die relativ kostengünstigen Speise- und Logisangebote auch jungen Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen ein Studium ermöglichen. Das Angebot an Wohnheimplätzen wird vor allem in Zeiten und Regionen enger Wohnungsmärkte, die den Studierenden nur wenig bezahlbaren Wohnraum auf dem freien Markt bieten, wie derzeit in Darmstadt der Fall77], relevant. Dann steht im Vordergrund, ein möglichst großes Angebot an Wohnheimplätzen zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend ist auch die Lage der Studentenwohnheime auf dem Campus oder in der Stadt weit weniger relevant. Im Gegensatz zum Wohnen auf dem Campus ist es in deutschen Universitätsstädten eher üblich, sich in bestimmten Wohnvierteln, die durch studentisches Leben geprägt sind, privaten Wohnraum zu suchen. Der in den USA im Vordergrund stehende soziale und erzieherische Ansatz des gemeinsamen Wohnens und Essens wird in Deutschland auf absehbare Zeit keine Bedeutung haben. Unterschiede in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Freizeitgestaltung, ergeben sich aus der oben beschriebenen Differenz automatisch. Während in den USA die Universitäten dafür Sorge tragen, dass jedem Studierenden entsprechende Angebote zur Verfügung stehen, bieten deutsche Universitäten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die beispielsweise davon abhängen, ob ein Sportstudiengang angeboten wird und damit die entsprechende Infrastruktur existiert oder nicht, für Interessierte etwas an. Der Bedarf ist hier auch gar nicht in dem Umfang gegeben, wie in den USA der Fall. Zahlreiche Vereine bieten Sport- und andere Freizeitaktivitäten an. Häufig sind die Studierenden schon zu ihrer Schulzeit in Vereinsaktivitäten eingebunden und bleiben es weiterhin, wenn sie ihren Wohnort nicht wechseln. Damit bleiben auch soziale Kontakte breiter gestreut, man kennt nicht nur andere Studierende. Insgesamt stellen die deutschen Universitäten einen Arbeitsort dar, wohingegen die Universitäten in den USA zumindest für die jungen Studierenden einen Lebensort bilden.

[77 Nach Aussagen des AStA (2004) fehlt in Darmstadt Wohnraum für etwa 1.000 Studierende. Von Seiten des Studentenwerks wird die Schaffung weiterer Wohnheimplätze in einer Größenordnung von ca. 500 Plätzen für wünschenswert und notwendig eingeschätzt. (Informationen aus einem persönlichen Gespräch mit einer Vertreterin des AStA)

89

In Bezug auf die Übertragbarkeit erscheint das kulturelle Angebot der amerikanischen Hochschulen interessant, etwa die Museen, das gleichzeitig der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung steht und die Arbeit der Universitäten nach außen trägt. Diese Möglichkeit zur Stärkung der Beziehung zwischen Hochschule und Stadt bzw. zur Außendarstellung sollte als Anregung aufgegriffen werden. Die Unterschiede im Bereich des Studiums selbst, wie sie im vorausgehenden Kapitel herausgearbeitet wurden, lassen sich nicht ganz so einfach erklären. Hier stehen sich ein verschultes und insbesondere auf die Betreuungssituation bezogen dienstleistungsorientiertes und ein offenes, zu selbstständigem Studieren aufforderndes, aber auch die Studierenden allein lassendes System gegenüber. Wenn das Studium wie an den deutschen Fachhochschulen deutlich verschulter strukturiert ist, als an den Universitäten der Fall, so ist der Grund eher im stärker auf (Berufs-)Ausbildung ausgerichteten Studium zu suchen und weniger in dem Ziel der Gemeinschaftsbildung. Das zweistufige System der Bachelor- und Masterabschlüsse zielt mit den Bachelorstudiengängen zunächst auf die Ausbildung für einen Beruf. In den Masterstudiengängen geht es dann stärker um die Bildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Da ein Großteil der Studierenden in den USA sein Studium aber mit dem Bachelor abschließt und hierin der Normalfall des Studiums zu sehen ist, sollten die Unterschiede insbesondere bezogen auf den Masterbereich noch einmal genauer untersucht werden. Bezogen auf die bessere Betreuungssituation der Studierenden durch die Professoren in den USA ist auf den in Deutschland breiten Mittelbau, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Fachgebieten, zu verweisen, die einen Teil des Lehrauftrags und wichtige Aufgaben in der Studierendenbetreuung übernehmen. Ein Mittelbau in dieser Form ist in den USA nicht vorhanden. Inwieweit die Betreuungsleistungen des Mittelbaus im Vergleich der Studiensituation durch die Befragten mit einbezogen wurde, ist offen. Anzunehmen ist allerdings doch ein deutlich geringer ausfallender Unterschied, wenn man die Betreuungsleistungen aller an der Lehre Beteiligter in der Betrachtung berücksichtigt.

Wohnheimplätze, die Angebote der Mensa und das BaföG in Deutschland stehen je nach Universität enorme Studiengebühren und voll zu zahlende Dienstleistungsangebote für Kost und Logis in den USA gegenüber. In den Studiengebühren werden Gründe für die ausgeprägte Dienstleistungsmentalität auf Seiten der amerikanischen Hochschulen, für die bessere Betreuungssituation, bessere Lehrmittelausstattung und die kürzeren Studienzeiten gesehen. Um auch begabten jungen Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen ein Studium zu ermöglichen, verfügen die USA mit zahlreichen Stiftungen u.ä. über ein umfangreiches Stipendiensystem, von dem hierzulande keine Rede sein kann. Gleichzeitig ist es in Deutschland sehr üblich, zur Finanzierung des eigenen Studiums neben dem Studium zu arbeiten. Vor allem ältere Studierende tun dies häufig in einem studienrelevanten Bereich, so dass sie gleichzeitig praktische Berufserfahrung sammeln. All diese Aspekte müssen bei der Diskussion um Studiengebühren unbedingt mit berücksichtigt werden. Mit der Frage nach der finanziellen Situation sowohl der Hochschulen als auch der Studierenden gehen insgesamt weitreichende Entscheidungen im Bereich von Bildungsförderung und Hochschulpolitik einher. Forderungen nach einer Umstellung des deutschen Systems sollten mit Überlegungen zu den besonderen Errungenschaften, Qualitäten und zugrundeliegenden Zielen des bestehenden Systems einhergehen, um eine objektive Grundlage für diese politische Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Vor einer einfachen Kopie des amerikanischen Systems auf Grundlage wenig reflektierter, vermeintlicher Verbesserungen ist dringend zu warnen.

Veränderungen der Lehr- und Betreuungssituation insgesamt schaffen neue Anforderungen an die Raumangebote. Beispielsweise werden zahlreiche kleinere Seminarräume für parallel laufende Übungen in kleinen Gruppen zu Vorlesungen mit großer Teilnehmerzahl benötigt. Hier gilt es, hochschulpolitische und didaktische Perspektiven zu entwickeln und den entsprechenden Raumbedarf zu ermitteln. Was die Aufenthaltsqualität auf dem Universitätsgelände angeht, etwa um gemeinsam zu lernen, Freistunden zu verbringen oder sich mit Kollegen zu treffen, ist der Vergleich mit anderen Universitäten häufig gar nicht nötig. Mangel an Aufenthaltsqualität wie auch in bezug auf die Arbeitsplatzsituation sind häufig offensichtlich. Hier besteht an vielen deutschen Universitäten, so auch an der TUD, unbedingt Handlungsbedarf. Positive Beispiele können dabei als Anregung und Motivation dienen. Neben baulichen sind hier auch strukturelle Maßnahmen zu nennen, etwa die Verlängerung von Öffnungszeiten verschiedener Einrichtungen wie Mensa, Cafeteria und Bibliotheken. Bleibt zuletzt die Frage nach Studiengebühren und Kosten für das Studium insgesamt. Dem kostenfreien Bildungsangebot und den Subventionen für die Lebenshaltung durch günstige 90

91

Raum statt Ort: Eine Interpretation des Campusbegriffes für Deutschland Ausgangspunkt dieser Studie waren die Fragen nach der Bedeutung des Begriffs „Campus“ einerseits und nach der Sinnhaftigkeit einer Einführung dieses „Campus“ als räumliches Zukunftsmodell für deutsche Universität andererseits. In den vorangegangenen Kapiteln sind Information darüber, wie ein Campus aufgebaut sein kann und wie sich der studentische Alltag auf einer solchen Anlage gestalten kann, zusammengetragen worden. Offen bleibt bis jetzt aber die Frage, was die untersuchten Anlagen tatsächlich zum Campus macht. Wird er durch eine gewisse „Vollständigkeit“ definiert, wie insbesondere die Untersuchung der amerikanischen Anlagen vermuten lässt? Spielt das Wohnen der Studierenden auf dem Universitätsgelände eine wesentliche Rolle, weil so das studentische Leben auf dem Campus stattfindet? Ist der Campus eine Lebenswelt für sich, die die Studierenden während des Semesters eigentlich gar nicht verlassen müssen? Macht auf der anderen Seite gerade die Verknüpfung von Universität und Stadt, wie wir sie oft in typischen Universitätsstädten Europas wie Bologna, Florenz oder Heidelberg finden, eine besondere Qualität – die (europäische) Universitätsstadt – aus? Dann wäre die Vorstellung einer Campusuniversität in einer solchen Stadt wohl als indiskutabel zu bewerten. Ist es aber nicht auch so, dass gerade die Abgeschlossenheit der Campusanlagen, wie sie sich in manchem Beispiel gezeigt hat, für eine besondere Präsenz der Universität in der Stadt sorgt, ganz im Gegensatz zu mitten in der Stadt liegenden „unsichtbaren“ Universitäten wie der TU in Darmstadt? Im Folgenden werden zusammenfassend noch einmal einige wesentliche Unterschiede in der amerikanischen und deutschen Universitätsgeschichte sowie in deren Studiensystemen gegenübergestellt. Darauf aufbauend wird dann eine Definition des Campus-Begriffs vorgeschlagen und zum Abschluss die Idee einer sinnvollen Form von „deutschem bzw. europäischem Campus“ entwickelt. Entwicklung amerikanischer Campusanlagen

[78 Zu Beginn wird als Grund auch das Ziel genannt, die Indianer zu unterrichten. (vgl. beispielsweise Turner (1984) S.18)

[79 Dieses Ideal meint das enge Zusammenleben und -arbeiten von Studenten und Lehrern in kleinen, streng regulierten College-Gemeinschaften, das seinen Ursprung in den mittelalterlichen englischen Universitäten und in der klösterlichen Tradition hat. (vgl. Turner (1984) S.3)

[80 Turner (1984) S. 17

92

Bedingt durch die Siedlungsgeschichte der USA entstanden dort kleine und autarke Colleges, weit verstreut über das Land. Die Lage der Colleges an der „frontier“, also im wilden Land, entsprang zum einen romantischen, der Natur zugewandten Siedlergefühlen und der Angst vor den Verderbnissen der Stadt und zum anderen aus den Idealen des Aufbruchs in eine neue, bessere Zukunft78]. Dazu kam die hohe Akademikerdichte unter den ersten Siedlern und deren idealistische Ambitionen (Puritaner) für ein neues Leben im neuen Land. Sie griffen das mittelalterliche englische „collegiate ideal“79] auf und perfektionierten es. Im Sinne einer umfassenden, ganzheitlichen, tiefreligiösen Bildung lebten und studierten Lehrer und Studenten eng und stark reguliert zusammen. Im Gegensatz zum englischen Vorbild, bei dem einzelne Colleges immer zu großen Universitäten (z.B. Cambridge und Oxford) zusammengefasst waren, existieren in den USA bis heute viele einzelne, spezialisierte Colleges wie zum Beispiel das Wellesley College bei Boston als reine Frauen-Undergraduate-Elite-Schule. Diese Aufteilung führt eine Tradition fort, die mit der Besiedelung der USA und der sofortigen Gründung von Schulen als Zivilisationsinstrument begonnen hatte. So schreibt Turner über die ersten neun Colleges vor der Revolution: „Already, a pattern was established that would characterize American education from then on: many seperate colleges, widely dispersed and responding to different local needs rather than centralized in one or two universities as in England.“80]

Bis heute sind auch die großen Universitäten in den USA in relativ autarken Colleges organisiert. Teilweise, z.B. in Princeton, wird der Begriff College für das verwendet, was man hierzulande als Wohnheim bezeichnet, nur mit dem Unterschied, dass auch Studium, Lernen, Freizeit und Sport in diesen Colleges gemeinsam verfolgt werden, so dass man lediglich für einige Vorlesungen etc. das College verlässt und sich auf den restlichen Campus begibt. Wie auch in England sind die einzelnen Colleges mit bis zu 500 Studierenden relativ klein. Thomas Jefferson hat nicht umsonst den Begriff des „academical village“ geprägt, wobei der Begriff „Dorf“ ernst zu nehmen ist. Dorf heißt hier tatsächlich eine räumlich konzentrierte, von der Außenwelt relativ abgeschlossene enge Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. „This term expressed (...) a basic trait of American higher education from the colonial period to the twentieth century: the conception of colleges and universities as communities in themselves – in effect, as cities in microcosm.“81] In den USA war das College von Beginn der Besiedelung an mit der Rolle des Trägers von Bildung und Kultur für die entstehenden Gemeinschaften betraut, und wendete sich mit diesem Angebot nach außen. „This extroverted attitude toward planning clearly reflected Harvard’s educational and social ideals. While committed to the collegiate ideal of students and teachers living together, the school also considered itself an integral part of the larger community. This was to become typical of American colleges. With few exceptions, the American college was to turn outward rather than inward, directing itself to the community or to nature.“82] So sind die Träger der Bildung, also nicht nur die Colleges sondern auch die Schulen, auch für die organisierte Freizeitgestaltung von Kindern, Jugendlichen und Studierenden zuständig. Sie verfügen über umfangreiche Sportstätten und haben neben Angeboten für „jedermann“ auch in vielen Sportarten Leistungsmannschaften. Ein Großteil der Basketballoder Footballteams in den amerikanischen Ligen wird von Universitäten gestellt. Neben dem Sport werden aber auch künstlerische und andere Freizeitgruppen im schulischen Kontext organisiert. Ein weiteres Beispiel stellen die teilweise sehr professionell erstellten Schüler- bzw. Hochschulzeitungen dar. Schüler und Studierende halten sich in den USA also oft auch in ihrer Freizeit auf dem Schul- bzw. Hochschulgelände auf. Zusammen mit der Lage an der Frontier bewirkt diese Form von College das Entstehen der „miniature city“, ein amerikanisches „experiment in urbanism“83]. „But beyond these purely physical meanings, the word has taken on other connotations, suggesting the pervasive spirit of a school, or its genius loci, as embodied in its architecture and grounds. Campus sums up the distinctive physical qualities of the American college, but also its integrity as a self-contained community and its architectural expression of educational and social ideals.“84] In Gesprächen mit amerikanischen Städteplanern wird klar, dass für sie die vornehmste Aufgabe die Planung eines Campus ist, da hier, im Gegensatz zur realen Stadt mit ihrer Unterwerfung unter die Bedingungen von Wirtschaft und Politik, die Möglichkeit zur Umsetzung von Idealstadtvisionen besteht. Für den amerikanischen (Ideal-)Campus ist das Wohnen wie in jeder Stadt wesentlicher Bestandteil. Deutlichstes Beispiel sind das o.a. Verständnis von College in Princeton, aber auch die klar verfolgte Ansiedelungspolitik des MIT unter dem Motto: Wohnen ist Teil des Curriculums für junge Studierende85]. Hier wird klar, welche zentrale Bedeutung die Bildung stabiler, temporärer Gemeinschaften Studierender über das reine Studienangebot hinaus hat.

[81 Turner (1984) S. 3 [82 Turner (1984) S. 31 [83 Turner (1984) S. 4 [84 Turner (1984) S. 4 [85 siehe z.B. die Studie „Housing at MIT“ (o.J.) mit einem Zitat des letzten MIT-Presidenten Charles Vest: „educational benefits derived from living in a residential community“. (ohne Seitenangabe)

93

Die Wohngemeinschaften der Fraternities, Sororities und Chapters, der jährliche „Rush“, d.h. das inszenierte strenge Vorstellungs- und Auswahlverfahren für neue Mitglieder, die „Socials“ und „Mixes“ und ständigen Veranstaltungen und schließlich die lebenslange Mitgliedschaft und Verpflichtung zu gegenseitiger Unterstützung sind nicht nur prägende Elemente der Campus-Universitäten, sondern auch entscheidende Weichenstellungen für die Studierenden über die Wahl ihres Hauptfaches hinaus. Ein weiterer wichtiger Aspekt eines Studiensystems, das den Campus als angemessene städtebauliche Form sieht, ist die enorme Wichtigkeit der „Ehemaligen“. Die Ehemaligen sind eine der wesentlichen Finanzquellen amerikanischer Hochschulen, sei es als Privatpersonen, sei es aber auch in ihren Positionen in Industrie und Politik. Für die Betreuung dieser Ehemaligen stehen große Organisationen bereit, werden Magazine versandt, Veranstaltungen durchgeführt und weltumspannende Clubsysteme gefördert. Folgender Text aus einem Newsletter des „Head of the Department of Architecture“ des MIT mag klar machen, dass der Bachelor oder Master keineswegs als Abschluss eines Studiums gesehen wird, sondern eher als Beginn der Karriere als Alumnus: „Congratulations and welcome to our newest alumni! We congratulate and welcome 68 new alumni who earned their degrees during the 2002-03 academic year“86]. Entscheidender Teil der Alumni-Pflege ist dabei der Campus als Identifikationspunkt, seine Bilder und Monumente, und die Erinnerungen an eine aufregende und harmonische Studienzeit. Vieles Konservative an den Gebäuden und Ritualen amerikanischer Hochschulen mag an der starken Orientierung an den Ehemaligen und nicht ausschließlich an den Jungen – dem aktuellen Studienbetrieb – liegen. Die in den USA am häufigsten anzutreffende Campus-Gestaltung ist die eines Parks mit eingestreuten, häufig fast unsichtbaren, baulichen Strukturen. Auch sie entspringt dem aus der Besiedelung der USA bis heute fortdauernden idealistischen Verständnis vom Aufbruch in eine neue Welt jenseits der Verderbnisse der Stadt. Der Campus im amerikanischen Sinne ist ein Raumschiff, also eine von der Umgebung völlig unabhängige in sich geschlossene Einheit, und man muss sich fragen, ob diese Qualität unbedingt nachahmenswert ist. Die Übertragbarkeit auf dicht besiedelte Landschaften ist allerdings schon in sich schwierig, könnte man doch das Konzept mit deutschen Augen betrachtet durchaus als Zersiedelung bezeichnen.

[86 Fondations (2003) ohne Seitenangabe. [87 Hier sei insbesondere noch einmal auf die Aktivitäten des „Congress for new Urbanism CNU“ verwiesen (Bodenschatz (2000))

[88 Einer der Autoren hat selbst in den USA studiert und konnte einigermaßen schockiert das Abwandern frischer Absolventen in die Suburbs beobachten, wo dann das „richtige“ Leben beginnt.

94

Aufbruchsgeist und grundsätzliche Stadtangst prägen bis heute die USA und halten das „collegiate model“ aktuell und angemessen. Die Krise der Stadt im europäischen Sinn hat sich in den USA fortgesetzt, obwohl die heutige Realität einiger nordamerikanischer Städte bereits deutlich die Früchte von Re-Urbanisierungstendenzen trägt.87] Trotzdem herrscht bei der Mehrheit der Amerikaner eine latente Aversion gegen die Stadt, eine Stadtangst vor. Das Leben in der Stadt ist schlicht nicht das Lebens- und Siedlungsziel, sondern in der Regel ein notwendiges Übel auf dem Weg zur Erfüllung der eigenen Vorstellungen.88] Das Modell des College, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Lage an der „Frontier“, also an der Spitze zu sein und als solches auf die Umgebung als Modell auszustrahlen, ist weit wichtiger als die Integration in die funktionierende Stadt und Stadtgesellschaft.

Entwicklung der Universitäten in Deutschland Im Gegensatz dazu steht die europäische Universität, die sich in ihren Anfängen (12. Jh.) eher auf den Inhalt, auf Erkenntnisgewinn und damit nach innen auf die Gemeinschaft von Lernenden und Lehrenden bezog. Sie zeichnete sich durch neue Formen des intensiven Diskurses zwischen Lehrenden und Lernenden zum gemeinsamen Erkenntnisgewinn und durch Privilegien gegenüber der Einflussnahme von außen aus.89] Die Universitäten wurden in bestehenden Städten gegründet. Die Studenten waren, zum großen Teil auch in England als dem direkten Vorbild vieler amerikanischer Gründungen, in die städtischen Gemeinschaften integriert90]. Die Universitäten waren autonome Korporationen (universitas) und bedeuteten für die sie beherbergenden Landesfürsten und Städte hohes Ansehen, weshalb sie sich durch Drohung mit Verlagerung gegen Einmischung von außen schützen konnten91]. Sie verfolgten insbesondere mit dem „studium generale“ einen Universalitätsanspruch in vier Hinsichten: • zeitlich: Allgemeingültiges Wissen ohne Verfallsdatum • sozial: Bildung wird Allen angeboten, egal welcher Herkunft • sachlich: Alle Wissenschaften werden angeboten und die Universität verfügt damit über eine entsprechende Heterogenität • räumlich: Abwesenheit von (lokalen) Verwendungseinschränkungen der erworbenen Grade92] Entsprechend des sachlichen Universalitätsanspruchs werden in Deutschland heute nur solche Hochschulen als Universitäten bezeichnet, die über eine sachliche Universalität verfügen. Andernfalls wird der Begriff Hochschule, weiter konkretisiert durch Titel wie „technische Hochschule“ oder „Hochschule der Künste“, für sachlich nicht vollständige Einrichtungen mit Bildungsangeboten gleicher Qualität verwendet. Der räumliche Universalitätsanspruch ist derzeit nicht gewährleistet aber gewünscht, woraus sich ein Schwerpunkt der Arbeit des Bologna-Prozesse, wie bereits angesprochen, ergibt. Auch wenn von den anfänglichen Strukturen nur wenig erhalten geblieben ist, so sind die europäischen Universitäten bis heute stark mit den sie beherbergenden Städten verwoben. Die oft repräsentativen historischen Universitätsgebäude prägen das Stadtbild. In den Innenstädten sind viele junge Menschen unterwegs, es gibt typische Lokale, die insbesondere auf studentische Kundschaft ausgerichtet sind. Einrichtungen wie der Botanische Garten oder Universitätskliniken stehen der städtischen Bevölkerung als Erholungsflächen bzw. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Dieser Unterschied zu amerikanischen Campus-Universitäten in der Verknüpfung mit der beherbergenden Stadt soll durch die folgende Vermutung prägnant zum Ausdruck gebracht werden: Auf die Frage nach seinem Studienort würde ein amerikanischer Studierender wohl mit «Harvard» antworten, ein Deutscher dagegen mit «Berlin».

[89 dazu einführend: Hödl (1994) und Müller (1996) [90 siehe z.B. Turner (1984) S.9: «but their living arrangements were their own concern and, except for students attached to monastic houses, there

Neben der Verknüpfung mit der Stadt ist die Mensa ein typisches universitäres Merkmal, das sich auf amerikanischen Campusanlagen in dieser Form nicht finden lässt. Die Mensa stellt einen wichtigen zentralen und traditionellen Ort der Universität dar, an dem sich ein Großteil der Studierenden regelmäßig versammelt. Das gemeinsame Essen stellt eine wesentliche gemeinschaftsbildende Funktion über das gemeinsame Lernen und Arbeiten an der Universität hinaus dar. Neuere Statistiken zeigen, dass seit den 80er Jahren des 20ten Jahrhunderts

were few structured social institutions»; aber auch ein Blick auf die zentrale Lage der Universitäten in Oxford und Cambridge innerhalb der sie umgebenden Städte macht dieses Eingebundensein klar.

[91 vgl. Hödl (1994) S.21. [92 Strukturierung nach Stichweh (2003)

95

kostant mehr als 40% der Studierenden in Deutschland mindestens dreimal in der Woche in der Mensa Essen gehen. Was die Kriterien der Zufriedenheit mit dem Angebot der Mensa angeht, so liegt das Preis-/Leistungsverhältnis an erster Stelle. Dies bringt den Gegensatz zwischen dem subventionierten Essensangebot in Deutschland und den kommerziellen Angeboten in den USA direkt zum Ausdruck. Am kritischsten werden dagegen die räumlichen Bedingungen und die Atmosphäre in den Mensen eingeschätzt.93]

Abb. 122: TU Darmstadt, Standort Lichtwiese, Mensa mit Biergarten: Mensa und Cafeteria als städtebaulicher Mittelpunkt des Standortes und als stark frequentierte Standard-Infrastruktur um die Mittagszeit. Eingelagert sind nur einige wenige (Service-) Einrichtungen wie

Über das Studium hinaus gibt es auch an deutschen Hochschulen zahlreiche Angebote zur Freizeitgestaltung für Studierende und Mitarbeiter. So stehen in der Regel Sportanlagen zur Verfügung und ein Hochschulsportzentrum organisiert die Sportangebote, die allen Studierenden und Hochschulmitarbeitern gegen eine geringe Gebühr offen stehen. Da Deutschland allerdings gerade im Sportbereich über eine ausgeprägte Vereinskultur verfügt und auch der Leistungssport im wesentlichen durch diese Vereine betrieben wird, sind die Angebote des Hochschulsports mehr oder weniger als das Angebot eines weiteren „Vereins“ in Ergänzung des sonstigen Angebotes in der Stadt zu sehen94].

das Papiergeschäft des AStA. (je)

Ähnlich sieht es auch für andere Freizeitaktivitäten aus. Diese Gruppen werden schlicht von weniger Studierenden in Anspruch genommen als in den USA, weil viele außerhalb der Hochschule aktiv sind. Insbesondere Studierende, die in ihrer Heimatregion studieren und bereits vor dem Studium im Verein aktiv waren, werden diesem Verein eher treu bleiben, als zum Hochschulsport oder in andere Hochschulgruppen zu wechseln. Kultur und Kulturförderung ist in Deutschland eben Sache der Kommunen, der Länder und des Bundes und ist in der institutionellen Umsetzung breit gestreut. Eine besondere studentische Aktivität stellt allerdings der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) dar. An jeder Hochschule gibt es diesen Ausschuss, der die Hochschulpolitik aktiv mitgestaltet und die Interessen der Studierenden gegenüber der Universität zum einen, aber auch regional-, landes- und bundesweit organisiert gegenüber den staatlichen Bildungsträgern, vertritt.

[93 vgl. bmbf (2001) S.24f [94 Natürlich kommt die Nutzung durch den Studienbetrieb v.a. der Sportwissenschaften an den Universitäten, die dieses Studium anbieten, hinzu. Allerdings ist diese Nutzung hier weniger von Interesse.

96

Was den Bezug von Absolventen zu ihrer Hochschule angeht, könnte der Unterschied zur amerikanischen Studienrealität nicht größer sein. Alumniorganisationen hierzulande fristen ein Mauerblümchendasein. Nicht umsonst benutzt die deutsche Sprache das Wort „Abschluss“ für Diplom oder Magister. Mit ihm verlässt man die Universität. In den seltensten Fällen wird man hierzulande eine Stelle bekommen, nur weil man an einer bestimmten Hochschule, vielleicht an der gleichen wie der Chef, studiert hat. Ob sich dies zukünftig ändern wird und sich damit möglicherweise auch die Finanzquellen der Hochschulen verschieben werden, ist derzeit nicht abzusehen. Auch ist offen, inwiefern der „Campus“ eine wie in den USA vorhandene dauerhafte Beziehung der Ehemaligen an ihre Universität bedingt oder benötigt. Sollte dies der Fall sein, ist wiederum zu hinterfragen, ob nicht mit der Einführung des Campus in Deutschland die Übernahme eines Hochschulsystems und damit die Abschaffung eines anderen, das in sich stimmig ist und mit den Gegebenheiten des Landes harmonisch arbeitet, einhergeht.

Vergleich der räumlichen Situation Führt man sich die oben beschriebene Situation der Colleges in den USA vor Augen, kann man es durchaus als ein Missverständnis bezeichnen, wenn hierzulande das Campus-Modell auf große Universitäten übertragen wurde, so wie das in der Auslobung für die Goethe-Universität in Frankfurt mit einiger Selbstverständlichkeit gemacht wird. Man vergisst dabei das Entscheidende: Sowohl die Qualität der Lehre, als auch die Atmosphäre des Besonderen bei z.B. Harvard rühren daher, dass kleine, relativ selbstständige, spezialisierte und profilierte Fachbereiche und Lebensgemeinschaften zusammen einen Ort bilden, dessen zentrale Organisation so gering wie möglich gehalten ist. So schreibt Turner über Harvard: „But the founders were resolute in the collegiate belief that higher education is fully effective only when students eat, sleep, study, worship, and play together in a tight community.“95] Ein frühes Mitglied des Harvard Governing Board, Cotton Mather, prägte dafür den schlichten aber drastischen Begriff des „Collegiate way of Living“96], also einer eigenen, wenngleich auf bestimmte Jahre des Lebens beschränkten, Lebensform. „Firmly established at Harvard, this principle set the pattern for later colleges and has remained an American educational ideal ever since, despite changing circumstances.“97]

Abb. 123: TU Darmstadt: Auslagerung einiger Lehrstühle der Hochschule in das ehemalige Schloss im

Recht viel größer könnte der Unterschied zur gegenwärtigen Organisation großer deutscher Massenuniversitäten mit ihrer Aufspreizung in zentrale Organisation und Fachbereiche mit einzelnen Lehrstühlen nicht sein. Oder in anderen Worten: Für eine fundierte Hinwendung zum Campus-Modell über die reine städtebauliche Ausprägung hinaus müsste als erstes eine enorme Stärkung der Fachbereiche einerseits kombiniert mit dem massiven Neubau von integrierten Wohnheimen auf dem Universitätsgelände andererseits stattfinden. Damit verbunden wäre selbstverständlich die Abschaffung der Lehrstühle und die Eingliederung der Professoren in den Lehrkörper unter einen starken Dekan. Damit verbunden wäre gleichzeitig eine Schwächung der Gesamtuniversität, bis hin zu einer Verlagerung z.B. der Finanzbeschaffung an die Fachbereiche. Ohne diese Reformen bleibt der Campus in Deutschland auch morgen nur das gleiche, das schon ein deutscher Beobachter, der Stadtplaner Werner Hegemann, 1925 mit typisch deutscher Perspektive fälschlicherweise über amerikanische Anlagen aussagte: „Ein Gelände, das mit den Gebäuden einer amerikanischen Universität bedeckt ist, wird „Campus“ genannt“98]. Dennoch scheint es so zu sein, dass es so etwas wie einen „Collegiate Spirit“ auch im deutschen Denken langsam gibt, wie die gewisse Faszination für den Begriff Campus und verstärkte Tendenz zur Bildung neuer Gemeinschaften, von denen eine die universitäre sein könnte, zeigt.

Rahmen des deutschen Systems starker Professoren und zentraler Verwaltung. (je)

Abb. 124: TUD, zentrale Verwaltung (rechts) als Merkzeichen in der Innenstadt im Ensemble mit Landesmuseum und Landesarchiv: Bauliches Synonym für die

Man kann dennoch guten Gewissens sagen, dass derzeit insbesondere auf dem Gebiet des Wohnens, gar des collegeartigen Wohnens und Arbeitens keine Übertragbarkeit der amerikanischen Situation auf deutsche Verhältnisse möglich ist. Ganz im Gegenteil genießen Verbindungen unter den meisten Studierenden in Deutschland nach wie vor einen schlechten Ruf und Studentenwohnheime werden in Deutschland als subventionierte reine Wohnangebote konzipiert, nicht als wichtige Teile des Curriculums. Um dem Modell des amerikanischen Campus näher zu kommen, müsste hier ein enormes Umdenken stattfinden, wobei angezweifelt werden kann, ob deutsche Studierende das Angebot eines so engen und organisierten Zusammenlebens überhaupt schätzen und annehmen würden.

von einer zentralisierten Verwaltung repräsentierten Universität. (je)

[95 [96 [97 [98

Turner (1984) S.23 Turner (1984) S.23 Turner (1984) S.23 Hegemann (1925) zitiert nach Turner (1984) S.87

97

Die für die Ausbildung eines echten Campus notwendigen kulturellen und sportlichen Aktivitäten werden in Deutschland kontinuierlich von den Städten, von Vereinen und von Privaten angeboten; selbst in aktuellen Planungen kommen diese Elemente nur marginal vor. Der Campus in Deutschland wird also auch in dieser Hinsicht im Vergleich zu seinen amerikanischen Gegenstücken unvollständig bleiben müssen und sich nur durch enge Verflechtungen mit der umgebenden Stadt helfen können.

Abb. 125: TUD, Fachbereiche für Maschinenbau am Standort Lichtwiese: Bauliches Synonym für die Universität als reinem Arbeitsort. (je)

Aus städtebaulicher Sicht schließlich muss ein Entmischen, ein Herausnehmen studentischer Gemeinschaften aus der Stadt und das Bilden separater „Gated Communities“ durchaus als kritisch für die Weiterentwicklung eines ausgewogenen Stadtmodells betrachtet werden. Entmischung läge allerdings durchaus auf einer Linie mit der Beobachtung, dass sich auch in Deutschland zunehmend ethnische Nachbarschaften bilden („China Town“) und dass diese Nachbarschaften häufig besser zu funktionieren und einen höheren Wohnwert zu besitzen scheinen als die in der deutschen Stadtpolitik bis dato favorisierten gemischten multikulturellen Viertel.99] Vergleich der Studienverläufe Parallel zu der Orientierung am amerikanischen Campus als baulicher Form besteht auch ein Diskurs in bezug auf die Reformierung des Studiensystems in Deutschland bzw. um eine Harmonisierung der Systeme in Europa, wie in der Einleitung bereits beschrieben. Kritik an der Studiensituation in Deutschland wird beispielsweise an zu langen Studienzeiten, zu alten Absolventen, vielen Studienabbrechern, dem hohen Organisationsaufwand für das Studium, einer Überqualifizierung vieler Absolventen und damit (aber auch von anderen Faktoren abhängend) schlechten Berufsaussichten geübt. Auch hier scheint das amerikanische System (das ja in weiten Teilen dem englischen entspricht und das sich in vielen Elementen international wiederfinden lässt) vielfach besser zu funktionieren und wird deshalb als Vorbild betrachtet. Zur Weiterentwicklung in Deutschland entstehen entsprechend Forderungen wie die Verkürzung von Studienzeiten und die Einführung von arbeitsmarktorientierten und international vergleichbaren Abschlüssen, denen bereits durch die Einführung des gestuften Systems von Bachelor- und Masterabschlüssen Rechnung getragen wird. Außerdem werden Studiengebühren als effektives Mittel zur Disziplinierung derzeit „bummelnder“ Studierender, aber auch zur Erhöhung des Dienstleistungscharakters der Hochschulen wie natürlich zur Sanierung der Länderhaushalte auf die Tagesordnung gebracht.

[99 Insbesondere Beobachtungen eines der Autoren im Rahmen des Forschungsprojektes «Dietzenbach 2030 - definitiv unvollendet» brachten eine für deutsche Augen und Vorurteile überraschende Beziehungsvielfalt und geordnete Kommunikations- und Sozialstruktur der vorwiegend muslimischen Bevölkerung in einem der „problematischsten“ Stadtviertel Deutschlands zu Tage.

98

Zwar leuchtet die Einführung von Studiengebühren zur Unterstützung der finanziellen Möglichkeiten und zur Förderung der Dienstleistungsorientierung der Lehrenden an den Hochschulen und damit eine bessere Betreuungssituation für die Studierenden als sinnvolles Instrument ein, allerdings müssen die Mittel dafür auch bei den Hochschulen ankommen. Insbesondere für die Seite der Studierenden stehen außerdem grundlegende Entscheidungen im Hintergrund, die in Bezug auf das Verständnis von Bildung im Vorfeld getroffen werden müssen. Die Einordnung der individuellen Qualifikation als über Studiengebühren einzukaufende Dienstleistung und damit deren Privatisierung bzw. Kapitalisierung führt zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Studierenden. In den USA bedeuten die Studiengebühren für diejenigen, deren Eltern die notwendigen Mittel nicht aufbringen können und die kein Stipendium erhalten, die aber dennoch nicht auf das Studium verzichten,

eine Schuldenbelastung für Studiengebühren und Lebenshaltungskosten am Ende des Studiums, die durchaus in der Höhe der Kosten eines Einfamilienhauses liegen kann100]. In Deutschland wird Bildung dagegen vom Staat getragen und den Studierenden in den meisten Fällen noch kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung wird „solidarisch“ gesichert, d.h. Bildung ist steuerfinanziert und damit durch diejenigen getragen, die bereits eine Ausbildung erhalten haben und durch diese Ausbildung über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Diejenigen, deren Eltern die Lebenshaltungskosten ihrer studierenden Kinder nicht tragen können, erhalten außerdem eine staatliche Förderung (BAFöG). Diese muss fünf Jahre nach Abschluss des Studiums zur Hälfte zurückgezahlt werden. Damit machen auch deutsche Studierende während ihres Studiums Schulden, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß101]. In diesem Zusamenhang ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Universitäten selbst, als auch zahlreiche andere Organisationen in den USA über die Mittel verfügen, eine große Zahl an Stipendien für sozial schwächere, aber leistungsstarke Studierende zu vergeben, was in keinem Verhältnis zu den eingeschränkten Möglichkeiten in Deutschland steht. Während des Studiums verdienen außerdem zwei Drittel der Studierenden in Deutschland nebenbei Geld, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Inwieweit dies auch in den USA üblich ist, ist unklar, allerdings scheint nach Aussagen in den Interviews vor allem das Arbeiten in studienrelevanten Jobs, wie den hier typischen Jobs als Studentische Hilfskraft, eher seltener zu sein. Der Anteil der Berufstätigen und der verdiente Betrag hängen in Deutschland vom Alter der Studierenden ab: Je älter die Studierenden, desto mehr von ihnen verdienen dazu und auch der monatlich verdiente Betrag ist höher.102] Durch die Berufstätigkeit verlängern sich möglicherweise einige Studienverläufe, allerdings starten die Absolventen mit weniger oder keinen Schulden in ihr Berufsleben (was auch der deutschen Mentalität eher entspricht), erwerben bei Berufstätigkeiten im studienrelevanten Bereich bereits praktische Erfahrungen und führen selbstständig einen Haushalt. Dies sind beachtenswerte Qualifikationen, die nicht nur der Ausbildung, sondern auch der Bildung der Persönlichkeit zuzurechnen sind. An dieser Stelle sei auf das Humboldtsche Prinzip einer humanistischen Bildung an den Universitäten verwiesen, wie es an deutschen Universitäten hochgehalten wird, international anerkannt ist und als erstrebenswertes Ziel gilt. Ziel des Studiums ist nicht das Erlernen eines Berufes, sondern vielmehr das Erlernen einer Wissenschaft und die Bildung der gesamten Persönlichkeit zu einem selbstbestimmten Individuum bzw. Subjekt. Anders als an einer Schule lehrt nicht ein Lehrer und der Schüler lernt, vielmehr bildet sich der Schüler selbst und der Lehrer dient als Katalysator103]. In dieses Konzept gehört auch die Einheit von Forschung und Lehre und das Lernen durch Forschen, wie es idealtypisch an den Universitäten erfolgen soll. Inwiefern dieses Ideal derzeit tatsächlich an den deutschen Massenuniversitäten zur Umsetzung kommt, sei dahingestellt. Zu vermerken ist aber, dass eine Übertragung des deutlich verschulteren Ideals in den USA keinesfalls zu einer Wiederherstellung dieses Systems dienen kann. Vielmehr lässt sich ein eher pragmatisches Bildungsverständnis in Richtung der Fachhochschulen vermuten.

[100 Die Studiengebühren liegen beispielsweise am MIT bei 13.000$ pro Semester. Nimmt man außerdem einen Betrag von 1000$ pro Monat für Wohnheimplatz, Verpflegung, Kleidung, Bücher und Mobilität an, so ergeben sich daraus für einen Bachelorabschluss nach 4 Jahren gut 150.000$.

[101 Bei Höchstfördersatz (derzeit 466 Euro, plus evt. Pauschalsätze, wenn der Studierende selbst versichert ist) und einer maximalen Förderung von 10 Semestern - die Förderdauer ist auf die Regelstudienzeit beschränkt, wodurch so unterstützte Studierende zum zügigen Abschluss bewegt werden – beläuft sich die-

Neben dem verschulten Studiensystem ist das höhere Alter der Studierenden in Deutschland als wesentlicher Unterschied zwischen den beiden hier diskutieren Studienkulturen herausgearbeitet worden. Auch dieser Unterschied soll noch einmal aufgegriffen werden,

ser Betrag also auf maximal 15.000 Euro.

[102 vgl. bmbf (2001) S.12ff [103 vgl. Stichweg (2003)

99

obwohl diese Frage im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allenfalls angerissen werden kann. Mit 13 Jahren Schulausbildung bis zum Erlangen der allgemeinen Hochschulreife hält Deutschland eine Spitzenposition, international sind zumeist 12 Jahre üblich. Dazu kommt die in Deutschland weit verbreitete Haltung „Gönnt dem Kind doch noch ein Jahr“. Erstklässler sind deshalb heute im Schnitt ein Dreivierteljahr älter als vor 30 Jahren.104] In Deutschland beginnen Männer zudem im Schnitt 22 Monate, Frauen erst 27 Monate nach Erlangen der Hochschulreife mit dem Studium. Diese zusätzliche Verzögerung ist damit deutlich länger, als das 13. Schuljahr in Deutschland ausmacht. Gründe für die weitere Verzögerung bis zur Studienaufnahme sind Bundeswehr und Zivildienst sowie Berufsausbildung, Praktika, Auslandsaufenthalte, aber auch Unsicherheit über den weiteren Ausbildungsweg.105] Eine Bewertung dieser Verzögerungsfaktoren kann hier nicht vorgenommen werden, allerdings ist festzuhalten, dass die handwerkliche Lehre eine deutsche Besonderheit darstellt, die international zumeist entweder durch die College-Ausbildung oder durch „learning-by-doing“ erfolgt. Im Bereich des Handwerks beispielsweise führt das deutsche Ausbildungssystem zu besonderen Qualifikationen im europäischen Vergleich. Weitere Beispiele sind die Möglichkeit eines freiwilligen ökologischen oder sozialen Jahres bzw. eines Auslandaufenthalts zum Erlernen einer Fremdsprache, die zu weiteren Qualifikationen für den Arbeitsmarkt und die Persönlichkeitsbildung aber auch zum späteren Studienbeginn führen und die während des Studiums in gleichem Ausmaß kaum erworben werden können. Aktuelle Tendenzen in Deutschland

[104 [105 [106 [107

100

vgl. Kluge(2003) S. 562

Hier soll beispielhaft die Entwicklung der Goethe-Universität in Frankfurt herangezogen werden, deren aktuelle Planungen auf einen doch zumindest bemerkenswerten neuen Trend in der Hochschulbaulandschaft Deutschlands hinweisen könnten. Betrachtet man die Wettbewerbsauslobungen für den Campus Westend und für die Nachfolgenutzungen am jetzigen Universitätsstandort Bockenheim, so lässt sich ein rein wirtschaftlich motivierter Hintergrund des Umzugs unterstellen. Der Auslobungstext106] zum Campus Westend besagt zwar, dass der Umzug wegen „fehlender Entwicklungsmöglichkeiten“ auf dem derzeitigen Innenstadtstandort notwendig ist. Gleichzeitig wird die unterzubringende Fläche, inklusive aller – selbst extrem langfristiger – Reserven mit 304.000 m2 Bruttogeschossfläche angegeben. Im kurz darauf veröffentlichten Wettbewerb107] zur Nachfolgenutzung des jetzigen Universitätsareals am Standort Bockenheim wird dann allerdings eine Bebauung von 350.000 m2 Bruttogeschossfläche, sogar zusätzlich zur denkmalgeschützten Substanz – unter anderem ein Teil der Universitätsgebäude – gefordert. Damit sind die Entwicklungsmöglichkeiten auf dem jetzigen Gelände um mehr als 20% höher als die für den neuen „Campus Westend“ definierten. Als eigentlicher Grund für die Umsiedelung lässt sich daher eine Grundstücksspekulation vermuten: Man erhofft sich aus dem Verkauf des zentral gelegenen Stammgeländes einen Erlös, der die Finanzierung des gesamten Neubaus der Universität auf dem billigen ehemaligen Kasernengelände sicherstellen kann. Eine klassische Innenstadtuniversität mit großer Tradition, mit denkmalgeschützten Gebäuden, die die Stadt um sie herum prägt und zu einem Universitätsviertel macht, weicht also dem Druck des fehlenden Geldes?

vgl. bmbf (2001) S. 6f vgl. Land Hessen (2002) vgl. Land Hessen (2003)

Zwar erscheint der Gedanke durchaus reizvoll, einen Hochschulneubau für den Staat kostenneutral zu finanzieren, dennoch ist in Frage zu stellen, inwieweit Bildung – und damit auch

ihr Ort – auf den monetären Aspekt zu reduzieren bzw. zu kapitalisieren ist. Die Frage nach der Trägerschaft der Bildung, also nach selbst finanzierter versus staatlich finanzierter Bildung wurde bereits mehrfach angerissen. Letztlich ist auch in bezug auf den Universitätsstandort innerhalb einer Stadt eine politische bzw. ethische Entscheidung zu treffen, die in eben diesen grundsätzlichen Gesamtzusammenhang gestellt werden muss. Ist das Herausreißen eines so wesentlichen und prägenden Elements, wie einer Universität mit ihren Studierenden, aus dem Kernbereich einer Stadt und damit auch die Zerstörung des direkten Bezugs der Studierenden zur Stadt tatsächlich eine vertretbare Lösung zur finanziellen Sanierung? Der gesamtgesellschaftliche bzw. volkswirtschaftliche, zumindest aber städtebauliche Schaden ist in diese Überlegung unbedingt mit aufzunehmen. Neben den eher grundsätzlichen Gedanken zeigt das Beispiel Frankfurt mit seiner Ausschreibung und dem Siegerentwurf auch, dass der amerikanische Campus im Sinne einer städtebaulichen Einheit mit einem recht weiten funktionalen Spektrum, einer gewissen Vollständigkeit und einer 24-Stunden-Nutzung so nicht umgesetzt wird. Warum deutsche Campusanlagen diese Vollständigkeit und die damit einhergehende Qualität so schwer erreichen, liegt mit daran, dass die umgebenden Städte diese Qualitäten bieten und natürlich bieten sollen. Für einen neuen Campus wäre es wenig zielführend, ein weiteres Museum einzurichten, eine weitere Konzerthalle oder ein Programmkino zu unterhalten, eine Volkshochschule zu gründen, einen weiteren Fußballclub zu betreiben oder eine Shopping-Mall zu eröffnen. Wegen der mancher Orts bestehenden Wohnungsnot, etwa in Frankfurt und Darmstadt, macht es allerdings Sinn, Wohnungen zu bauen. Wie das Beispiel Frankfurt zeigt, scheint „Campus“, trotz aller Hoffnungen und Lippenbekenntnisse, hier nicht über einen im besten Fall an einem gut organisierten Industrieunternehmen orientierten Betrieb hinausgehen zu können. Durch studentisches Leben geprägt und belebt bleibt vor allem die Stadt und das erscheint auch gewollt. Wieder stellt sich heraus: ein wesentliches Kriterium für eine deutsche Hochschule, und sei es ein neu gebauter Campus, ist ihre Verbindung mit der sie beheimatenden Stadt. Neu-Definition des deutschen Campus als „universitärer Raum“ Als Ergebnis dieser Studie ergibt sich eine Neudefinition des Begriffes Campus: „Der Campus ist der relationale Raum einer Hochschule. Er bildet den Entwicklungsprozess dieser Hochschule als Ganzes ab und wirkt auf ihn zurück. Der Campus kann weit über den geografischen Ort des Hochschulgeländes hinausgehen.“ Diese Definition von Campus geht damit deutlich über das Verständnis von Campus als Idealstadt, wie bei den amerikanischen Anlagen gesehen, hinaus, was im folgenden erläutert werden soll. Das Zusammenlegen aller Universitätsgebäude auf ein gemeinsames Gelände, wie es beispielsweise beim Universitätsneubau in Frankfurt geschieht, orientiert sich an diesen amerikanischen Vorbildern, bedeutet aber nicht das Entstehen eines Campus. Auch ist die Lage der Universität außerhalb des Stadtkerns mit entsprechenden Entwicklungsperspektiven kaum ein ausreichendes Merkmal für die Charakterisierung des Universitätsgeländes als Campus. Gleiches gilt für die Anlagerung von Instituten, Firmen, Start-ups und Spin-offs, die sicherlich positive Synergien für beide Seiten mit sich bringt, aber wenig mit der Idee eines 101

Campus an sich zu tun hat. Vielmehr sind sie als Reaktion auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmen- und Arbeitsbedingungen zu verstehen. Fraglos ist es sinnvoll und praktisch, wenn alle Gebäude einer Universität sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Ungeklärt bleibt dabei allerdings, welche Gebäude über die Lehr- und Forschungseinrichtungen hinaus tatsächlich dazu gehören. Vielleicht macht aber gerade diese Unsicherheit und die aus baulicher Sicht beinahe absurde Formulierung des „virtuellen Campus" deutlich, was Campus tatsächlich bedeuten kann. Der historische Begriff Campus, der eine große Wiese vor dem Hauptgebäude des Colleges bezeichnet hat und damit die Größe, Offenheit und Naturverbundenheit der Institution, wandelte sich im Laufe der Zeit zu einer Bezeichnung für das gesamte Universitätsgelände. Was allerdings das Besondere der amerikanischen Anlagen und damit ihre Vorbildfunktion ausmacht, ist wohl der alles durchdringende „Spirit", der prägende individuelle Charakter der Institution und der Gemeinschaft aller dort Arbeitender und Lebender. Hier deutet sich die Bedeutung über den geografischen Ort hinaus bereits an. Wie die Untersuchungen zeigen, gestalten sich auch die amerikanischen Campusanlagen in ihrer Ausstattung, beispielsweise mit Versorgungsinfrastruktur, unterschiedlich. Wie bei den europäischen Anlagen werden Bezüge zur umgebenden Stadt als wesentlicher Bestandteil deutlich, wenn sie sich auch in einer deutlichen Abgrenzung oder Dominanz gegenüber anderen städtischen Akteuren ausdrücken können. Neben der umgebenden Stadt bieten sich der Hochschule auch im virtuellen Raum Möglichkeiten, ihren Wirkungskreis über den geografischen Ort hinaus zu erweitern. Im virtuellen Raum stellt die Universität Informationen bereit und ermöglicht den Mitgliedern der universitären Gemeinschaft den Informationsaustausch. Dieser virtuelle Raum stellt inzwischen einen wichtigen und unverzichtbaren Raum im universitären Alltag dar. Die Formulierung „virtueller Raum" ist also gar nicht so absurd, wie zunächst angenommen. Der virtuelle Campus ist Bestandteil der Hochschule und als Raum des Austausches gehört er offensichtlich zur dritten, hier untersuchten Komponente von Hochschule, nämlich der bisher als „Ort der Hochschule" bezeichneten. Diese bisher verwendete Bezeichnung wird damit hinfällig. Vielmehr wird hier der Raum der Hochschule betrachtet. Der virtuelle Raum ist hierin enthalten und für die Definition von Campus ergibt sich damit: Campus bezeichnet den Raum einer Hochschule als Ganzes.

[108 vgl. Löw (2001) [109 Löw (2001) S. 224

102

Damit geht Campus in seiner Bedeutung weit über den geografischen Ort, an dem Institutionsgebäude und Hörsäle untergebracht sind, hinaus. Vielmehr stellt er den Raum der Institution Hochschule und der universitären Gemeinschaft dar. Dieser Definition möchten wir ein relationales Raumverständnis im Sinne von Martina Löw108] zugrunde legen. Im Gegensatz zu absolutistischen Raumverständnissen, die Raum als Container oder Territorium, in dem sich Prozesse abspielen, verstehen und einem relativistischen Raumverständnis, in dem sich Raum allein aus den Bezügen zwischen Körpern oder Gegenständen ergibt, versteht sie Raum als „relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an Orten"109]. Dieses Verständnis von Raum ist für die Definition des Campus besonders geeignet, da es die strukturierende, statische, ordnende Funktion von Raum, beispielsweise einer bestehenden und nur mit großem Aufwand veränderbaren baulichen Struktur, mit dem Konstitutionsprozess von Raum, d.h. seiner Entstehung und ständigen Veränderung, verbindet.

Auch findet sich in der Konzeption des Konstitutionsprozesses der hier zugrundeliegende Dreischritt zwischen Institution, universitärer Gemeinschaft und Hochschulraum wieder. Die Raumkonstitution, hier also die Entwicklung des Campus, besteht aus zwei Teilen, dem Spacing und der Syntheseleistung. Während das Spacing das Plazieren von sozialen Gütern an einem Ort, bezogen auf den Campus also beispielsweise den Bau eines neuen Gebäudes, die Installation eines neuen Gerätes in einem Labor oder das Pflanzen eines Baumes im botanischen Garten, bezeichnet, meint Syntheseleistung die Vorstellungs-, Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozesse jedes einzelnen, der soziale Güter und Lebewesen zueinander in Beziehung setzt und so zusammenhängende Räume entstehen lässt. Nach diesem Verständnis von Hochschulraum muss man typische studentisch geprägte Stadtviertel, wie sie in alten Universitätsstädten zu finden sind, dem Campus zurechnen. Ein Zusammenhang zwischen den drei Komponenten der Hochschulentwicklung lässt sich wie folgt herstellen: Während das Spacing vor allem durch die Institution Hochschule passiert, erbringt jedes einzelne Mitglied der Hochschule ständig die Syntheseleistung zur Konstruktion des Campus. Die Institution Hochschule schafft so Angebote für die universitäre Gemeinschaft, die sie zur Erreichung ihres Auftrags als Forschungs- und Bildungseinrichtung für richtig hält. In der Syntheseleistung nimmt die universitäre Gemeinschaft diese Angebote an oder auch nicht und ergänzt sie durch Angebote außerhalb des Einflussbereichs der Institution, soweit sie dies für nötig hält. Der Campus bildet daher in seiner Struktur und in seiner Wahrnehmung durch die universitäre Gemeinschaft die Hochschulentwicklung als ganzes ab. Ein so konstituierter Raum schafft Strukturen, die Institution und universitäre Gemeinschaft in ihrer Wahrnehmung und in der Entscheidungsfindung beeinflussen. Auf diese Weise wirkt der Raum auf die beiden anderen Komponenten zurück. Auf Grundlage dieser Definition von Campus wird verständlich, dass es durchaus sehr verschiedene Campustypen geben kann, denn hier wirken sich neben institutionellen und arbeitspraktischen Faktoren auch kulturelle und gesellschaftliche Faktoren aus. Aus der Interpretation des US-amerikanischen und des deutschen Hochschulsystemes und deren baulicher Struktur ergeben sich daher beispielhaft die beiden folgenden Campustypen: 1. Das Leben der amerikanischen Studierenden ist sehr stark mit ihrer Hochschule verknüpft. Die universitäre Gemeinschaft stellt nicht nur eine Bildungseinrichtung, sondern auch Familie und Freundeskreis dar. Sie ist verantwortlich für die Versorgung und das Wohlbefinden der Studierenden. Das studentische Leben findet also annähernd ausschließlich auf dem Hochschulgelände, als dem Typ von Campus, der den Begriff geprägt hat, statt. Damit bedeutet Campus eine Konzentration auf einen Ort, nicht nur im Bereich der Lehrangebote und der Lerninfrastruktur, sondern auch der Versorgung mit Wohnraum und Verpflegung, sowie mit Angeboten für eine sinnvolle und ansprechende Freizeitgestaltung. 2. Das studentische Leben an europäischen und insbesondere an deutschen Universitäten sieht anders aus. Die Universität stellt insbesondere das staatliche höhere Bildungsangebot und einen Ort der Arbeit dar. Das studentische Leben ist stark mit der Universitätsstadt verbunden und prägt die Stadt. Es findet sich beispielsweise in der Kneipenszene oder in WG-Mietwohnungen privater Anbieter wieder. Was die Stadt und deren Akteure gut zur Verfügung stellen, wird dort nachgefragt, was sich besser durch die Universität organisieren lässt, beispielsweise 103

sportliche oder kulturelle Angebote für studentische Gruppen, wird hier angeboten und genutzt. Campus bindet hier viele verschiedene universitäre und außeruniversitäre Orte zu einem Raum zusammen. Die Sicherstellung einer optimalen Verknüpfung dieser verschiedenen Orte z.B. durch Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs kann hier den Campus durch Befriedigung studentischer und wissenschaftlicher Bedürfnisse, die Unterstützung von Erreichbarkeit und Zugänglichkeit festigen. Zukunft des deutschen Campus Mit der in dieser Studie vorgenommenen Definition von Campus ist das Ziel verknüpft, die Diskussion über den Bau von Campus-Anlagen für deutsche Universitäten in eine neue Richtung zu lenken. Es sollte nicht mehr die Frage gestellt werden müssen, ob der Bau von Campus-Anlagen für Deutschland sinnvoll erscheint. Selbstverständlich sollen deutsche Universitäten insofern ein Campus sein, als sie über einen funktionierenden und durch die universitäre Gemeinschaft gemeinsam verstandenen Raum verfügen. Anders als die typischen und häufig als Vorbilder propagierten amerikanischen Campus-Anlagen sind die europäischen und die deutschen Anlagen allerdings deutlich weniger auf einen konkreten Ort, auf ein begrenztes Universitätsgelände, bezogen. Das müssen sie auch nicht unbedingt. Vielmehr leben sie von der Einbindung in die Städte und den sich dadurch wechselseitig bietenden Möglichkeiten. Hier hat sich in einer teilweise Jahrhunderte dauernden gemeinsamen Entwicklungsgeschichte ein System der gegenseitigen Unterstützung und Arbeitsteilung entwickelt. Die Verknüpfung von Universität und Stadt ist in Deutschland elementarer Bestandteil von Campus. Sowohl Hochschul- als auch Stadtplanung sollten sich dieser Verknüpfung wieder stärker bewusst sein, vor allem bei der Diskussion um die Stärkung der Hochschule und um die Campusidee an sich. Als Frage stellt sich also, wie der bestehende Gesamtraum einer Hochschule in seinen Funktionen gestärkt werden und so ein starker Campus etabliert werden kann. Wie können die vielen nebeneinander bestehenden Räume der einzelnen Mitglieder der universitären Gemeinschaft übereinander gelagert und zu einem Campus verknüpft werden? Um Hochschulentwicklung in diesem Sinne betreiben zu können, muss sich die Institution Hochschule zur Aufgabe machen, den bestehenden Campus als Ganzes kennenzulernen und innerhalb dieses Campus die zukünftigen Entwicklungsziele zu verwirklichen. Das bedeutet für die Hochschule auch, die Bedürfnisse und Probleme der Mitglieder der universitären Gemeinschaft in ihrem Alltag insgesamt, nicht nur in Bezug auf die Institution selbst, kennenzulernen und ein Interesse an einer gemeinschaftlichen Lösung dieser Probleme zu entwickeln. Mit Orientierung an bestehenden Strukturen und Rahmenbedingungen, auch über das Universitätsgelände hinaus, und dem Einbezug der universitären Gemeinschaft als Ganzes können möglicherweise schon kleine Maßnahmen erfolgreich sein. Demgegenüber können Neubaumaßnahmen, etwa der Bau einer ganzen Universität nach amerikanischem Vorbild, sogar kontraproduktiv sein, bestehende Strukturen zerstören und so dem Campusgedanken eher schaden.

definiert die universitäre Gemeinschaft durch ihre Wahrnehmung den Campus als Raum. Die starke Bedeutung des academical spirit für die Universitätsentwicklung in den USA macht diesen Zusammenhang deutlich. Auch die US-Universitäten sind gut beraten, die Wahrnehmung des Campus durch die universitäre Gemeinschaft zu erforschen und in ihre Entwicklungsplanungen einzubeziehen. Für die TUD ganz konkret bedeutet dies, dass Plänen zu einer Verlagerung aller universitären Einrichtungen auf die Lichtwiese mit großer Vorsicht zu begegnen ist. Sicherlich stellt die Zerrissenheit der TUD, insbesondere für die Forschenden und den interdisziplinären Austausch ein Problem dar und schwächt gleichzeitig das Außenbild der Institution. Ein Herausreißen der innerstädtischen Einrichtungen aus der Stadt hätte allerdings neue negative Folgen, etwa den Unmut der bisher in der Stadt angesiedelten Mitarbeiter und das Fehlen der selbstverständlichen Präsenz im Stadtleben. Zur Entwicklung von Maßnahmen zur Konstitution eines einheitlichen Raumes der TUD tragen insbesondere die Raumvorstellungen der universitären Gemeinschaft wie der städtischen Gesellschaft bei. Als Entwicklungsperspektive bietet sich die „TUD-Banane" an, ein Verknüpfungsmodell über die geographisch kürzeste Verbindung der einzelnen Teile. Diese Verknüpfung führt durch die Schaffung einer klar definierten und ausgebauten Zone zwischen dem fragmentarischen Standort Lichtwiese und dem Standort Innenstadt, beispielsweise als Fahrrad-Avenue via einer schon vorhandenen landschaftlichen Verbindung, die zwei Hauptteile der TUD zu einer Gesamtheit zusammen. Nicht zuletzt wird damit der klar bestimmte Raum für den Austausch zwischen Universitätsangehörigen geschaffen. Durch gezielte Maßnahmen, wie das spürbare Heranrücken der Eingänge an die Stadt und die Ausbildung von Fassaden, wird sich die Präsenz der Universität stärken lassen. Das Gefühl einer Universität und eines Campus sollte sich damit auch ohne die Verlagerung an einen gemeinsamen Standort und ohne Neubau einstellen. Dies ist es, was diese Studie generell als die Zukunft des „Universitäts-Campus Deutschland" sieht. Abb. 127: Die TUD-Banane: Verknüpfung der Standorte der TUD mit einer durchgängigen und erkennbaren Freiraumanlage mit „Universitäts-Allee“ als Fußgängerund Fahrradachse und direkter Busverbindung. In und an diese Banane können sich weitere Universitäts- und universitätsnahe Nutzungen ansiedeln. Maßstab ca. 1:35.000 (Kartengrundlage Vermessungsamt der Stadt, Zeichnung mwas / Marion Klipstein)

Auch die amerikanischen Universitäten machen einen Fehler, wenn sie in ihrer Entwicklungsplanung allein vom Universitätsgelände als Campus ausgehen und den universitären Raum als Ganzes ignorieren. Auch hier bestehen starke Wechselwirkungen mit der Stadt, auch hier 104

105

Läpple, Dieter (o.J.): Stadtzentren als kreative Milieus. Noch unveröffentlichter Beitrag zum Ladenburger Kolleg zur Zwischenstadt.

www.mit.edu Massachusetts Institute of Technology

Löw, Martina (2001): Raumsoziologie. Frankfurt/Main. Atwood, Sally (2003): Between Town and Gown. In: MIT Technology Review. June 2003. S. 7-9. Bauwelt (2000): Themenheft Urbanism". 12/2000. Berlin.

„New

Literatur und Internet-Quellen bmbf – Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2001): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2000. 16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System. Bonn. Bodenschatz, Harald (2000): New Urbanism. Die Neuerfindung der amerikanischen Stadt. In: Bauwelt. 12/2000. Berlin. Centrum für Hochschulentwicklung (April 2003): Positionspapier I zu Bachelorund Masterstudiengängen. Gütersloh. Cohn, Ruth C. (1975): Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle. Stuttgart. Foundations (2003): Alumni Newsletter of the MIT Department of Architecture. July 2003. Cambridge. (elektronischer e-Mail Newsletter) Hansen, Klaus P. (2001): Amerikanische Verhältnisse. Artikel „DIE ZEIT", 5.4.2001. Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst; TU Darmstadt (2002): Zielvereinbarung vom 28. Oktober 2002. 106

HHG - Hessisches Hochschulgesetz in der Fassung vom 31. Juli 2000. Wiesbaden. Hödl, Günther (1994): Um den Zustand der Universität zum Besseren zu reformieren. Wien. Housing at MIT. Internetveröffentlichung unter: web.mit.edu/residence/systemdesign/ background_housing.html. Howard, Hugh; Roger Staus III (2003): Thomas Jefferson Architect. New York. Karrow, Bob (2002): Keeping the „Town" in College Town. Internetveröffentlichung: www.planetizen.com/oped/item.php?id=51 Kluge, Jürgen: Wer lernt, gewinnt. In: universitas. Orientierung in der Wissenswelt. Juni 2003, Nr. 684. S. 554-566. KMK; HRK; BMBF (Hrsg.) (25.04.2002): Länderbericht Bundesrepublik Deutschland. Realisierung der Ziele der „Bologna-Erklärung" in Deutschland. Sachstandsdarstellung und Ausblick auf Berlin 2003. Gemeinsamer Bericht. Landfried, Klaus: Öffentlicher Vortrag zur Idee und Aufgabe der Universität heute anlässlich des deutsch-französischen Kolloquiums „Idee und Aufgabe der Universität heute" vom 3.-5.4.2003 in Heidelberg.

Martens, Bernd; Ute Clement, Diana Schröter (2000): Von der Wirksamkeit virtueller Therapeutika für Unpässlichkeiten der Hochschullehre. In: Scheuermann, Friedrich (Hrsg.) (2000): Campus 2000: Lernen in neuen Organisationsformen, Münster. S. 235-243 Müller, Rainer A. (1996): Geschichte der Universität. Von der mittelalterlichen Universitas zur deutschen Hochschule. München. NCES – The National Center for Educational Statistics (2003): Digest of Education Statistics 2003. Zitiert nach: Society for College and University Planning (2004): Campus Facility Inventory. Download unter: www.scup.org/knowledge/cfi/ (Fundstelle: executive summery). Land Hessen (2002): Auslobung für den städtebaulichen Realisierungswettbewerb Campus Westend. Internetveröffentlichung unter: www.phaseeins.de/archive_campuswestend_information.htm Land Hessen (2003): Kerngebiet Bockenheim der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Internetveröffentlichung unter: www.phaseeins.de/ archive_boc_information.htm

www.iit.edu Illinois Institute of Technology Sand, Martin (2001): Es muss mehr als ein Anstrich sein. In: Campus. Zeitschrift der Universität des Saarlandes. 2/2001. Internet ausgabe ohne Seitenangabe: www.uni-saarland.de/ verwalt/presse/campus/ 2001/2/06-Sand-f.html

www.berkeley.edu University of California at Berkeley www.harvard.edu Harvard University www.princeton.edu Princeton University

Scheuermann, Friedrich (Hrsg.) (2000): Campus 2000. Lernen in neuen Organisationsformen. Münster.

www.lancs.ac.uk University of Lancaster www.leeds.ac.uk University of Leeds

Stichweh, Rudolf (2003): Vortrag zur Stellung der Universität im tertiären Bildungssektor anlässlich des deutsch-französischen Kolloquiums „Idee und Aufgabe der Universität heute" vom 3.-5.4.2003 in Heidelberg. Technische Hochschule Darmstadt (Hrsg.) (1995): Technische Bildung in Darmstadt. Die Entwicklung der Technischen Hochschule. Bände 1-6. Turner, Paul Venable (1984): Campus. An American Planning Tradition. New York. Veauthier, Andreas (2001): Der Campus soll attraktiver werden. In: Campus. Zeitschrift der Universität des Saarlandes. 3/2001. Internetausgabe ohne Seitenangabe: www.unisaarland.de/verwalt/presse/campus/2001/3/ 04-campus-f.html

Ryan, Mark (2001): A Collegiate Way of Living. Residential Colleges and a Yale Education. Yale.

Wilson, Richard Guy; Sarah A. Butler (1998): University of Virginia. New York.

Rybczynski, Witold: Going to College. In: Moore, Ruble, Yudell (1997): Campus & Community. Rockport, Massachusetts. S. 8-10

Übersicht über zentrale Internetquellen, insbesondere verwendet in Kapitel „Internationale Campus-Anlagen im Überblick“:

www.tcd.ie Trinity College Dublin www.uab.es Universidad Autonoma des Barcelona www.ucm.es Universidad Complutense de Madrid www.upm.es Universidad Politecnica des Madrid www.asg-architects.com Ayers Saint Gross Architects sind Campusspezialisten www.scup.org Society for University and College Planning www.planetizen.com/oped/item.php?id=51 The Planning and Development Network www.collegiateway.org The Collegiate Way: Residential Colleges and University Reform Soweit nicht anders vermerkt, entspricht der Stand der Internetquellen dem Erscheinungszeitpunkt der Studie.

107

AutorInnen / Dank

Judith Elbe Dipl.-Ing. Raumplanerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZIT Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung der TU Darmstadt. Martin Wilhelm Dipl.-Ing. Architekt BDA. Freier Architekt in Frankfurt a.M. in den Büros mwasmartin wilhelm architektur und städtebau und bb22urbane projekte. Lehrbeauftragter an der Fachgruppe Stadt der TU Darmstadt. Judith Elbe Dipl.-Ing. Raumplanerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZIT Zentrum für

Julia Goldschmidt Dipl.-Ing. Architektur,

Interdisziplinäre Technikforschung der TU Darmstadt.

Projektleiterin im Büro mwas, seit 2005 Mitarbeiterin im Büro Stefan Forster Architekten in Frankfurt a.M.

Martin Wilhelm Dipl.-Ing. Architekt BDA. Freier Architekt in Frankfurt a.M. in den Büros mwas-

Die Studie ist in gemeinsamer Arbeit und durch inten-

martin wilhelm architektur und städtebau und bb22-

siven Gedankenaustausch entstanden. Schwerpunkt-

urbane projekte. Lehrbeauftragter an der Fachgruppe

mäßig bearbeitet wurden die Kapitel „Internationale

Stadt der TU Darmstadt.

Campusanlagen im Überblick“ und „Elemente der Campusanlagen im Vergleich“ von Martin Wilhelm,

Julia Goldschmidt Dipl.-Ing. Architektur,

„Studentische Erfahrungen zu Campusuniversitäten“

Projektleiterin im Büro mwas, seit 2005 Mitarbeiterin

und „Neudefinition des deutschen Campus als uni-

im Büro Stefan Forster Architekten in Frankfurt a.M.

versitärer Raum“ von Judith Elbe. Julia Goldschmidt organisierte hauptsächlich die zeichnerische Aufar-

Die Studie ist in gemeinsamer Arbeit und durch inten-

beitung der untersuchten Campusanlagen.

siven Gedankenaustausch entstanden. Schwerpunktmäßig bearbeitet wurden die Kapitel „Internationale

Abbildungen, die von den Autoren stammen sind mit

Campusanlagen im Überblick“ und „Elemente der

den Kürzeln je für Judith Elbe und mw für Martin

Campusanlagen im Vergleich“ von Martin Wilhelm,

Wilhelm gekennzeichnet.

„Studentische Erfahrungen zu Campusuniversitäten“ und „Neudefinition des deutschen Campus als uni-

Ganz herzlich bedanken möchten sich die AutorInnen

versitärer Raum“ von Judith Elbe. Julia Goldschmidt

besonders bei Professor Johann Eisele, der die Arbei-

organisierte hauptsächlich die zeichnerische Aufar-

ten an diesem Buch nicht nur anstieß, sondern im

beitung der untersuchten Campusanlagen.

Verlauf auch immer wieder ermunterte. Dank geht auch an die Studierenden der städtebauli-

Abbildungen, die von den Autoren stammen sind mit

chen Übung „Uni21“ für ihre engagierte Grundla-

den Kürzeln je für Judith Elbe und mw für Martin

gensammlung.

Wilhelm gekennzeichnet. Ganz herzlich bedanken möchten sich die AutorInnen besonders bei Professor Johann Eisele, der die Arbeiten an diesem Buch nicht nur anstieß, sondern im Verlauf auch immer wieder ermunterte. Dank geht auch an die Studierenden der städtebaulichen Übung „Uni21“ für ihre engagierte Grundlagensammlung.

108

Related Documents


More Documents from ""