Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets - Ergebnisbericht
Verfasser Christian Blank Dr. Sven Müller Pierre Ullmann August 2008
DVB-Marktforschung TU Dresden LH Dresden/Arge
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
1
Einleitung ...................................................................................... 3
2
Projektpartner ............................................................................... 4
3
Rahmenbedingungen ................................................................... 5
4
3.1
Struktur .................................................................................... 5
3.2
Fahrausweissortiment ............................................................. 5
3.3
Derzeitiges Dresden-Pass-Modell ........................................... 6
3.4
Grundsätzliche Vorstellungen zum künftigen Sozialticket ....... 6
Vertrieb/Antragsverfahren ........................................................... 8 4.1 Erfahrungen anderer Städte .................................................... 8 4.1.1 Sozialticket Dortmund....................................................... 8 4.1.2 Köln Pass ......................................................................... 8 4.1.3 „Berlin-Ticket S“................................................................ 9 4.2
5
Ansätze für Dresden.............................................................. 10
Empirische Studie ...................................................................... 11 5.1
Studiendesign........................................................................ 11
5.2 Allgemeiner Befragungsteil.................................................... 12 5.2.1 Verkehrsmittelnutzung.................................................... 12 5.2.2 Fahrausweisnutzung ...................................................... 14 5.2.3 Nutzung Dresden-Pass .................................................. 15 5.3 Modellrechnung TU Dresden................................................. 17 5.3.1 Methode ......................................................................... 17 5.3.2 Grundsätzliche Ergebnisse............................................. 20 5.3.3 Vergleich verschiedener Ticketmodelle .......................... 21 6
Fazit ............................................................................................. 23
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Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
1 Einleitung Mit einem interfraktionellen Antrag vom 07.03.2008 wurde der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden beauftragt, sich mit der Bitte an die Dresdner Verkehrsbetriebe zu wenden, in Zusammenarbeit mit der Dresdner Stadtverwaltung eine Studie zu erarbeiten, in der konkrete Varianten eines ermäßigten Dresden Tickets für einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger (Ticket „Dresden Mobil“) in Dresden dargestellt werden. Im Rahmen der in diesem Antrag vorgegebenen Kriterien hat der Geschäftsbereich Soziales gemeinsam mit Vertretern der Dresdner Verkehrsbetriebe AG und der Technischen Universität Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften (Univ.-prof.Dr.sc.pol.habil. K. Haase), die möglichen Auswirkungen der Einführung eines Dresdner Sozialtickets in verschiedenen Varianten untersucht. Die Untersuchung basiert auf bereits vorhandenen Daten des Geschäftsbereiches Soziales zu möglichen Leistungsempfängern, bisherigen Studien zum Mobilitätsverhalten, Erfahrungen anderer deutscher Städte und Gemeinden und vor allem auf empirische Erhebungen mittels Interviews mit rund 1000 Probanden aus dem möglichen Anspruchsberechtigtenkreis. Diese Interviews fanden zwischen dem 09.06.2008 und 27.06.2008 in Dresden statt. Die Beteiligten haben sich ausdrücklich für eine solche umfangreiche Erhebung entschieden, um möglichst verlässliche Daten und Ergebnisse zu erzielen. Diese Entscheidung wurde vor dem Hintergrund, dass die Erstellung einer Prognose der tatsächlichen Nutzung eines Sozialtickets eine große Herausforderung darstellt, getroffen. Insoweit konnte auch nur bedingt auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgegriffen werden, da die kommunalen Verkehrsstrukturen und -ströme sehr unterschiedlich sind.
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2 Projektpartner Die Studie stellt ein gemeinsames Projekt von Landeshauptstadt Dresden und Dresdner Verkehrsbetriebe AG mit externer Unterstützung durch die TU Dresden dar. Dabei lag folgende Arbeitsteilung zu Grunde: LH Dresden / Geschäftsbereich Soziales n Abstimmung und Definition der politischen Rahmenbedingungen n Koordination innerhalb der Stadtverwaltung / städt. Einrichtungen (z.B. ARGE, Agentur für Arbeit) n Kapitel 1 und 4 dieses Berichts DVB AG n Marktforschung: Durchführen der Tarifstudie, Bereitstellen der notwendigen Daten für Entscheidungsfindung, deskriptive Datenauswertung n Tarifplanung: Ausgestaltung des Tarifangebots, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Auswirkungen für DVB AG, Vertriebskonzept TU Dresden / Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List"; Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Verkehrsbetriebslehre und Logistik – Prof. Haase n Modellsimulation verschiedener Sozialticketvarianten auf Grundlage der Erhebungsdaten für Empfehlungen einer optimalen Ausgestaltung des Sozialtickets hinsichtlich Preisen, Nutzung etc. n Externer Sachverstand zur Sicherung korrekter Ergebnisse
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3 Rahmenbedingungen 3.1
Struktur
Die Tarife der Dresdner Verkehrsbetriebe AG sind in den Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) integriert. Damit können alle Nahverkehrsmittel unabhängig vom Betreiber genutzt werden. Es besteht ein Zonentarifsystem mit insgesamt 21 Zonen. Die Landeshauptstadt Dresden als Hauptverkehrsgebiet der DVB AG bildet die Kernzone 10. In dieser leben rund 500.000 Einwohner Mit rund 142 Mio. Fahrgästen pro Jahr ist die DVB AG das bedeutendste Verkehrsunternehmen im VVO und befördert rund 70% der verbundweiten Fahrgäste. Das Verkehrsgebiet der DVB AG erstreckt sich auf den Stadtverkehr in Dresden sowie eine Straßenbahnlinie und mehreren Buslinien in Nachbarorte. Einige ländlich geprägte Stadtgebiete Dresdens werden hingegen nur durch DB Regio bzw. regionale Busgesellschaften bedient.
3.2
Fahrausweissortiment
Das Fahrausweissortiment besteht im Wesentlichen aus folgenden Angeboten: n n n n n
Einzelfahrschein 4er-Karte Tages- und Familientageskarte Wochenkarte, gültig ab Entwertung (kalenderunabhängig) Monatskarte/9-Uhr-Monatskarte im freien Verkauf gültig ab Entwertung (kalenderunabhängig) n Abo-Monatskarte/9-Uhr-Abomonatskarte, gültig einen Kalendermonat n Jahreskarte, gültig ein Kalenderjahr Ermäßigte Zeitfahrausweise gelten für Kinder von 6 – 14 Jahren sowie für Schüler und Auszubildende ab 14 Jahre mit Nachweis des Ausbildungsverhältnisses. Übertragbarkeit: alle Zeitkarten zum Normaltarif sind übertragbar. Mitnahmemöglichkeit: Zeitkarten (außer Wochenkarten) zum Normaltarif berechtigen an Wochenenden und Feiertagen zur Mitnahme von 5 Personen, von denen eine älter als 14 Jahre sein darf. Außerdem kann zeitlich unbegrenzt ein Fahrrad oder ein Hund mitgenommen werden.
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3.3
Derzeitiges Dresden-Pass-Modell
Mit dem Dresden-Pass erhalten sozial Bedürftige Unterstützungen in verschiedenen Bereichen. Neben der Möglichkeit, bezuschusste ÖPNV-Zeitkarten zu erwerben, beinhaltet dies auch Ermäßigungen für die Tagesverpflegung in Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie in Bädern und Sportstätten. Jeder Dresden-Pass-Inhaber mit vollendetem 6. Lebensjahr erhält in seinem zuständigen Ortsamt, Sachgebiet Sozialleistungen, monatlich eine Wertmarke in Höhe von 8,00 € als Zuschuss zum Kauf einer ÖPNV-Dauerkarte. Von diesen 8,- € werden 5,- € durch die Stadt Dresden und 3,- € durch die DVB AG getragen. Die Wertmarke hat nur in dem Kalendermonat Gültigkeit, für den sie ausgestellt ist. Die Wertmarke wird in den Vertriebsstellen der DVB AG in Zahlung genommen und kann mit Zuzahlung eines Eigenanteils (Ticketpreis abzüglich 8,- € Wertmarke) für alle Zeitkarten zum Normal- bzw. ermäßigten Tarif (mit Ausnahme der Jahreskarten) verwendet werden. Für Abo-Karten wird der gültige Tarifpreis durch die DVB AG abgebucht. In den Servicepunkten werden unter Vorlage der Abo-Karten, der Wertmarke und des Dresden-Passes 8,00 EUR zurückerstattet. Derzeit gibt es rund 12.700 Dresden-Pass-Inhaber. Von diesen lösen monatlich rund ein Viertel ihre Wertmarken ein.
3.4
Grundsätzliche Vorstellungen zum künftigen Sozialticket
In Abstimmung der Kommunalpolitik mit der Stadtverwaltung wurden folgend beschriebene konkrete Vorstellungen zum Sozialticket entwickelt. Der Kreis der Nutzungsberechtigten soll deutlich über die Gruppen des derzeitigen Dresden-Passes hinausgehen. Demnach wären berechtigt Personen gem. SGB II (Hartz-IV), SGB XII (Altersarmut), Asylbewerber sowie Geringverdiener, deren Einkommen max. 10% über den Bedarfssätzen gem. SGB II liegt. Nach überschlägiger Kalkulation der Stadtverwaltung fallen ca. 70.000 Personen unter diesen Kreis, nach Ausschluss verschiedener Kriterien wie Mitverdiener im Haushalt, Kinder etc. verbleiben ca. 35.000 bis 40.000 Nutzungsberechtigte. Diese stellen die Grundgesamtheit für die vorzunehmende Untersuchung.
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n Es ist grundsätzlich vorgesehen, das Sozialticket als Zeitkarte anzubieten. Diskutierte Varianten sind dabei zeitlich Abonnements oder Monatskarten im Einzelverkauf. Daneben soll ein Angebot im Bartarifsegment, z.B. in Form einer 4er-Karte, geprüft werden. n Generell besteht das Bestreben, die Karten möglichst identisch mit dem Standardsortiment auszugestalten, um mögliche Schlechterstellungen zu vermeiden. Dementsprechend sollen die üblichen Mitnahmeregelungen gelten. Eine Übertragbarkeit ist dagegen nicht vorgesehen. n Gemäß den politischen Vorstellungen soll der Preis für das Sozialticket bei 40-60% des normalen Tarifs liegen. Im Zusammenhang mit dem daraus resultierenden kommunalen Zuschussbedarf sind im Rahmen der Studie verschiedene Preise auf ihre Akzeptanz zu prüfen. n Räumliche Gültigkeit: Alle Verkehrsmittel der Verbundunternehmen innerhalb der LH Dresden (Tarifzone 10).
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4 Vertrieb/Antragsverfahren 4.1
Erfahrungen anderer Städte
Zum Vertrieb kann bisher im Wesentlichen auf die Modellerfahrungen in Köln, Berlin und Dortmund zurückgegriffen werden.
4.1.1 Sozialticket Dortmund Der Rat der Stadt Dortmund hat am 13.12.2007 die Einführung des Sozialtickets zunächst für einen zweijährigen Modellversuch beschlossen. Erstmalig ab dem 01.02.2008 können die hilfebedürftigen Menschen dieser Stadt das Ticket nutzen. Bezugsberechtigt sind die Leistungsbezieher des Arbeitslosengeldes II, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit, der wirtschaftlichen Jugendhilfe oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das personenbezogene Ticket 1000 (Preisstufe A) ist im Jahresabonnement für den Preis von monatlich 15,- € erhältlich und im gesamten Dortmunder Stadtgebiet gültig. Dieses Ticket unterliegt den Abonnement-Bedingungen der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW). Der Monatspreis wird grundsätzlich im Lastschriftverfahren eingezogen. Für die Beantragung müssen zwei Formulare ausgefüllt und an das Sozialamt gesendet werden. Diese werden zunächst in einer Datenbank erfasst. Anschließend werden die Anträge durch zuständige Mitarbeiter/-innen des Sozialamtes bzw. der ARGE hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen geprüft. Nach der Genehmigung des Antrags erfolgt durch die DSW per Lastschriftverfahren die monatliche Abbuchung des vom Ticketnutzer zu zahlenden Betrages von 15.- € und die Versendung des Tickets zu den normalen AboBedingungen. Neben dem Sozialticket wird in Dortmund der Dortmund-Pass ausgereicht.
4.1.2 Köln Pass Für Köln-Pass Inhaber bieten die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) ein 4er-Ticket und ein Monatsticket Köln-Pass an. Die Tickets erhalten die Kunden an den stationären Ticketautomaten sowie in allen Vertriebsstellen und Kundencentern. Das 4er-Ticket Köln-Pass kostet 4,40 € (Regeltarif 7,80 €) und berechtigt alle Köln-Pass-Inhaber zu vier Fahrten auf allen Linien im Stadtgebiet Köln. Das Monatsticket Köln Pass kostet 25,- € (Regeltarif 59,30 €)
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und berechtigt Köln-Pass-Inhaber zu beliebig vielen Fahrten auf allen Linien im Stadtgebiet Köln, innerhalb eines Kalendermonats. Das Monatsticket Köln-Pass ist übertragbar, jedoch nur an Köln-Pass-Inhaber. Des Weiteren ist beim Monatsticket Köln-Pass ab 19:00 Uhr und an Wochenenden/Feiertagen ganztägig die kostenlose Mitnahme eines Erwachsenen (dieser muss auch Inhaber eines Köln Passes sein) und bis zu drei Kindern (6 bis einschließlich 14 Jahre) sowie eines Fahrrades innerhalb der Gruppe Köln-Pass-Inhaber möglich. Sowohl das 4erTicket wie auch das Monatsticket Köln Pass sind nur in Verbindung mit einem gültigen Köln-Pass und einem Lichtbildausweis nutzbar.
4.1.3 „Berlin-Ticket S“ Die Kundenkarte „Berlin-Ticket S“ wird von der jeweils zuständigen Leistungsstelle ausgestellt. Hierbei handelt es sich um die Bezirksämter von Berlin (Geschäftsbereiche Soziales, Jugend, Grundsicherungsämter), das Landesamt für Gesundheit und Soziales sowie die Arbeitsagenturen Berlin. Diese prüfen, ob ein Anrecht auf die Kundenkarte "Berlin-Ticket S" besteht. Wenn ja, erhalten die Personen eine Kundenkarte "Berlin-Ticket S". Dies gilt auch für Personen, deren Einkommen und Vermögen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bei der Leistungsberechnung mit berücksichtigt worden ist. Die Leistungsstelle versieht die Kundenkarte „Berlin-Ticket S“ mit den persönlichen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Straße, Postleitzahl). Auf der Rückseite wird das Datum gestempelt, ab dem die Kundenkarte ungültig ist. Rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer ist eine Verlängerung durch die Leistungsstelle erforderlich. Die Geltungsdauer der Kundenkarte „Berlin-Ticket S“ beträgt höchstens 6 Monate. Für Leistungsempfänger nach dem SGB XII kann die Gültigkeit auf maximal 12 Monate festgelegt werden. Auf der Rückseite ist vermerkt, dass die Kundenkarte „Berlin-Ticket S“ zugleich als Berechtigungsnachweis für etwaige andere Vergünstigungen (z.B. Theater, Schwimmbad) benutzt werden kann. Es obliegt dem Inhaber, ob er die Kundenkarte zum Erwerb eines Wertabschnitts zur ermäßigten Nutzung der Verkehrsmittel im ÖPNV, allein als Berechtigungsnachweis für etwaige andere Vergünstigungen oder für beide Möglichkeiten nutzen möchte. Das „Berlin-Ticket S“ mit Wertabschnitt ist eine persönliche, nicht übertragbare Zeitkarte. Sie besteht aus der Kundenkarte „Berlin-Ticket S“ mit Lichtbild und einem für den laufenden Kalendermonat gültigen Wertabschnitt „Berlin-Ticket S“. Das „Berlin-Ticket S“ mit Wertabschnitt berechtigt in folgender Weise zur Nutzung des ÖPNV: n zu einer beliebigen Anzahl von Fahrten innerhalb der Teilbereiche AB des Tarifbereichs Berlin.
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n zur Inanspruchnahme aller öffentlichen Verkehrsmittel (auch der DB Regio AG) im o. g. Geltungsbereich. n zum Lösen eines Anschlussfahrausweises für den Teilbereich C des Tarifbereichs Berlin. n zur unentgeltlichen Mitnahme von Kindern bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr (bei Fähren bis zu 3 Kinder ), eines Kinderwagens, von Gepäck und eines Hundes. Fahrräder können nicht unentgeltlich mitgenommen werden. Die Wertabschnitte zum Preis von derzeit monatlich 33,50 € können von Inhabern der Kundenkarte „Berlin-Tickets S“ in allen Verkaufsstellen der S-Bahn GmbH und der BVG erworben werden. Die Wertabschnitte sind nur gültig, wenn vor Fahrtantritt die Nummer der Kundenkarte in das vorgesehene Feld des Wertabschnitts eingetragen worden ist. Das Angebot ist nicht als Jahreskarte und nicht im Abonnement erhältlich.
4.2
Ansätze für Dresden
Auch für Dresden bietet sich grundsätzlich eine Kopplung des DresdenPasses mit einem Mobilitätsangebot an. Die Entscheidung über mögliche Vertriebsvarianten, so z.B. dass das Sozialticket in allen DVB-Servicestellen und an allen Automaten der DVB bzw. als Abo-Monatskarte direkt über die DVB oder eine Ausgabe über das Sozialamt erfolgen sollte, braucht im Ergebnis erst bei einer tatsächlichen Einführung entschieden werden. Erst danach wären abschließenden Klärungen zwischen der LH DD und der DVB sowie verwaltungsintern zur Zuständigkeit der Ausreichung und Abrechnung der städtischen Zuschüsse erforderlich. Das ermäßigte Sozialticket wäre in jedem Fall weiterhin eine freiwillige soziale Leistung der Landeshauptstadt Dresden. Ein nutzerfreundliches, vereinfachtes und bürgerfreundliches System des Vertriebs des Dresden-Passes sollte den Zugang zur mobilen Teilhabe für die Bedürftigen erleichtern.
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5 Empirische Studie 5.1
Studiendesign
Eine gezielte Ansprache der Zielpersonen über eine telefonische oder schriftlich-postalische Befragung war nicht möglich, da deren Adressdaten nicht zur Verfügung gestellt werden konnten. Dem Vorschlag der LH DD folgend wurde die Befragung in den Räumen der Arbeitsagentur Dresden durchgeführt. Hier konnte eine repräsentative Stichprobe über die potenziellen Ticketnutzer gezogen werden, da die Zielpersonen regelmäßig dort erscheinen müssen. Zudem konnten dadurch persönliche Interviews mit einem hohen Interviewerwirkungsgrad durchgeführt werden. Für die Befragung wurden durch die QAD kostengünstig Interviewer gestellt. Die Befragung erfolgte vom 09. bis zum 27.06.2008. Die Probanden wurden im Foyer der Arge durch Mitarbeiter der DVB-Marktforschung nach vorgegebener Alters- und Geschlechtsverteilung rekrutiert. Auf Basis eines von DVB-Marktforschung und TU Dresden entwickelten Befragungsbogen wurde die Befragung als computergestützte persönliche Interviews (CAPI) durchgeführt.
Abbildung 1: Screenshot Befragungsbogen
Inhalt dieses i.d.R. fünf- bis 10-minütigen Interviews war neben soziodemographischen Angaben wie dem Alter und Geschlecht, sowie Fragen zur Nutzung von Verkehrsmitteln, Fahrausweisen und dem Dresden-Pass ein so genanntes "Stated Preference Experiment".
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
Grundgesamtheit waren die Kunden der Arbeitsagentur, in welcher die potenziellen Nutzergruppen über die Empfänger von Arbeitslosengeld 2 (SGB II/“Hartz IV“) bzw. Sozialhilfe (SGB XII) in großem Maße erreicht werden konnte. Auf die Befragung von weiteren potenziellen Nutzergruppen wie Geringverdiener oder Asylbewerber wurde aus forschungsökonomischen Gründen verzichtet, da sich die grundlegenden Ergebnisse auf Grund der geringen Anteile nicht wesentlich ändern würden. Neben der Zielgruppe wurden auch weitere Kunden der Arge befragt, da diese im Vorfeld nicht herausgefiltert werden konnten. In dieser Gruppe sind vorrangig Empfänger von Arbeitslosengeld 1. Insgesamt wurden 1.005 Interviews durchgeführt, davon 634 in der Zielgruppe (Sozial- bzw. Arbeitslosengeld-2-Bezieher) und 351 sonstige Kunden. 20 Befragungsdatensätze von Nicht-Dresdnern wurden verworfen. Die im Rahmen der Studie ausgewiesenen Werte beziehen sich auf die Zielgruppe, sofern nicht explizit anders angegeben.
5.2
Allgemeiner Befragungsteil
Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus dem allgemeinen Frageteil beschrieben. Das anschließende Kapitel zeigt die Ergebnisse der Simulationsrechnung durch die TU Dresden.
5.2.1 Verkehrsmittelnutzung Die Frage nach der Nutzungsintensität der Verkehrsmittel erfolgte mit einer identischen Formulierung wie in verschiedenen anderen Studien, z.B. in der Mobilitätsstudie SrV1. Dadurch ist ein Vergleich zur Gesamtbevölkerung möglich. Entsprechend der sozialen Situation der Zielgruppe wird der Pkw wesentlich weniger genutzt als im Stadtdurchschnitt. Nur reichlich zwei Fünftel nutzen ihn zumindest wöchentlich, darunter 17% „(fast) täglich“. 50% nutzen dagegen seltener als monatlich den Pkw. In der Dresdner Gesamtbevölkerung nutzen 75% den Pkw mindestens wöchentlich und nur 15% seltener als monatlich.
1
TU Dresden, Mobilität in Dresden – System repräsentativer Verkehrserhebung SrV 2003
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100% 28%
80%
60%
18% 4% 9%
40%
20%
7% 5% 3% 10%
26%
14%
13/23
nie
an 1 - 2 Tagen / Vierteljahr an 1 - 3 Tagen / Monat
17%
an 1 - 2 Tagen / Woche
8%
an 3 - 4 Tagen / Woche
36%
(fast) täglich
17%
0% Zielgruppe
Abbildung 2:
seltener
Dresden (SrV 2003)
Pkw-Nutzung (als Fahrer oder Beifahrer) der Zielgruppe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (Frage „Wie oft haben Sie in den vergangenen 12 Monaten den Pkw als Fahrer oder Beifahrer genutzt?“)
Dementsprechend werden die öffentlichen Verkehrsmittel durch die Zielgruppe wesentlich stärker genutzt. Jeder zweite fährt „(fast) täglich“, nur rund 15% fahren seltener als monatlich mit Bussen und Bahnen. Es besteht also bereits eine sehr hohe Nutzungsquote, wesentliche Neukundenpotenziale durch reduzierte Preise bestehen demnach nicht. 100%
80%
3% 10% 3% 8% 12%
60%
13%
14%
nie
13%
seltener
11%
an 1 - 2 Tagen / Vierteljahr
14% 14%
40% 50%
9%
20% 25%
Abbildung 3:
an 1 - 3 Tagen / Monat an 1 - 2 Tagen / Woche an 3 - 4 Tagen / Woche (fast) täglich
0% Zielgruppe
Dresden (SrV 2003)
Die Vermutung, wesentliche Teile der Zielgruppe würden durch die Höhe der Fahrpreise von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden, kann mit den empirischen Befunden nicht bestätigt werden. Der Großteil der Probanden ist regelmäßig mobil und trägt die entsprechenden Mobilitätskosten2.
2
Dass die Zielgruppe nicht über eine geringere, sondern sogar über eine geringfügig höhere Mobilität als der Durchschnittsbürger verfügt, zeigen auch die Ergebnisse der SrV-Studie 2003. Demnach legen Arbeitslose und „ruhend Beschäftigte“ im Mittel 3,2 Wege pro Tag zurück, Teilzeitbeschäftigte sogar 3,8. Über die Gesamtbevölkerung liegt der Wert dagegen bei 3,1 (TU Dresden, Mobilität in Dresden - SrV2003, Tab. 6.2)
ÖPNV-Nutzung der Zielgruppe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (Frage „Wie oft haben Sie in den vergangenen 12 Monaten öffentliche Verkehrsmittel in Dresden genutzt?“)
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
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Unter den Selten- und Nichtnutzern wird die Höhe des Fahrpreises ebenfalls nur zum Teil als Hemmnis genannt. Zwei Drittel von ihnen geben andere Gründe wie Nutzung des Fahrrads bzw. Pkws, Angebotsdefizite oder persönliche Vorbehalte gegen öffentliche Verkehrsmittel an. Somit begründen nur 9% aller Probanden die Nicht- bzw. Seltennutzung mit der Höhe der Fahrpreise. Dies verstärkt die Erkenntnis, dass Preissenkungen nur zu geringen Kundengewinnen führen würden.
regelm. Nutzung 75% nur Preis 9%
Preis + andere 5% nur andere 12%
5.2.2 Fahrausweisnutzung Überraschend, aber bei der intensiven Nutzung nachvollziehbar, sind die bereits hohen Anteile an Stammkunden in der Zielgruppe. Rund jeder Dritte ist bereits Abo- oder Jahreskartenkunde, reichlich ein weiteres Fünftel kauft regelmäßig Monatskarten im Barverkauf. Jeder zweite Monatskartenbarkäufer kauft dabei jeden Monat eine Monatskarte, im Mittel werden 9 Monatskarten im Jahr gekauft. Dieses „unökonomische“ Kaufverhalten weißt auf mögliche Vorbehalte gegen eine automatische Abbuchung, aber auch auf ungenügende „Kreditwürdigkeit“ für ein Aboverfahren hin. Rund 40% der Befragten nutzen Tarifangebote des Bartarifs (Einzel-, 4er- und Tageskarten). Weniger als fünf Prozent nutzen gar nicht öffentliche Verkehrsmittel oder leihen sich im Falle der ÖV-Nutzung eine Zeitkarte aus und haben somit keine ÖV-Mobilitätskosten.
Abbildung 4: Gründe gegen eine (stärkere) ÖPNVNutzung. Befragt wurden Probanden, die seltener als wöchentlich öffentliche Verkehrsmittel nutzen (25%).
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
Stammkunde (Abo oder Jahreskarte) 33%
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keine ÖPNVNutzung 3% nur Mitfahrt 2%
Bartarif 40%
Monatskartenkauf (über 6 Stück/Jahr) 14%
bedarfsweise Monatskarten und Bartarif 2% Monatskartenkauf (bis 6 Stück/Jahr) 5%
Unter Betrachtung der individuellen Kaufzahlen ergibt sich ein durchschnittliches monatliches ÖV-Mobilitätsbudget von ca. 27,- € für die Mitglieder der Zielgruppe.
5.2.3 Nutzung Dresden-Pass Alle Personen der Zielgruppe sind bereits heute berechtigt, den Dresden-Pass abzufordern, mit dem verbilligte Zeitkarten für den ÖPNV erworben werden können. Zudem sind weitere Vergünstigungen z.B. bei Sporteinrichtungen oder Schulverpflegung möglich. Unter dem Gesichtspunkt des knappen Budgets in der Zielgruppe überrascht es, dass nur 13% der Probanden einen Dresden-Pass haben. Der Großteil der Probanden gibt an, ihn bislang nicht beantragt zu haben (43%) bzw. dieses Angebot nicht zu kennen (30%). 14% fühlen sich nicht anspruchsberechtigt, 7% sehen in der jetzigen Konstellation keinen Bedarf. Die Inanspruchnahme des Dresden-Passes unterscheidet sich deutlich nach Geschlecht und Altersgruppen. Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist ein deutlicher Anreiz zur Beantragung des Dresden-Passes. Allerdings nutzen bislang nur 18% der Zeitkartennutzer in der Zielgruppe bereits den Dresden-Pass.
Abbildung 5: Allgemeine Fahrausweisnutzung der Zielgruppe
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
0%
10%
Zie lgruppe
männlich
20%
6% 20%
19 - 29 Jahre
13%
30 - 44 Jahre
19% 7%
Abbildung 6:
Stammkunden
19%
Monatskarten-Barkäufer Barta rifnutzer
30%
13%
weiblich
45 - 60 Jahre
16/23
17% 7%
Dresden-PassBesitz nach verschiedenen Gruppen
13% der potenziellen Nutzergruppe des Sozialtickets nutzen den Dresden-Pass, davon löst mehr als die Hälfte zumindest teilweise die Wertmarken ein. 4% sind im Besitz des Dresden-Passes, nutzen ihn aber nur für die anderen Vergünstigungen. Ein Teil der Dresden-PassInhaber kauft sogar Zeitkarten zum Normaltarif – ein Indiz dafür, dass das Verfahren mit den Wertmarken umständlich bzw. unverständlich ist. Insgesamt nehmen somit lediglich 8% der potenziellen Nutzergruppe bereits heute Ermäßigungsleistungen für Zeitkarten in Anspruch, 47% dagegen kaufen trotz Berechtigung für den Dresden-Pass Zeitkarten zum Normaltarif. Dies zeigt, dass bereits durch eine stärkere Inanspruchnahme der vorhandenen Angebote erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für die LH DD sowie die DVB AG zu befürchten sind.
kein DD-Pass keine Zeitkarte 42% DD-Pass - keine Zeitkarte 4%
Abbildung 7:
kein DD-Pass Zeitkarte 45%
DD-Pass - Zeitkarte ohne Wertmarke 2%
DD-Pass - Zeitkarte mit Wertmarke 8%
Kreuzauswertung Besitz DresdenPass, Kauf von Zeitkarten und Nutzung der Wertmarken.
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
5.3
Modellrechnung TU Dresden3
5.3.1 Methode Inhalt der Befragung war auch ein so genanntes "Stated Preference Experiment". Solche Experimente sind etablierter Standard in der angewandten und wissenschaftlichen Markt- und Verkehrsforschung. Dem Probanden werden dabei Wahlalternativen für zu nutzende Fahrausweisvarianten vorgelegt, wobei er sich für genau eine entscheiden muss. Im Rahmen dieser Studie betrachten wir die Alternativen n Abo-Monatskarte, n Bar-Monatskarte, n Viererkarte und n Nichtwahl, d.h. es wird keine der drei anderen Alternativen gewählt. Bei der Entscheidung Nichtwahl wurde gefragt, welche weitere Alternative (z.B. "Einzel-Ticket", "weniger Wege" oder "fahre mit dem Auto") der Proband wählen würde. Die Alternativen unterscheiden sich hinsichtlich des Preises. Zudem waren bei der Entscheidungsfindung durch die Probanden die eigene Fahrtenhäufigkeit sowie die Abwägung zwischen dauerhafter Bindung bei automatischer Abbuchung im Abonnement und der Notwendigkeit des einzelnen Ticketkaufs bei eigener Budgetverantwortung im Falle der Monatskarte zu berücksichtigen. Jeder Proband wurde viermal mit dieser Wahlsituation konfrontiert, wobei sich lediglich die Preise unterschieden. In Rahmen der Studie wurden 100%, 60%, 50% und 40% des aktuell gültigen Ticketpreises in verschiedenen Kombinationen angesetzt4. Auf Basis der erhobenen Daten wurde ein mathematisches Modell zur Simulation von beliebigen Kombinationen erstellt. Louviere et al. (2000) haben gezeigt, dass eine solche Simulation der tatsächlichen Wahlsituation das Entscheidungsverhalten der Probanden sehr realistisch wiedergibt.
3
Dieser Abschnitt stellt in Auszügen die Ergebnisse aus dem „Abschlussbericht Projektbegleitung einer Marktstudie zur Einführung eines Tarifprodukts für Sozial Schwache“ der TU Dresden dar. 4 Insgesamt wurden zwölf unterschiedliche Experimente verwendet.
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Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
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Abbildung 8: Beispielhafte Entscheidungssituation des Probanden (Screenshot Fragebogen)
Von der Vielzahl der möglichen Kombinationen wurden exemplarisch verschiedene Szenarien von möglichen Ausgestaltungen des Sozialtickets simuliert (vgl. Tabelle 1). Für jedes dieser Szenarien wurden dann für sämtliche Probanden des Datensatzes die Auswahlwahrscheinlichkeiten für die Alternativen Abo-Monatskarte, Bar-Monatskarte, ViererKarte und andere Alternativen ("Nichtwahl") berechnet. Zusätzlich wurde die Alternative "Nichtwahl" noch in die Alternativen "Einzel-Karte" und "Tages-Karte" sowie "Andere" (keine ÖPNV-Nutzung) aufgegliedert5.
5
Diese Alternative fasst die restlichen Alternativen zusammen. Hierunter fallen insbesondere Auto und Fahrrad aber auch die Möglichkeit des Mobilitätsverzichts. Allerdings hat sich gezeigt, dass hier meist andere Verkehrsmittel genannt wurden. Der Mobilitätsverzicht bzw. die Reduzierung der Wegezahl liegt schätzungsweise unter 10% der Nennungen.
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
Szenario
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AboMonatskarte
BarMonatskarte
4erKarte
38,- €
44,- €
6,50 €
Ticketpreis in Prozent des Vollpreises 1 Nullfall 2 alle Preise 60% 3 alle Preise 50% 4 alle Preise 40% 5 nur Abo rabattiert 6 nur Bar-Monatskarte rabatt. 7 nur 4er-Karte rabattiert 8 ohne rabattiertes Abo 9 ohne rabattierte Bar-Monatsk. 10 ohne rabattierte 4er-Karte 11 Abo- und 4er-K. Preis 60% 12 Abo- und 4er-K. Preis 80% 13 Wertmarken
100% 60% 50% 40% 50% 100% 100% 100% 50% 50% 60% 80% 100% - 8,- €
100% 60% 50% 40% 100% 50% 100% 50% 100% 50% 100% 100% *
100% - 8,- €
100% 60% 50% 40% 100% 100% 50% 50% 50% 100% 60% 80% 100%
*
Tabelle 1: Szenarien zur Gestaltung des Sozialticketsortiments. *)Vollpreis abzüglich 8,- € durch Einlösen der Wertmarke (Dresden-Pass).
Die durchschnittlichen Auswahlwahrscheinlichkeiten über alle Probanden bilden die Marktanteile der Alternativen (vgl. Abbildung 9). Abo-M onatskarte
Bar-Monatskarte
Vierer-Karte
Einzelkarte
Tageskarte
Andere
100% 90% 80%
M arktanteil
70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
Sz en ar io
1 Sz en ar io 2 Sz en ar io 3 Sz en ari o 4 Sz en ar io 5 Sz en ari o 6 Sz en ari o 7 Sz en ari o 8 Sz en ar io 9 Sz en ari o 10 Sz en ar io 11 Sz en ar io 12 Sz en ar io 13
0%
Abbildung 9: Marktanteile je Szenario. Die Marktanteile wurden gemäß durchschnittlicher Auswahlwahrscheinlichkeiten über alle Probanden ermittelt.
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Der dargestellte erwartete Jahresumsatz (Abbildung 10) je Alternative ergibt sich aus dem Produkt des zugehörigen Marktanteils mit der Anzahl der dem Berechtigtenkreis zugehörigen Personen (hier: 40.000), der erwarteten Ticketerwerbshäufigkeit und dem entsprechenden Preis (Ticket, Szenario). Für die Berechnung der zu erwartenden Jahresumsätze für die Einzel- und Tages-Karte wird gemäß den Befragungsangaben davon ausgegangen, dass jeder Nutzer durchschnittlich 10 Einzel-Karten und 4,15 Tages-Karten pro Monat erwirbt. Die Differenz zum „Nullfall“ (d.h. ohne Sozialtarife, Szenario 1) stellt überschläglich den Verlust gegenüber den derzeitigen Einnahmen dar. Dieser entspricht der jährlichen Subventionsleistung.
Umsätze 12,5 10
M illionen Euro
7,5 5
2,5 0
-2,5 -5
Einnahmeausfälle -7,5
Abbildung 10: Erwartete Umsätze und Verluste Umsätze entsprechend der Marktanteile bei Anwendung der Sozialticketpreise lt. Szenario und Einnahmeverluste gegenüber dem Szenario 1 (Nullfall ohne Sozialticket)
5.3.2 Grundsätzliche Ergebnisse Da bereit sehr hohe Nutzeranteile vorliegen können kaum zusätzliche Kunden hinzugewonnen werden. Der Anteil der Nichtnutzer verringert sich von ca. 5% im Nullfall auf etwa ein bis drei Prozent je nach Szenario. Grundsätzlich stellt das Abo das attraktivste Angebot dar. Bei gleichmäßiger Rabattgestaltung über alle Ticketarten würden sich rund 50% dafür entscheiden.
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Vierer-Karte Einnahmeausfall
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Bar-M onatskarte Tages-Karte
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Abo-Monatskarte Einzel-Karte
Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
Sollen ein oder mehrere Ticketarten zum halben Preis angeboten werden, so würde der Finanzbedarf zum Ausgleich der Mindereinnahmen je nach Ausgestaltung bei etwa 3 bis 4 Mio. € pro Jahr liegen.
5.3.3 Vergleich verschiedener Ticketmodelle Im folgenden Abschnitt werden die Auswirkungen verschiedener Rabatte bzw. Angebotsalternativen verglichen.
a) vollständiges Sortiment rabattiert (Szenarien 2 – 4) Werden sowohl Abo-, Monats- als auch 4er-Karte mit den vorgesehenen 40%, 50% oder 60% Rabatt angeboten (Szenarien 2 bis 4), kann der Anteil der Nichtnutzer („Andere“) von derzeit 5% deutlich verringert werden. Rund 50% der Probanden würden in dieser Konstellation ins Abonnement gehen, etwa 25% Barmonatskarten und rund 20% ermäßigte 4er-Karten kaufen. Etwa 5% würden weiterhin Tages- oder Einzelkarten bevorzugen. Somit sind geringfügige Nutzungszuwächse zu verzeichnen. Die Höhe der Rabatte hat dabei nur geringe Auswirkungen auf die Nutzungsanteile. Immens sind dagegen die finanziellen Auswirkungen: Bei einem Rabatt von 40% entstehen pro Jahr Einnahmeverluste von rund 3 Mio. €. Bei einer 50- oder gar 60-prozentigen Rabattierung steigen diese Verluste gegenüber den Alteinnahmen auf 4 bzw. 5 Mio. €.
b) einzelne Ticketangebote rabattiert (Szenarien 5 – 7) Eine um 50% reduzierte Abokarte (Szenario 5) würde rund 75% der Zielgruppe ansprechen, würde allerdings einen Alteinnahmeverlust von ca. 3 Mio. € bedeuten. Ähnliche Alteinnahmenverluste bestünden bei einer um 50% reduzierten Bar-Monatskarte, welche 55% ansprechen würde (Szenario 6). Würde lediglich eine auf 50% rabattierte 4er-Karte angeboten werden (Szenario 7), so würde diese von rund 40% der Zielgruppe gewählt werden. Allerdings würde ein großer Teil der bisherigen Zeitkartennutzer dann auf dieses Angebot wechseln, wodurch ein Verlust gegenüber den Alteinnahmen von ca. 2,3 Mio. € zu befürchten wäre. Die Nichtnutzer-Anteile würden sich jeweils bei etwa 3% bewegen, die übrigen Probanden würden Tickets zum vollen Tarif kaufen.
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Marktstudie zur Einführung eines Sozialtickets
c) Kombinationen zweier rabattierter Angebote (Szenarien 8 – 10) Werden zwei Ticketarten um 50% rabattiert angeboten (Szenarien 8 bis 10), so kann der Einnahmeverlust um etwa 0,5 Mio. € gegenüber der Rabattierung aller drei Varianten um 50% (Szenario 3) verringert werden. Die Ticketanteile verschieben sich entsprechend innerhalb der Varianten, die Nichtnutzeranteile bleiben bei etwa 3% stabil. Insgesamt würden sich etwa 70% (bei Monats- und 4er-Karte) bis 90% (bei Abound 4er-Karte) für ermäßigte Ticketvarianten entscheiden. Eine Kombination zweier Angebote erreicht im Hinblick auf unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse mehr Probanden und stellt sich wirtschaftlich günstiger dar als drei rabattierte Angebote.
d) Alternative Rabattstufen Die Szenarien 9, 11 und 12 stellen identische Angebote (rabattiertes Abo und rabattierte 4er-Karte) dar, allerdings mit abnehmender Ermäßigung: 50% in Szenario 9, 40% in Szenario 11 und 20% in Szenario 12. Bei einem 50-prozentigen Rabatt wählen 90% der Probanden eine der beiden ermäßigten Varianten, 1% verbleibt als Nichtnutzer. Bei einem 20-prozentigen Rabatt wählen immer noch 70% eine der beiden rabattierten Angebote und 3% verbleiben als Nichtnutzer. Die Verluste können aber von über 4 auf unter 1 Mio. € pro Jahr verringert werden. Dementsprechend kann die Rabatthöhe in Abhängigkeit des zur Verfügung stehenden Budgets variiert werden.
e) Simulation Wertmarkenmodell und Alternative Szenario 13 zeigt die Marktanteile einer vollständig bekannten und akzeptierten Wertmarkenlösung mit derzeitigen Preisen. Damit würden knapp 70% der Zielgruppe – und somit etwa 15% mehr als bisher – eine Zeitkarte wählen. Hinsichtlich Nutzungsanteilen und finanzieller Auswirkungen vergleichbar, aber Wenigfahrern stärker entgegenkommend wäre folgende Variante: Verzicht auf Wertmarken für BarMonatskarten und stattdessen zusätzlich zum rabattierten Abo eine um 20% reduzierte 4er-Karte (entspricht Szenario 12).
Mit dem auf der Datenbasis aufgebauten Ticketwahlmodell können beliebige andere Rabattstufen und Kombinationen simuliert werden.
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6 Fazit Die untersuchten Zielpersonen sind insgesamt sehr mobil. Bedingt durch ihre finanzielle Situation nutzen sie für ihre Wege deutlich stärker öffentliche Verkehrsmittel als der Durchschnittsdresdner – jeder Zweite nutzt (fast) täglich öffentliche Verkehrsmittel, nur jeder Vierte fährt seltener als wöchentlich mit Bussen und Bahnen. Dementsprechend hoch ist auch der Anteil der Zeitkartennutzer: mehr als jeder zweite hat ein Abo bzw. kauft regelmäßig Monatskarten. Die Möglichkeit, mit dem Dresden-Pass rabattierte Zeitkarten für den ÖPNV zu erwerben, wird dabei kaum genutzt – nur 8% kaufen Zeitkarten mit den Wertmarken, dagegen kaufen 47% Zeitkarten zum vollen Tarif. Nur 13% der potenziell Berechtigten haben einen Dresden-Pass, u. a. wegen fehlender Bekanntheit des Angebots. Sowohl die Befragungs- als auch die Simulationsergebnisse zeigen, dass mit reduzierten Tarifen für Sozial Schwache kaum nennenswerte Nachfragezuwächse entstehen. Es würde lediglich eine finanzielle Entlastung für diese Bevölkerungsgruppe entstehen. Eine Gegenfinanzierung reduzierter Preise durch Nachfragezuwächse ist auf Grund der bereits hohen Nutzeranteile für die DVB AG nicht realisierbar. Demzufolge ist eher auf eine verbesserte Platzierung der derzeitig bestehenden Angebote des Dresden-Passes zu orientieren, wobei ggf. das Verfahren von Beantragung und Abrechung der Wertmarken vereinfacht werden kann. Dies könnte beispielsweise erfolgen, indem Dresden-Pass-Inhaber in Anlehnung an das Jobticketmodell ein reduziertes Abo über die ARGE beziehen können oder indem der DresdenPass als Berechtigungsnachweis für ermäßigte 4er-Karten anerkannt werden könnte (Szenario 12). Genaue Spezifikationen hinsichtlich Preis- und Angebotsgestaltung sowie der Vertriebsmöglichkeiten können in Abhängigkeit der weiteren Entscheidungsfindung erfolgen.
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