Lesebericht Walker Abenteuer Kommunikation

  • Uploaded by: Dr. Gregor Meder
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  • December 2019
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"Background reading" oder "Mind fucking"? Gregor Meder WOLFGANG WALKERS “Abenteuer Kommunikation“ vermittelt wichtigen Hintergrund zur NLP-Ausbildung. In vielen Fußnoten und (Literatur-)verweisen führt er zu den Quellen des Neurolinguistischen Programmierens. Mir hat das bereits in der vierten Auflage erschienene Werk geholfen, die Konzepte des NLP besser zu verstehen. Hier berichte ich exemplarisch über meine Leseerfahrungen.

Mir ist das Eine oder Andere klarer geworden, beim Lesen von WOLFGANG WALKERS "Abenteuer Kommunikation". Richtig, in der NLP-Ausbildung geht es in der Regel sehr pragmatisch zu, und die Frage ist berechtigt, was es nutzt, die Quellen der einen oder anderen Technik zu kennen. Oder, ob es hilft Techniken effektiver einzusetzen, wenn ich die Hintergründe und Grundhaltungen der modellierten Personen kenne. Manches geht eben nicht auf BANDLER und GRINDER zurück, sondern "sie standen auf den Schultern von Riesen" und "konnten weiter sehen als sie", wie ROBERT K. MERTON sagen würde. Die Frage ist, ob es nützlich ist, diese „Riesen“ zu kennen. Mir ist, wie gesagt, Einiges darüber klarer geworden, aus welchen Quellen sich NLP speist. WALKER untersucht die Lebens- und Wirkgeschichte von GREGORY BATESON, FRITZ PERLS, VIRGINIA SATIR und MILTON H. ERICKSON auf ihre Wirksamkeit für die Entwicklung des NLP. Sicherlich ist dies die "Landkarte" von WOLFGANG WALKER und ist durch einige Filter vom "Gebiet" entfernt, dennoch: In sehr vielen Fußnoten und Verweisen macht er deutlich, was von den Vieren und vielen anderen, die nicht so genau untersucht werden, seiner - durchaus nachvollziehbaren - Meinung im NLP steckt. Er zeigt, dass es das "ursprüngliche Ziel von BANDLER und GRINDER war, diese nicht oder nur teilweise bewußten kommunikativen Fähigkeiten und Verhaltensweisen erfolgreicher Psychotherapeuten unterschiedlicher Schulen systematisch auf ihre gemeinsamen, grundlegenden Regeln und Muster hin zu untersuchen und zu vergleichen, um so die eigentlichen Wirkfaktoren erfolgreicher Therapie bestimmen und an andere weitervermitteln zu können." (FN 351, S. 249). Dieser Hinweis zeigt auch den Zugriff WALKERS: Er betrachtet NLP und dessen Quellen aus der Perspektive der Psychotherapie und stellt die eigentliche Leistung von BANDLER und GRINDER in diesen Kontext: Auf der Grundlage des kommunikationstheoretischen Neuansatzes (Kybernetisches Modell, systemtheoretische begründete Konzepte der Psychotherapie) haben die beiden ein Konzept zur Beschreibung und Vermittlung psychotherapeutischer Exzellenz erarbeitet und eindrucksvoll demonstriert. "Im Zug der explosionsartigen Verbreitung des NLP ergab sich hieraus allerdings ein grundsätzliches Problem, denn BANDLER und Grinder wiederholten in ihrem Vorgehen einen fundamentalen Irrtum der modernen Wissenschaft: Sie isolierten die technischen Fertigkeiten vom geistigen Hintergrund, auf dem sie entstanden sind. Ein derartiges Vorgehen beruht im Kern auf der Annahme, daß Technik an sich wertfrei ist." (S. 110) Diesen in der NLP-Literatur oft vernachlässigte und für die Entwicklung einer zugewandten Haltung wichtigen Teil versucht Walker nachzuliefern. 1/4

Er beschreibt die Begegnungen von BANDLER und GRINDER mit BATESON, PERLS, SATIR und ERICKSON sowie deren Grundhaltungen und deren Wirken ihren Instituten. Der/die Leser/in erfährt eine Menge über die Palo Alto-Gruppe, das MRI, Esalen und das Netzwerk der Menschen, die einen neuen Ansatz der Psychotherapie versuchten. Zahlreiche Literaturverweise ermuntern zum Weiterlesen und ordnen die frühen NLP-Texte von BANDLER, GRINDER aber auch von DILTS und dessen Epigonen ein. BANDLER und GRINDER haben aus guten Gründen ihre Arbeiten nicht in ein erkenntnistheoretisches Modell eingebettet. Einerseits lies ihre konstruktivistische Grundhaltung es nicht zu, anderen "Nutzern" eine bestimmte „Landkarte“ von der Welt zuschreiben, andererseits waren die Modelle der Welt ihrer modellierten Personen nicht gleich. WALKER stellt fest: "So gesehen war es durchaus plausibel, grundlegende Einstellungen PERLS' SATIRS und ERICKSONS lediglich als "nützliche Vorannahmen" in das NLP einzuführen. Sie sollen es - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt [sic!] - ermöglichen, die eigene Arbeit effektiv und erfolgreich gestalten." Für mich sehr hilfreich listet Walker dann eine - "provisorische" Zuordnung der Vorannahmen zu ihren Quellen auf: 1. Jedes Verhalten ist Kommunikation (BATESON, PERLS, SATIR, ERICKSON) 2. Körper und Geist sind Teile desselben kybernetischen Systems (BATESON, PERLS, SATIR, ERICKSON) 3. Menschen besitzen bereits alle Ressourcen, die sie für die eigenen Veränderungen benötigen (PERLS, SATIR, ERICKSON) 4. Menschen orientieren sich an ihren kognitiven Landkarten, ihrem "Modell der Welt" und nicht an der Welt selbst. (KORZYBSKI) 5. Eine Landkarte ist nicht das Gebiet das sie darstellt, sondern hat, wenn sie genau ist, eine dem Gebiet ähnliche Struktur, worin ihre Brauchbarkeit begründet ist. (KORZYBSKI) 6. Menschen treffen die beste Wahl aus dem was ihnen als Wahlmöglichkeit zur Verfügung steht. (SATIR) 7. Wahlmöglichkeiten sind besser als keine Wahlmöglichkeiten (SATIR) 8. Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht. (SATIR) 9. Die Bedeutung von Kommunikation ist die Reaktion, die sie hervorruft und nicht die Absicht des Kommunikators. (ERICKSON) 10. Widerstand ist ein Kommentar über den Kommunikator. (ERICKSON) 11. Wenn das, was du tust, nicht funktioniert, tu etwas anderes. (ERICKSON) 12. Es gibt keine Fehler, nur Feedback. (ERICKSON) 13. Das flexibelste Systemelement dominiert das System (Kybernetische „Gesetz der erforderlichen Vielfalt“) 14. Alles, was ein Mensch kann, kann modelliert werden (BANDLER, GRINDER) (vgl. FN 163 S.111f) Mit dem Hintergrund, dieser Zuordnungen kann ich die Vorannahmen ganz anders einordnen, indem ich sie mit den bei WALKER referierten Grundhaltungen von BATESON, PERLS, SATIR und ERICKSON in Verbindung bringen kann.

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Auch der im NLP wichtige Begriff der "wohlgeformten Zieldefinition" ist für mich durch seine Anbindung an Satirs Vorgehen - die hier als letzter "Appetizer" referiert sei - transparenter (genauer: viabel) geworden: 1. Das Ziel muss positiv formuliert sein. Ziele wie, ich möchte nicht XY haben gelten deshalb als nicht wohlgeformt, weil sie keinerlei Hinweis darauf enthalten, was an die Stelle von XY treten soll. 2. Ziele müssen so formuliert sein, dass die betreffende Person sie selbst erreichen kann. Dies soll, so Satir, sicherstellen, dass der Klient sich nicht in der Position der Hilflosigkeit verfängt und damit auf die Veränderung anderer Menschen oder auf die Veränderung der äußeren Umstände angewiesen ist. 3. Ziele müssen spezifisch formuliert sein. Der Klient muss angeben können, was genau er wahrnehmen und erleben will, wenn er sein Ziel erreicht hat (sensorisch definit, sensorische Evidenz) 4. Zielbestimmungen müssen eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Ressourcen des Klienten enthalten, die zur Zielerreichung genutzt werden können. Fehlen die Angaben zu den Fähigkeiten, Kontakten, materiellen Ressourcen (etc.) als unabdingbare Voraussetzungen, muss geklärt werden, ob diese geschaffen werden können. 5. Ziele müssen eine angemessene Größe haben. Zu klein gewählte Ziele können zu trivial sein, um die nötige Motivation für eine Veränderung zu erzeugen; zu große Ziele können unerreichbar erscheinen und so davon abhalten, die ersten Schritte zu tun. 6. Ziele müssen ökologisch, d.h. ohne unerwünschte Nebenwirkungen sein. Dies sowohl in Hinsicht auf sich selbst, sein Inneres als auch in Hinsicht auf das externe System. (vgl. auch die Grundhaltung von BATESON) 7. Die Strategie der Zielerreichung sollte Feedbackschleifen enthalten Jenseits der Verkürzung im SMART-Modell der Zieldefinition auf Messbarkeit, ist bei SATIR (und BATESON!) gemeint, dass Feedbackschleifen gewährleisten, dass flexibel auf nicht bedachte Umstände reagiert werden kann und die Folgen des Handeln realistisch eingeschätzt werden können. (vgl. FN 261 S.190f) Darüber hinaus gibt WALKER viele weitere Anregung und – für mich – Klarstellungen, Bsplw. zum Thema Zugangshinweise, die hier aus ihrer Verkürzung zu Augenzugangshinweisen in den von Erickson gemeinten Kontext von allgemeinen Zugangshinweisen erläutert werden. Zudem wird deutlich gemacht, wie wichtig für das Konzept der Augenzugangshinweise die Unterscheidung zwischen Repräsentationssystem und Leitsystem ist (S. 262ff). Weiterhin gibt es immer wieder Impulse zum Thema Ethik und innere Haltung. 3/4

Alles in Allem ist das Werk jede Minute wert, die ich in seine Lektüre investiert habe. Die Schwächen (Zugang sehr stark über die therapeutische Perspektive, manchmal etwas apodiktische Positionierung) fallen hinter die Stärken (kenntnisreich, materialreich, leicht lesbar – für mich immer auf dem richtigen chunk level) zurück. Das Buch ist als Hintergrundlesestoff sehr zu empfehlen.

Walker, Wolfgang: Abenteuer Kommunikation. Bateson, Perls, Erickson und die Anfänge des Neurolinguistischen Programmierens (NLP). 4. Auflage, Stuttgart: KlettCotta 2004 (1. Aufl. 1996) ISBN 3-608-91976-7 Merton, Robert K.: Auf den Schultern von Riesen. Ein Leitfaden durch das Labyrinth der Gelehrsamkeit. Frankfurt: Suhrkamp 1983. ISBN 3-518-28026-0

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