Universität Potsdam Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät HS Neue Forschungsthemen des Gründungs- und Innovationsmanagements Prof. Dr. oec. Guido Reger Wintersemester 2004/2005
Kognitive Wahrnehmung und Entrepreneurforschung
Verfasser: Patrick Düpmann Weigandufer 38 12059 Berlin
[email protected] 7. Fachsemester Betriebswirtschaftslehre
Hans Müller Dieselstr. 20 14482 Potsdam
[email protected] 5. Fachsemester Betriebswirtschaftslehre
INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung ............................................................................................................................. 3 2. Warum entscheiden sich Menschen, Gründer zu werden?................................................... 4 a) Unabhängigkeit (independence)..................................................................................... 5 b) Risikowahrnehmung (perception of risk)....................................................................... 5 c) Erwartungstheorie (prospect theory) .............................................................................. 6 d) Kognitive Vorurteile (cognitive biases) ......................................................................... 7 e) Kontrafaktisches Denken (counterfactual thinking)....................................................... 7 f) Erfolgsbedürfnis (need for achievement) ....................................................................... 8 g) Kontrollüberzeugung (locus of control) ......................................................................... 8 3. Wie identifizieren Gründer Geschäftsideen? ....................................................................... 9 a) Registrierung von Ereignissen die zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten führen (recognizing events of disequilibrium)......................................................................... 11 b) Weiterentwicklung des verwendeten Schemas (changing schema vs. information).... 11 c) Fehler bei der Informationsaufnahme (cognitive error control)................................... 12 d) Abwägung von Richtigkeit und Schnelligkeit. (accuracy vs. timeliness).................... 12 e) Komplexität des Schemas (schema complexity).......................................................... 12 f) Verbindungen zwischen verschiedenen Schemata (schema cross-linkages) ............... 13 g) Anwendung des kontrafaktischen Denkens (schema change – counterfactual thinking) ...................................................................................................................................... 13 h) Änderung der Rahmenbedingungen (schema change – frame-breaking) .................... 13 4. Welche kognitiven Fähigkeiten benötigen Gründer, um erfolgreich zu sein? ................... 14 a) Erfolgreiche Intelligenz (successful intelligence) ........................................................ 15 b) Regulatorische Fokustheorie (regulatory focus theory) ............................................... 16 c) Selbstwirksamkeitsglaube (self-efficacy)..................................................................... 17 d) Elan (drive)................................................................................................................... 18 e) Leidenschaft (passion).................................................................................................. 18 f) Ausdauer (perseverance) .............................................................................................. 18 g) Chancenerkennung (opportunity recognition).............................................................. 19 h) Risikowahrnehmung (perception of risk)..................................................................... 19 i) Kontrafaktisches Denken (counterfactual thinking)..................................................... 19 j) Das heuristische Denken (heuristic thinking) .............................................................. 19 k) Kognitive Vorurteile (cognitive biases) ....................................................................... 20 l) Selbstdienende Vorurteile (self-serving bias) .............................................................. 21 m) Gründungskreativität (entrepreneurial creativity) ........................................................ 21 n) Soziales Kapital (social capital) ................................................................................... 22 o) Soziale Kompetenz (social competence)...................................................................... 22 5. Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen für ............................................................ 23 a) Gründer?....................................................................................................................... 23 b) die Wissenschaft? ......................................................................................................... 24 6. Literatur .............................................................................................................................. 25 ABBILDUNGEN Abbildung 1: Kognitive Einflußfaktoren auf die Gründungsentscheidung (eigene Grafik) ...... 5 Abbildung 2: Das Schema der „entrepreneurial alertness“ (Gaglio/Katz 2001, S. 99)............ 11 Abbildung 3: Mögliche Erfolgsfaktoren einer Gründung (eigene Grafik)............................... 15 2
1. Einleitung Auf den ersten Blick mag die Kognitionsforschung mit der Entrepreneurforschung nicht viel zu tun haben. Warum sollte man einen primär psychologischen Forschungskomplex in die Entrepreneurforschung integrieren? Um weiter auf diese Frage eingehen zu können, müssen zunächst die Begriffe Kognition und Entrepreneur definiert werden. Pschyrembel definiert Kognition als „allg. Bezeichnung für den Komplex der Wahrnehmung, Denken, Erkennen, Erinnern [...]“ (Pschyrembel 1998, S. 837). Kognition ist demzufolge nicht nur das Denken, wie man fälschlicherweise annehmen könnte. Es ist ein Komplex von Prozessen im Gehirn, der neben Denken, Erkennen, Erinnern vor allem auch Wahrnehmung beinhaltet. Wahrnehmung wiederum ist ein „komplexer Vorgang von Sinneswahrnehmung, Sensibilität, Empfindung und integrativer Verarbeitung von Umwelt- und Körperreizen“ (Pschyrembel 1998, S. 1681). Unter dem Entrepreneur verstehen wir eine „Persönlichkeit, die eine Unternehmung plant, mit Erfolg gründet und/oder selbständig und verantwortlich mit Initiative leitet, wobei sie persönliches Risiko oder Kapitalrisiko übernimmt“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2000, S. 3179). Nach der Begriffsklärung wird nun die bereits angesprochene Frage behandelt, warum die Kognition in die Entrepreneurforschung integriert werden sollte. Erstens wird der Gründungsprozess von Menschen angestoßen (Baron 2004a, S. 169). Da Menschen denkende Wesen sind, sollte das menschliche Denken des Entrepreneurs in die Forschung mit einbezogen werden, wofür die kognitive Perspektive einen theoretischen Rahmen bietet (Ward 2004, S. 173). Zweitens ist der Gründungsprozess ein sehr komplexer Prozess, der aus der individuellen Ebene des Gründers, der interpersonellen Ebene (Beziehungen zwischen dem Gründer und anderen Personen) und der sozioökonomischen Ebene besteht (z.B. Politik, Marktgeschehen). Um diesen komplexen Gründungsprozess erforschen zu können, müssen alle vorhandenen Mittel genutzt werden. Dazu zählt insbesondere auch die kognitive Perspektive (Baron 2004a, S. 170). Drittens schlagen viele Gründungen fehl, was mit finanziellen Verlusten für den Gründer und die Gesamtwirtschaft verbunden ist. Es lohnt sich also zu untersuchen, inwieweit das menschliche Denken hier Einfluss nimmt (Forlani/Mullins 2000, S. 306). Konkret werden wir die kognitive Perspektive nutzen, um folgende Fragestellungen zu untersuchen: Wie entscheiden sich Menschen, Gründer zu werden? Wie identifizieren Gründer Geschäftsideen? Welche Fähigkeiten benötigen Gründer, um erfolgreich zu sein? Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für Gründer und Wissenschaft ziehen? 3
Beim Studium der Veröffentlichungen zu dem bearbeiteten Thema „Kognitive Entrepreneurforschung“ sind uns einige Sachverhalte aufgefallen, auf die wir den Leser vor der Lektüre des vorliegenden Textes aufmerksam machen möchten. Ganz allgemein kann behauptet werden, dass es sich um ein noch recht junges Forschungsgebiet zu handeln scheint. Texte, die kognitive Entrepreneurforschung betreiben, stammen in der Mehrzahl aus den vergangenen 5 bis 8 Jahren. Dem Leser werden im Weiteren eine Vielzahl an mentalen Modellen begegnen. Wenn ihm dies als bruchstückhaft vorkommt, dann hat der Leser genau den Eindruck vom jetzigen Stand der Forschung, den auch wir bei der Literaturdurchsicht gewonnen haben. Die große Anzahl an mentalen Modellen spiegelt nach unserer Auffassung die Tatsache wieder, dass sich die Forschung derzeit noch in einem Stadium befindet, in dem jeder Beteiligte seine Ideen formuliert und zur Diskussion stellt. Des weiteren haben wir bei der Auswertung der Literatur nur wenige empirische Studien gefunden, die direkt zur Überprüfung der gemachten Theorien und Hypothesen dienen. Oftmals ist versucht worden, ältere Untersuchungen, die mit einer anderen Zielsetzung erstellt wurden, auf die hier behandelten Fragestellungen anzuwenden. Als Resultat der geringen empirischen Forschungstätigkeit können die zur Diskussion gestellten mentalen Modelle bisher nicht um jene bereinigt werden, die sich bei empirischer Untersuchung als nicht standhaft erweisen würden. Das Vorhandensein einer übergeordneten Theorie konnten wir nicht feststellen. So fehlt die ordnungsstiftende Struktur, die eine übergeordnete Theorie darstellen würde. Es kann aufgrund dessen beim jetzigen Stand der Forschung nicht erschöpfend dargestellt werden, wie ein Gründer auf ein gegebenes Ereignis reagieren würde, bzw. wie er Informationen aufnehmen, verarbeiten und bewerten würde.
2. Warum entscheiden sich Menschen, Gründer zu werden? Warum entscheiden sich so viele Menschen, ein neues Unternehmen zu gründen, obwohl „bei neu gegründeten Unternehmen die Sterbewahrscheinlichkeit hoch“ (KfW 2004, S. 40) ist? In diesem Abschnitt soll die Motivation von Gründern hinterfragt werden. Wir werden uns dabei auf kognitive Gründe beschränken, da diese bei der Gründungsentscheidung eine besonders wichtige Rolle spielen (Baron 2004b, S. 224). Einen Überblick über die behandelten Themen vermittelt Abbildung 1.
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Una bhä ngi (ind keit gepe nde nce)
Risikowahrnehmung (perception of risk)
Erwartungstheorie (prospect theory)
ve niti le g o i K urte es) Vor ve bias niti (cog
Gründungsentscheidung ltrol Kon ugung l) ro rze übe of cont us (loc
Erfolgsbedürfnis (need for achievement)
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Abbildung 1: Kognitive Einflussfaktoren auf die Gründungsentscheidung (eigene Grafik)
a) Unabhängigkeit (independence) Ein zentrales Argument für eine Gründung ist die dadurch gewonnene Unabhängigkeit. Unabhängigkeit beinhaltet die Übernahme von Verantwortung im Gegensatz zum blinden Gehorchen von Befehlen (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Empirisch hat man unter weiblichen Unternehmensgründern in den USA herausgefunden, dass die Unabhängigkeit primäre Motivation für eine Gründung ist (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Im europäischen Raum konnten Müller et al. nachweisen, dass Unternehmer ein signifikant höheres Unabhängigkeitsstreben aufweisen, als Führungskräfte auf unteren Ebenen (Gemünden 2003, S. 99). b) Risikowahrnehmung (perception of risk) Forlani/Mullins definieren Risiko folgendermaßen: „Risiko reflektiert den Grad der Unsicherheit und des potentiellen Verlustes, der mit den Resultaten verbunden ist, die auf ein gegebenes Verhalten folgen können.“ (Forlani/Mullins 2000, S. 309). Ein entscheidender Aspekt ist höchstwahrscheinlich die Risikowahrnehmung. Im Allgemeinen unterschätzen Menschen, die Gründer werden wollen, das Risiko, das mit einer Neugründung verbunden ist (Baron 2004b, S. 224). Eigentlich sind Gründer keine Menschen, die ein höheres Risiko eingehen als andere Menschen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die 5
Risikoneigung von Gründern sich nicht von der Risikoneigung der normalen Bevölkerung unterscheidet (Simon/Houghton/Aquino 1999, S. 116). Ein Erklärungsansatz ist, dass sie das vorhandene Risiko weniger wahrnehmen, weil sie unterbewusst davon ausgehen, es durch eigene Fähigkeiten ausgleichen zu können (Baron 2004b, S. 224). Forlani/Mullins haben sich ebenfalls mit der Risikowahrnehmung des Entrepreneurs beschäftigt. Sie wollten herausfinden, welche Faktoren die Risikowahrnehmung des Gründers beeinflussen (Forlani/Mullins 2000, S. 307). In ihrer Studie haben sie untersucht, inwieweit die Variabilität einer Gründung sowie die potentiell höchsten Verluste einer Gründung die Risikowahrnehmung beeinflussen. Die Ergebnisse waren folgendermaßen: Eine hohe Variabilität erhöht offenbar die Risikowahrnehmung, da die meisten Probanden Gründungen mit einer hohen Variabilität ablehnten (Forlani/Mullins 2000, S. 315). Ebenfalls gezeigt werden konnte, dass hohe potentielle Verluste die Risikowahrnehmung der Probanden erhöhen (Forlani/Mullins 2000, S. 316). Allerdings entschieden sich viele Probanden trotzdem für Gründungen mit hohen potentiellen Verlusten, wenn diese auch einen hohen potentiellen Gewinn versprachen (Forlani/Mullins 2000, 316). Dies würde Barons These bestätigen, die besagt, dass viele Gründer glauben, ein hohes Risiko durch eigene Fähigkeiten ausgleichen zu können. c) Erwartungstheorie (prospect theory) Es geht bei dieser Theorie um das Konzept des subjektiv wahrgenommenen Wertes (Baron 2004b, S. 225). Viele Studien haben gezeigt, dass Verluste gravierender wahrgenommen werden als Gewinne. Beispielsweise wird der Gewinn von $10.000 weniger gewichtig wahrgenommen als der Verlust von $10.000 (Baron 2004b, S. 225). Dies hat Einfluss auf die Entscheidung ein Entrepreneur zu werden. Es könnte sein, dass Personen die gründen wollen, während ihrer Arbeit bei einem Unternehmen sich vor allem auf Gründungschancen fokussieren, die ihnen einen ökonomischen Nutzen bringen würden, welche sie verpassen könnten, wenn sie noch länger bei ihrer alten Arbeitsstelle blieben (Baron 2004b, S. 225). Das könnte dazu führen, dass sie eher geneigt sind ihre Arbeit aufzugeben und sich einer Gründung zuzuwenden. Leider gibt es zu diesem Thema laut Baron noch keine empirischen Untersuchungen (Baron 2004b, S. 225). Ein anderer Aspekt der Erwartungstheorie ist, dass Menschen kleine Wahrscheinlichkeiten überbewerten (z.B. Lottospieler) und auf der anderen Seite moderate und hohe Wahrscheinlichkeiten unterbewerten (Baron 2004b, S. 225). Dieses Prinzip lässt sich auf den angehenden Entrepreneur übertragen. Möglicherweise überbewerten angehende Gründer ihre klei6
ne Erfolgschance und werden dazu verleitet Zeit, Vermögen und Karriere zu riskieren (Baron 2004b, S. 225). d) Kognitive Vorurteile (cognitive biases) Wie andere Menschen auch, sind Gründer keine vollständig rationalen Wesen, sondern haben kognitive Vorurteile. Welche kognitiven Vorurteile beeinflussen die Entscheidung, ein Gründer zu werden? Beispielsweise könnte das der „optimistic bias“ sein – die optimistische Annahme, dass alles gut wird, die „planning fallacy“ – die Annahme, dass man in einer gewissen Zeit mehr erledigen kann, als man tatsächlich in der Lage ist oder „affect infusion“ – die Tendenz Eindrücke und Entscheidungen stark von den Gemütsbewegungen beeinflussen zu lassen (Baron 2004b, S. 226). Zukünftige Gründer lassen sich wahrscheinlich mehr von diesen Vorurteilen lenken als andere, was dazu führt, dass sie den Ausgang der Dinge positiver einschätzen, als es gerechtfertigt wäre (Baron 2004b, S. 226). Die Autoren Simon/Houghton/Aquino haben versucht, einige kognitive Vorurteile empirisch mit der Gründungsentscheidung in Zusammenhang zu bringen. In ihren Versuchsergebnissen hatte übermäßiges Selbstvertrauen (overconfidence) keinen signifikanten Zusammenhang mit Gründungen (Simon/Houghton/Aquino 1999, S. 124). Dagegen konnten Untersuchungen der Kontrollillusion (illusion of control) und des „Glauben an das Gesetz der kleinen Zahlen“ (belief in the law of small numbers) einen Zusammenhang mit der Gründungsentscheidung bestätigen. Kontrollillusion ist die Annahme von Menschen, dass sie die Zukunft kontrollieren und präzise vorhersagen können (Simon/Houghton/Aquino 1998, S. 118). Der Glaube an das Gesetz der kleinen Zahl ist dann vorhanden, wenn jemand eine begrenzte Anzahl von Informationen benutzt, um daraus sichere Schlussfolgerungen zu ziehen. Beide Vorurteile verringern offenbar die Risikowahrnehmung und beeinflussen damit die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen (Simon/Houghton/Aquino 1999, S. 124). e) Kontrafaktisches Denken (counterfactual thinking) Kontrafaktisches Denken bedeutet das nachträgliche Nachdenken über vergangene Entscheidungen. Dies wirkt sich positiv auf die Gefühle aus, falls man der Meinung ist, in der Vergangenheit die richtige Entscheidung gefällt zu haben. In vielen Fällen denken Menschen allerdings, dass sie es anders hätten besser machen können. Das Resultat sind starke Gefühle der Unzufriedenheit, Neid und Bedauern (Baron 1999, S. 80).
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Baron hat entgegen seinen Erwartungen mit seinen Untersuchungen herausgefunden, dass Entrepreneurs weniger kontrafaktisches Denken betreiben als andere Personen (Baron 1999, S. 86). Dieses könnte auch die Gründungsentscheidung beeinflussen. Eine Person, die wenig kontrafaktisch denkt, wäre in geringerem Ausmaße von den damit verbundenen negativen Einflüssen betroffen, die wiederum Situationen als unsicherer und kostspieliger erscheinen lassen können als eine Person die viel kontrafaktisch denkt. Somit könnte weniger kontrafaktisches Denken den Entrepreneur dazu verleiten, ein Unternehmen zu gründen (Baron 1999, S. 87). f) Erfolgsbedürfnis (need for achievement) Es wird vermutet, dass Individuen mit einem hohen Erfolgsbedürfnis eher ein Unternehmen gründen als dass sie eine andere Arbeit aufnehmen (Shane/Locke/Collins 2003, S. 264). Die drei Autoren haben eine Studie durchgeführt, in der sie diese Hypothese belegen konnten. Das Erfolgsbedürfnis war signifikant mit der Gründung einer Firma verbunden (Shane/Locke/Collins 2003, S. 264). Allerdings sind Manager ähnlich erfolgsbedürftig, wie Gründer. Insofern haben die Autoren geschlussfolgert, dass das Erfolgsbedürfnis zwar zur Differenzierung zwischen der normalen Bevölkerung und Gründern dient, aber weniger zur Differenzierung zwischen Managern und Gründern (Shane/Locke/Collins 2003, S. 264). g) Kontrollüberzeugung (locus of control) Bereits seit langem wird die sogenannte Kontrollüberzeugung erforscht. Es wird zwischen zwei Typen unterschieden: zum einen die externe Kontrollüberzeugung, bei der Individuen davon überzeugt sind, dass der Ausgang einer Handlung nicht in ihren Händen liegt, zum anderen die interne Kontrollüberzeugung, bei der Individuen überzeugt sind, dass ihre Handlungen direkt den Ausgang beeinflussen können (Shane/Locke/Collins 2003, S. 266). Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass sich Entrepreneurs in diesem Bereich grundsätzlich von der normalen Bevölkerung unterscheiden. Gründer neigen zu einer internen Kontrollüberzeugung, während die allgemeine Bevölkerung eher eine externe Kontrollüberzeugung vorweist (Shane/Locke/Collins 2003, S. 266). Daraus lässt sich schließen, dass Personen mit interner Kontrollüberzeugung häufiger ein Unternehmen gründen. Allerdings gibt es eine Einschränkung. Während es zwischen der normalen Bevölkerung und Gründern Unterschiede gab, wurden zwischen Managern und Entrepreneurs – ähnlich wie beim Erfolgsbedürfnis – keine großen Unterschiede festgestellt (Shane/Locke/Collins 2003, S. 266). 8
3. Wie identifizieren Gründer Geschäftsideen? In der englischsprachigen Literatur zum Thema Entrepreneur wird gerne das Wort „opportunity“ genutzt, um eine Geschäftsidee zu bezeichnen. Demnach kann die Geschäftsidee als eine Gelegenheit aufgefasst werden, innerhalb eines bestimmten Zeitfensters eine Unternehmung zu gründen, die mit Hilfe eines neuen Gutes, einer neuen Dienstleistung oder neuen Organisationsmethode einen größeren Umsatz als Kosten erwirtschaftet (Shane/Locke/Collins 2003, S. 260-261). Die Tätigkeit der Identifikation neuer Geschäftsideen kann als die fundamentale Aufgabe des Gründers verstanden werden, da andere Marktteilnehmer nicht unbedingt den kreativen Prozess der Ideenfindung durchlaufen müssen, da die Identifikation der Geschäftsideen schon durch die Gründer erfolgt ist (Gaglio/Katz 2001, S. 95). Eine Beurteilung der Geschäftsidee sowie ihre Realisierung erfolgt im Zeitablauf durch den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung am Markt (Gaglio/Katz 2001, S. 96). Shane/Locke/Collins gehen davon aus, dass mit jeder Geschäftsidee ein bestimmter marktwirtschaftlicher Wert verbunden ist, der einen Beitrag zur Motivation des Gründers leistet, die Geschäftsidee auch umzusetzen (Shane/Locke/Collins 2003, S. 261). Ein potenzieller Gründer wird eine Geschäftsidee eher umsetzen, wenn diese ihm einen hohen Gewinn verspricht, als wenn selbst bei guter Ausführung der Gründung maximal ein bescheidener Lebensunterhalt als Gewinn übrig bleibt. Die Identifikation einer Geschäftsidee ist also ein zentraler Bestandteil der Gründungsentscheidung. Somit macht die Bearbeitung der Frage „Wie entscheidet sich ein Mensch, Gründer zu werden?“ nur Sinn, wenn auch versucht wird die Frage „Wie identifizieren Gründer Geschäftsideen?“ zu beantworten. Einen Lösungsansatz bieten Gaglio/Katz in Ihrer Arbeit „The psychological basis of opportunity identification: Entrepreneurial Alertness“ (2001) an. Da es sich bei der „entrepreneurial alertness“ um ein Schema handelt, soll zu Beginn kurz beschrieben werden, was ein Schema ist. Grundsätzlich setzt sich ein Schema aus mentalen Modellen zusammen, die das individuelle Wissen und das individuelle Verständnis einer Person über die physikalische und soziale Welt repräsentieren. Unter Zuhilfenahme von Schemata wird die Aufmerksamkeit auf ausgewählte Informationen gelenkt und diese dann weiterverarbeitet (Gaglio/Katz 2001, S. 97). Laut Gaglio/Katz ist unter der Annahme, dass Kirzner mit seinen Arbeiten Recht hat, davon auszugehen, dass Personen, die eine hohe „entrepreneurial alertness“ aufweisen, bessere mentale Modelle aufweisen, als andere Personen (Gaglio/Katz 2001, S. 97). 9
Unter dem Konzept der „entrepreneurial alertness“ wird die Fähigkeit verstanden, eine Geschäftsidee zu identifizieren, ohne dass nach einer Geschäftsidee gesucht wird (Gaglio/Katz 2001, S. 96). Diejenigen Marktteilnehmer, die eine hohe „entrepreneurial alertness“ aufweisen, werden demnach eine Geschäftsgelegenheit als solche erkennen. Marktteilnehmer, die eine geringe „entrepreneurial alertness“ aufweisen, und somit die Existenz der Geschäftsgelegenheit nicht wahrnehmen, werden hingegen annehmen, die Marktbedingungen seien unverändert. Folglich handeln sie so, wie es sich in der Vergangenheit als richtig erwiesen hat (Gaglio/Katz 2001, S. 98). Im Folgenden soll der Prozess der „entrepreneurial alertness“ geschildert werden, der in Abbildung 2 zu sehen ist. Laut der Alertnesstheorie von Kirzner unterscheiden sich alarmierte von nicht-alarmierten Personen in ihren Entscheidungen, die sie über ihre aktuelle Situation treffen (Gaglio/Katz 2001, S. 98). Bezogen auf die „entrepreneurial alertness“ heißt das: nicht-alarmierte Personen identifizieren neue Geschäftsideen nicht, da sie falsche Annahmen über die aktuelle Marktsituation treffen (Gaglio/Katz 2001, S. 98). Dies kann verschiedene Ursachen haben: zum einen werden die Gelegenheiten nicht erkannt, zum anderen werden sie ignoriert, oder als wenig bedeutsam eingeschätzt (Gaglio/Katz 2001, S. 98). Wie schon erwähnt, wird davon ausgegangen, dass Personen mit einer hohen „entrepreneurial alertness“ mentale Modelle verwenden, die die physikalische und soziale Umwelt objektiver abbilden. Hinzu kommt, dass diese Personen durch ihr verwendetes „entrepreneurial alertness-Schema“ automatisch nach dem Neuen in der Flut von Informationen suchen (Gaglio/Katz 2001, S. 99). Die wichtigsten Bestandteile der „entrepreneurial alertness“ sind die mentalen Modelle, die jedes Individuum besitzt. Gaglio/Katz zählen in ihren Ausführungen mehrere mentale Modelle auf, die hier als mögliche kognitive Differenzen zwischen Individuen bei der Identifikation von Geschäftsideen genannt werden sollen (Gaglio/Katz 2001, S. 100-105).
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Nicht-Bemerken der Veränderung
Beibehalten der alten Handlungsweisen
Ignorieren Marktereignis
Geschäftsidee Abwerten
Bemerken der Veränderung
Hinterfragen
Mentale Modelle
Abbildung 2: Das Schema der „entrepreneurial alertness“ (Gaglio/Katz 2001, S. 99)
a) Registrierung von Ereignissen die zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten führen (recognizing events of disequilibrium) Gaglio/Katz teilen Ereignisse in makroökonomische und mikroökonomische Ungleichgewichte auf. Neue Technologien, veränderte Gesetzgebung, demographische Entwicklungen und Wertewandel können als Ursache für makroökonomische Ungleichgewichte aufgezählt werden. Während makroökonomische Ungleichgewichte sehr stark, leicht zu entdecken und selten sind, können mikroökonomische Ungleichgewichte als immer anwesend bezeichnet werden (Gaglio/Katz 2001, S. 100). In einem sich ansonsten im Gleichgewicht befindlichen Markt entstehen diese Ungleichgewichtstaschen durch das Fehlverhalten von Marktteilnehmern. Damit sich diese Fehler zu einem mikroökonomischen Ungleichgewicht ausweiten können, muss es sich um eine Fehleinschätzung der Masse der Marktteilnehmer handeln (Gaglio/Katz 2001, S.100). Als mentales Modell kann also ein Gespür für die herrschende Herdenmentalität der Marktteilnehmer angeführt werden.(Gaglio/Katz 2001, S.100). b) Weiterentwicklung des verwendeten Schemas (changing schema vs. information) Wenn die betrachtete Person Zugang zu neuen Informationen erhält, stellt sich die Frage, ob und wie diese Informationen in das bestehende Schema dieser Person eingebunden werden. Bei Einbindung der neuen Informationen werden die mentalen Modelle verfeinert und er11
gänzt. Jedoch hat diese erhöhte Komplexität negative Auswirkungen auf die Zeit, die benötigt wird, um das Schema aufzurufen und durchzugehen. Des Weiteren kann es sozial unerwünscht sein, dass die neuen Informationen berücksichtigt werden, z.B. wenn es sich um Informationen handelt, die Geschäfte mit Waffen als lukrativ erscheinen lassen. Individuell stellt sich bei jedem Erhalt neuer Informationen die Wahl zwischen einem besseren, im Sinne von objektiverem, Schema oder einem schnelleren Schema, bzw. sozial erwünschtem Schema (Gaglio/Katz 2001, S.100). c) Fehler bei der Informationsaufnahme (cognitive error control) Bei der Aufnahme neuer Informationen gibt es eine Reihe von Fehlern, die von nichtalarmierten Personen begangen werden können. Sie bemerken nicht, dass Annahmen nicht länger zutreffen oder dies nie taten, neue Ressourcenquellen (Lieferanten, Wissen, Methoden, etc.) werden von ihnen ignoriert, und sie können einem übertriebenen Optimismus/Pessimismus unterliegen. Es wird angenommen, dass eine alarmierte Person diese Fehler nicht begeht und somit ein objektiveres mentales Modell verwendet (Gaglio/Katz 2001, S. 101). d) Abwägung von Richtigkeit und Schnelligkeit. (accuracy vs. timeliness) Laut Gaglio/Katz führt Kirzner in seinen Schriften aus, dass alarmierte Personen korrekte Annahmen treffen und Situationen richtig interpretieren können. Im Gegensatz dazu wird von nicht-alarmierten Personen die schnelle Bewältigung von Problemstellungen bevorzugt. Da aber auch diese Personen eine Entscheidung treffen müssen, wird von Gaglio/Katz gefolgert, dass sich nicht-alarmierte Personen mit einer für sie zufriedenstellenden Lösung begnügen. Wohingegen alarmierten Personen den Problemlösungsprozess bis zum Ende durchlaufen und im Anschluss die beste Lösung auswählen. Mit dieser Vorgehensweise erreichen sie eine höhere Objektivität als nicht alarmierte Personen (Gaglio/Katz 2001, S.101). e) Komplexität des Schemas (schema complexity) Laut Gaglio/Katz steigt die Komplexität eines Schemas nicht durch die Steigerung von Erfahrung und/oder Ausbildungsgrad, sondern durch eine stärkere Vernetzung innerhalb eines Wissensgebietes. Eine auf diese Weise erhöhte Komplexität ermöglicht der betreffenden Person eine korrektere und schnellere Identifikation von Gelegenheiten. Dabei kann das wirtschaftliche Umfeld oder die Marktsituation als Wissensgebiet identifiziert werden. Folglich
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haben Personen, die eine erhöhte „entrepreneurial alertness“ aufweisen, ein komplexeres Schema zum wirtschaftlichen Umfeld (Gaglio/Katz 2001, S.102). f) Verbindungen zwischen verschiedenen Schemata (schema cross-linkages) Neben der Komplexität des verwendeten Schemas zum wirtschaftlichen Umfeld spielt auch die Vernetzung unterschiedlicher Schemata eine bedeutende Rolle. Die verschiedenen Schemata können verschiedene Branchen oder auch soziale Umweltbedingungen zum Gegenstand haben. Diese Verknüpfung von Schemata ist von Bedeutung, um Ungleichgewichte, die durch das Zusammenspiel von Entwicklungen in verschiedenen Bereichen entstehen, auf dem Markt zu entdecken. Man nimmt an, dass Personen mit einer hohen „entrepreneurial alertness“ eine stärkere Verbindung zwischen ihren einzelnen Schemata haben als Personen mit einer geringeren „entrepreneurial alertness“. In Verbindung mit der „entrepreneurial alertness“ könnte zum Beispiel ein soziales Schema treten, welches besonders auf das Erkennen der Bedürfnisse ältere Menschen ausgelegt ist. Ein Gründer, der diese beiden Schemata geschickt miteinander verbindet, könnte auf diesem Wege besser eine Geschäftsidee identifizieren. g) Anwendung des kontrafaktischen Denkens (schema change – counterfactual thinking) Auch wenn alarmierte sowie nicht-alarmierte Personen das Vorgehen des kontrafaktischen Denkens anwenden, so wenden sie es doch in verschiedener Weise an. Es wird davon ausgegangen, dass nicht-alarmierte Personen mit ungewöhnlichen Ereignissen/Informationen standardmäßig dahingehend verfahren, dass sie diese auf ungewöhnliche externe Einflüsse zurückführen (Gaglio/Katz 2001, S.102). Solch ein ungewöhnliches Ereignis könnte die Oderflut (1997) sein: nicht-alarmierte Personen würden der Flut außergewöhnliche Faktoren, wie z.B. einer außergewöhnlichen Wetterlage, zuordnen. Auf diese Weise fokussieren sich nichtalarmierte Personen auf das normale. Bei alarmierten Personen wird davon ausgegangen, dass diese mit Hilfe des kontrafaktischen Denkens auch eventuelle Veränderungen in ihr mentales Modell aufnehmen. Sie würden die Oderflut mit einem sich verändernden Klima begründen, und dementsprechend andere Schlüsse aus dem Ereignis ziehen, als nicht-alarmierte Personen. h) Änderung der Rahmenbedingungen (schema change – frame-breaking) Nicht-alarmierte Personen beschränken ihre kognitiven Prozesse auf eine effektive Allokation der verfügbaren Ressourcen bei gegebenen Rahmenbedingungen. Mit Rahmenbedingungen sind hier vor allem die geistigen Vorstellungen gemeint, wie der Markt sich verhält, 13
wer der Kunde ist und was dieser will, wie ein Produkt auszusehen hat oder wie ein Unternehmen intern zu organisieren ist. Alarmierte Personen jedoch überwinden diesen Rahmen und setzen mit ihrem Denken und Handeln neue Rahmen für die Zukunft, in denen dann die nicht-alarmierten Personen denken und handeln. Als Beispiel kann hier die Luftfahrt angeführt werden, in der das Handeln der am Markt befindlichen Airlines sich lange Zeit nur geringfügig änderte. Erst als Billigfluglinien wie Ryanair mit ihren neuen Geschäftsmodellen sehr erfolgreich den etablierten Fluglinien Konkurrenz machten, begannen letztere ihre Geschäftsmodelle zu überdenken. Gaglio/Katz führen mehrere kognitive Heuristiken an, um das Zustandekommen dieses Verhaltens zu beschreiben (Gaglio/Katz 2001, S.104): Verwendung von Analogien, Veränderung von Kategoriebezeichnungen, Ausschauhalten nach dem Gegenteil der Intuition und die Verwendung des kontrafaktischen Denkens.
4. Welche kognitiven Fähigkeiten benötigen Gründer, um erfolgreich zu sein? Zwischen Gründern und anderen Individuen gibt es bei bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen Unterschiede. Manche dieser Merkmale lassen sich nicht einfach verändern, andere hingegen können überwunden werden (Markman/Baron 2003, S. 296). In diesem Abschnitt werden beide Typen behandelt, da auch Eigenschaften, die man sich nicht so schnell aneignen kann, entscheidend für eine erfolgreiche Gründung sein können. Allerdings wurden alle Fähigkeiten ausgespart, die man zur Gewinnung einer Geschäftsidee braucht, da diese schon behandelt wurden. Faktoren, die sich nicht direkt auf Kognition beziehen (z.B. Handwerkliches Geschick), werden ebenfalls nicht behandelt. Welche kognitiven Fähigkeiten brauchen Gründer konkret, um erfolgreich zu sein? Bei Gründern wurden bereits „16 Persönlichkeitsmerkmale nach Cattell, die Big Five, oder auch Itembatterien zur Messung kognitiver Stile“ untersucht, wobei „keine hohen Korrelationen mit dem Unternehmenserfolg“ nachgewiesen wurden, da die „Breitbandspektren zu allgemein gehalten sind [...]“ (Gemünden 2003, S. 98). Aus diesem Grunde werden in dieser Arbeit spezifischere Konstrukte benutzt. Die Autoren Markman/Baron schlagen das Konzept des „person-entrepreneurship fit“ vor, welches besagt, dass je mehr die Person zu einem Gründerprofil passt, desto höher ist die Erfolgschance für eine Gründung (Markman/Baron 2003, S. 281). Das Vorgehen in diesem Teil erfolgt in ähnlicher Weise und wird mit Abbildung 3 verdeutlicht.
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Erfolgreiche Intelligenz (successful intelligence)
Regulatorische Fokustheorie (regulatory focus theory) Elan (drive)
Ausdauer (perseverance)
Selbstwirksamkeitsglaube (self-efficacy) Leidenschaft (passion)
Chancenerkennung (opportunity recognition)
Risikowahrnehmung (perception of risk)
KontraHeuristisches faktisches Denken Denken (counterfactual (heuristic thinking) thinking) GründungsKognitive Selbstdienende kreativität Vorurteile Vorurteile (entrepreneurial (cognitive biases) (self-serving bias) creativity) Soziale Soziales Kapital Kompetenz (social capital) (social competence)
ERFOLG!
Abbildung 3: Mögliche Erfolgsfaktoren einer Gründung (eigene Grafik)
a) Erfolgreiche Intelligenz (successful intelligence) Sternberg schlägt das Konzept der erfolgreichen Intelligenz als kognitive Fähigkeit vor, die ein erfolgreicher Entrepreneur haben sollte. Erfolgreiche Intelligenz ist eine fruchtbare Kombination aus analytischer, kreativer und praktischer Intelligenz. Erfolgreich ist in diesem Fall jemand, der seine persönlichen und unternehmerischen Ziele erreicht (Sternberg 2004, S. 189). Im Folgenden werden die drei Komponenten dieses Konzeptes erläutert. Analytische Intelligenz ist diejenige Intelligenz, die mit einem IQ-Test gemessen werden kann. Ein Entrepreneur braucht sie z.B., um seine Ideen angemessen analysieren zu können, sowie um Vorhersagen zu treffen, wie erfolgreich jemand seine Arbeit erledigen wird. Dies wäre bei der Einstellung von Personal wichtig. Auf die gleiche Art und Weise kann auch der Erfolg eines neugegründeten Unternehmens eingeschätzt werden, abhängig davon, wie viel analytische Intelligenz der Gründer mitbringt (Sternberg 2004, S. 196). Sternberg ist der Meinung, dass ausschließlich analytische Intelligenz nicht ausreicht. Der erfolgreiche Entrepreneur muss auch sogenannte kreative Intelligenz aufweisen, um ständig 15
neue Ideen entwickeln zu können, in seinem Denken flexibel zu sein und Probleme auf eine Art lösen zu können, die anderen oft verschlossen bleibt (Sternberg 2004, S. 196). Vor allem ist praktische Intelligenz wichtig, um anderen seine Ideen verkaufen zu können (Sternberg 2004, S. 196). Unter praktischer Intelligenz versteht Sternberg die Fähigkeit, im alltäglichen Leben erfolgreich zu sein. Beispiele sind alltägliche Mathematik (beim Einkaufen Produktpreise zu addieren oder beim Kochen die benötigte Menge an Zutaten auszurechnen), Routenplanung (den besten Weg von A nach B zu suchen) und das sog. stillschweigende Wissen (tacit knowledge). Dies wiederum ist verborgenes Wissen, das man benötigt, um eine Umgebung vollständig einschätzen zu können. Für den Entrepreneur könnte es besonders wichtig sein, ausreichend stillschweigendes Wissen über seine Branche und ihre Eigenheiten zu haben, um sein Unternehmen erfolgreich etablieren zu können (Sternberg 2004, S. 193). Laut Gemünden konnte bereits „ein deutlicher Zusammenhang zwischen der kumulierten Branchenerfahrung des Gründerteams und der Umsatzentwicklung festgestellt werden“ (Gemünden 2003, S. 100). Da stillschweigendes Wissen nicht gelehrt oder verbalisiert wird, muss man es sich selbständig aneignen (Sternberg 2004, S. 193). b) Regulatorische Fokustheorie (regulatory focus theory) Ein Grundsatz der regulatorischen Fokustheorie ist, dass es zwei Fokussierungsarten gibt, mit denen Menschen Schwierigkeiten und Freude begegnen: Promotionsfokussierung (promotion focus) und Präventionsfokussierung (prevention focus). Wenn Menschen promotionsfokussiert sind, versuchen sie sich an ihrem idealen Selbst (Träume und Sehnsüchte) auszurichten. Wenn sie dagegen präventionsfokussiert sind, stehen Sicherheitsbedürfnisse im Vordergrund (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 208). Beide Fokussierungen werden vom Gründer in jeder Phase der Gründung in einer phasenspezifischen Kombination eingesetzt (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 208). Die Gründung haben Brockner/Higgins/Low folgendermaßen aufgeteilt: Ideenfindungsphase, Ideenauswertungsphase, Ressourcenbeschaffungsphase, Rollout-Prozess (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 207). In der Ideenfindungsphase wird mehr Promotionsfokussierung benötigt, um neue Möglichkeiten und Alternativen zu entdecken. Dies haben auch mehrere Studien gezeigt: Individuen mit einer Promotionsfokussierung erkennen mehr Alternativen als Menschen mit Präventionsfokussierung (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 209). Die Präventionsfokussierung ist für die Ideenauswertungsphase geeignet, da es bei der Ideenauswahl wichtig ist, auch alle gegen die Idee sprechenden Aspekte zu entdecken 16
(Brockner/Higgins/Low 2004, S. 210). Dafür muss besonders genau und möglichst fehlerfrei vorgegangen werden, was für die Präventionsfokussierung spricht (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 210). Für die Ressourcenbeschaffungsphase sollte eine Kombination aus Präventions- und Promotionsfokussierung benutzt werden. Eine Promotionsfokussierung könnte beispielsweise nötig werden, um Ideen in einem günstigen Licht darstellen zu können, damit jemand finanzielle Mittel bereitstellt (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 211). Auf der anderen Seite sollte eine Präsentation der Idee keine laienhaften Fehler enthalten. Hierzu könnte eine Präventionsfokussierung dienlich sein (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 211). Ähnliches gilt für den Rollout-Prozess. Mithilfe der Promotionsfokussierung können Visionen vermittelt werden, um Mitarbeiter zu motivieren (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 212). Die Fehlerrate muss besonders im Rollout-Prozess minimiert werden, wofür wiederum die Präventionsfokussierung geeignet ist (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 212). Prozessübergreifend benötigt ein Gründer grenzenlose Energie (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 214). Warum viele Gründer diese grenzenlose Energie besitzen, um ihr Unternehmen aufzubauen, begründen Brockner/Higgins/Low folgendermaßen: Der Erfolg gibt einem Individuum mit Promotionsfokussierung Energie, während ein Misserfolg demselben Individuum Energie nimmt (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 214). Genau umgekehrt verhält es sich bei einer
Person
mit
Präventionsfokussierung
(Brockner/Higgins/Low
2004,
S.
214).
Brockner/Higgins/Low gehen davon aus, dass der erfolgreiche Gründer Präventionsfokussierung und Promotionsfokussierung gleichermaßen hat, sodass bei Erfolg sowie bei Misserfolg der Gründer „energetisiert“ wird (Brockner/Higgins/Low 2004, S. 214). c) Selbstwirksamkeitsglaube (self-efficacy) Eine Person mit hohem Selbstwirksamkeitsglauben ist davon überzeugt, Dinge effizient organisieren und durchführen zu können (Markman/Baron 2003, S. 288). In anderen Wissenschaftsbereichen hat man bereits die Wirkung von dieser Eigenschaft getestet. Empirische Versuche haben gezeigt, dass ein hoher Selbstwirksamkeitsglaube z.B. für Suchtentwöhnungen, Vermeidung von Obdachlosigkeit, akademische Leistungen und sozialem Einfluss fundamental wichtig ist (Markman/Baron 2003, S. 288). Es wird angenommen, dass Entrepreneurs, die einen höheren Selbstwirksamkeitsglauben haben, erfolgreicher arbeiten als Entrepreneurs, die einen niedrigen Selbstwirksamkeitsglauben haben (Markman/Baron 2003, S. 288). Eine Studie hat sogar gezeigt, dass es einen starken positiven Zusammenhang zwischen
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Selbstwirksamkeitsglauben und realisiertem Wachstum eines Unternehmens gibt (Shane/Locke/Collins 2003, S. 267). d) Elan (drive) Um ein Unternehmen erfolgreich zu gründen, ist höchstwahrscheinlich auch ein großes Maß an Elan erforderlich. Elan wird definiert als der „Wille sich anzustrengen“ und insbesondere der „Wille zu denken“ und der „Wille seine Ideen in die Realität zu überführen“ (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Fünf verschiedene Aspekte werden unterschieden: Ehrgeiz, Ziele, Energie, Ausdauer und Unbeirrbarkeit (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Man geht davon aus, dass der Ehrgeizige mehr erreicht, als derjenige, der sich gar nicht erst viel vornimmt. Das gleiche gilt für hohe bzw. niedrige Ziele, die man sich setzt (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Um diese Ziele zu erreichen, benötigt der Gründer viel Energie und Ausdauer. Wenn zielgerichtete Energie eine gewisse Zeitlang aufrechterhalten wird, wird es Unbeirrbarkeit genannt (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Es kann geschlussfolgert werden, dass ein Gründer mit hohem Elan erfolgreicher sein wird, als ein Gründer mit wenig Elan. e) Leidenschaft (passion) Was braucht man wiederum, um Elan lange aufrechterhalten zu können? Shane/Locke/Collins meinen, dass man dazu Leidenschaft benötigt, womit die egoistische Liebe an der Arbeit gemeinst ist (Shane/Locke/Collins 2003, S. 268). Der erfolgreiche Entrepreneur liebt es, eine Organisation aufzubauen und sie profitabel zu machen (Shane/Locke/Collins 2003, S. 269). Eine der wenigen Studien zu diesem Thema ist die von Baum, in der nachgewiesen werden konnte, dass Leidenschaft einen signifikanten Effekt auf das Firmenwachstum hat (Shane/Locke/Collins 2003, S. 269). f) Ausdauer (perseverance) Gründer versuchen, neue Ideen zu entdecken und „neue Kombinationen“ zu verkaufen (Markman/Baron 2003, S. 290). Dafür müssen sie viele Hürden nehmen. Sie müssen die Skepsis des Kunden gegenüber einem neuen Produkt überwinden, persönliche Härten tragen, Opportunitätskosten zu Alternativen der Gründung bezahlen und mit der Technologie Schritt halten (Markman/Baron 2003, S. 290). Studien von Markman/Baron haben ergeben, dass sich ausdauernde Gründer unter solch herausfordernden Bedingungen flexibler verhalten als ande-
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re. Das weißt darauf hin, dass Ausdauer möglicherweise eine große Bedeutung für erfolgreiche Gründer hat (Markman/Baron 2003, S. 290). g) Chancenerkennung (opportunity recognition) Man kann davon ausgehen, dass Gründer die besonders gut darin sind, Chancen zu erkennen und diese auch zu nutzen verstehen, besonders erfolgreich sind. Studien über Chancenerkennung haben gezeigt, dass erfahrene Gründer wesentlich intensiver nach Informationen forschen als unerfahrene Gründer (Markman/Baron 2003, S. 289). h) Risikowahrnehmung (perception of risk) Wie bereits in Abschnitt 2.b erwähnt wurde, wird angenommen, dass Gründer weniger Risiko wahrnehmen, als andere Personen (Baron 2004b, S. 233). Wenn man diese Hypothese zu einer Annahme umwandelt, könnte man aus ihr ableiten, dass erfolgreiche Gründer dieses nicht-wahrgenommene Risiko besser im Griff haben dürften, als weniger erfolgreiche Gründer (Baron 2004b, S. 233). i)
Kontrafaktisches Denken (counterfactual thinking) Studien von Baron konnten belegen, dass Menschen, die ein Unternehmen gegründet ha-
ben, signifikant weniger kontrafaktisch denken als andere Menschen (Baron 2004b, S. 234). Außerdem wurde gezeigt, dass sie weniger Entscheidungen bedauern als andere Menschen. Sie orientieren sich vielmehr an der Zukunft und sehen Betrachtungen der Vergangenheit als Zeitverschwendung an (Baron 2004b, S. 234). Seine ursprünglichen Hypothesen gingen von vermehrtem kontrafaktischem Denken bei Gründern (H1) und einer erhöhten Tendenz zum Bedauern von vergangenen Entscheidungen (H2) aus (Baron 1998, S. 281). H1 und H2 hat er mit seiner eigenen Studie wiederlegt. Als Erklärung hält Baron es für möglich, dass Gründer gemeinhin weniger kontrafaktisch denken, dieses wenige aber besonders gut für sich nutzen können. Von Fehlern aus der Vergangenheit können erfolgreiche Gründer eher profitieren als andere. j)
Das heuristische Denken (heuristic thinking) Heuristisches Denken ist eine schnelle, mühelose Art, Informationen zu verarbeiten (Ba-
ron 2004b, S. 234). Im Gegensatz zum analytischen Denken werden beim heuristischen Denken simple Schemata (Heuristiken) benutzt, um die Nützlichkeit eines Sachverhalts zu erkennen. Beispielsweise: „Wenn es von einer guten Quelle kommt, glaube ich es, wenn nicht, 19
dann lehne ich es ab.“ (Baron 2004b, S. 234). Es wird angenommen, dass Gründer zu einer heuristischen Denkweise neigen, da sie oft gezwungen sind, schnell Entscheidungen zu treffen (Baron 2004b, S. 234). Allerdings ist mehr erforderlich, um erfolgreich zu sein. In vielen Situationen ist analytisches Denken unumgänglich. Baron geht davon aus, dass ein erfolgreicher Entrepreneur weiß, wann er heuristisch und wann er analytisch denken sollte, um eine Situation schnell genug und trotzdem präzise einschätzen zu können (Baron 2004b, S. 235). k) Kognitive Vorurteile (cognitive biases) Erfolgreiche Gründer haben möglicherweise weniger kognitive Vorurteile gegenüber der Entscheidung ein Gründer zu werden als andere Gründer. Ein Beispiel für die Wichtigkeit von kognitiven Vorurteilen ist das Konzept der versunkenen Kosten. Versunkene Kosten sind in der Kostenrechnung „Teil der nichtrelevanten Kosten, der sich aus den Istkosten vergangener Perioden zusammensetzt“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2000, S. 2989). Der Gründer hat die Möglichkeit, versunkene Kosten in die Betrachtung von möglichen Alternativen mit einzubeziehen, oder sie – wie es die Kostenrechnung vorschreibt – zu ignorieren. Sollte der Gründer auf einer vergangenen Entscheidung beharren und somit „den Kurs halten“ (Baron 2004b, S. 235)? Die entsprechende Entscheidung kann ein Untenehmen in den Ruin treiben, da bei Nichtbeachtung der versunkenen Kosten möglicherweise die Mittel zur Erschließung neuer Profitquellen fehlen. Auf der anderen Seite kann die Ignorierung von versunkenen Kosten auch ein Unternehmen retten, indem eine neue Profitquelle mit überlebenswichtigen hohen Gewinnen erschlossen werden kann. Analog kann die Einbeziehung der versunkenen Kosten in den Entscheidungsprozess positive oder negative Folgen für eine Neugründung hervorrufen. Ein erfolgreicher Entrepreneur muss also wissen, wann er „Kurs halten“ sollte und wann er einen eingeschlagenen Kurs ändern muss (Baron 2004b, S. 235). Andere kognitive Vorurteile sind die übertriebene Tendenz zu denken, dass alles gut wird (optimistic bias), die Tendenz zu glauben, dass man in einer gewissen Zeit mehr erledigen kann, als man tatsächlich erledigen kann (planning fallacy) und die Tendenz Eindrücke und Entscheidungen stark von unseren Gemütsbewegungen beeinflussen zu lassen (affect infusion) (Baron 2004b, S. 226). Möglicherweise sind erfolgreiche Gründer diesen kognitiven Vorurteilen weitaus weniger ausgesetzt als nichterfolgreiche Gründer (Baron 2004b, S. 235)
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l)
Selbstdienende Vorurteile (self-serving bias) Ein weiteres Vorurteil ist das sogenannte selbstdienende Vorurteil. Zwei Unterarten wer-
den unterschieden. Zum einen haben Menschen die Tendenz, positive Ausgänge dem eigenen Verdienst zuzuschreiben (Baron 1998, S. 284). Zum anderen schreiben sie negative Ausgänge externen Faktoren zu (Baron 1998, S. 284). Baron geht davon aus, dass die meisten Gründer eine erhöhte Tendenz zu selbstdienenden Vorurteilen haben (Baron 1998, S. 285). Dagegen könnten erfolgreiche Gründer wesentlich weniger von Ihnen betroffen sein als andere Gründer (Baron 1998, S. 285). m) Gründungskreativität (entrepreneurial creativity) Gründungskreativität wird von Amabile als „die Erzeugung und Implementierung von neuartigen, geeigneten Ideen, um ein neues Unternehmen zu etablieren“ definiert (Amabile 1997, S. 20). Die Gründungskreativität wird also nicht nur zur Generierung von neuen Produkten und Dienstleistungen benötigt, sondern auch zu deren Implementierung (Amabile 1997, S. 18). Die sich ergebende Frage lautet: Wie kann eine Person motiviert werden, gründungskreativ zu sein, um als Gründer erfolgreich zu sein? Motivation enthält nach Amabile zwei Aspekte: die intrinsische und extrinsische Motivation. Intrinsisch-motivierte Menschen ziehen Freude, Interesse, Neugierbefriedigung und Herausforderung aus der Arbeit selbst (Amabile 1997, S. 21). Dagegen werden extrinsisch-motivierte Menschen von Zielen motiviert, die außerhalb der eigentlichen Arbeit zu finden sind (Amabile 1997, S. 21). Versuche unter Laborbedingungen haben gezeigt, dass eine positive Beziehung zwischen Kreativität und intrinsischer Motivation existiert (Amabile 1997, S. 21). Außerhalb des Labors wurde dagegen entdeckt, dass auch extrinsische Faktoren eine positive Wirkung auf Kreativität haben können (Amabile 1997, S. 22). Somit scheint die psychologische Sicht widerlegt, aus der extrinsische und intrinsische Motivationen sich prinzipiell gegeneinander aufheben (Amabile 1997, S. 22). Beide Motivationstypen sind offenbar in unterschiedlichen Gründungsphasen verschieden wichtig. In der Ideenentwicklungsphase beispielsweise ist eher die intrinsische Motivation nötig, um aus dem reinen Spaß an der Ideenfindung neue Ideen entwickeln zu können. In der Ideenüberprüfungsphase ist die Kundenmeinung besonders wichtig, die im positiven Fall eine extrinsische Motivation für den Ideenentwickler darstellt. Diese extrinsische Motivation sollte die intrinsische jedoch nicht vollständig ersetzen, sondern nur ergänzen. Dieser spezielle extrinsische Motivationstyp wurde von Amabile „synergetischer extrinsischer Motivator“ (synergistic extrinsic motivator) genannt (Amabile 1997, S. 22). Es sind 21
Motivatoren, die das Kompetenzbewusstsein einer Person stärken, ohne die intrinsische Motivation einer Person zu unterminieren. Besonders in den Vorbereitungs-, Validierungs- und Kommunikationsphasen scheinen die synergetischen extrinsischen Motivatoren besonders wichtig für den erfolgreichen Entrepreneur zu sein (Amabile 1997, S. 23). n) Soziales Kapital (social capital) Soziales Kapital wird als die Summe, der tatsächlichen und potentiellen Ressourcen definiert, die Individuen aus ihren Beziehungen zu anderen Personen schöpfen (Baron/Markman 2003, S. 43). Einen guten Ruf zu haben, oder ein gutes soziales Netzwerk zu besitzen, sind Beispiel für soziale Kompetenz (Baron/Markman 2003, S. 42). Mehr und mehr Forschungsergebnisse zeigen, dass ein hohes Maß an sozialem Kapital zum Erfolg einer Gründung beiträgt (Baron/Markman 2003, S. 44). Darüber hinaus erhalten Gründer mit hohem sozialen Kapital mit höherer Wahrscheinlichkeit Risikokapital von Venture Capital Unternehmen, als Gründer mit niedrigem sozialen Kapital (Baron/Markman 2003, S. 44). Allerdings reicht soziales Kapital allein nicht aus. Soziales Kapital hilft zwar „durch die Tür zu kommen“ (Zugang zu Venture Kapitalisten, potentiellen Kunden und anderen), aber sobald dieser Schritt geschafft ist, wird soziale Kompetenz wichtiger (Baron/Markman 2003, S. 44). o) Soziale Kompetenz (social competence) Soziale Kompetenz ist die Kapazität von Menschen, mit anderen Menschen effektiv zu kommunizieren (Baron 2000, S. 16). Es gibt einige Argumente dafür, dass sie auch für den Entrepreneur eine entscheidende Rolle spielt. Erstens werden Unternehmen meist nicht durch Einzelpersonen, sondern durch Teams gegründet. Damit alle Teammitglieder miteinander klar kommen, muss bei allen eine gewisse soziale Kompetenz vorhanden sein (Baron 2000, S. 16). Zweitens müssen Gründer außerhalb ihrer Unternehmen mit vielen Personen Umgang pflegen – Bankiers, potentielle Kunden sowie potentielle Angestellte. Mit diesem Personenkreis effektiv kommunizieren zu können, erhöht die Chance auf eine Verbesserung der Unternehmenssituation (Baron 2000, S. 16). Darauf aufbauend wird vermutet, dass je höher die soziale Kompetenz des Gründers ist, desto höher ist der finanzielle Erfolg der Gründung. Empirische Untersuchungen wurden in der Kosmetikbranche und der High-Tech Branche durchgeführt. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass die soziale Kompetenz tatsächlich den finanziellen Erfolg beeinflusst (Baron 2000,
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S. 17). Auch laut Gemünden konnten positive Einflüsse von Sozial- und Netzwerkkompetenz auf den Erfolg bereits nachgewiesen werden (Gemünden 2003, S. 100).
5. Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen für
a) Gründer? Das Ziel wissenschaftlicher Arbeit sollte es sein, langfristig einen Nutzen für die praktische Problembewältigung zu stiften. Bezogen auf die hier bearbeiteten Fragestellungen, sollte sich folglich ein Nutzen für die Gründer von Unternehmungen ableiten lassen. Aufgrund der Fragestellungen dieses Textes ist es hilfreich, die Nutznießer in potenzielle Gründer und in Gründer aufzuteilen. Während potenzielle Gründer alle dargestellten Erkenntnisse im Voraus bei ihrer Gründung mit einfließen lassen können, sind diejenigen, die schon ein Unternehmen gegründet haben dazu nur beschränkt in der Lage. Bereits tätige Gründer können die Erkenntnisse aus den Gliederungspunkten 3. und 4. nur rückblickend auf ihre eigene Entscheidung Gründer zu werden und ihren eigenen Prozess der Geschäftsideenfindung anwenden, da sie diese Entscheidungen schon in der Vergangenheit getroffen haben. Lediglich die Erkenntnisse aus dem Zusammenhang von kognitiven Prozessen und erfolgreichen Gründungen können Gründer, die ihr Unternehmen schon gegründet haben, noch direkt einfließen lassen. Wenn sich die gewonnenen Erkenntnisse in erster Linie an potenzielle Gründer richten, stellt sich die Frage: Wer sind potenzielle Gründer und wie erreicht man diese? Diese Fragestellung könnte hier nur auf der Grundlage von Vermutungen geklärt werden und sollte daher in weiteren wissenschaftlichen Arbeiten bearbeitet werden. Als konkrete Zielsetzung für eine solche Vermittlung von Erkenntnissen kann laut Baron nicht die Erziehung der Gründer zu absolut rational denkenden und handelnden Persönlichkeiten dienen. Diese Zielsetzung würde schon an der menschlichen Natur scheitern, die in vielen Bereichen dazu neigt, Emotionen in rationale Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen (Baron 2004b, S. 226). Auch wäre eine solche Zielsetzung volkswirtschaftlich nicht in jedem Fall sinnvoll, da eine völlige Rationalität zur Aufdeckung vieler zusätzlicher Risiken führen würde und dadurch viele risikoreiche Unternehmen nie gegründet werden würden. So ist zum Beispiel fraglich, ob ein Bill Gates Microsoft gegründet hätte, wenn ihm voll bewusst gewesen wäre, wie viele Softwarefirmen in den letzten zwanzig Jahren in einer finanziellen Katastrophe für die Unternehmer endeten.
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Eine vielversprechendere Zielsetzung hingegen könnte es sein, den Gründern ein Bewusstsein für die eigenen kognitiven Verhaltensweisen und deren Einfluss auf die Gründung eines Unternehmens zu vermitteln. Dies entspricht zum einen einer Information über die einzelnen kognitiven Prozesse und auf der anderen Seite einer Analyse der jeweils individuellen, kognitiven Verhaltensweisen der Gründer. Wir schlagen vor, den Gründer in einem speziellen Assessment-Center auf seine individuellen kognitiven Prozesse hin zu untersuchen. Mit den Ergebnissen könnte dem Gründer genau gezeigt werden, welche mentalen Fähigkeiten er besitzt bzw. welche Fähigkeiten ihm fehlen. Unter Einbeziehung von Wissenschaftlern aus der Psychologie könnten die fehlenden Fähigkeiten in erlernbare und nicht erlernbare Fähigkeiten aufgeteilt werden. Im Verlauf eines solchen Assessment-Centers könnte auch eine individuell gestaltete Checkliste für den Gründer erstellt werden. Diese kann nicht dazu dienen, dass der Gründer einen Schalter umlegt und dementsprechend anders denkt, sondern soll ihm bei der Beurteilung vergangener Entscheidungen und bei der Findung aktueller Entscheidungen seine mentalen Fähigkeiten und Prozesse bewusst machen. Die hier vorgeschlagenen Hilfsstellungen sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Erkenntnisse, die man ihnen zugrunde legt, wissenschaftlich fundiert sind. b) die Wissenschaft? Bei der Arbeit mit den bisherigen wissenschaftlichen Texten kann festgestellt werden, dass ein großer Teil der Autoren derzeit Ideen entwickelt und zur Diskussion stellt. Nur in geringem Umfang sind bisher speziell zu diesen Theorien und Hypothesen empirische Untersuchen angefertigt worden. Jedoch wurde in einigen Fällen versucht, eine empirische Untermauerung der Aussagen dadurch zu erreichen, indem ältere Untersuchungen herangezogen wurden. Diese Untersuchungen wurden in der Vergangenheit häufig mit einer anderen Zielsetzung erstellt (Markman/Baron 2003, S. 288). Daher nehmen wir an, dass die so zustande gekommenen Ergebnisse in Bezug auf die aktuellen Fragestellungen nur bedingt aussagefähig sind. Unsere Forderung an die weitere wissenschaftliche Bearbeitung dieses Themengebietes ist es folglich, die bisherigen und auch alle zukünftigen Theorien und Hypothesen mittels speziell durchgeführten Untersuchungen zu untermauern. Mit einem solchen Vorgehen würde auch eine sinnvolle Reduktion der sich in der Diskussion befindlichen mentalen Modelle einhergehen. Dies können wir unterstützen, da auf diesem Wege die Aufmerksamkeit der Forschung sich ganz auf die relevanten, empirisch begründbaren Modelle richten würde. Von einer Reduktion an mentalen Modellen würde auch die prak24
tische Anwendung der Forschungsergebnisse profitieren, da, mit Blick auf die knapp bemessene Zeit der Gründer, nur eine begrenzte Anzahl an mentalen Modellen mit den Gründern durchgegangen werden können. Das bisherige Fehlen von übergeordneten Theorien muss unserer Ansicht nach behoben werden. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, mit den gegebenen wissenschaftlichen Instrumenten nachzuvollziehen, wie ein Ereignis und die damit auftretenden Veränderungen vom Gründer kognitiv aufgenommen, verarbeitet und bewertet werden, sowie die daraus resultierenden Entscheidungen und Handlungen zu prognostizieren. Mit einer übergeordneten Theorie wäre es möglich, die bisher isoliert betrachteten Prozesse kombiniert zu untersuchen und eventuelle Wechselwirkungen aufzuspüren. Die Übersichtlichkeit der wissenschaftlichen Diskussion würde durch die Struktur, die eine solche Theorie bringen würde, enorm gesteigert. Es könnte besser verdeutlicht werden in wieweit ein mentales Modell sich in einem Prozessschritt der übergeordneten Theorie auswirken würde, jedoch in einem anderen Schritt eventuell ganz anders. Ohne diese übergeordnete Theorie muss aus den genannten Gründen der aktuelle Stand der Forschung als unvollständig bezeichnet werden. Um die erwähnten Defizite beheben zu können, wird es von Nöten sein, die interdisziplinäre Zusammenarbeit auszuweiten. Wir empfehlen, gerade Wissenschaftler aus der Psychologie stärker in die Forschungsarbeit einzubeziehen. Diese könnten eine erhebliche Hilfe bei der Identifikation neuer, eventuell in der Psychologie seit langem bekannter, mentaler Modelle sein. Gerade bei der Umsetzung empirischer Forschung im Bereich der Kognition kann sicherlich nicht auf die Erfahrungen aus der Psychologie verzichtet werden.
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