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Auswirkungen von Steuersenkungen auf die Konsum und Sparneigung Einleitung: Das Wort „Steuern“ weckt wohl in erster Linie Assoziationen wie Last, Zwangsabgaben, Einschränkung des privaten Konsums und damit der persönlichen Freiheit. Erst auf den zweiten Blick wird auch die Nähe zum Wort „steuern“, also lenken und gestalten, deutlich. Steuern sind kein Selbst zweck, sondern ein Instrument, um bestimmte Ziele zu erreichen. Sie sind in unserer Wirtschaft und Gesellschaft ein politisches Gestaltungsmittel, das wir weniger oder stärker dosiert einsetzen können. Eingenschaften von Steuern: • Steuern sind ein politisches Gestaltungsmittel • Steuern sichern soziale Leistungen • Steuern finanzieren öffentliche Einrichtungen • Steuern lenken Verhaltensweisen • Steuern ermöglichen Vermögensverteilung • Steuern dienen zur Stabilisierung der Wirtschaft
direkt / indirekt Bei direkten Steuern sind Steuer schuldner (der gesetzlich verpflicht.) und der Steuerträger (der wirtschaft. belastete) identich. (Einkommens steuer) Bei indirekten Steuern ist das Verhältnis genau um umgekehrt. (Umsatzsteuer, Mineralölsteuer)
Das Steuersystem in Österreich: Moderne Staaten haben aufgrund ihres hohen Finanzierungsbedarfs und ihrer anspruchsvollen Zielsetzungen ein sehr vielfältiges Steuersystem. Der Bogen spannt sich von großen Steuern wie Umsatz und Einkommenssteuer, sowie den Steuern auf Löhne und Gehälter, über Steuern auf Grundbesitz und Grunderwerb, Energie, Versicherungen und Erbschaften bis zu den Steuern auf Bier, Zigaretten und Wetteinsätze bei Glückspielen.
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Trotz der Fülle an verschiedenen Steuern kann unschwer festgestellt werden, dass sich das österreichische Steuersystem auf zwei bedeutende Steuern konzentriert, nämlich die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, die zusammen den Großteil der Einnahmen vom Bund aufbringen. Die Einkommenssteuer: Die Einkommenssteuer eines Staates lässt in vieler Hinsicht Rückschlüsse auf das Gerechtigkeitsempfinden einer Gesellschaft zu, denn es muss geregelt werden, wer wie viel Steuer von einem Einkommen zu zahlen hat, welche persönlichen Umstände berücksichtigt werden sollen und welche Ausnahmen zugelassen werden. Die Einkommensteuer tritt in mehreren Erhebungsformen auf, der veranlagten Einkommensteuer, der Lohnsteuer, der Kapitalertragsteuer I (Dividenden) und der Kapitalertragsteuer II (Zinsen). Je höher das Einkommen ist, umso leistungsfähiger ist eine Person, d. h. , die Steuerzahlung kann bei höheren Einkommen auch einen höheren Anteil am Einkommen ausmachen. Es wird daher ein progressiver Tarif gewählt. Ausgangspunkt der Steuerberechnung sind die Einkünfte, die der/die Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft Einkünfte aus selbstständiger Arbeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit Einkünfte aus Kapitalvermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Sonstige Einkünfte (Spekulationsgeschäften)
Der Einkommensteuertarif Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz
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Progressiver Verlauf: Wie in der Grafik ersichtlich, steigt der Durchschnittssteuersatz mit steigendem Einkommen. Ein derartiger Verlauf wird als progressiv bezeichnet und mit der steigenden Leistungsfähigkeit bei steigendem Einkommen begründet. Kalte Progression: Mit steigender Bemessungsgrundlage nimmt der Durchschnittssteuersatz zu. Wenn z. B. das Gehalt eines Steuerpflichtigen um 10 % von 1.500 € mtl. Auf 1.650 € mtl. steigt, so steigt die jährliche Steuerzahlung (inkl. Steuer auf sonstige Bezüge) von 1.518,24 € auf 2.098,98 €, das ist eine Steigerung um 38,25 %. Der Durchschnittssteuersatz steigt dadurch von 7,2 % auf 9,1 %. Wenn alle Preise in einer Volkswirtschaft und somit auch die Löhne und Gehälter um z. B. 10 % steigen und auch die Lohnsteuer um 10 % steigt, ist niemand schlechter gestellt als vorher. Die Kaufkraft ist somit gleich geblieben. Lohnsteuersenkungen werden daher von den Vertretungen der ArbeitnehmerInnen unter anderem auch deswegen gefordert, um die durch die kalte Progression gestiegene Steuerbelastung wieder zu senken. Die Steuerreform: (Quelle AK Wien)
Die Steuergrenze wird von derzeit € 10.000, jährlich auf € 11.000, jährlich angehoben. Außerdem wird die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz von 50% anfällt, von derzeit € 51.000, Jahreseinkommen auf € 60.000, Jahreseinkommen angehoben. Der Grenzsteuersatz für Einkommen zwischen € 11.000, jährlich und € 25.000, jährlich beträgt im neuen Tarif 36,5% (beim alten Tarif beträgt der Grenzsteuersatz 38,3%). Der Grenzsteuersatz für Einkommen zwischen € 25.000, jährlich und € 60.000, jährlich beträgt im neuen Tarif 43,21% (beim alten Tarif beträgt der Grenzsteuersatz 43,6% bis zu einem Jahreseinkommen von € 51.000,, darüber beträgt der Grenzsteuersatz im alten Tarif 50%). Familienpaket: 1. Erhöhung des Kinderabsetzbetrages 2. Einführung eines Kinderfreibetrages 3. Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten 4. Einführung der Steuerfreiheit für übernommene Kinderbetreuungskosten
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Auswirkungen bei Steuersenkungen: (auf Konsum & Sparneigung) Eine in diesem Zusammenhang sehr wichtige Quote ist die Sparquote. Mit Sparquote bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre den Anteil der Ersparnisse am Einkommen. Die Sparquote: (OeNB) Einflussfaktoren
Begriffe: Grenzneigung zum Konsum (MPC – Marginal Propensity to Consume) Die Grenzneigung zum Konsum stellt jenen zusätzlichen Konsum dar, der pro zusätzlicher Geldeinheit an verfügbarem Einkommen getätigt wird. (Steigung der Konsumfunktion – Tangenz) Grenzneigung zum Sparen (MPS – Marginal Propensity to Save) Sie wird definiert als jener Teil jeder zusätzlichen Geldeinheit des verfügbaren Einkommens, der nicht konsumiert, sondern gespart wird. Lebenszyklushypothese: Sie geht davon aus, dass Personen sparen, um ihr Konsumniveau während ihrer Lebnszeit möglichst ausgeglichen halten zu können. Vermögenseffekt: Die Tatsache, dass ein höheres Vermögen zu einem höheren Konsumniveau führt, wird Vermögenseffekt genannt.
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Steuern werden gesenkt, es steht somit mehr Einkommen zur Verfügung. Die Auswirkungen auf die Konsum und Sparneigung möchte ich anhand zweier Denkrichtungen, die in der Volkswirtschaft herrschen untersuchen. Ihre Denkweisen weichen stark von einander ab und führen zu unterschiedlichen politischen Prioritäten. Die klassische Lehre (Adam Smith)
Lehre von Keynes (John Maynard Keynes)
Es ist zuerst immer die Frage zu stellen, welche Steuer gesenkt wird: Eine die auf die Nachfrage oder eine, die auf das Angebot wirkt. Auf die Konsum u. Sparneigung können nur Steuern wirken, die auf die Nachfrage Auswirkung haben, so z. B. die Lohnsteuer Nicht die Umsatzsteuer, denn diese ist Bestandteil des Verkaufpreises und wirkt daher auf das Angebot. Niedrigere Lohnsteuer bewirkt höheres verfügbares Einkommen. Das verfügbare Einkommen steht für Konsum und Sparen zu Verfügung. Alles, was vom Einkommen nicht gespart wird konsumiert. Keynes nimmt eine vergleichbare Unterscheidung in subjektive und objektive Faktoren vor. Zu den subjektiven und sozial orientierten Faktoren zählen die Erwartungen, die persönliche Einstellung zum Konsum und zum Sparen, Zukunftsängste und Hoffnungen, Geiz und Prahlerei etc. Zu den objektiven Faktoren zählen das Einkommen, das Zinsniveau, das Vermögen, das Preisniveau, Steuern und Transfers sowie die Einkommensverteilung. Die Konsumfunktion: Die Konsumfunktion zeigt die Beziehung zwischen der Höhe der Konsumausgaben und der Höhe des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte. Eine derartige Konsumfunktion nennt man eine kurzfristige. Recht zuversichtlich können wir allerdings sein, dass der Konsum C kurzfristig und maßgeblich durch die Höhe des aktuellen Einkommens Y beeinflusst wird. Es ist allgemeine Lebenserfahrung, dass der Konsum mit dem Einkommen steigt. Das gilt für einzelne Wirtschaftssubjekte wie für
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gesamte Volkswirtschaften. Keynes nennt es ein "fundamentales psychologisches Gesetz", dass die Konsumausgaben mit dem Einkommen nur unterproportional zunehmen. Der Schnittpunkt der 45° Linie mit der Konsumfunktion markiert jenes verfügbare Einkommen, das gerade zur Deckung der Konsumausgaben ausreicht (Gleichgewichtspunkt). Die Sparfunktion Die Sparfunktion zeigt den Zusammenhang zwischen der Höhe der Ersparnis und dem Einkommen. Sie ist nichts anderes als der Abstand zwischen der 45° Linie und der Konsumfunktion.
Interpretation Keynes: Bei Keynes sind sowohl Sparen als Konsumieren vom Einkommmen abhängig. Im Falle einer Lohnsteuersenkung > höheres Einkommen, umsomehr wird sowohl gespart als auch konsumiert. ABER: Die Grenzneigung des Konsums nimmt mit der Zunahme des Einkommens ab u. die Grenzeigung des Sparens dafür zu. (Grenzneigung des Konsums heißt: bei mehr Einkommen, wird mehr konsumiert) Interpretation Klassik: Es spielt nur der langfristige Konsum eine Rolle. Betrachtet man aber die langfristige Konsumfunktion, so sieht die Sache anders aus: Nach dieser Theorie verläuft der Konsum sehr konstant. Es gibt also praktisch einen proportionalen Zusammenhang zwischen Konsum und verfügbaren Einkommen. Warum? Wichtig für Konsumentscheidungen ist nach dieser Theorie nicht das kurzfristige, sondern das langfristige Einkommen. Diese sogenannte Lebenszyklushypothese geht davon aus, dass Personen sparen, um ihr Konsumniveau über ihre Lebenszeit hinweg konstant zu halten. Darüber hinaus muss noch berücksichtigen, dass nicht nur das Einkommen aus laufender Tätigkeit, sondern auch Vermögenseinkommen für den Konsum herangezogen werden können. Diese bleiben im Normalfall auch regelmäßig. Wie weit eine einmalig Lohnsteuersenkung daher Auswirkungen haben wir bleibt mehr als fraglich.