Salzburger Nachrichten
02.05.2009
Eine Neuverteilung der Steuerlast Dass in der Koalition ein heftiger Streit über eine Neuverteilung der Steuerlast ausgebrochen ist, schadet nichts. Die Sanierung des Staatshaushalts nach überstandener Wirtschaftskrise wird überaus kostspielig sein. Es ist durchaus sinnvoll, sich bereits heute den Kopf darüber zu zerbrechen, wer wie viel dazu beitragen soll. Es liegt in der Natur unserer Parteien, dass die laufende Diskussion, so notwendig sie ist, Sorge in breiten Kreisen auslöst. Denn Sorge ist angebracht, wenn die SPÖ ihren begehrlichen Blick auf die Vermögenden richtet. Die Vermögenden – das sind für zahlreiche Meinungsführer in der SPÖ nicht jene paar Superreichen, die sich in Wörtherseevillen und Klatschspalten tummeln. Die Vermögenden, das sind aus Sicht der SPÖ bald einmal jene Tausenden Österreicherinnen und Österreicher, die sich eines Monatseinkommens von mehr als 4000 Euro erfreuen und daher in der Diktion der SPÖ keineswegs mehr zum Mittelstand zählen. Jene Leute also, die bereits heute den Großteil der Steuer- und Abgabenlast tragen. Sorge muss auch aufkeimen, wenn sich die ÖVP mannhaft gegen jegliche Steuerdiskussion auf die Schienen wirft. Erkennt in dieser angeblichen Wirtschafts- und Leistungspartei niemand die Wirtschafts- und Leistungsfeindlichkeit des gegenwärtigen Steuersystems? Eines Systems, das von jedem verdienten Euro bis zu 50 Cent wegsteuert? Eines Systems, das einem Unternehmer, der seinen Mitarbeitern anständige Nettolöhne auszahlen will, immense Nebenkosten pro Arbeitnehmer aufbürdet? Eines Systems, das die mickrigen Sparbuchzinsen der hart arbeitenden Bevölkerung der Kapitalertragssteuer unterwirft, während Aktiengewinne in der Regel steuerfrei bleiben? – All das darf nicht diskutiert werden, weil jede Steuerdiskussion, wie der ÖVP-Chef und Finanzminister am gestrigen Tag der Arbeit dekretierte, „schwerst kontraproduktiv“ wäre. Falsch: Kontraproduktiv ist nicht die Diskussion, kontraproduktiv ist das Steuersystem. Die Schicht der Vermögenden kann sich’s, dafür sorgt die ÖVP, richten. Die Schicht der schlecht Verdienenden, dafür sorgt die SPÖ, ebenso: Bereits die Hälfte der Einkommensbezieher ist von jeglicher Einkommenssteuer befreit. Bleibt der breite Mittelstand, der die Kosten des Staats tragen muss. Jener Mittelstand, der die Wirtschaft in Schwung hält. Jener Mittelstand, der ganz gut verdient und dem am Monatsletzten trotzdem nur wenig auf dem Konto bleibt. Unter anderem deshalb, weil die Einkommenssteuer bei ihm gnadenlos zuschlägt. Auch wenn die in diesen Tagen erstmals spürbar werdende Steuerreform die Situation ein wenig verbessert. So lang, bis die kalte Progression die kleine Entlastung wegfrisst. Der Mittelstand allein wird die Kosten der Staatssanierung nicht tragen können. Die Diskussion über ein neues Steuersystem ist daher notwendig. Doch sie muss abseits der alten Pfade geführt werden.
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