Inoffizielle Übersetzung Das Original in englischer Sprache ist beigefügt
Prof. Dr. Justin Mc Carthy Abteilung für Geschichte University of Louisville, Kentucky
Die Wahrheit über das ArmenienProblem im Osmanischen Reich*
*Dieser Text ist die Niederschrift einer Rede von Prof. Dr. Justin Mc Carthy vom 24. März 2005 in Ankara vor türkischen Abgeordneten.
Die Geschichte Die osmanischen Provinzen Der Konflikt zwischen den Türken und den Armeniern war nicht unvermeidbar. Die beiden Völker hätten befreundet sein sollen. Als der Erste Weltkrieg begann, lebten Armenier und Türken seit 800 Jahren zusammen. Die Armenier Anatoliens und Europas waren osmanische Untertanen seit beinahe 400 Jahren. Im Verlauf dieser Jahrhunderte gab es Probleme – Probleme, die besonders von jenen verursacht wurden, die das Osmanische Reich angriffen und letztendlich zerstörten. Jeder im Reich litt, aber die Türken und Moslems litten am meisten. Gemessen an den rein wirtschaftlichen und sozialen Standards ging es den Armeniern unter der osmanischen Herrschaft gut. Im späten 19. Jahrhundert waren die Armenier in jeder osmanischen Provinz besser ausgebildet und reicher als die Moslems. Die Armenier arbeiteten hart, das ist wahr, doch ihr verhältnismäßiger Reichtum beruht weitgehend auf dem europäischen und amerikanischen Einfluss und der osmanischen Toleranz. Europäische Händler machten osmanische Christen zu ihren Beauftragten. Europäische Händler gaben ihnen ihr Geschäft. Europäische Konsuln intervenierten zu ihren Gunsten. Die Armenier profitierten von der Ausbildung durch amerikanische Missionare, die ihnen – und nicht den Türken – gewährt wurde. Während sich das Leben der Armenier als Gruppe verbesserte, durchlebten die Moslems einige der größten Leiden, die die moderne Geschichte erfahren hat: Im 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert wurden Bosnier von Serben massakriert, Russen töteten und schickten Kirgisen, Abchasen und Laz ins Exil und Türken wurden von Russen, Bulgaren, Griechen und Serben getötet und aus ihrer Heimat vertrieben. Dennoch verbesserte sich in Mitten dieses Leids der Moslems die politische Situation der osmanischen Armenier kontinuierlich. Zuerst wurden Christen und Juden gleiche Rechte im Gesetz garantiert. Zudem wurden gleiche Rechte zunehmend Wirklichkeit. Christen nahmen hohe Positionen in der Regierung ein. Sie wurden Botschafter, Finanzbeamte und sogar Außenminister. In vielerlei Hinsicht wurden die Rechte der Christen in der Tat bedeutender als die der Moslems, da europäische Staaten zu ihren Gunsten intervenierten. Die Europäer forderten und erhielten eine besondere Behandlung für Christen. Die Moslems hatten solche Vorteile nicht. Dies war das Umfeld, in dem die Armenier gegen das Osmanische Reich revoltierten – Hunderte von Jahren des Friedens, der wirtschaftlichen Überlegenheit, der sich ständig verbessernden politischen Bedingungen. Dies scheint kein Grund für eine Revolution zu sein. Dennoch lag im 19. Jahrhundert der Beginn des armenischen Aufstandes, der in ein Desaster für beide gipfelte. Was brachte die Armenier und Türken auseinander?
Die russische Expansion Die Russen Zuallererst gab es die Russen. Regionen, in den Christen und Moslems relativ friedlich zusammenlebten, wurden auseinandergerissen, als die Russen in die moslemischen kaukasischen Gebiete eindrangen. Die meisten Armenier waren wahrscheinlich neutral, doch ein bedeutender Teil stellte sich auf die Seite der Russen. Die Armenier dienten als Spione und bildeten sogar bewaffneten Truppenverbände für die Russen. Es gab beachtliche Vorteile für die Armenier: Die Russen nahmen 1828 die Provinz Eriwan, die heutige armenische
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Republik, ein. Sie vertrieben die Türken und gaben das türkische Land steuerfrei an die Armenier. Die Russen wussten, dass die Türken, wenn sie blieben, immer Feinde ihrer Eroberer sein würden, so dass sie diese durch eine befreundete Bevölkerung, die Armenier, ersetzten. Das aufgezwungene Exil der Moslems dauerte bis in die ersten Tage des Ersten Weltkrieges an: 300 000 Krimtartaren, 1,2 Millionen Kirgisen und Abchasen, 40 000 Laz und 70 000 Türken. Die Russen marschierten in Anatolien im Krieg von 1877/78 ein und wieder schlossen sich viele Armenier der russischen Seite an. Sie dienten als Kundschafter und als Spione. Die Armenier wurden die „Polizei“ in den besetzten Gebieten und verfolgten die türkische Bevölkerung. Im Friedensvertrag von 1978 wurde ein großer Teil des nordöstlichen Anatoliens an die Osmanen zurückgegeben. Die Armenier, die den Russen geholfen hatten, fürchteten Rache und flohen, obwohl die Türken tatsächlich keine Rache nahmen. Sowohl die Moslems als auch die Armenier erinnerten sich an die Ereignisse der russischen Invasion. Die Armenier konnten sehen, dass sie wahrscheinlich mehr prosperieren würden, wenn die Russen gewinnen. Land, das es umsonst gibt, auch wenn es von den Moslems gestohlen wurde, war ein mächtiger Anreiz für die armenischen Bauern. Die aufständischen osmanischen Armenier hatten in Russland einen starken Beschützer gefunden. Die Rebellen hatten auch eine Basis in Russland, von wo aus sie den Aufstand organisieren und Männer und Gewehre in das Osmanische Reich schmuggeln konnten. Die Moslems wussten, dass die Russen für die Armenier Schutzengel und für die Moslems Teufel waren. Sie konnten dies erkennen, als die Russen die Moslems, die ihr Land und ihr Leben verloren, besiegten. Sie wussten, was passieren würde, wenn die Russen wiederkommen würden. Und sie konnten sehen, dass die Armenier auf der Seite der Russen waren. Auf diese Weise wurden 800 Jahre des friedlichen Zusammenlebens aufgelöst. Die armenischen Revolutionäre Nicht erst als die russischen Armenier ihre nationalistische Ideologie in das östliche Anatolien brachten, wurde der armenische Aufstand eine wirkliche Bedrohung für den osmanischen Staat. Obgleich es andere gab, führten zwei Parteien von Nationalisten den armenischen Aufstand an. Die Erste, die Revolutionäre Partei Hunchakian, genannt die Hunchaken, wurde 1887 in Genf in der Schweiz von Armeniern aus Russland gegründet. Die Zweite, die Armenische Revolutionäre Föderation, genannt Daschnaken, wurde 1890 in Tiflis im Russischen Reich gegründet. Beide waren marxistisch. Ihre Methoden waren gewalttätig. Die Manifeste der Hunchak- und der Daschnak-Partei riefen zur bewaffneten Revolution im Osmanischen Reich auf. Terrorismus, einschließlich der Ermordung sowohl von osmanischen Beamten als auch von Armeniern, die sich ihnen widersetzten, war Teil ihres Parteiprogramms. Obwohl beide Parteien marxistisch waren, machten beide Gruppen den Nationalismus zu einem wesentlichen Teil ihrer Philosophie der Revolution. In diesem Punkt waren sie sehr wie die nationalistischen Revolutionäre Bulgariens, Mazedoniens oder Griechenlands.
Die Bevölkerung Anders als die griechischen oder bulgarischen Revolutionäre hatten die Armenier ein demografisches Problem. In Griechenland war die Mehrheit der Bevölkerung griechisch. In
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Bulgarien war die Mehrheit bulgarisch. In den Gebieten, die jedoch die Armenier beanspruchten, waren die Armenier nur eine ziemlich kleine Minderheit. Die Region, die „Osmanisch Armenien“ genannt wurde, die „6 Vilayets (Provinzen)“ von Sivas, Mamüretülaziz, Diyarbakır, Bitlis, Van und Erzurum, war nur zu 17 % armenisch. Diese war zu 78 % moslemisch. Dies hatte wichtige Folgen für die armenische Revolution, da der einzige Weg, das „Armenien“ zu schaffen, das die Revolutionäre wollten, darin bestand, die Moslems, die dort lebten, zu vertreiben. Jeder, der an den Absichten der Revolutionäre zweifelt, muss sich nur ihre Straftaten ansehen – Taten wie die Ermordung des Gouverneurs der Provinz Van und den versuchten Mord an einem anderen Gouverneur, die Ermordung von Polizeichefs und anderen Beamten sowie das versuchte Attentat auf Sultan Abdülhamid II. Sie waren radikale Nationalisten, die sich im Krieg mit dem osmanischen Staat befanden.
Schmuggelwege In den Jahren 1890 begannen die russischen armenischen Revolutionäre in der Tat das Osmanische Reich zu infiltrieren. Sie schmuggelten Gewehre, Patronen, Dynamit und Kämpfer über die schwach verteidigte Grenze in die Provinzen Van, Erzurum und Bitlis entlang der Wege, die auf der Karte gezeigt werden. Die Osmanen waren zu schlecht ausgerüstet, um sie zu bekämpfen. Das Problem war finanzieller Art. Die Osmanen litten noch unter den schrecklichen Verlusten aus dem Krieg von 1877-78 mit Russland. Sie litten unter den Kapitulationen, den Schulden und unter den räuberischen europäischen Bankiers. Es muss auch zugegeben werden, dass die Osmanen schlechte Ökonomen waren. Das Ergebnis war ein Fehlen von Geld, um die neue Polizei und die Militärverbände zu unterstützen, die gebraucht wurden, um die Revolutionäre zu bekämpfen und die kurdischen Banden in den Schranken zu halten. Die Zahl der Soldaten und Gendarmen im Osten war nie ausreichend und sie wurden jeweils oft monatelang nicht bezahlt. Es war unmöglich, die Rebellen mit so geringen Ressourcen zu bezwingen. Die bei weitem erfolgreichsten Revolutionäre waren die Daschnaken. Daschnaken aus Russland waren die Anführer des Aufstandes. Sie waren die Organisatoren und die „Durchführenden“, die die Armenier Anatoliens zu aufständischen Soldaten umwandelten. Dies war keine einfache Aufgabe, da zuerst die meisten der osmanischen Armenier nicht den Wunsch hatten zu rebellieren. Sie zogen den Frieden und die Sicherheit vor und waren gegen die atheistischen, sozialistischen Revolutionäre. Ein Gefühl des Separatismus und sogar der Überlegenheit unter den Armeniern half den Revolutionären, doch die Hauptwaffe, die die Armenier des Ostens zu Rebellen verwandelte, war der Terrorismus. Der Hauptgrund, der die Armenier gegen die Regierung einte, war Angst. Bevor die Armenier zu Aufständischen wurden, musste ihre traditionelle Loyalität zu ihrer Kirche und den Führern ihrer Gemeinden zerstört werden. Die Rebellen begriffen, dass die Armenier die größte Liebe und den meisten Respekt für ihre Kirche und nicht für die Revolution fühlten. Die Daschnak-Partei nahm sich aus diesem Grund vor, die effektive Kontrolle über die Kirche zu übernehmen. Die meisten Geistlichen unterstützten jedoch nicht die atheistischen Daschnaken. Die Kirche konnte nur mit Gewalt übernommen werden. Was geschah mit den armenischen Geistlichen, die sich den Daschnaken entgegenstellten? Die Priester in den Dörfern und Städten wurden getötet. Ihr Vergehen? Sie waren loyale
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osmanische Untertanen. Der armenische Bischof von Van, Boghos, wurde von den Revolutionären in seiner Kathedrale am Heiligabend ermordet. Sein Verbrechen? Er war ein loyaler osmanischer Untertan. Die Daschnaken versuchten den armenischen Patriarchen in Istanbul, Malachia Ormanian, zu töten. Sein Verbrechen? Er stellte sich den Revolutionären entgegen. Arsen, der leitende Priester der wichtigen Akhtamar Kirche in Van, dem religiösen Zentrum der Armenier im Osmanischen Reich, wurden von Ishkhan, einem der Führer der Daschnaken in Van ermordet. Sein Verbrechen? Er stellte sich den Daschnaken entgegen. Es gab aber einen zusätzlichen Grund, ihn zu töten: Die Daschnaken wollten das armenische Bildungssystem übernehmen, das in Akhtamar seinen Sitz hatte. Nachdem Vater Arsen ermordet wurde, wurde der Daschnak Aram Manukian, ein Mann ohne bekannten religiösen Glauben, Chef der armenischen Schulen. Er beendete die religiöse Ausbildung und begann eine revolutionäre Erziehung. So genannte „religiöse Lehrer“ breiteten sich in der Provinz Van aus und lehrten die Revolution und nicht die Religion. Die Loyalität der Aufständischen galt der Revolution. Nicht einmal ihre Kirche war vor ihren Angriffen sicher. Die andere Gruppe, die die Macht der Rebellen am meisten bedrohte, war die Klasse der armenischen Kaufleute. Als Gruppe bevorzugten sie die Regierung. Sie wollten Frieden und Ordnung, so dass sie ihren Geschäften nachgehen konnten. Sie waren die traditionellen weltlichen Führer der armenischen Gemeinde; die Rebellen wollten die Gemeinde selbst führen, so dass die Kaufleute zum Schweigen gebracht werden mussten. Jene, die ganz öffentlich ihre Regierung unterstützten, wie Bedros Kapamaciyan, der Bürgermeister von Van, und Armarak, der Gouverneur von Gevaş, wurden ebenso wie zahlreiche armenische Polizisten, mindestens ein armenischer Polizeichef und die armenische Berater der Regierung ermordet. Nur ein sehr mutiger Armenier würde sich auf die Seite der Regierung stellen. Die Daschnaken sahen auf die Kaufleute als eine Geldquelle. Die Kaufleute hätten nie bereitwillig für die Revolution gespendet. Sie mussten dazu gezwungen werden. Der erste Fall von Erpressung von Kaufleuten, über den berichtet wurde, stammte aus dem Jahr 1895 aus Erzurum, kurz nachdem die Daschnak-Partei in den osmanischen Gebieten aktiv wurde. Die Kampagne begann in der Tat im Jahr 1901. In diesem Jahr wurde die Erpressung von Geldmitteln durch Bedrohung und Attentate die offizielle Politik der Daschnak-Partei. Die Kampagne wurde sowohl in Russland als auch auf dem Balkan und im Osmanischen Reich durchgeführt. Ein prominenter Kaufmann, Isahag Zhamharian, weigerte sich zu zahlen und zeigte die Daschnaken bei der Polizei an. Er wurde im Hof der armenischen Kirche ermordet. Andere, die nicht zahlten, wurden auch getötet. Der Rest der Kaufleute zahlte dann. Von 1902 bis 1904 brachte die wichtigste Erpressungskampagne im heutigen Gegenwert eine Summe von mehr als 8 Millionen Dollar. Und dies war nur der Betrag, der vom zentralen Komitee der Daschnak in einer kurzen Zeit, fast alles außerhalb des Osmanischen Reiches, gesammelt wurde. Er enthält nicht die Beträge, die von 1895 bis 1914 in vielen Gegenden des Osmanischen Reiches erpresst wurden. Bald bezahlten die Kaufleute ihre Steuern an die Revolutionäre und nicht an die Regierung. Als die Regierung in Van verlangte, dass die Kaufleute ihre Steuern bezahlten, plädierten die Kaufleute, dass sie tatsächlich ihre Steuern gezahlt hatten, jedoch an die Revolutionäre. Sie sagten, dass sie nur an die Regierung zahlen könnten, wenn die Regierung sie vor den Rebellen schützen würde. Dieselbe Bedingung herrschte überall im östlichen Anatolien, in Izmir, in Kilikien und anderswo.
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Die einfachen armenischen Leute entkamen der Erpressung der Rebellen nicht. Sie wurden gezwungen, die Revolutionäre mit Nahrung zu versorgen und zu beherbergen. Der britische Konsul Elliot berichtete: “Sie [die Daschnaken] quartierten sich selbst in den christlichen Dörfern ein, lebten von dem Besten, was zu bekommen war, trieben die Beiträge zu ihren Fonds ein und machten die jüngeren Frauen und Mädchen ihrem Willen unterwürfig. Diejenige, die sich ihren Missmut zuzogen, wurden kaltblütig ermordet.“ Die größten Kosten für die Dorfbewohner stellten die erzwungenen Gewehrkäufe dar. Die Dorfbewohner wurden zu aufständischen „Soldaten“, ob sie dies wollten oder nicht. Wenn sie die Türken bekämpfen wollten, dann bräuchten sie Waffen. Die Revolutionäre schmuggelten Waffen aus Russland und zwangen die armenischen Dorfbewohner, diese zu kaufen. Die Methoden, mit denen die Dorfbewohner zum Kauf gezwungen wurden, waren sehr effektiv, wie der britische Konsul Seele berichtete: „Ein Agent kam in einem bestimmten Dorf an und teilte einem Dorfbewohner mit, dass er eine Mauser-Pistole kaufen müsste. Der Dorfbewohner antwortete, dass er kein Geld habe, worauf der Agent erwiderte: „Du musst deinen Ochsen verkaufen“. Der arme Dorfbewohner schickte sich an zu erklären, dass die Zeit der Saat bald kommen würde und fragte, wie es ihm eine Mauser-Pistole ermöglichen sollte, seine Felder zu pflügen. Als Antwort schickte sich der Agent an, mit seiner Pistole den Ochsen des armen Mannes zu Grunde zu richten und ging dann.“ Die Rebellen hatten mehr als die militärische Organisation im Sinn, wenn sie die Dorfbewohner zwangen, Waffen zu kaufen. Den Dorfbewohner wurde das Doppelte der normalen Kosten für die Waffen berechnet. Ein Gewehr im Wert von 5 £ wurde für 10 £ verkauft. Sowohl die Rebellenorganisation als auch die Rebellen selbst profitierten von den Verkäufen. Es waren die Bauern, die am meisten litten. Die grundlegende Politik der Revolutionäre bestand in einer gefühllosen Ausnutzung des Lebens der Armenier: Kurdische Banden und ihre Dörfer wurden von den Rebellen angegriffen, wohlwissend, dass die Banden Rache an unschuldigen armenischen Dorfbewohner üben würden. Die Revolutionäre flohen und überließen es ihren armenischen Mitbürgern zu sterben. Sogar Europäer, die Freunde der Armenier, konnten sehen, dass die Revolutionäre der Grund für den Fluch waren, der das östliche Anatolien überfiel. Konsul Seele schrieb 1911: „Von dem, was ich in Teilen des Landes, die ich besucht habe, gesehen habe, wurde ich mehr denn je von dem schädlichen Einfluss des Daschnak-Komitees auf das Wohlergehen der Armenier und auf diesen Teil der Türkei im Allgemeinen überzeugt. Es ist unmöglich, die Tatsache zu übersehen, dass Armenier an allen Orten, wo es keine armenischen politischen Organisationen gibt oder wo diese Organisationen unvollständig entwickelt sind, in relativer Harmonie mit Türken und Kurden zusammenleben.“ Der Engländer sah zu Recht, dass die Ursache für die Unruhe im Osten die armenischen Revolutionäre waren. Wenn es keine Daschnaken gegeben hätte, würden Türken und Armenier in Frieden zusammenleben. Die osmanische Regierung wusste, dass dies wahr war. Warum erduldete die Regierung so viel von den Rebellen? Warum merzte die Regierung sie nicht aus?
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Der Fehler der Osmanen, sich den Rebellen wirksam entgegenzustellen, ist in der Tat schwer zu verstehen. Stellen Sie sich ein Land vor, in dem eine Anzahl von radikalen Revolutionären, die meisten von ihnen aus einem fremden Land, einen Aufstand organisieren. Sie schleusen Kämpfer und Waffen aus diesem fremden Land ein, um ihren Angriff auf die Regierung und das Volk zu führen. Die Radikalen erklären offen, dass sie einen Staat schaffen wollen, in dem die Mehrheit der Bevölkerung von der Herrschaft ausgeschlossen wird. Sie ermorden und terrorisieren ihr eigenes Volk, um sie dazu zu zwingen, ihrer Sache beizutreten. Sie ermorden Regierungsbeamte. Sie ermorden absichtlich Angehörige der Mehrheit in der Hoffnung, dass die Vergeltungsmaßnahmen andere Nationen dazu bewegen, einzumarschieren. Sie lagern Tausende von Waffen in Vorbereitung auf den Aufstand. Sie revoltieren, werden besiegt und revoltieren dann wieder und wieder. Das Land, dass am meisten durch die Aktionen der Rebellen gewinnt, ist das Land, aus dem sie kommen – das Land, in dem sie sich organisieren, das Land, in dem sie ihre Heimatbasis haben. Welche Regierung würde dies tolerieren? Hat es je ein Land gegeben, dass solche Rebellen nicht einsperren und wahrscheinlich hängen würde? Hat es je ein Land gegeben, dass es ihnen erlauben würde, weiterhin offen zu operieren? Ja. Dieses Land war das Osmanische Reich. Im Osmanischen Reich agierten die armenischen Rebellen offen, lagerten Tausende von Waffen, ermordeten Moslems und Armenier, töteten Gouverneure und sonstige Beamte und rebellierten immer wieder. Das einzige Land, das wirklich von ihren Aktionen profitierte, war Russland – das Land, in dem sie sich organisierten, das Land, aus dem ihre Führer kamen. Wie konnte dies geschehen? Die Osmanen waren keine Angsthasen. Die Osmanen waren keine Narren. Sie wussten, was die Rebellen taten. Die Osmanen tolerierten die armenischen Revolutionäre, weil die Osmanen keine Wahl hatten. Es muss daran erinnert werden, dass die Existenz des Osmanischen Reiches auf dem Spiel stand. Serbien, Bosnien, Rumänien, Griechenland und Bulgarien gingen bereits aufgrund europäischer Interventionen verloren. Die Europäer hatten das Reich 1878 beinahe geteilt und planten, dies in den Jahren 1890 zu vollenden. Nur die Furcht, dass Russland zu mächtig werden würde, hatte sie davon abgehalten. Die öffentliche Meinung in Großbritannien und Frankreich könnte dies leicht ändern. Dies war in der Tat genau das, was die armenischen Rebellen wollten. Sie wollten, dass die Osmanen armenische Rebellen einsperrten und hinrichteten. Die europäischen Zeitungen würden darüber als Verfolgung von unschuldigen Armeniern durch die Regierung berichten. Sie wollten, dass die Regierung die revolutionären armenischen Parteien verfolgte. Die europäischen Zeitungen würden darüber als das Verwehren der politischen Freiheit für die Armenier berichten. Sie wollten, dass die Moslems auf die armenischen Provokationen und Angriffe reagieren, in dem sie Armenier töten. Die europäischen Zeitungen würden nur über die toten Armenier und nicht über die toten Moslems berichten. Die öffentliche Meinung würde die Briten und Franzosen drängen, mit den Russen zu kooperieren und das Reich zu zersplittern. Viele Politiker in Europa, Männer wie Gladstone, waren ebenso wie die Presse und die Öffentlichkeit gegenüber den Türken voreingenommen. Sie warteten einfach auf die richtige Gelegenheit, um das Osmanische Reich zu zerstören. Das Ergebnis war, dass es für die Osmanen nahezu unmöglich war, die Rebellen richtig zu bestrafen. Die Europäer verlangten, dass die Osmanen Taten der Revolutionäre hinnahmen, die die Europäer selbst in ihren Besitzungen nie toleriert hätten. Als die Daschnaken die Osmanische Bank besetzten, arrangierten die Europäer ihre Freilassung. Die europäischen
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Botschafter drängten die Osmanen, den Rebellen in Zeytun Straferlass zu gewähren. Sie vereinbarten einen Straferlass für diejenigen, die versucht hatten, Sultan Abdülhamid II. zu töten. Die russischen Konsuln würden Daschnak-Rebellen nicht von osmanischen Gerichten verurteilen lassen, da sie russische Untertanen waren. Viele Rebellen, die erfolgreich verurteilt und überführt wurden, wurden freigelassen, da die Europäer im Wesentlichen, indem sie dem Sultan drohten, wenn er die Rebellen und Mörder nicht freiließ, Straferlass verlangten und erreichten. Ein russischer Konsul in Van trainierte sogar öffentlich armenische Rebellen, indem er persönlich als ihr Waffenausbilder agierte. Alles, was die Osmanen tun konnten, bestand darin, die Dinge so ruhig wie möglich zu halten. Dies bedeutete, die Rebellen nicht so zu bestrafen, wie sie bestraft werden sollten. Man kann die Osmanen nur bedauern. Sie wussten, dass das Ergebnis, wenn sie korrekt regierten, der Tod ihres Staates sein würde. Der Erste Weltkrieg Es waren zwei Faktoren, die die Niederlage der Osmanen im Ersten Weltkrieg verursachten: Der Erste war der verhängnisvolle Angriff Enver Paşas bei Sarıkamış. Der Angriff von Enver auf Russland war in jeder Hinsicht ein Desaster. Von den 95 000 Mann der türkischen Truppen, die Russland angriffen, starben 75 000. Der zweite Faktor, derjenige, der uns hier interessiert, war der armenische Aufstand.
Das verlassene Gebiet Als der Erste Weltkrieg auszubrechen drohte und die osmanische Armee mobil machte, schlugen sich die Armenier, anstatt ihrem Land zu dienen, auf die Seite der Russen. Die osmanische Armee berichtete: “Die Armenier mit einem Einberufungsbefehl, die in den Städten und Dörfern östlich der Linie Hopa-Erzurum-Hınıs-Van lebten, kamen diesem nicht nach, sondern schickten sich an, sich östlich der Grenze der Organisation in Russland anzuschließen.” Die Folgen davon sind offensichtlich: Hätten die jungen Armenier des “verlassenen Gebietes” in der Armee gedient, hätten sie mehr als 50 000 Mann bereitgestellt. Hätten sie gedient, hätte es die Niederlage von Sarıkamış niemals gegeben. Die Armenier im Gebiet um Hopa, Erzurum, Hınıs und Van waren nicht die einzigen Armenier, die nicht dienten. Zehntausende Armenier in Sivas, die Freischärlerbanden bildeten, dienten ebenso nicht. Die Rebellen in Zeytun und in anderen Orten in Kilikien dienten auch nicht. Die Armenier, die auf die griechischen Inseln, nach Ägypten oder Zypern flohen, dienten nicht. Genauer gesagt dienten viele dieser jungen armenischen Männer schon, sie dienten jedoch in den Armeen der Feinde der Osmanen. Sie verteidigten ihre Heimat nicht, sie griffen diese an. Im östlichen Anatolien schlossen sich die Armenier zu Banden zusammen und führten einen Guerillakrieg gegen die Regierung. Andere flohen, um mit der russischen Armee wieder zurückzukommen und den russischen Invasoren als Kundschafter und Vortrupps zu dienen. Diejenigen, die zurückblieben, stellten die größte Gefahr für die osmanischen Kriegsanstrengungen und für das Leben der Moslems im östlichen Anatolien dar. Armenische Nationalisten behaupteten oft, dass der Befehl der Osmanen zur Deportation der Armenier nicht auf den Armenieraufstand zurückgeht. Als Beleg hierfür führen sie an, dass
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das Deportationsgesetz im Mai 1915 veröffentlicht wurde, genau zu dem Zeitpunkt, als die Armenier die Stadt Van eroberten. Entsprechend dieser Logik müssten die Osmanen die Deportation einige Zeit vor diesem Zeitpunkt geplant haben, so dass der Aufstand nicht die Ursache für die Deportationen war. Es trifft zu, dass die Osmanen begannen, die Möglichkeit der Deportation wenige Monate vor dem Mai 1915 in Betracht zu ziehen. Es ist jedoch nicht zutreffend, dass im Mai 1915 der Armenieraufstand begann. Dieser hatte bereits vor längerem begonnen. Europäische Beobachter wussten lange vor 1914, dass sich die Armenier im Falle eines Krieges der russischen Seite anschließen würden. Schon 1908 hatte der britische Konsul Dickson berichtet: „Die Aufständischen in Van und Salmas [im Iran] wurden durch ihr Komitee in Tiflis davon in Kenntnis gesetzt, dass sie sich im Falle eines Krieges auf die Seite der Russen und gegen die Türkei stellen werden. Ohne die Unterstützung der Russen konnten sie rund 3 500 bewaffnete Scharfschützen mobilisieren, um die Türken und ihre Kommunikationslinien über die Grenze hinweg zu stören.“ Britische diplomatische Quellen meldeten, dass sich 1913 in Vorbereitung auf den Krieg aufständische Armeniergruppen trafen und sich darauf verständigten, ihre Anstrengungen gegen die Osmanen aufeinander abzustimmen. Die Briten berichteten, dass dieses Bündnis das Ergebnis der Treffen mit den “russischen Behörden” war. Der Führer der Daschnaken (und Mitglied des osmanischen Parlaments) Vramian war nach Tiflis gegangen, um sich mit den russischen Behörden zu beraten. Die Briten berichteten ebenso, dass „[Die Armenier] jeden Anschein von Loyalität, den sie einst besaßen, abwarfen und die Aussicht auf eine Besetzung der armenischen Provinzen durch die Russen offen begrüßten.” Selbst die Führer der Daschnaken räumten ein, dass die Daschnaken Verbündete der Russen waren. Der Daschnake Hovhannes Katchaznouni, Premierminister der Republik Armenien, erklärte, dass der Plan der Partei zu Beginn des Krieges lautete, sich mit den Russen zu verbünden. Seit 1910 verteilten die Aufständischen im östlichen Anatolien ein Pamphlet. Es veranschaulichte, wie die armenischen Dörfer in regionalen Kommandos organisiert und wie die muslimischen Dörfer angegriffen werden sollten, und zeigte die Besonderheiten der Guerillakriegsführung auf. Vor dem Ausbruch des Krieges berichtete der osmanische Militärgeheimdienst über die Pläne der Daschnaken: Sie würden ihre Loyalität gegenüber dem osmanischen Staat erklären, aber die Bewaffnung ihrer Anhänger verstärken. Sollte der Krieg erklärt werden, würden die armenischen Soldaten mit ihren Waffen zu der russischen Armee desertieren. Die Armenier würden nichts unternehmen, wenn die Osmanen anfingen, die Russen zu besiegen. Wenn die Osmanen anfingen, sich zurückzuziehen, würden sich die Armenier zu bewaffneten Guerillabanden zusammenschließen und gemäß dem Plan angreifen. Die Berichte des osmanischen Geheimdiensts stimmten, denn genau dies geschah.
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Der Krieg Die Russen gaben den Daschnaken 2,4 Mio. Rubel, um die osmanischen Armenier zu bewaffnen. Im September 1914 fingen sie damit an, Waffen an die Armenier im Kaukasus und im Iran zu verteilen. Sieben Monate vor dem Deportationsbefehl begannen in diesem Monat die Angriffe der Armenier auf osmanische Soldaten und Beamte. Deserteure der osmanischen Armee formierten sich zunächst etwas, was die Beamten „Räuberbanden“ nannten. Sie griffen Einberufungsbeamte, Steuereintreiber, Gendarmerievorposten und Moslems, die unterwegs waren, an. Im Dezember war in der Provinz Van ein Generalaufstand ausgebrochen. Straßen und Telegraphenleitungen wurden unterbrochen, Gendarmerievorposten angegriffen, moslemische Dörfer angezündet und ihre Bewohner ermordet. Der Aufstand breitete sich bald aus: Im Dezember fügte eine große armenische Kampfeinheit nahe des Kotur-Passes, den die Osmanen zur Verteidigung gegen eine russische Invasion vom Iran aus halten mussten, der osmanischen Armee eine Niederlage zu, indem sie 400 osmanische Soldaten umbrachte und die Armee dazu zwang, sich nach Saray zurückzuziehen. Doch zu Angriffen kam es nicht nur in Van: Tahsin, der Gouverneur von Erzurum, telegraphierte, die armenischen Angriffe, die sich in der gesamten Provinz ereigneten, nicht abwehren zu können, so dass Soldaten von der Front geschickt werden sollten. Im Februar kamen Berichte von Angriffen aus dem gesamten Osten – eine zweistündige Schlacht bei Muş, eine achtstündige Schlacht in Abaak, 1000 angreifende Armenier nahe Timar, angreifende armenische Banden in den Provinzen Sivas, Erzurum, Adana, Diyarbakır, Bitlis und Van. Die Telegraphenleitungen, die zur Front und von den osmanischen Städten in den Westen führten, wurden unterbrochen, mehrmals repariert und erneut unterbrochen. Versorgungskarawanen der Armee ebenso wie Kolonnen verletzter Soldaten wurden angegriffen. Selbst Gendarmerie- und Soldateneinheiten, die zur Reparatur der Telegraphenleitungen oder zum Schutz der Versorgungskolonnen gesandt worden waren, wurden angegriffen. Als ein Beispiel für das ungeheure Ausmaß dieses Problems forderte Çatak Mitte April eine ganze Division von Gendarmerietruppen aus Hakkari an, um einen größeren Aufstand niederzuschlagen. Die Division konnte jedoch die armenische Verteidigung nicht durchbrechen. Sobald die sorgfältigen Vorbereitungen abgeschlossen waren, revoltierten die Armenier in der Stadt Van. Am 20. April nahmen gut bewaffnete armenische Einheiten – die meisten von ihnen in Militäruniformen – die Stadt ein und trieben die osmanischen Truppen in die Zitadelle. Die Rebellen brannten die Stadt größtenteils nieder, einige Gebäude wurden auch durch die beiden Kanonen, die die Osmanen in der Zitadelle hatten, zerstört. Aus Erzurum und von der iranischen Front wurden Truppen entsandt, sie waren jedoch nicht imstande, die Stadt zu befreien. Die Russen und Armenier stießen vom Norden und Südwesten vor. Am 17. Mai räumten die Osmanen die Zitadelle. Soldaten und Zivilisten kämpften sich nach Südwesten bis in das Gebiet um den Van-See durch. Einige nahmen sich auf dem See Boote, die Hälfte von ihnen wurden jedoch von Rebellen, die von der Küste aus feuerten, ermordet oder starben, weil ihre Boote auf Grund liefen. Einige der Moslems aus Van überlebten zumindest noch einige Zeit unter der Obhut amerikanischer Missionare. Die meisten, die nicht geflohen waren, kamen ums Leben. Dorfbewohner wurden entweder in ihren Häusern umgebracht oder aus den umliegenden Gebieten zusammengetrieben und in das große Massaker bei Zeve geschickt.
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Das darauf folgende Leid der Moslems und Armenier ist hinreichend bekannt. Es ist die Geschichte einer blutigen Kriegsführung zwischen Völkern, die eine große Zahl von Menschenleben zu beklagen haben. Als die Osmanen den Osten größtenteils zurückeroberten, floh die armenische Bevölkerung nach Russland. Dort verhungerte sie oder starb an Krankheit. Als die Russen die Provinzen Van und Bitlis zurückeroberten, erlaubten sie den Armeniern nicht zurückzukehren und ließen sie im Norden verhungern. Die Russen wollten das Land für sich haben. Es ist auch hinreichend bekannt, dass die in der Provinz Erzurum verbliebenen Armenier gegen Ende des Krieges an einer großen Zahl von Moslems Massaker verübten. Ich möchte hier diese Geschichte nicht noch einmal erzählen. Ich möchte nur aufzeigen, dass die Osmanen die Armenier berechtigterweise als ihre Feinde ansahen, falls weitere Beweise nötig sind. Die Landkarte ist ein Beweis dafür, dass die armenischen Rebellen in Wirklichkeit Agenten Russlands waren. Die Armenier im Osten des Osmanischen Reiches rebellierten genau in den Gebieten, die wichtig für Russland waren. Der Nutzen des Aufstandes in der Stadt Van, dem Zentrum der osmanischen Verwaltung im Südosten, ist offensichtlich. Die anderen Orte des Aufstandes waren in der Tat wichtiger: Der Aufstand in der Provinz Erzurum schnitt die Versorgungsund Kommunikationslinien der osmanischen Armee ab. Der Aufstand fand unmittelbar auf der Vormarschlinie der Russen aus Richtung Norden statt. Die Armenier rebellierten in den Regionen Saray und Başkale, an den beiden wichtigen Pässen, auf die die Russen bei ihrer Invasion vom Iran her angewiesen waren. Die Armenier rebellierten in der Region nahe Çatak, an den Bergpässen, die die Osmanen für die Entsendung von Truppen an die iranische Grenze und für ihren Rückzug brauchten. Die Armenier rebellierten in großer Zahl in der Provinz Sivas und in Şebinkarahisar, was als ein sonderbarer Ort für einen Aufstand erscheint, ist es doch eine Region, in der die Moslems in einem Verhältnis von zehn zu eins den Armeniern zahlenmäßig überlegen waren. Sivas war jedoch aus taktischen Gründen wichtig. Es war der Endbahnhof, von dem aus die gesamte Versorgung und alle Männer zur Front gingen, hauptsächlich entlang einer einzigen Strecke. Es war der perfekte Ort für Guerillaaktionen, um die osmanischen Versorgungslinien zu stören. Die Armenier rebellierten auch in Kilikien, der anvisierten Stelle für die britische Invasion, was die Bahnverbindungen in den Süden unterbrochen hätte. Es war nicht die Schuld der Rebellen, dass die Briten das wahnsinnige Unterfangen von Gallipoli versuchten, anstatt Kilikien anzugreifen, was sicherlich erfolgreicher gewesen wäre. All diese Regionen waren genau die Ziele, die ein Militärplaner ausgesucht hätte, um den Kriegsanstrengungen der Osmanen am meisten zu schaden. Es kann kein Zufall sein, dass sich auch die Rebellen diese Orte für ihre Aufstände ausgesucht haben. Es ist für jeden zu sehen, dass diese Aufstände eine Katastrophe für die osmanische Armee darstellten. Die Katastrophe wurde durch den Umstand weiter verschlimmert, dass die Osmanen gezwungen waren, ganze Einheiten von der Front abzuziehen, um die armenischen Rebellen zu bekämpfen. Der Krieg hätte ganz anders verlaufen können, wenn diese Divisionen in der Lage gewesen wären, nicht gegen die Rebellen, sondern gegen die Russen zu kämpfen. Ich stimme mit Feldmarschall Pomiankowski, dem einzig wahren europäischen Historiker des Ersten Weltkrieges im Osmanischen Reich, überein, dass der Armenieraufstand der Schlüssel für die Niederlage der Osmanen im Osten war. Nur sieben Monate nach dem Armenieraufstand ordneten die Osmanen die Deportation der Armenier an (26.- 30. Mai 1915).
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Die osmanischen Akten Woher wissen wir, dass diese Analyse wahr ist? Sie unterscheidet sich letzten Endes von dem, was für gewöhnlich die Geschichte der Armenier genannt wird. Wir wissen, dass es wahr ist, weil es das Produkt logisch durchdachter historischer Analyse und nicht der Ideologie ist. Um dies zu begreifen, müssen wir den Unterschied zwischen Geschichte und Ideologie, zwischen Historikern und Ideologen, näher betrachten. Für den Historiker ist der Versuch der objektiven Wahrheitsfindung von Bedeutung. Für den nationalistischen Ideologen ist der Sieg seiner Sache von Bedeutung. Ein korrekter Historiker sucht zuerst nach Beweisen und bildet sich dann eine Meinung. Ein Ideologe bildet sich zuerst eine Meinung und sucht dann nach Beweisen. Ein Historiker sucht nach dem historischen Kontext. Er beurteilt insbesondere die Glaubwürdigkeit von Zeugen. Er beurteilt, ob diejenigen, die berichtet haben, Grund zur Lüge hatten. Ein Ideologe nimmt Beweise auf, wo immer er sie finden kann und kann auch mal Beweise erfinden, die nicht zu finden sind. Er betrachtet die Beweise nicht allzu gründlich, vielleicht, weil er sich vor dem, was er finden wird, fürchtet. Beispielsweise behaupten die Ideologen, dass die Prozesse gegen die osmanische Führung nach dem Ersten Weltkrieg die Schuld der Türken für den Völkermord beweisen. Sie erwähnen dabei nicht, dass die Urteile in sogenannten Prozessen gefällt wurden, als sich Istanbul unter britischer Kontrolle befand. Sie erwähnen nicht, dass sich die Gerichte in den Händen der Regierung des Kollaborateurs Damad Ferid Paşa befanden, die für seine Lügen gegen ihre Feinde, das Komitee für Einheit und Fortschritt, bekannt war. Sie erwähnen nicht, dass Damad Ferid alles dafür tun würde, um den Briten gefällig zu sein und seine Stelle zu behalten. Sie erwähnen nicht, dass die Briten, ehrlicher als ihre Lakaien, einräumten, keine Beweise für einen „Völkermord“ finden zu können. Sie erwähnen nicht, dass die Angeklagten nicht durch ihre eigenen Anwälte vertreten wurden. Sie erwähnen nicht, dass die Verbrechen an den Armeniern nur ein Bruchteil einer langen Liste von sogenannten Verbrechen waren, die die Richter alle erfinden konnten. Die Ideologen erwähnen auch nicht, dass die Gerichte am besten mit denen Josef Stalins verglichen werden sollten. Die Ideologen erwähnen diese Beweise nicht. Ein Historiker deckt zuerst auf, was geschah, und versucht dann die Gründe zu erläutern. Ein Ideologe vergisst den Prozess des Aufdeckens. Er geht davon aus, dass das, was er glaubt, wahr ist und stellt dann eine Theorie auf, um dies zu erläutern. Die Arbeit von Dr. Tamer Akçam ist dafür ein Beispiel. Er akzeptiert zunächst vollständig die Überzeugung der armenischen Nationalisten. Dann stellt er eine komplizierte soziologische Theorie auf, in dem er behauptet, dass der Völkermord das Ergebnis der türkischen Geschichte und des türkischen Charakters sei. Diese Art der Analyse ist wie ein Haus, das auf einem Grund aus Sand errichtet wurde. Das Haus sieht gut aus, aber beim ersten starken Windstoß fällt es zusammen. In diesem Fall ist der starke Windstoß, der die Theorie zerstört, die Kraft der Wahrheit. Ein Historiker weiß, dass, um die Ursachen für Ereignisse zu finden, in der Geschichte zurückgeblickt werden muss, manchmal weit zurück in der Geschichte. Ein Ideologe macht sich die Mühe nicht. Vielleicht fürchtet er sich wieder vor dem, was er finden wird. Liest man die armenischen Nationalisten, so ist anzunehmen, dass die Armenische Frage 1894 begonnen hat. Sehr selten ist in ihren Arbeiten zu finden, dass die gegen die Türken gerichteten Bündnisse der Armenier mit den Russen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Die Anerkennung, dass die Russen und Armenier selbst damit anfingen, den 700 Jahre währenden
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Frieden zwischen Türken und Armeniern zu zerstören, ist niemals zu finden. Das sind wichtige Sachverhalte für den Historiker, sie schaden jedoch der Sache des Ideologen. Der Historiker studiert. Der Ideologe führt einen politischen Krieg. Von Beginn an war die Armenische Frage eine politische Kampagne. Die Materialien, die benutzt wurden, um die lange Zeit anerkannte und falsche Geschichte der Armenischen Frage zu schreiben, waren als politische Dokumente verfasst worden. Sie waren für einen politischen Erfolg verfasst worden. Seien es Artikel in der Zeitung der Daschnaken oder falsche Dokumente, die vom britischen Propagandabüro erstellt wurden, sie waren Propaganda, nicht Quellen der korrekten Geschichte. Historiker haben alle diese sogenannten „historischen Quellen“ untersucht und verworfen. Dennoch tauchen dieselben Unwahrheiten ständig als Beweise für den Völkermord an den Armeniern auf. Die Lügen existieren nun schon so lange und wurden so oft wiederholt, dass diejenigen, die die wahre Geschichte nicht kennen, annehmen, dass die Lügen stimmen. Nicht nur Amerikaner und Europäer wurden getäuscht. Ich habe jüngst ein zweibändiges Werk eines türkischen Wissenschaftlers gelesen. Das meiste, was über die Armenier erscheint, ist vollkommen unsinnig. Zum Beispiel entdeckten osmanische Beamte 1908 in der Stadt Van ein Waffenlager der Daschnaken – 2000 Gewehre, Hunderttausende Patronen, 5000 Bomben – alles zur Vorbereitung einer armenischen Revolte. Armenische Rebellen kämpften kurz gegen die osmanischen Truppen und flohen anschließend. Dieser Vorfall wird in allen diplomatischen Werken und Büchern über Van geschildert. Jedoch schreibt der Verfasser von einer Revolte von 1000 Türken (!) gegen die Regierung und erwähnt keine Rebellenwaffen. Wie konnte solch ein Fehler unterlaufen? Es lag an der Quelle. Der Verfasser entnahm alle Informationen aus der Zeitung der Daschnaken! Wir müssen einen Grundsatz bestätigen: Diejenigen, die Propaganda als Quelle benutzen, schreiben selbst Propaganda, nicht Geschichte. Zu viele Wissenschaftler, Türken wie Nichttürken, haben die Lügen der Gruppen wie der Daschnaken anerkannt und sich nicht einmal die internen Berichte der Osmanen angesehen. Wissenschaftler haben das Recht, Fehler zu machen, Wissenschaftler haben jedoch auch die Pflicht, sich alle Informationsquellen anzusehen, bevor sie schreiben. Es ist falsch, Schriften auf politische Propaganda zu stützen und die wahren Berichte der Osmanen nicht zu berücksichtigen. Die osmanische Geschichte sollte zuerst in den Akten der Osmanen gesucht werden. Warum sich bei der Geschichtsschreibung auf osmanische Archivberichte verlassen? Weil sie eine Art solider Daten sind, die die Grundlage jeder guten Geschichte bilden. Die Osmanen haben nicht für die heutigen Medien Propaganda geschrieben. Die Berichte der osmanischen Soldaten und Beamten waren keine politischen Dokumente oder Übungen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Es waren geheime interne Berichte, in denen die Verantwortlichen die Informationen an ihre Regierung weiterleiteten, die sie für richtig hielten. Sie konnten sich manchmal irren, sie waren jedoch keine Lügner. Es gibt keinen Beleg für eine vorsätzliche Irreführung in den osmanischen Akten. Vergleichen Sie diese mit der düsteren Geschichte der armenischen Nationalisten: Bevölkerungsstatistiken fälschen, Äußerungen fälschen, die Mustafa Kemal zugeschrieben werden; Talat Paschas Telegramme fälschen, Berichte im Blaubuch fälschen, Gerichtsakten missbrauchen und, am schlimmsten, die durch Armenier ermordeten Türken nicht erwähnen.
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Ich wurde um Vorschläge gebeten, was die Türken unternehmen könnten, um die falsche Geschichte zu korrigieren. Ich zögere dies zu tun, weil die Türken bereits wissen, was zu tun ist – sich den Lügen über ihre Ahnen entgegenstellen. Sie tun dies bereits und es ist ein harter Kampf: Die Vorurteile über die Türken stehen im Weg und diejenigen, die sich Ihnen entgegenstellen, besitzen politische Stärke, aber die Wahrheit ist auf ihrer Seite. Es freut mich, dass sich die Türken und das türkische Parlament vereint den Lügen über die Türken entgegenstellen. Die jüngste Vereinbarung zwischen Ministerpräsident Erdoğan und dem Oppositionsführer Baykal sind ein Beleg dafür, dass die Türken etwas unternehmen. Der Versuch der Historischen Gesellschaft, mit armenischen Wissenschaftlern zu debattieren und zu diskutieren, ist ein Beleg dafür, dass die Türken etwas unternehmen. Die zahlreichen Bücher von türkischen Wissenschaftlern zu diesem Thema, die sich im Druck befinden, belegen, dass die Türken etwas unternehmen. Leute wie Şükrü Elekdağ kämpfen für die Wahrheit. Ich und andere, die sich den Lügen lange Zeit widersetzt haben, freuen uns, dass wir nicht allein sind. In der Vergangenheit haben Wissenschaftler, auch ich, vorgeschlagen, dass sich türkische und armenische Historiker gemeinsam mit anderen Historikern, die diese Geschichte untersuchen, treffen sollten, um die Geschichte der Türken und Armenier zu erforschen und darüber zu debattieren. Ministerpräsident Erdoğan und Dr. Baykal haben die Öffnung aller Archive für eine gemeinsame Kommission zur Armenischen Frage vorgeschlagen. Genau dies sollte erfolgen. Das Wichtigste ist jedoch, dass sie erklärten, dass Historiker diese Frage regeln sollten. Sie haben gezeigt, dass die Türken vor der Wahrheit nichts zu befürchten haben. Wir können nur hoffen, dass wissenschaftliche Integrität über die Politik siegen wird und sich die armenischen Nationalisten an der Debatte beteiligen werden. Ich habe keine Hoffnung, dass sie dies tun werden. Ich habe jüngst an der Universität von Minnesota, dem Zentrum der sogenannten „Studien zum Völkermord an den Armeniern“ zwei Vorträge gehalten. Dr. Taner Akçam lehrt dort. Dr. Akçam war zu meinen Vorträgen eingeladen, er kam jedoch nicht. Tatsächlich kam kein Armenier. Stattdessen wurden alle Bekanntmachungen zum Vortrag abgerissen, so dass andere überhaupt nicht wussten, dass ich referierte. Das ist kein wissenschaftlicher Ansatz. Es ist ein politischer Ansatz. Die armenischen Nationalisten haben bestimmt, dass sie ihren politischen Kampf gewinnen werden, wenn niemand weiß, dass es eine wissenschaftliche Opposition zu ihrer Ideologie gibt. Daher werden die armenischen Nationalisten erst mit den Türken zusammenkommen, wenn die Türken zuerst erklären, dass Türken den Völkermord begangen haben. Diese werden in der amerikanischen und europäischen Presse als „türkische Wissenschaftler“ bezeichnet. Die Leser erhalten den Eindruck, einen sorgfältig gepflegten Eindruck, dass die türkischen Wissenschaftler glauben, es habe einen Völkermord gegeben. Die Leser erhalten den Eindruck, dass nur die türkische Regierung den Völkermord leugnet. Wir wissen, dass dies nicht stimmt. Jährlich erscheinen in der Türkei Bücher und Artikel, die nicht nur den „Völkermord an den Armeniern“ verneinen, sondern auch die Verfolgung der Türken durch die Armenier belegen. Konferenzen finden statt. Massengräber von unschuldigen Türken, die von armenischen Nationalisten ermordet wurden, werden gefunden. Museen und Denkmäler zum Gedenken an die verstorbenen Türken werden eingeweiht. Die Historiker, die Einsicht in die osmanischen Archive erhalten oder die türkische Bücher über die armenische Frage gelesen haben, erkennen den Begriff des Völkermords nicht an. Sie
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wissen, dass während des Krieges viele Armenier von Türken und viele Türken von Armeniern umgebracht wurden. Sie wissen, dass dies der Krieg und kein Völkermord war. Warum denken so viele in meinem Land und in Europa, dass eine kleine Gruppe von Türken, die die Überzeugung der armenischen Nationalisten anerkennt, die türkische Wissenschaft repräsentiert? Warum wird geglaubt, dass diese Türken im Namen der wahren Überzeugung der türkischen Professoren sprechen? Ein Teil des Grundes sind Vorurteile. Vorurteile gegenüber den Türken gibt es schon so lange, dass es für die Menschen leicht zu glauben ist, dass die Türken schuldig sein müssen. Ein weiterer Grund ist jedoch, dass nur wenige in Europa und Amerika wissen, dass eine wirkliche türkische Wissenschaft zu diesem Thema besteht. Derzeit werden in der Türkei ausgezeichnete Werke über die Armenische Frage verfasst. Wie Sie wissen, haben die Türken zu lange die Geschichte der Türken und Armenier nicht untersucht. Das hat sich nun geändert. Jeder, der ein modernes Werk über die Armenische Frage gesehen hat, ist beeindruckt. Die Historische Gesellschaft hat dabei, so wie es sein sollte, die Leitung übernommen. Ich denke gewiss nicht, dass nur die Türken türkische Geschichte schreiben sollten, Türken sollten jedoch die wichtigsten Historiker der Türkei sein. Es ist ihr Land und ihre Geschichte. Das Problem besteht darin, die ausgezeichnete Geschichte, die derzeit in der Türkei geschrieben wird, und die Dokumente über die türkische Geschichte den Wissenschaftlern, den Politikern und der Öffentlichkeit in allen Ländern näher zu bringen. Das Problem ist, dass türkische Historiker natürlich auf Türkisch schreiben und Europäer und Amerikaner Türkisch nicht lesen können. Sollten diejenigen, die die Geschichte der Türkei schreiben, Türkisch lesen können? Ja, natürlich sollten sie Türkisch lesen können. Sollten sie die vielen Bücher über die türkische Geschichte, geschrieben auf Türkisch, verwenden? Ja, natürlich sollten sie dies tun. Sollten sie alle Seiten des Themas, einschließlich der türkischen Seite, verstehen, bevor sie darüber schreiben? Ja, denn dass ist die Pflicht des Wissenschaftlers. Machten sie dies immer? Nein. Speziell die meisten Bücher über den so genannten „Völkermord an den Armeniern“ beziehen sich nicht auf moderne türkische Studien. Es macht keinen Sinn zu sagen, dass dies falsch ist. Es macht keinen Sinn, Wissenschaftlern zu sagen, Türkisch zu lernen. Sie wollen oder können dies nicht tun. Um fair zu sein: es gibt es nur wenige Orte in meinem Land, wo Türkisch unterrichtet wird. Die einzige Reaktion besteht darin, dass die türkischen Bücher in andere Sprachen übersetzt werden müssen, besonders ins Englische, das überall auf der Welt verstanden wird. Ein Anfang wurde gemacht. Heute gibt es nützliche Bücher, im Original auf Türkisch, die übersetzt wurden. Dies schließt Esat Uras ausgezeichnete, nun veraltete, Geschichte, die neueste Veröffentlichung des türkischen Parlaments über die Armenische Frage, die Geschichte, erstellt vom türkischen Außenministerium, die verspätete Armenische Akte von Kâmuran Gürün, die Talat Pascha Telegramme von Orel und Yuca und weitere ein. Die Reihe der osmanischen Dokumente über die Armenische Frage, übersetzt und herausgegeben vom Generalstab, die Osmanischen Archive, die Historische Gesellschaft und das Außenministerium sind vielleicht die nützlichsten von diesen. Es gibt so viele, die hier aufzuführen wären, aber ich vermerke, dass sogar die Memoiren von Kâzim Karabekir und Ahmet Refik nicht übersetzt wurden. Alle diese Bücher sollten von einem möglichst großen Publikum gelesen werden. Sie sollten übersetzt werden.
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Und die Übersetzungen müssen die Bücher umfassen, die über andere Themen als die Armenische Frage sind. Es gibt keine sorgfältige und detaillierte Militärgeschichte des Ersten Weltkrieges im Osmanischen Reich in einer europäischen Sprache. Was vorhanden ist, ist oft falsch und nicht nur falsch in Bezug auf die Armenier. Zum Beispiel werden in allgemeinen Geschichtswerken über den Ersten Weltkrieg falsche Generäle aufgeführt und Truppen an falsche Orte bewegt und es scheint, als wird die osmanische Strategie nie verstanden. In diesen wird selten der wesentlichste Faktor im Krieg – die unglaubliche Stärke und Ausdauer der türkischen Soldaten – erwähnt. Warum ist dies im Hinblick auf die Armenische Frage von Bedeutung? Es ist wichtig, da die Gefahr durch die armenischen Rebellen und der Grund für die Deportationen der Armenier nicht verstanden werden können, sofern nicht die militärische Situation verstanden wird. Die osmanischen Quellen belegen, dass die armenischen Rebellen ein wesentlicher Teil des russischen Militärplans waren. Die osmanischen Quellen belegen, dass die armenischen Rebellen ein wichtiger Teil des russischen Sieges waren. Die osmanischen Quellen belegen, dass die armenischen Rebellen eigentlich Soldaten der russischen Armee waren. Es gibt eine Reihe von Militärgeschichtswerken, die sorgfältig die Ereignisse des osmanischen Krieges und des türkischen Unabhängigkeitskrieges darstellen – die Geschichtswerke, die vom türkischen Generalstab herausgegeben wurden – viele Bände voller Details und mit vielen Karten und Beschreibungen von osmanischen Plänen und Aktionen. Diese Bücher beruhen auf den Berichten von osmanischen Soldaten selbst, nicht nur auf den Berichten von osmanischen Feinden. Sie sollten von jedem Historiker des Ersten Weltkrieges gelesen werden. Doch diese Bücher sind auf Türkisch. Wenn sie je in Amerika und Europa verwendet werden sollen, dann müssen sie auf Englisch sein. Und es sollte viel mehr sorgfältige und redliche Bücher über die Türkei für Lehrer und Schüler in Europa und Amerika geben. Nur wenn man der Jugend die Wahrheit sagt, können die Vorurteile gegen die Türken endgültig beseitigt werden. Wir haben einen Anfang gemacht. Die Handelskammer von Istanbul hat das erste detaillierte Buch über die Türkei für amerikanische Lehrer finanziert. Viele weitere Bücher sind notwendig. Zum Schluss möchte ich noch die gegenwärtige Politik kommentieren. Einige mögen denken, dass ich dies nicht tun sollte. Ich bin kein Türke und dies ist sicherlich ein türkisches Problem. Ich bin auch kein Politikwissenschaftler oder Politiker. Ich bin Historiker. Ich spreche über dieses Problem, da es in erster Linie eine historische Frage ist. Als Historiker macht es mich wütend, wenn mein Bereich oder mein Land angewiesen wird, über seine Geschichte zu lügen. Das politische Problem, von dem ich spreche, ist der wachsende Ruf aus Europa, dass die Türkei den „Völkermord an den Armeniern“ zugeben muss, bevor sie der Europäischen Union beitreten kann. Ich bin verärgert darüber, dass jeder glauben kann, dass das Akzeptieren einer Lüge über die türkische Geschichte in irgendeiner Weise für Europa oder die Türkei von Vorteil sein wird. Ich weiß und ich glaube, sie wissen es, dass dies die Angelegenheiten verschlimmern wird. Heute verkünden die armenischen Nationalisten in den Parlamenten Europas und im Kongress der Vereinigten Staaten, dass sie nur möchten, dass die Türkei den begangenen Genozid zugibt und dass es dann in Ordnung sein wird. Ich sprach einst mit einem amerikanischen Beamten, der mir sagte, dass die Türken sagen sollten: „Ja, wir taten es, tut uns leid“ und es dann vergessen sollten. Ich fragte ihn, ob er glaubte, dass die Türken den Genozid begangen haben. Er antwortete, dass er es nicht wisse und es ihn nicht interessiere. Ich sagte ihm, dass
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die Türken nie in dieser Weise über ihre Väter und Großväter lügen würden. Er sagte mir, ich sei naiv. Doch er war naiv, da er glaubte, dass die armenischen Nationalisten mit einer Entschuldigung zufrieden sein würden.
Die armenischen Forderungen Der Plan der armenischen Nationalisten hat sich in mehr als 100 Jahren nicht verändert. Er besteht darin, ein Armenien im östlichen Anatolien und im südlichen Kaukasus ohne Rücksicht auf die Wünsche der Menschen, die dort leben, zu schaffen. Die armenischen Nationalisten haben ihren Plan ganz klar gemacht. Zuerst ist es an der Türkischen Republik zu erklären, dass es einen „Völkermord an den Armeniern“ gab und sich dafür zu entschuldigen. Zweitens sollen die Türken Reparationen zahlen. Drittens soll ein armenischer Staat geschaffen werden. Die Nationalisten sind sehr besonders im Hinblick auf die Grenzen dieses Staates. Die Landkarte, die sie sehen, basiert auf dem Programm der Daschnak-Partei und der Armenischen Republik. Sie zeigt, was die armenischen Nationalisten fordern. Die Landkarte läst auch die Bevölkerung der geforderten Gebiete in der Türkei und die Zahl der Armenier in der Welt erkennen. Wenn den Armeniern gegeben wird, was sie fordern, und wenn jeder Armenier in der Welt in das östliche Anatolien kommt, dann würde ihre Anzahl dennoch nur die Hälfte der Anzahl der türkischen Bürger, die jetzt dort leben, ausmachen. Natürlich würden die Armenier aus Kalifornien, Massachusetts und Frankreich nie in großer Zahl in das östliche Anatolien kommen. Die Bevölkerung des neuen „Armenien“ würde bestenfalls weniger als ein Viertel der Armenier betragen. Könnte solch ein Staat lang existieren? Ja, er könnte bestehen, doch nur wenn die Türken vertrieben werden. Dies war die Politik der armenischen Nationalisten im Jahr 1915. Es wird ihre Politik morgen sein. Wir sollten uns der armenischen Forderungen sehr klar sein. Ihre Forderungen beruhen nicht auf der Geschichte, da die Armenier im östlichen Anatolien nicht für mehr als 900 Jahre geherrscht haben. Ihre Forderungen beruhen nicht auf der Kultur: Bevor die Revolutionäre und die Russen allen Frieden zerstörten, teilten Armenier und Türken dieselbe Kultur. Die Armenier wurden in das osmanische System integriert und die meisten Armenier sprachen Türkisch. Sie aßen das gleiche Essen wie die Türken, sie hatten die gleiche Musik und lebten in der gleichen Art von Häusern. Die armenischen Forderungen beruhen sicherlich nicht auf dem Glauben an die Demokratie: Die Armenier waren keine Mehrheit im östlichen Anatolien für Jahrhunderte und sie würden heute eine kleine Minderheit sein. Ihre Forderungen beruhen auf ihrer nationalistischen Ideologie. Diese Ideologie ist unveränderlich. Sie war 1895 und 1915 dieselbe, wie sie 2005 ist. Sie glauben, dass es ein „Armenien“ in der östlichen Türkei geben sollte – unbesehen der Geschichte, unbesehen der Rechte der Menschen, die dort leben. Die Geschichte lehrt uns, dass die armenischen Nationalisten nicht mit ihren Forderungen aufhören werden, wenn die Türken die Wahrheit vergessen und sagen, dass es einen Völkermord an den Armeniern gab. Dies wird es nicht beenden, Erzurum und Van einzufordern, da die Türken sich für ein Verbrechen entschuldigt haben, was sie nicht begangen haben. Nein. Sie werden ihre Anstrengungen verstärken. Sie werden sagen: “Die Türken haben zugegeben, dass sie es taten. Nun müssen sie für die Verbrechen bezahlen.“ Dieselben Kritiker, die nun sagen, dass die Türken den Genozid zugeben sollen, werden sagen, dass die Türken Reparationen leisten sollen. Dann werden sie verlangen, dass die Türken Erzurum und Van und Elaziğ und Sivas und Bitlis und Trabzon an Armenien abgeben.
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Ich weiß, dass die Türken diesem Druck nicht nachgeben werden. Die Türken werden sich nicht fügen, da sie wissen, dass dies zu tun, einfach falsch wäre. Wie kann es richtig sein, Mitglied in einer Organisation zu werden, die verlangt, dass man für den Preis der Aufnahme lügt? Würde ein ehrenhafter Mann dieser Organisation beitreten, die sagt: „Du kannst uns nur beitreten, wenn du erst fälschlicherweise sagst, dass dein Vater ein Mörder war“? Ich hoffe und vertraue darauf, dass die Europäische Union die Forderungen der armenischen Nationalisten ablehnen wird. Ich hoffe, sie werden erkennen, dass die armenischen Nationalisten nicht daran interessiert sind, was das Beste für Europa ist. Was aber auch immer die Europäischen Union verlangt, ich habe Vertrauen in die Ehre der Türken. Was ich über die Türken weiß, sagt mir, dass sie nie fälschlicherweise sagen werden, dass es einen Völkermord an den Armeniern gab. Ich habe Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit der Türken. Ich weiß, dass die Türken den Forderungen widerstehen werden, ein Verbrechen zuzugeben, was sie nicht begingen, unbesehen des Preises für die Ehrlichkeit. Ich habe Vertrauen in die Integrität der Türken. Ich weiß, dass die Türken in Bezug auf diese Geschichte nicht lügen werden. Ich weiß, dass die Türken nie sagen werden, ihre Väter waren Mörder. Ich habe Vertrauen in die Türken.
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