Die Bruderschaft Im Wandel Der Zeit4

  • November 2019
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Die St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft Niederdollendorf am Rhein von 1672 von Annika Hoitz 1 Allgemeines zur Historie und zum Aufbau der Bruderschaft 1.1 Woher kommt der Name der Junggesellen Bruderschaft? „Bruderschaften, in der kath. Kirche, kirchl. Vereine zur Förderung der Frömmigkeit, Nächstenliebe und des öffentl. Gottesdienstes. Vorstufen der heutigen Bruderschaften waren die frühmittelalterlichen Gebetsverbrüderungen“1 Am 20. Januar 1672 wurde unter der Leitung des Pastors Johannes Frauenberg2 mit 14 Mitgliedern in Niederdollendorf die St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft gegründet. Die Namensgebung der Niederdollendorfer Bruderschaft entstand durch die Sebastianusverehrung3, welche im Mittelalter oft und weit verbreitet war. Sebastian4 war ein Soldat, der als Leibwache des römischen Kaisers Carinus im 4. Jahrhundert, während der diokletianischen5 Verfolgung, fungierte. Seine christliche Religionsauffassung blieb zunächst unerkannt, so dass er seinen Einfluss und seine Stellung nutzte, um seine gefangenen Glaubensbrüder zu unterstützen. Zahlreiche Christen verdanken ihren festen Glauben dem Tatendrang Sebastians, wenn er auch aufgrund seiner Rangstellung nur im Verborgenen handeln konnte. Schließlich wurde sein Tun erkannt und als er nicht bereit war, sich vom Christentum abzuwenden, den mauretanischen Bogenschützen übergeben. Diese schossen mit Pfeilen auf ihn, bis er wie tot am Boden lag. Sebastian jedoch war nicht tot und wurde von einer alten Witwe gepflegt, die eigentlich vor gehabt hatte, ihn zu beerdigen. Sobald Sebastian wieder gesund war, stellte er sich dem Kaiser in den Weg und beschwerte sich über die ungerechte Behandlung der Christen. Daraufhin wurde er auf der Rennbahn durch Stockhiebe ermordet und in die römische Kloake geworfen. Später wurde er in den heute nach ihm benannten Katakomben an der Via Appia bestattet. Auf den beiden ältesten noch erhaltenen Fahnen6 von 1886 und 1889 der Bruderschaft Niederdollendorf wird Sebastian in seiner ersten Folterung und der Erschießung mit Pfeilen, dargestellt. Die Leute hatten früher eine besondere Vorstellung: Die Pfeile durchschwirren die Luft genauso lautlos und unausweichlich wie die Pest7 ihre Spur hinterlässt. Seit je her gilt Sebastian als Vertreiber der Pest. Da die Pest im 17. Jahrhundert wiederholt in den Rheingegenden wütete, nahmen viele Bruderschaften, wie die in Königswinter (1604), Oberdollendorf (1659) und Niederdollendorf (1672), dies als Motiv zur Sebastianverehrung, um sich vor der Pest zu schützen. Es war Sitte einen Heiligen zu verehren, dessen „[...] Lebensgeschichte eine besondere Nähe zur durchlebten zeitlichen Not zu haben schien[...]8.“ Ein anderer Grund, der die Bruderschaften dazu veranlasste, Sebastian als Schutzpatron zu wählen, war die Tatsache, dass Sebastian als himmlischer Beschützer bei kriegerischen Übungen galt, welches in der Zeit der konfessionellen Auseinandersetzungen, während des Dreißigjährigen Krieges eine sehr wichtige Rolle spielte. In der heutigen Zeit soll Sebastian uns an unseren Glauben erinnern. In einer Spaß-Gesellschaft, wie der heutigen, sollen wir uns nicht für unsere Religion schämen, sondern Sebastian als Vorbild nehmen, zu unserer Religion zu stehen. Wesenserklärung der Niederdollendorfer Bruderschaft 1.2 In den frühen Anfängen der St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft kamen den Mitgliedern religiöse, kulturelle, ja sogar soziale Aufgaben innerhalb der

kleinen Dorfgemeinschaft zu. Dieses findet man in der alten Satzung9 von 1672 an einigen Stellen wieder. Am Beispiel wird in Paragraph 15 formuliert, dass im Falle des Todes eines Mitbruders, die anderen die Pflicht hätten, der Beerdigung beizuwohnen, sowie die Totenwache zu halten, als auch das Ausheben des Grabes ihre Aufgabe wäre. An diesem Beispiel sieht man die ehemalige Funktion der Bruderschaft, die mit der heutigen Caritas Vgl.bar ist. Anhand des jährlichen Pfarrpatronatsfestes, am 29. September, der Kirmes, wird die Verflechtung der Kirche mit dem geselligen und kultischen Leben deutlich, welche zur Zeit der Gründung ohnehin in jedem Bereich des Lebens eine große Rolle spielte. So kommt zum Wesenzug der frommen Heiligenverehrung und der sozialen Funktion, ein weiteres Wesenselement hinzu. Überhaupt war es nicht unüblich, kirchliche Anlässe oder ernste Feiern in lustigen Festen ausklingen zu lassen, so dass die festlichen Aufzüge der Bruderschaft entstanden. So entwickelte sich allmählich die Kirmes, bei der sich die Schützenbräuche in besonderer Art der Sebastianer und die Festbräuche des kirchlichen Pfarrpatronatsfestes10 vermischten. Ähnlich kam es dann auch später zur Jaasse-Kirmes am Fronleichnamstag. Während des Dreißigjährigen Krieges wird religiöser Fanatismus12 deutlich. Die Brüder begleiteten öffentliche Prozessionen mit Waffen und waren bereit für ihren Glauben zu kämpfen. Durch diese Gepflogenheit, mit Gewehren Prozessionen zu schützen, bekam die Bruderschaft bereits vom Anbeginn gewisse Züge einer Schützengilde. Auch wenn die Sebastianer, durch ihr Brauchtum, nach außen hin einem Schützenverein ähneln, ist die Bruderschaft Träger heimatlichen Brauchtums, kein Kirmesverein. Der Unterschied wird auch an den Uniformen13 deutlich. Im Gegensatz zu den grünen Anzügen der Schützengilde, die mit Plaketten und Anstecknadeln verziert sind, tragen die Niederdollendorfer Sebastianer knielange, schwarze Männerröcke, die einem Frack sehr ähneln. Dazu gehören schwarze Bonapartehüte mit schwarz-weißen Federbüschen. Die Uniformen der einzelnen Posten, wie zum Beispiel König, Hauptmann, Begleiter oder Brudermeister, unterscheiden sich insbesondere in den Feldbinden mit Säbeln oder Hirschfängern, sowie den Gewehren und Hüten. Ein besonderer Schützenbrauch bei den Sebastianern ist das Vogelschießen14. Hierbei schießen die unverheirateten Männer auf den Vogel um die Königswürde zu erlangen und ein Jahr lang, oder bis zum nächsten Schießen, Vorstand und Oberhaupt des Vereines zu sein, um die Ortsjugend zusammenzuhalten und die Tradition des Ortes weiterzuführen. Die Könige werden seit je her mit Nummern durchgezählt und tragen ein, mit ihrem Namen eingraviertes, silbernes Schild15. Der König wählt sich unter den Mädchen des Dorfes eine Königin und zwei Begleiterpaare. Dieses Gefolge, bei den Sebastianern in der Volkssprache ‚Jelöösch’-Gelage- genannt, repräsentiert an den Festzügen und an den Festen das Dorf. Schon seit 181716 wurde in den alten Bruderbüchern ein besonderer Tanz dem Königspaar zugesprochen. Der so genannte „Schottisch“17 wurde, während der französischen Besetzung Deutschlands nach der Französischen Revolution, durch den ‚Contredanse’ (= Gegeneinander-Tanz) verändert und auf dem Lande bis in die heutige Zeit beibehalten und weitergegeben. Ein letztes Element der Bruderschaft ist das Junggesellentum. Alle Dorfsjungen mussten viele Jahrhunderte bei Erlangen eines gewissen Alters, egal ob reich oder arm, der Bruderschaft beitreten, um an die Tradition der Familie und des Heimatortes anzuknüpfen. Zu einer der größten Überlieferungen gehört das Fahneschwenken18. Fahnen wurden schon früher als „[...]Kampf -, Sieges - und Herrschaftssymbole19[...]“ angesehen. Heut zu Tage steht die Fahne für die Mitglieder als ein Symbol der Zusammengehörigkeit und Einheit ihrer

Gemeinschaft, welches man an der Tatsache erklären kann, dass die Fahne zur Ehrung einer Person geschwenkt wird, wie zum Beispiel zur Krönung des Königs, zu Hochzeiten ehemaliger Mitglieder oder zur Freude der Menschen im Dorf bei den Festzügen. Somit stellt der Fähnrich auch eine wichtige Person des Dorfes dar. Niederdollendorf ist einer der wenigen Vereine, der eine 1,80m bis 2m (im Quadrat) große Fahne trägt, im Gegensatz zu den Fähndelvereinen. Die Reihenfolge der einzelnen Formen, die geschwenkt werden, erlernen die Fähnriche von erfahrenen anderen Fähnrichen. Eine besondere Ehre für einen Fähnrich ist das Fahneschwenken bei der Krönung. Die Krönung findet immer auf dem alten Marktplatz vor der Kirche statt, bei welcher, der ehemalige König seine Königskette und den Hut dem neuen König weitergibt. Bei dieser Veranstaltung, die einen der bewegendsten Momente im Bruderschaftskalender darstellt, wird das bekannte Lied „Tochter Zion“ gespielt. Der Niederdollendorfer St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft kommt durch die Vielfalt der verschiedenen Wesenzüge und eines ganz eigenen Aufbaus eine Sonderstellung zu, die außer bei den benachbarten Bruderschaften in Königswinter, Oberdollendorf und Oberkassel, kaum in Deutschland zu finden ist. 1.3 Schlussfolgerung und Intention der Bruderschaft Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bruderschaft in ihrem Ursprung einer karitativen Betgemeinschaft entstammt. Zum Zweiten, kommen die Bestandteile des mittelalterlichen Schützenwesens hinzu, welche aus dem Schutzbedürfnis der nachreformatorischen Zeit entsprang. Endlich und drittens ist die Bruderschaft Träger des alten Junggesellenbrauchtums mit der Verflechtung eigener Sitten und Bräuche, die zum Teil aus den Rheingebieten kommen. Dergestalt lässt sich die Bruderschaft als eine Verschmelzung dreier verschiedener Vereinstypen charakterisieren. In der ersten Ordnung20 vom 20. Januar.1672, dem Gründungstag, steht die folgende Aussage: „[...]Zu Gottes Ehr und der Gemeind Nutz[...]21“, welche die Intention der Bruderschaft sehr gut wiedergibt. Im Vordergrund stand von Anfang an, neben der besonderen Verehrung und Aufrufung des heiligen Sebastian, das Einsetzen füreinander und Zusammenleben in christlicher Nächstenliebe, gerade während der verheerenden Pestepidemien und der unruhigen Zeit nach dem Dreißigjährigem Krieg. Auch heute noch lautet das Motto22 der Junggesellen, in Gemeinschaft füreinander da zu sein, altes Brauchtum zu pflegen, sowie natürlich auch gemeinsam zu feiern und fröhlich zu sein. 2. Die St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft Ndd im Dritten Reich 2.1 Überblick über die Entwicklung Deutschlands durch Hitler Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler23, der Führer der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), zum Reichskanzler ernannt. Bereits fünf Wochen später befreit sich Hitler mit dem ‚Ermächtigungsgesetz’ von allen Bedingungen an die Weimarer Verfassung und von der parlamentarischen Kontrolle. Es folgt das Verbot der politischen Parteien, die NSDAP wird Staatspartei des Dritten Reiches. Sie und ihre Organisationen übernehmen und bestimmen von nun an das gesamte politische, wirtschaftliche, und kulturelle Leben im Staat. Die nationalsozialistisch kontrollierte Polizei, SA und SS, sind die Instrumente, mit denen die Partei ihre Herrschaft sichert. Die seit Bismarcks Reichsgründung bestehende bundesstaatliche Struktur des Deutschen Reiches wird durch Auflösung der Länderparlamente und Beseitigung der Selbstverwaltung der Gemeinden in eine einheitsstaatliche umgewandelt. Die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisatoren werden ‚gleichgeschaltet’.

2.2 Auswirkungen dieser Entwicklung auf die St. Sebastianus Junggesellen-Bruderschaft Niederdollendorf Auch die St. Sebastians Junggesellen-Bruderschaft zu Niederdollendorf sah in der Zeit vom 1933 bis 1945 ihr Wirken durch verdeckte Schikanen24, offene Drohungen und Unterdrückungen behindert oder gar unmöglich gemacht. Ihre Mitglieder mussten teilweise Benachteiligungen im beruflichen und öffentlichen Leben bis hin zu persönlich erfahrenem Leid durch Unfreiheit und besonders den Krieg erdulden. Zu der vorgeschriebenen ‚Gleichschaltung’ gehört die gezielt betriebene Auflösung konfessioneller Verbände, so auch der katholischen Bruderschaften25. Bei der Niederdollendorfer JunggesellenBruderschaft blieb aber vorerst alles beim alten. Im Jahre 1933 konnten alle gewohnten Veranstaltungen26, kirchlicher und weltlicher Art, durchgeführt werden. Die Bruderschaft beteiligt sich auf Anordnung der Behörden durch eine Fahnenabordnung an der Feier des Heldengedenktages in Oberkassel. Hiezu nimmt Berswordt die Aussage eines Zeitzeugen in seinem Buch auf, welche lautet:„Wie grotesk sah es aus: Die Fahne mit einem Heilligen Sebastian zwischen den roten Lappen.“27An dieser Aussage erkennt man deutlich, wie weit die NSDAP ihre Macht bereits 1933 ausgebreitet hat. Im Jahre 1935 wird die NSDAP auf die Niederdollendorfer Bruderschaft aufmerksam und versucht die Bruderschaft aufzulösen. Das Aufstellen des Maibaumes, eine Tradition der Bruderschaft, wurde mit Ausnahme von 1935 von den NS-Organisationen vorgenommen. „In der Nacht nach Fronleichnam wurde der ‚Partei-Maibaum’ so angesägt, dass er bei einem Windstoß umkippte28.“ Sofort lenkte man in der Öffentlichkeit den Verdacht auf einen ‚Racheakt’ durch die Bruderschaft. Auch versuchte, die Staatspartei, der Bruderschaft eine Wahl zur Maikönigin29 aufzudrängen, welche die Bruderschaft aber ablehnte, da es nicht zu ihrem Brauchtum gehöre. Anlässlich der Fronleichnamprozession 1935 wurde der Musikkapelle30, seitens der Behörde verboten, bei der Prozession die Sakramentslieder zu spielen. Die Instrumente der Kapelle, die Eigentum des Pfarrers Lersch waren, wurden von der NSDAP beschlagnahmt und verschleppt. 2.3 Die Zeit des Passiven Widerstandes nach dem Vereinsverbot der Sebastianer Nun begann die Zeit des passiven Widerstandes. Bei kirchlichen Festen, wie Sebastianustag, Fronleichnam und sonstigen Veranstaltungen im Bezirk der Pfarrkirche, war die Bruderschaft zur Stelle. Vorladungen zu polizeilichen Verhören gab es nicht selten. Unannehmlichkeiten wurden getragen und mussten hingenommen werden. Dieser und jener verließ, unter den verschiedensten Vorwänden, ängstlich die Reihen der Bruderschaft, aber es kamen auch immer wieder neue Mitglieder hinzu. Am 06. August 1935 geht folgendes Schreiben des Amtbürgermeisters Oberkassel bei der Bruderschaft ein, mit welchem die Bruderschaft verboten wurde: „Der Herr Reichs- und Preuß. Minister des Innern hat durch Erlaß vom 12. Mai 1935 III P 3712/9 angeordnet, daß rein weltliche Feiern der konfessionellen Verbände und Vereine in Zukunft zu verbieten sind, da sie mit Religion nichts zu tun haben. In der Besprechung haben Sie erklärt, daß die Junggesellen-Schützenbruderschaften ein konfessioneller Verein ist. Demnach verbiete ich, daß anlässlich der Kirmes die Junggesellenschützenbruderschaft im geschlossenen Zuge auftritt sowie sonstige Veranstaltungen in der Öffentlichkeit unternimmt. Sollten Sie mir jedoch Nachweis erbringen, daß der Junggesellen Schützenbruderschaft der Charakter eines konfessionellen Vereins genommen worden ist, so bestehen keine Bedenken, daß der nunmehr weltliche Verein auch weltliche Feiern veranstaltet.“31 Diesem widerstand die Bruderschaft kirchentreu und beharrlich, so dass sie nun mehr ihre Kirmesveranstaltungen nicht mehr in althergebrachter Weise feiern durfte. Lediglich die kirchlichen Veranstaltungen fanden in gewohnter Weise mit Hochamt und Prozession statt. Doch auch hierzu wurde versucht die Traditionen im Dorfsleben zu stören. So war

die Sakramentsprozession am Feste des Pfarrpatrons St. Michael schon vorbereitet, als am Morgen des Tages ein Telefonanruf ins Pfarrhaus kam:„Wenn die Bruderschaft sich mit ihrer Tracht und ihren Fahnen an der Prozession beteiligen sollte, werde die SA32 Störungen vornehmen“, hieß es dort. Die Bruderschaft begleitete daher die Prozession in schwarzen Anzügen. Der angekündigte Störversuch blieb aus. Im Monat Oktober wurde dem Ersten Brudermeister Willy Mirbach33 im Hinblick auf seine Beamtenlaufbahn seitens der Behörde ‚nahe gelegt’, sein Brudermeistersamt aufzugeben. Diesem eigentlichen Verbot kam er nach, wirkte jedoch im Stillen weiter. Bei Versammlungen der Bruderschaft im Pfarrheim tauchten nun des Öfteren Parteibeobachter oder die Staatspolizei auf. War dies der Fall, so funktionierte Pfarrer Lersch die Versammlung kurzerhand in eine Gebetsstunde um, bei der besonders ‚für die Sünder die unter uns weilen’ gebetet wurde. Diese Begebenheiten sind nicht in den Bruderschaftsaufzeichnungen festgehalten, denn Vorsicht war überall geboten. An den folgenden Zitaten aus dem Bruderbuch im Jahre 1936 lässt sich der starke Wille und die Einheit der Bruderschaft festmachen. Egal, ob ihre Tätigkeiten eingeschränkt oder verboten wurden, sie wollten nicht aufhören ihren Verein über die schreckliche Zeit hinweg zu erhalten. Anlässlich des Sebastianustages im Januar 1936 untersagten die Behörden das Böllerschießen. Das Bruderbuch vermerkt: „Aber nichtsdestoweniger beierten die Glocken am frühen Morgen ihr altes Lied über die Dächer unseres Heimatortes, und gaben aller Welt bekannt, daß die Bruderschaft des hl. Sebastianus noch da ist und gewillt ist, ihren Festtag in althergebrachter Weise zu begehen.“34 Die abendliche Jahreshauptversammlung im Bahnhofsrestaurant stand unter Polizeiaufsicht. 14 neue Brüder wurden in diesem Jahr dennoch aufgenommen. „Dieser Zuwachs... bewies, daß die Bruderschaft nochnicht auf dem Aussterbeetat steht35.“ Weiter im Bruderbuch: „Unter Zusimmung aller Brüder soll die Bruderschaftdas bleiben, als was sie vor über 260 Jahren ins Leben gerufen wurde, das heißt: Alle Sitten und Gebräuche, die von altersher in der Bruderschaft gepflegt werden, mögen sie kirchlich oder außerkirchlich sich gestalten, werden unter dem Namen „Sankt Sebastianus Junggesellen Bruderschaft“ veranstaltet. [...] Also eine Trennung von der Kirche ist ausgeschlossen, auch wenn dadurch der Bruderschaft das außerkirchliche Auftreten verboten wird.“ 36 In der Mitte37 des Jahres 1936 wurde öffentlich, dass die Kirmes von der Behörde auf den ersten Sonntag im August übertragen wurde. Der Oberbürgermeister trat zwecks Abhaltung des Schützenfestes an die Bruderschaft heran. Nach vorausgegangenem Geplänkel mit den lokalen „NS Gewalten“ wurde der Bruderschaft dann aber zugesichert, dass alles beim Alten bleiben solle. So fand dann die letzte Kirmesveranstaltung für die nächsten zehn Jahre statt. Ein großer Teil der Bruderschaft konnte sich mit der Kirmesverlegung nicht abfinden. Zu dieser Zeit fiel auf, dass einige Verbote wieder gestattet oder zumindest nicht mehr kontrolliert wurden, wie z. B. das untersagte Böllerschießen bei den Prozessionen. Der frühere Bettelgang38,in den 20er Jahren eingeführt und 1935 verboten, wurde durch eine Abendandacht mit Kollekte für die Bedürftigen der Gemeinde am Vorabend des Sebastianustages 1937 ersetzt. Die Sammlung übertraf, wie in den folgenden Jahren, immer wieder alle Erwartungen. Die, die sich in diesen Jahren um die Bruderschaft besonders verdient gemacht hatten, wurden 1938 zu Ehrenmitgliedern39 ernannt. Ab dem 3. Januar 1938 bis zum 20. Januar 1940 übernahm der Präses40, Pfarrer Wilhelm Lersch, neben seiner nicht leichten seelsorgerischen Arbeit, auch noch das Amt des ersten Brudermeisters. Unter dem 19. Januar 1939 heißt es im Bruderbuch: „So hat auch das vergangene Jahr der Bruderschaft nichts anhaben können, und die hat es gut überstanden. Sorgen wir und die nach uns kommen dafür, daß sie alle nächstfolgenden Jahre gut überstehen kann. Halten wir unsere Fahne hoch, wie es unsere Väter und Großväter getan.41“ Und weiter: ( 1938)

„ Wir sind keine Halme, die knicken, Auch keine Esel, die nicken, Ebenso keine Wetterfahne auf dem Giebel Weinen auch nicht nach jeder Zwiebel, Sind auch kein Wurm, der auf der Erde kriegt, Wenn auch mal einer abseits biegt. Manch Blatt der Sturm vom Baume fegt, Der Stamm sich trotz und dem nicht wegt. Halten wir fest am guten alten, Der Bruderschaft die Treue halten. Treu zu Gott und unserem Vaterland, St. Sebastian halt über uns deine schützende Hand.“42 In diesem Gedicht lassen sich gut einige Eigenschaften der Brüder, der damaligen Zeit zeigen: - Sie gaben nie auf (Vers 1) - Sie unterwarfen sich nicht (Vers 2) - Sie hielten an ihren Gedanken fest (Vers 3 und Vers 9-12) - Sie sind stark durch Einheit (Vers 4 und Vers 8) - Sie tolerieren, aufgrund der Zustände in dieser Zeit, diejenigen, die die Bruderschaft verlassen, weil sie Angst haben 43(Vers 5-7) 2.4 Die Zeit während des Zweiten Weltkriegs Am 1. September 1939 begann der zweite Weltkrieg. Die Reihen der Bruderschaft lichteten sich. Den Brüdern draußen schickten die Daheimgebliebenen kleine Liebesgaben als Grüße aus der Heimat. Dies unterstützte vor allem Pfarrer Lersch, der in der gesamten Zeit für den Zusammenhalt der Bruderschaft kämpfte. In einem seiner Rundbriefe44 an heimatliche Soldaten erkennt man deutlich, dass er versucht, die Brüder durch Gedanken an Heimat, Religion, ihre Verwandten und das Dorfsleben zu stärken und ihnen zu zeigen, dass man an sie denkt. Besonders seitdem der Bruderschaft die außerkirchlichen Veranstaltungen von behördlicher Seite versagt wurden, viele Brudervereine ins Wanken gerieten, von der Kirche Abstand nahmen oder ihre Tätigkeiten einstellten, hielt er im Verein mit dem Vorstand die Brüder zusammen. Am 28. Oktober 1941 trug die Bruderschaft ihren Pfarrer Lersch zu Grabe. Das Bruderbuch bemerkt: „ Am 23. Oktober(1941) nachmittags 6 Uhr nahm der Herr über Leben und Tod seinen treuen Hirten zu sich in sein ewiges Reich nach achtzehnjährigem heilsamen Wirken in unserer Pfarrgemeinde. Die Pfarre von St. Michael verlor in ihm einen überaus pflichtreuen und opferbereiten Priester, einen Vater der Notleidenden und Armen, Tröster der Kranken und Schwachen, die katholische Jugend einen zielbewußten Führer und Kämpfer, die Kinder einen liebevollen Lehrer. Alle, die ihn gekannt, sahen in ihm einen Seelenführer und Priester nach dem Herzen Gottes.“45 Am 25. Januar 1942 wurde Pfarrer Heinrich Westermann in sein Amt als Pfarrer von Niederdollendorf eingeführt. 46 Im Laufe der Kriegszeit sind alle Mitglieder, bis auf fünf, von denen drei noch ganz junge Mitglieder waren, zu Kriegs- bzw. Arbeitsdienst eingezogen worden. Dieses Häuflein Getreuer, unterstützt von ehemaligen Königen, Königinnen, Brudermeistern und Ehrenmitgliedern, sorgte noch für die Sicherstellung von Bruderschaftseigentum im Luftschutzkeller des Brederhofes. Diese Handvoll Sebastianer traf sich am Sebastianustag, zu Fronleichnam, zum Pfarrpatronatsfest und wo und wann immer es möglich war, um etwas vom Bruderschaftsleben aufrecht zu erhalten. Daran änderten auch die Amerikaner nichts, die am 18. März 1945 nach Niederdollendorf einzogen und damit den Krieg für Niederdollendorf beendeten.47

2.5 Das Jahr nach dem Weltkrieg Das Bruderschaftsbuch 1945: „ Am 2 ten Mai war nun der zweite Weltkrieg zu Ende. Millionen Tote, Kranke und Krüppel und Deutschland ein Trümmerfeld, das war die traurige Hinterlassenschaft eines dutzendjährigen Reiches.“ 48 Im Laufe der Zeit kamen auch die Mitbrüder aus der Gefangenschaft49 und dem Krieg wieder nach Hause. Im Dezember 1945 fand auch eine erste Versammlung nach dem Krieg statt, um über das Schicksal der Bruderschaft zu bestimmen. Das Bruderbuch führt 1946 weiter aus: „ Anläßlich unserer zum Teil wiedererlangter Freiheit soll dieser Tag festlicher denn je begangen werden.[...]Durch den Erlaß des damaligen preussischen Innenministers vom 12. Mai 1935 wurde der Bruderschaft durch den damaligen Bürgermeister ab 6. August 1935 das öffentliche Auftreten bei weltlichen Feiern verboten. Nach dem Sturz der Nazidiktatur wurde wie vieles andere, auch dieses Verbot hinfällig. Anläßlich des ersten öffentlichen Auftretens nach einer 10 jährigen Verbannungszeit hinter die Kirchenmauern wird nach der Gefallenenehrung zu Ehren der Gemeinde die Fahne geschwenkt [...] Unsere Bruderschaft wird nun nach diesem Kriege sich der alten Ideale und Ziele voll und ganz bewußt sein. Jahrhunderte überlieferte Tradition sollen in der Bruderschaft wie früher ihre Heimstätte finden. Christ-katholische Gesinnung und caritative Tätigkeit sollen besonders in dieser unserer bevorstehenden Zeit als Erstes im Vordergrund stehen. Unsere Bruderschaft, die Notzeiten ihr Entstehen verdankt, wird auch die kommenden Zeit überstehen wie sie vieles andere überstanden und überdauert hat. An dieser Stelle dankt die Bruderschaft auch allen, die in der Zeit von 1935-1939, den Jahren der Bedrängnis, treu zur Sache der Bruderschaft standen, viele Unannehmlichkeiten einstecken mußten und allen Gewalten zum Trotz zur Fahne des heiligen Sebastianus hielten. Auch allen, die in den Kriegsjahren an der Spitze der Bruderschaft standen, sei hiermit gedankt, daß sie es fertig gebracht haben, das Bruderschaftsschifflein durch alle Klippen und Fährnisse zu steuern. Dadurch ist der Beweis erbracht, daß der Sebastianusgeist nicht erlahmte, im Gegenteil sich bis auf den heutigen Tag erhalten und behaupten konnte. Möge nun dieser Geist sich weiter entfalten zum Wohle und zum Segen der katholischen Jugend unserer rheinischen Heimat, zur Freude und Erbauuung aller Niederdollendorfer.“50 Im Sinne dieser Worte bekommen wir einerseits einen Überblick über die immense Bedeutung der Bruderschaft in den Jahren 1935 bis 1945 und andererseits erkennen wir, dass diese Jahre heute als fordernder Ansporn für die weitere Sicherung der Zukunft der Bruderschaft in unserer Zeit gelten.

Quellenangaben: 1 Zitat Brockhaus Enzyklopädie Band 4 S.45 2 Vgl. Lektüre Heinz-Friedrich Berswordt S.14 f 3 Vgl. Berswordt S. 11 f 4 Vgl. Berswordt S. 12; 161, Vgl. www.bruderschaft-ndd.de 5 Diocletian: röm. Kaiser, befahl Christenverfolgung um 303/304 Vgl. office.wissen.de 1.0 6 Vgl. Berswordt S. 159f f; 164 f 7 Vgl. Berswordt S. 12 f 8 Zitat Berswordt S. 11 9 Vgl. Berswordt S. 15ff insbesondere Paragraph 15 10 Informationen aus einem Gespräch mit einem Vereinsmitglied 12 Vgl. Berswordt S. 14; 18 Paragraph 12 13 Vgl. Berswordt S. 177 14 Vgl. Berswordt S. 19 ff; S. 45 15 Im Jahr 2004 wird um die 120. Königswürde geschossen 16 Vgl. Berswordt S. 174 17 Schottisch = „[...] Reigentanz in gemessenen Tripeltakt[...] “, Definition von Berswordt S. 174 18 Vgl. Berswordt S. 159 ff; eigene Erfahrungen als Mitglied 19 Zitat Berswordt S. 159 20 Vgl. Berswordt Satzung S. 16 21 Zitat Satzungen Bruderbuch S.4 Punkt 12 22 Vgl. www.bruderschaft-ndd.de 23 Vgl. Geschichte und Geschehen II Kapitel IX Die Diktatur des Nationalsozialismus S.316 ff 24 Vgl. Berswordt S. 80- 110 und Bruderbuch ab dem Jahr 1933 S. 131 25 Männerbruderschaft, wurde aufgelöst. 26 Vgl. Bruderbuch Jahresbericht 1933 S.131 27 Zitat Berswordt S. 87 28 Zitat Berswordt S. 87 f / Vgl. Berswordt S. 81, Bruderbuch S. 141f und S.149f 29 Vgl. Bruderbuch S. 151 und Berswordt S.87 30 Vgl. Berswordt S.89 f 31 Vgl. Berswordt S.95 und Bruderbuch ( das Original) S. 156 32 Zitat Berswordt S 95 33 Vgl. Bruderbuch S. 157 34 Zitat Bruderbuch S. 160 35 Zitat Bruderbuch S. 161 und Berswordt S. 96 36 Zitat Bruderbuch S. 162 37 Vgl. Bruderbuch S. 163 38 Vgl. Bruderbuch S. 84 39 Vgl. Berswordt S. 96 40 Vgl. Bruderbuch S. 176 41 Zitat Bruderbuch S. 182 42 Zitat Bruderbuch S. 183 43 Vgl. Berswordt S.96 44 Vgl. Lektüre Erinnerungen Teil 2 S. 169 ff 45 Zitat Bruderbuch S. 204 46 Vgl. Bruderbuch S. 207 47 Vgl. Bruderbuch S. 222 48 Zitat Bruderbuch S. 222 49 Vgl. Bruderbuch S. 222 f 50 Zitat Bruderbuch S. 224 ff

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